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Dienstag, 23. März 2021
EMA zum AstraZeneca-Vakzin: Vorteile überwiegen mögliche Risiken, Impfungen werden fortgesetzt ? was deutsche Ärzte dazu sagen
che2001, 11:55h
Michael van den Heuvel, Medscape
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat bei seiner außerordentlichen Sitzung am 18. März 2021 Ergebnisse seiner vorläufigen Überprüfung von Sicherheitssignalen des COVID-19-Impfstoffs von AstraZeneca vorgestellt [1]. Auslöser waren Berichte über thromboembolische Ereignisse aus mehreren EU-Mitgliedsstaaten.
?Das Komitee ist zu einer klaren, wissenschaftlichen Schlussfolgerung gekommen?, sagte Emer Cooke, EMA Executive Director, bei einem virtuellen Press Briefing. Beim AstraZeneca-Impfstoff handele es sich um ?ein sicheres und wirksames Vakzin?, das Patienten vor COVID-19-Risiken wie der Hospitalisierung oder dem Tod schütze. ?Das Komitee kam ebenfalls zu dem Schluss, dass das Vakzin nicht mit einem insgesamt erhöhten Risiko thromboembolischer Ereignisse assoziiert ist?, ergänzt Cooke.
Während der Untersuchung habe man ?eine kleine Zahl schwerwiegender Ereignisse? gesehen. Nach der Auswertung aller Daten könne eine Verbindung zu den Impfungen nicht ausgeschlossen werden. ?Wichtig ist jetzt, Ärzte und Patienten über mögliche Risiken zu informieren?, so die EMA-Direktorin.
Hinweise auf ein Problem in Zusammenhang mit bestimmten Chargen des Impfstoffs oder bestimmten Produktionsstätten fanden EMA-Experten nicht.
Gesamtrisiko für Blutgerinnsel nicht erhöht
Der PRAC bezog Experten für Bluterkrankungen in seine Überprüfung ein und arbeitete eng mit anderen Gesundheitsbehörden zusammen. Dazu zählte u.a. die britische Medicines and Healthcare products Regulatory Agency; sie konnte Erfahrungen bei der Verabreichung dieses Impfstoffs an rund 11 Millionen Menschen sammeln.
Insgesamt war die Zahl thromboembolischer Ereignisse sowohl in Studien vor der Zulassung als auch in Impfkampagnen geringer als in der Allgemeinbevölkerung statistisch zu erwarten wäre. ?Bei jüngeren Patienten bestehen jedoch noch einige Bedenken, insbesondere in Bezug auf diese seltenen Fälle?, schreibt die EMA. Sie hatte Berichte zu 9 Todesfällen vorliegen, meistens bei Menschen unter 55 Jahren und häufiger bei Frauen als bei Männern.
?Da diese Ereignisse selten sind und COVID-19 selbst bei Patienten häufig Blutgerinnungsstörungen verursacht, ist es schwierig, eine Hintergrundrate für solche Ereignisse bei Personen abzuschätzen, die den Impfstoff nicht erhalten haben?, heißt es in der Meldung.
Basierend auf Zahlen vor der Pandemie schätzt der Ausschuss, dass bis 16. März insgesamt weniger als 1 disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC) bei Personen unter 50 Jahren innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Impfstoffs zu erwarten gewesen wäre, während 5 Fälle gemeldet worden waren. In ähnlicher Weise hätte man in dieser Altersgruppe durchschnittlich 1,35 Sinusthrombosen (zerebrale Sinus- und Venenthrombosen, CVST) erwartet, während zum gleichen Stichtag 12 Berichte vorlagen ? ebenfalls im Zeitfenster von maximal 14 Tagen nach der Impfung. ?Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Impfstoff ist nicht nachgewiesen, aber möglich und verdient eine weitere Analyse?, so das PRAC.
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat bei seiner außerordentlichen Sitzung am 18. März 2021 Ergebnisse seiner vorläufigen Überprüfung von Sicherheitssignalen des COVID-19-Impfstoffs von AstraZeneca vorgestellt [1]. Auslöser waren Berichte über thromboembolische Ereignisse aus mehreren EU-Mitgliedsstaaten.
