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Freitag, 15. Mai 2015
Von Nichtrauchern und Lodderbasten - zur Archäologie ausgestorbener Begriffe
che2001, 01:42h
Es ist immer wieder schön und aufschlussreich, sich mit Vater über alte Zeiten zu unterhalten. So berichtete er, dass meine Mutter, als beide frisch verliebt und noch nicht verlobt waren, ihm im Hungerjahr 1946 auf dem Fahrradgepäckträger einen Nichtraucher vorbeibrachte - so nannte man damals Ferkel, die kein Fett ansetzten. Der Schwiegervater, also mein Opa und sein Sohn waren Viehhändler, und sie pflegten sich beim Essen im Familienkreis über geschäftliche Dinge zu unterhalten. Da da auch Geschäftsgeheimnisse dazugehörten taten sie das auf hebräisch, damit außer ihnen niemand etwas verstand. Ansonsten wurde plattdeutsch gesprochen. Als das Essen dem Opa einmal nicht warm genug war beklagte der sich darüber, und die Dienstspritze, die das Essen zubereitet hatte wandte ein, dass die Speise aber dampfe. Darauf erwiderte Opa: "Perschiet dampet ok!" (Pferdescheiße dampft auch). Das ist der Umgangston, mit dem ich aufgewachsen bin und erklärt vielleicht, dass ich mit dem Moral-Betroffenheitstonfall, der seit 30 Jahren in grün-alternativen Kreisen und aktuell ganz verstärkt in queerfeministischen Bloggermilieus herrscht so gar nichts anfangen kann. Selber bekam ich oft zu hören, dass ich ein "Lodderbast" sei, was so etwas wie einen unordentlichen Menschen oder auch das männliche Gegenstück einer Schlampe bezeichnet. Als mein Onkel mal einen Brief aus den USA bekam, der mit "To Mister <Name meines Onkels> betitelt war meinte eine Tochter, das wäre sehr unhöflich, der Farmer hätte statt Mister auch Schweinezüchter schreiben können;-)
Er selbst war übrigens ein berüchtigter "Geher", worunter damals ein Mann verstanden wurde der jede Frau anbaggert.
Er selbst war übrigens ein berüchtigter "Geher", worunter damals ein Mann verstanden wurde der jede Frau anbaggert.
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Zum 1. und 8. Mai
che2001, 21:03h
Gute Demos waren das mit guten Redebeiträgen, guten Parolen und guten Transpis, vor allem viele Leute auf der Straße.

Wie im Norden üblich und in Berlin oder Bayern so gar nicht denkbar war ein breites Spektrum vertreten, das solidarisch miteinander demonstrierte und zu dem mit Selbstverständlichkeit auch autonome bzw. Antifa-Gruppen innerhalb gewerkschaftlicher Strukturen, eine politisierte Samba-Combo, Politpunks und DIE PARTEI gehören.

Wobei eine Parole wie diese hier einige Themenkenntnis zur Voraussetzung hat:

Es wird tatsächlich Atommüll neben Schulen gelagert, auch neben Kindergärten, unisoliert, in Containern, die offen auf dem Hof stehen, in gemischtem Wohn- und Gewerbegebiet, mit Messwerten höher als am Werkszaun von Brokdorf. Ich habe einen Kunden der in solch einer Firma gearbeitet hat und berichtet, dass die Hälfte seiner Kollegen an Leukämie gestorben ist. Das macht dann schon mal nachdenklich.


Im Gespräch mit einem Genossen kam eine ganz alte Geschichte hoch, die mich immer noch umtreibt, wo aber leider nichts beweisbar ist. Ich hatte damals für den SPIEGEL gearbeitet und war da von einer Genossin über ein Erlebnis von ihr in Kenntnis gesetzt worden das wirklich extrem unheimlich war, wo es aber überhaupt keine verifizierbaren Fakten gegeben hatte, mit denen sich hätte arbeiten lassen.
Laut ihrer Aussage hatte sie über ein Chatforum einen Mann kennengelernt mit dem sie eine kurze heftige und leidenschaftliche Affäre gehabt hätte. Er sagte ihr nicht was sein Beruf wäre da er Geheimnisträger sei, hatte aber ganz eindeutig einen Kampfsporthintergrund und war so ein richtiger Brecher. Sie war aktive Atomkraftgegnerin, er hatte hingegen zu dem Thema keine Meinung, wurde aber von ihr heftig anagitiert.
Dann war er plötzlich verschwunden und weder telefonisch noch per Email zu erreichen. Erst Monate später traf sie ihn zufällig wieder, mindestens 20 Kilo abgemagert und kahlköpfig. Sie fragte ihn wo er denn gesteckt hätte und was geschehen sei. Er erklärte, er gehöre zur GSG9, und seine Abteilung hätte die Schachtanlage in Gorleben bewacht. Durch ihre Erzählungen neugierig geworden hätten er und seine Kollegen sich Zugang verschafft und wären eingefahren und hätten sich dort unten umgeschaut. Sie seien prompt fündig geworden: Dort würde bereits Atommüll eingelagert, und zwar Brennstäbe, die völlig unverpackt, nackt sozusagen im Salzstock liegen würden. Er und seine Kollegen seien zu nah herangekommen und hätten alle Leukämie in letalem Stadium.
Dies war das letzte Gespräch mit ihm gewesen, er verabschiedete sich, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Sie wurde die nächsten Monate auf Schritt und Tritt überwacht, ihre Briefe kamen zu anderen Zeitpunkten als bei den übrigen Hausbewohnern und mitunter sichtbar geöffnet an, das volle Programm halt, das ich noch aus der 129a)-Observation kenne.
Was soll mensch von einer solchen Geschichte halten?

