Mittwoch, 18. Oktober 2023
Verschiedenerlei Antisemitismus
Vor einigen Tagen schrieb Bersarin hier:

"Hier und in dieser Lage im Augenblick geht es gerade nicht um rechten Antisemitismus (sei es aus dem rechtsextremistischen, dem linksextremistischen oder dem Covidioten-Milieu), sondern um solchen aus dem islamistisch-migrantischen Milieu, der allerdings in gewisser Weise auch wieder etwas mit jenem Antisemitismus von Nazideutschland zu tun hat. Aber das ist nur indirekt ein Thema, das kann man analysieren, wenn man in die Tiefe gehen will.

Und dieser importierte Antisemitismus hat eben auch etwas mit dem Thema Migration und Integration zu tun."

Und diesen analytischen Blick in die Tiefe möchte ich hier nun vornehmen, um aufzuzeigen, was da so zusammendiffundiert.

Der rechtsextremistische Antisemitismus braucht wohl nicht groß erklärt zu werden. Es gibt da verschiedene Untersparten, den Weise-von-Zion-Verschwörungsantisemitismus als Grundlage diverser Weltverschwörungszenarien, den völkisch-rassistischen Antisemitismus der Nazis/Neonazis im engeren Sinne, der im Unterschied zur reinen Verschwörologie eine biologistische Rassentheorie mit einer an Rassen festgemachten Hierarchisierung der gesamten Menschheit zum Thema hat, im Großen und Ganzen ist das neben Ultranationalismus und Autoritarismus der Wesenskern des Faschismus.

Mit dem linksextremistischen Antizionismus ist das schon etwas Anderes. Es ist dieser im Ursprung kein Antisemitismus, denn ihm fehlt sowohl die Rassentheorie als auch der Hass auf Juden außerhalb des Staates Israel, bzw. der Hass auf Juden, weil sie Juden sind. Sein Kerngedanke ist eine - m. E. vom Grundansatz durchaus berechtigte Israelkritik - die Israel als kolonialistischen Siedlerstaat kritisiert, der seiner autochthonen arabischen Urbevölkerung staatsbürgerliche Rechte vorenthält. Verbunden wird dies mit der Tatsache, dass Israel mal in den Siebziger und frühen Achtziger Jahren ein informelles Bündnis mit faschistischen Militärdikaturen, Apartheid-Südafrika und Schah-Iran hatte. Chile unter Pinochet, Argentinien unter der Junta, Südafrika, Iran und Israel als imperialistische Frontstaaten, das war damals ein als selbstverständlich gegebenes Feindbild der Linken.

Dass diese speziellen historische Gegebenheiten schon lange nicht mehr existieren, das scheinen orthodoxe Mler und auch Kuba, der südafrikanische ANC, die irische Sinn Fein sowie natürlich die PFLP nicht begriffen zu haben. Ich würde hier eher von einem fehlgeleiteten, missverstandenen Antiimperialismus als von einem eigentlichen Antisemitismus sprechen. Was die Sache aber nicht besser macht, wenn Geiseln bei einer Flugzeugentführung als Juden selektiert wurden oder Israel auf Basis dieser Ideologie das Existenzrecht abgesprochen wird. Aus der Sicht der Opfer fühlt sich beides gleich an.

Seit den Achtzigern hat sich in der radikalen Linken der Neue Antiimperialismus verbreitet, der überhaupt nicht mehr an Staaten und Nationen, sondern an Ausbeutungsstrukturen und einer antikapitalistischen Kritik an Entwicklungspolitik festgemacht ist, und der den Alten Antimperialismus auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen hat.

Der Covidioten-Antisemitismus ist eine krude Ideologie, die an den Antiglobalisten-Antisemitismus der US-amerikanischen Alt Right mit seinen durchgeknallt-paranoiden Umvolkungsfantasien anknüpft und diese mit verschiedenen urban legends, wie z.b. QAnon, aber auch viel älteren, christlich-fundamentalistischen, US-amerikanischen Verschwörungsideologien wie der der John-Birch-Society verknüpft.

https://blog.fdik.org/2021-06/s1622673700

https://corodok.com/wp-content/uploads/2021/03/WHO-Pandemie-verstehen.pdf

Endlich hat aber der migrantisch-islamische Antisemitismus seinen Ursprung teilweise direkt bei den Nazis, die in den 1930ern arabische Führer über Emissäre der Waffen-SS indoktrinierten, und den Lehren des Vordenkers der Gamma Islamiya, Sayed Qutb

https://de.wikipedia.org/wiki/Sayyid_Qutb.

In der aktuellen Form wird das öfter mit der PFLP-Ideologie und dem eigentlichen, lebensweltlichen Fundamentalismus der Wahabiten und Salafiten vermengt, was alles ideengeschichtlich überhaupt nicht zusammenhängt, aber eine brisante Mischung ergibt.

Und, wie schon Adorno in Elemente des Antisemitismus schrieb: Die von einander separierten, eigentlich deutlich geschiedenen Ideologeme ergeben am Ende ein einheitliches Ticket.

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