?Das Komitee ist zu einer klaren, wissenschaftlichen Schlussfolgerung gekommen?, sagte Emer Cooke, EMA Executive Director, bei einem virtuellen Press Briefing. Beim AstraZeneca-Impfstoff handele es sich um ?ein sicheres und wirksames Vakzin?, das Patienten vor COVID-19-Risiken wie der Hospitalisierung oder dem Tod schütze. ?Das Komitee kam ebenfalls zu dem Schluss, dass das Vakzin nicht mit einem insgesamt erhöhten Risiko thromboembolischer Ereignisse assoziiert ist?, ergänzt Cooke.
Während der Untersuchung habe man ?eine kleine Zahl schwerwiegender Ereignisse? gesehen. Nach der Auswertung aller Daten könne eine Verbindung zu den Impfungen nicht ausgeschlossen werden. ?Wichtig ist jetzt, Ärzte und Patienten über mögliche Risiken zu informieren?, so die EMA-Direktorin.
Hinweise auf ein Problem in Zusammenhang mit bestimmten Chargen des Impfstoffs oder bestimmten Produktionsstätten fanden EMA-Experten nicht.
Gesamtrisiko für Blutgerinnsel nicht erhöht
Der PRAC bezog Experten für Bluterkrankungen in seine Überprüfung ein und arbeitete eng mit anderen Gesundheitsbehörden zusammen. Dazu zählte u.a. die britische Medicines and Healthcare products Regulatory Agency; sie konnte Erfahrungen bei der Verabreichung dieses Impfstoffs an rund 11 Millionen Menschen sammeln.
Insgesamt war die Zahl thromboembolischer Ereignisse sowohl in Studien vor der Zulassung als auch in Impfkampagnen geringer als in der Allgemeinbevölkerung statistisch zu erwarten wäre. ?Bei jüngeren Patienten bestehen jedoch noch einige Bedenken, insbesondere in Bezug auf diese seltenen Fälle?, schreibt die EMA. Sie hatte Berichte zu 9 Todesfällen vorliegen, meistens bei Menschen unter 55 Jahren und häufiger bei Frauen als bei Männern.
?Da diese Ereignisse selten sind und COVID-19 selbst bei Patienten häufig Blutgerinnungsstörungen verursacht, ist es schwierig, eine Hintergrundrate für solche Ereignisse bei Personen abzuschätzen, die den Impfstoff nicht erhalten haben?, heißt es in der Meldung.
Basierend auf Zahlen vor der Pandemie schätzt der Ausschuss, dass bis 16. März insgesamt weniger als 1 disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC) bei Personen unter 50 Jahren innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Impfstoffs zu erwarten gewesen wäre, während 5 Fälle gemeldet worden waren. In ähnlicher Weise hätte man in dieser Altersgruppe durchschnittlich 1,35 Sinusthrombosen (zerebrale Sinus- und Venenthrombosen, CVST) erwartet, während zum gleichen Stichtag 12 Berichte vorlagen ? ebenfalls im Zeitfenster von maximal 14 Tagen nach der Impfung. ?Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Impfstoff ist nicht nachgewiesen, aber möglich und verdient eine weitere Analyse?, so das PRAC.
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Konsequenzen nach rassistischem Mordanschlag in Esens
che2001, 09:53h
Esens: Nach Urteil wegen Mordversuchs aus rassistischen Motiven: Solche Taten müssen Konsequenzen haben
Gemeinsame Presseinformation der Niedersächsischen Betroffenenberatung, der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus für Demokratie, des Flüchtlingsrats Niedersachsen und des Bündnisses ?Aurich zeigt Gesicht?, 23. März 2021
Vor zwei Wochen verurteilte das Landgericht Aurich einen 29-jährigen Mann zu einer Haftstrafe von 9 Jahren und 6 Monaten wegen versuchten Mordes aus rassistischen Motiven. Der Tatbetroffene Hakim S., Familienvater mehrerer Kinder, hat schwere körperliche und seelische Verletzungen erlitten.
Die Niedersächsische Betroffenenberatung, die Mobile Beratung, der Flüchtlingsrat Niedersachsen und das Bündnis ?Aurich zeigt Gesicht? weisen auf die Notwendigkeit hin, rassistische Denkweisen in Strafverfahren einzubeziehen. Ängste von Betroffenen müssen ernst genommen werden. Rechtsextremen Einstellungen muss der Nährboden entzogen und frühzeitig auf Vorkommnisse reagiert werden. Die Verbände sind betroffen, dass das Gerichtsverfahren trotz der schwerwiegenden Tat und der rassistischen Tatmotivation kaum überregionale Aufmerksamkeit gefunden hat.
Der Täter geht ins Gefängnis, das Verfahren ist beendet. Für den Betroffenen Hakim S. hat die Tat weiterhin schwerwiegende Folgen. Ein Teil seiner Lunge musste entfernt werden, die psychischen Folgen des Übergriffs wiegen schwer und belasten ihn. Er zieht in Erwägung, aus seinem Wohnort wegzuziehen, weil die Belastung zu groß ist.
Hakim S.:
?Ich habe immer noch Angst. Der Täter ist Rassist und hat versucht mich zu töten. Es hat fast niemanden interessiert, was passiert ist. Auf mich wurde geschossen aus rassistischen Motiven und es wurde fast nichts berichtet. Es wurde versteckt, fast niemand hat davon gelesen. Wenn ein deutscher Täter schießt, ist das anscheinend nicht wichtig. Für mich sind alle Menschen gleich, die Hautfarbe ist mir egal. Ich bin aus meiner Heimat geflohen, weil dort Krieg herrscht. Ich will, dass es meinen Kindern und meiner Familie gut geht. Ich will sicher sein und wurde fast getötet. Ich habe nur ein gutes Leben gesucht. Jetzt habe ich Angst.?
Sowohl das Gericht als auch die Staatsanwaltschaft haben von vornherein den rassistischen Hintergrund klar benannt und in Verbindung mit der Tat gebracht. Leider ist dies in Verfahren gegen Rechte nicht selbstverständlich. Häufig genug findet vor Gericht eine rassistische Täter-Opfer Umkehr statt, rechte Gesinnungen werden verharmlost oder nicht einbezogen und Verfahren werden verschleppt.
Marc Weber von der Betroffenenberatung Niedersachsen:
?Das Verfahren am Landgericht Aurich zeigt die Notwendigkeit, rechte und rassistische Denkweisen in Strafverfahren einzubeziehen. Das Gericht war überzeugt, dass es nicht zum Schuss gekommen wäre, wenn der Betroffene Deutsch gewesen wäre. Rechte Gewalt und ihre Folgen müssen klar benannt werden.?
Über lokale Berichterstattung hinaus bekam das Verfahren kaum Aufmerksamkeit. Ein fast tödlicher Schuss aus rassistischer Gesinnung führt im Jahr 2021 zu keinem Aufschrei mehr, zu keiner Empörung, so normal scheint rassistische Gewalt inzwischen zu sein. Dabei zeigt das Gerichtsverfahren eindrücklich, dass es sich keineswegs um einen einzelnen Täter gehandelt hat. Vielmehr war die Tat eingebunden in ein rassistisches Umfeld. Nach der Schussabgabe versteckten Personen aus dem Umfeld des Täters die Tatwaffe und versenkten sie im Kanal, laut vernommenen Polizeibeamt*innen war die Aussagebereitschaft vor Ort sehr gering. Dies alles nach einem Schuss auf einen Menschen. Zeug*innen aus dem Umfeld des Angeklagten haben bei der Polizei bewusste Falschaussagen gemacht, die den Betroffenen belasten sollten. Zeug*innen versuchten vor Gericht, den Tathergang zu verändern, um den Angeklagten zu schützen.
Jan Krieger von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus für Demokratie:
?Bereits 2019 kam es in Esens zu einem Angriff auf einen jüdischen Künstler, der sich im Anschluss daran dazu entschlossen hat, den Ort zu verlassen. Aus der Region erreichten uns in der letzten Zeit vermehrt Hinweise auf rechte Aktivitäten. Solchen Kontinuitäten muss mit allen Mitteln entgegen gewirkt werden. Rechtsextremen Einstellungsmustern, die gesamtgesellschaftlich weit verbreitet und anschlussfähig sind, muss der Nährboden entzogen werden, indem sich Politik und Zivilgesellschaft vor Ort für eine solidarische und menschenrechtsorientierte Gesellschaft einsetzen. Bereits vor angezeigten Straftaten kann es zu Einschüchterung und Bedrohungen von Menschen kommen, die nicht in das rechte Weltbild passen. Ängste von Betroffenen müssen ernst genommen und diese vor Ort ausreichend unterstützt werden.?
Jörg Köhler, 1. Vorsitzender von Aurich zeigt Gesicht (AzG):
?Ich mache mir Sorgen, dass es im eher ?beschaulichen? Ostfriesland auch Menschen gibt, denen rechtes Gedankengut nicht fremd ist. Leider wird bei solchen Taten oftmals von Einzeltätern gesprochen. Es gibt jedoch auch immer Hintergründe und mögliche Strukturen hinter einer solchen Tat. Wie sich gezeigt hat, werden oder sollen Vorkommnisse auch vertuscht werden. Aurich zeigt Gesicht fordert die Menschen auf, sensibel zu sein, ?Augen und Ohren? offen zu halten und Vorfälle ggf. auch zu melden. Die genannten Beratungsstellen, aber auch AzG stehen dafür zur Verfügung.?
Kontakt:
Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt Nord-West Niedersachsen
Marc Weber, Tel.: 0541 380699-23, nordwest@betroffenenberatung.de
Mobile Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus und Demokratie Niedersachsen
Jan Krieger, Tel. 0157 3288 3589, nordwest@mbt-niedersachsen.de
Aurich zeigt Gesicht (AzG)
Jörg Köhler, 1. Vorsitzender, info@aurichzeigtgesicht.de
Flüchtlingsrat Niedersachsen
Sebastian Rose, Referent der Geschäftsführung, Tel. 0511 98 24 60 34, sr@nds-fluerat.org, nds@nds-fluerat.org
Hintergrund:
Am 18. Juli 2020 schoss der Verurteilte in Esens nach einem Streit auf einer Party aus einer Entfernung von 20 Metern mit einem leistungsgesteigerten Luftgewehr auf den Betroffenen somalischer Herkunft und verletzte diesen so schwer, dass er nur dank einer Notoperation überlebte. Die Hintergründe der Tat und die Weltanschauung des Täters wurden vor Gericht eingehend beleuchtet. Auf seinem Handy fanden sich Chatnachrichten mit rechtsradikalen Inhalten, ?kleine Hassreden? (Vorsitzender Richter) in Sprachnachrichten, Bilder mit massiv rassistischen und rechtsextremen Inhalten, darunter Bilder von Adolf Hitler, Hakenkreuzen und Wehrmachtssoldaten. Zusätzlich war der Angeklagte in mindestens einer Chatgruppe, in der solche Inhalte geteilt und verbreitet wurden.
Laut Gericht hat der Angeklagte selbst aktiv und bewusst solche Inhalte verbreitet. Seine rassistische und rechtsextreme Gesinnung sei tief verwurzelt, die Inhalte auf seinem Mobiltelefon waren eine ?Blaupause für die Tat? (Vorsitzender Richter).
Presseinformation als pdf
Mehr
Urteil im Prozess nach Mordversuch aus rassistischen Motiven in Esens, Meldung vom 11. März 2021
Medienberichte
Versuchter Mord: Gericht sieht ausländerfeindliche Gesinnung, in: Ostfriesen-Zeitung vom 10. März 2021
Gericht lässt Sprachnachrichten des Angeklagten vorspielen, in: Anzeiger für Harlingerland vom 23. Februar 2021
29-Jähriger soll aus rassistischen Motiven geschossen haben, in: Nordwest Zeitung vom 14. Januar 2021
29-Jähriger aus Esens wegen versuchten Mordes angeklagt, in: Nordwest Zeitung vom 5. Januar 2021
Links
Betroffenenberatung Niedersachsen
Mobile Beratung gegen Rechts für Demokratie Niedersachsen
Aurich zeigt Gesicht
Gemeinsame Presseinformation der Niedersächsischen Betroffenenberatung, der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus für Demokratie, des Flüchtlingsrats Niedersachsen und des Bündnisses ?Aurich zeigt Gesicht?, 23. März 2021
Vor zwei Wochen verurteilte das Landgericht Aurich einen 29-jährigen Mann zu einer Haftstrafe von 9 Jahren und 6 Monaten wegen versuchten Mordes aus rassistischen Motiven. Der Tatbetroffene Hakim S., Familienvater mehrerer Kinder, hat schwere körperliche und seelische Verletzungen erlitten.
Die Niedersächsische Betroffenenberatung, die Mobile Beratung, der Flüchtlingsrat Niedersachsen und das Bündnis ?Aurich zeigt Gesicht? weisen auf die Notwendigkeit hin, rassistische Denkweisen in Strafverfahren einzubeziehen. Ängste von Betroffenen müssen ernst genommen werden. Rechtsextremen Einstellungen muss der Nährboden entzogen und frühzeitig auf Vorkommnisse reagiert werden. Die Verbände sind betroffen, dass das Gerichtsverfahren trotz der schwerwiegenden Tat und der rassistischen Tatmotivation kaum überregionale Aufmerksamkeit gefunden hat.
Der Täter geht ins Gefängnis, das Verfahren ist beendet. Für den Betroffenen Hakim S. hat die Tat weiterhin schwerwiegende Folgen. Ein Teil seiner Lunge musste entfernt werden, die psychischen Folgen des Übergriffs wiegen schwer und belasten ihn. Er zieht in Erwägung, aus seinem Wohnort wegzuziehen, weil die Belastung zu groß ist.
Hakim S.:
?Ich habe immer noch Angst. Der Täter ist Rassist und hat versucht mich zu töten. Es hat fast niemanden interessiert, was passiert ist. Auf mich wurde geschossen aus rassistischen Motiven und es wurde fast nichts berichtet. Es wurde versteckt, fast niemand hat davon gelesen. Wenn ein deutscher Täter schießt, ist das anscheinend nicht wichtig. Für mich sind alle Menschen gleich, die Hautfarbe ist mir egal. Ich bin aus meiner Heimat geflohen, weil dort Krieg herrscht. Ich will, dass es meinen Kindern und meiner Familie gut geht. Ich will sicher sein und wurde fast getötet. Ich habe nur ein gutes Leben gesucht. Jetzt habe ich Angst.?
Sowohl das Gericht als auch die Staatsanwaltschaft haben von vornherein den rassistischen Hintergrund klar benannt und in Verbindung mit der Tat gebracht. Leider ist dies in Verfahren gegen Rechte nicht selbstverständlich. Häufig genug findet vor Gericht eine rassistische Täter-Opfer Umkehr statt, rechte Gesinnungen werden verharmlost oder nicht einbezogen und Verfahren werden verschleppt.
Marc Weber von der Betroffenenberatung Niedersachsen:
?Das Verfahren am Landgericht Aurich zeigt die Notwendigkeit, rechte und rassistische Denkweisen in Strafverfahren einzubeziehen. Das Gericht war überzeugt, dass es nicht zum Schuss gekommen wäre, wenn der Betroffene Deutsch gewesen wäre. Rechte Gewalt und ihre Folgen müssen klar benannt werden.?
Über lokale Berichterstattung hinaus bekam das Verfahren kaum Aufmerksamkeit. Ein fast tödlicher Schuss aus rassistischer Gesinnung führt im Jahr 2021 zu keinem Aufschrei mehr, zu keiner Empörung, so normal scheint rassistische Gewalt inzwischen zu sein. Dabei zeigt das Gerichtsverfahren eindrücklich, dass es sich keineswegs um einen einzelnen Täter gehandelt hat. Vielmehr war die Tat eingebunden in ein rassistisches Umfeld. Nach der Schussabgabe versteckten Personen aus dem Umfeld des Täters die Tatwaffe und versenkten sie im Kanal, laut vernommenen Polizeibeamt*innen war die Aussagebereitschaft vor Ort sehr gering. Dies alles nach einem Schuss auf einen Menschen. Zeug*innen aus dem Umfeld des Angeklagten haben bei der Polizei bewusste Falschaussagen gemacht, die den Betroffenen belasten sollten. Zeug*innen versuchten vor Gericht, den Tathergang zu verändern, um den Angeklagten zu schützen.
Jan Krieger von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus für Demokratie:
?Bereits 2019 kam es in Esens zu einem Angriff auf einen jüdischen Künstler, der sich im Anschluss daran dazu entschlossen hat, den Ort zu verlassen. Aus der Region erreichten uns in der letzten Zeit vermehrt Hinweise auf rechte Aktivitäten. Solchen Kontinuitäten muss mit allen Mitteln entgegen gewirkt werden. Rechtsextremen Einstellungsmustern, die gesamtgesellschaftlich weit verbreitet und anschlussfähig sind, muss der Nährboden entzogen werden, indem sich Politik und Zivilgesellschaft vor Ort für eine solidarische und menschenrechtsorientierte Gesellschaft einsetzen. Bereits vor angezeigten Straftaten kann es zu Einschüchterung und Bedrohungen von Menschen kommen, die nicht in das rechte Weltbild passen. Ängste von Betroffenen müssen ernst genommen und diese vor Ort ausreichend unterstützt werden.?
Jörg Köhler, 1. Vorsitzender von Aurich zeigt Gesicht (AzG):
?Ich mache mir Sorgen, dass es im eher ?beschaulichen? Ostfriesland auch Menschen gibt, denen rechtes Gedankengut nicht fremd ist. Leider wird bei solchen Taten oftmals von Einzeltätern gesprochen. Es gibt jedoch auch immer Hintergründe und mögliche Strukturen hinter einer solchen Tat. Wie sich gezeigt hat, werden oder sollen Vorkommnisse auch vertuscht werden. Aurich zeigt Gesicht fordert die Menschen auf, sensibel zu sein, ?Augen und Ohren? offen zu halten und Vorfälle ggf. auch zu melden. Die genannten Beratungsstellen, aber auch AzG stehen dafür zur Verfügung.?
Kontakt:
Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt Nord-West Niedersachsen
Marc Weber, Tel.: 0541 380699-23, nordwest@betroffenenberatung.de
Mobile Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus und Demokratie Niedersachsen
Jan Krieger, Tel. 0157 3288 3589, nordwest@mbt-niedersachsen.de
Aurich zeigt Gesicht (AzG)
Jörg Köhler, 1. Vorsitzender, info@aurichzeigtgesicht.de
Flüchtlingsrat Niedersachsen
Sebastian Rose, Referent der Geschäftsführung, Tel. 0511 98 24 60 34, sr@nds-fluerat.org, nds@nds-fluerat.org
Hintergrund:
Am 18. Juli 2020 schoss der Verurteilte in Esens nach einem Streit auf einer Party aus einer Entfernung von 20 Metern mit einem leistungsgesteigerten Luftgewehr auf den Betroffenen somalischer Herkunft und verletzte diesen so schwer, dass er nur dank einer Notoperation überlebte. Die Hintergründe der Tat und die Weltanschauung des Täters wurden vor Gericht eingehend beleuchtet. Auf seinem Handy fanden sich Chatnachrichten mit rechtsradikalen Inhalten, ?kleine Hassreden? (Vorsitzender Richter) in Sprachnachrichten, Bilder mit massiv rassistischen und rechtsextremen Inhalten, darunter Bilder von Adolf Hitler, Hakenkreuzen und Wehrmachtssoldaten. Zusätzlich war der Angeklagte in mindestens einer Chatgruppe, in der solche Inhalte geteilt und verbreitet wurden.
Laut Gericht hat der Angeklagte selbst aktiv und bewusst solche Inhalte verbreitet. Seine rassistische und rechtsextreme Gesinnung sei tief verwurzelt, die Inhalte auf seinem Mobiltelefon waren eine ?Blaupause für die Tat? (Vorsitzender Richter).
Presseinformation als pdf
Mehr
Urteil im Prozess nach Mordversuch aus rassistischen Motiven in Esens, Meldung vom 11. März 2021
Medienberichte
Versuchter Mord: Gericht sieht ausländerfeindliche Gesinnung, in: Ostfriesen-Zeitung vom 10. März 2021
Gericht lässt Sprachnachrichten des Angeklagten vorspielen, in: Anzeiger für Harlingerland vom 23. Februar 2021
29-Jähriger soll aus rassistischen Motiven geschossen haben, in: Nordwest Zeitung vom 14. Januar 2021
29-Jähriger aus Esens wegen versuchten Mordes angeklagt, in: Nordwest Zeitung vom 5. Januar 2021
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