Wie im Norden üblich und in Berlin oder Bayern so gar nicht denkbar war ein breites Spektrum vertreten, das solidarisch miteinander demonstrierte und zu dem mit Selbstverständlichkeit auch autonome bzw. Antifa-Gruppen innerhalb gewerkschaftlicher Strukturen, eine politisierte Samba-Combo, Politpunks und DIE PARTEI gehören.

Wobei eine Parole wie diese hier einige Themenkenntnis zur Voraussetzung hat:

Es wird tatsächlich Atommüll neben Schulen gelagert, auch neben Kindergärten, unisoliert, in Containern, die offen auf dem Hof stehen, in gemischtem Wohn- und Gewerbegebiet, mit Messwerten höher als am Werkszaun von Brokdorf. Ich habe einen Kunden der in solch einer Firma gearbeitet hat und berichtet, dass die Hälfte seiner Kollegen an Leukämie gestorben ist. Das macht dann schon mal nachdenklich.


Im Gespräch mit einem Genossen kam eine ganz alte Geschichte hoch, die mich immer noch umtreibt, wo aber leider nichts beweisbar ist. Ich hatte damals für den SPIEGEL gearbeitet und war da von einer Genossin über ein Erlebnis von ihr in Kenntnis gesetzt worden das wirklich extrem unheimlich war, wo es aber überhaupt keine verifizierbaren Fakten gegeben hatte, mit denen sich hätte arbeiten lassen.
Laut ihrer Aussage hatte sie über ein Chatforum einen Mann kennengelernt mit dem sie eine kurze heftige und leidenschaftliche Affäre gehabt hätte. Er sagte ihr nicht was sein Beruf wäre da er Geheimnisträger sei, hatte aber ganz eindeutig einen Kampfsporthintergrund und war so ein richtiger Brecher. Sie war aktive Atomkraftgegnerin, er hatte hingegen zu dem Thema keine Meinung, wurde aber von ihr heftig anagitiert.
Dann war er plötzlich verschwunden und weder telefonisch noch per Email zu erreichen. Erst Monate später traf sie ihn zufällig wieder, mindestens 20 Kilo abgemagert und kahlköpfig. Sie fragte ihn wo er denn gesteckt hätte und was geschehen sei. Er erklärte, er gehöre zur GSG9, und seine Abteilung hätte die Schachtanlage in Gorleben bewacht. Durch ihre Erzählungen neugierig geworden hätten er und seine Kollegen sich Zugang verschafft und wären eingefahren und hätten sich dort unten umgeschaut. Sie seien prompt fündig geworden: Dort würde bereits Atommüll eingelagert, und zwar Brennstäbe, die völlig unverpackt, nackt sozusagen im Salzstock liegen würden. Er und seine Kollegen seien zu nah herangekommen und hätten alle Leukämie in letalem Stadium.
Dies war das letzte Gespräch mit ihm gewesen, er verabschiedete sich, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Sie wurde die nächsten Monate auf Schritt und Tritt überwacht, ihre Briefe kamen zu anderen Zeitpunkten als bei den übrigen Hausbewohnern und mitunter sichtbar geöffnet an, das volle Programm halt, das ich noch aus der 129a)-Observation kenne.
Was soll mensch von einer solchen Geschichte halten?
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Dienstag, 5. Mai 2015
Schräges im Nachgang der German-Wings-Katastrophe
che2001, 17:05h
An verschiedenen Orten der Bloggosphäre war zu lesen, die Tatsache, dass der Copilot und Attentäter unter Depressionen litt, woraus sich seine Motivation erkläre hätte nun die Folge, dass die Medien eine Hetzkampagne gegen Menschen mit Depressionen betreiben würden, die analog zu Hetze gegen Schwule, Lesben, PoC, wen auch immer zu sehen sei. Abgesehen davon, dass hier weniger die Katastrophe selber als entsetzlich betrachtet wird, sondern ein unterstellter "Ableismus" der Medien wird hier ein Teilaspekt gründlich unterschlagen. Wird die ganze Welt nur noch aus dem Blickwinkel betrachtet, wer am meisten und multipelsten marginalisiert und diskriminiert wird so muss festgehalten werden, dass die Selbstmordattentäter und Massenmörder nun allerdings eine ganz exquisite Minderheit darstellen. Hinsichtlich der gesellschaftlichen Verfemtheit wie auch der Marginalisierung nicht mehr zu toppen.
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Das geht uns alle an: Prozess gegen Goldene Morgenröte beginnt
che2001, 12:36h
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Sonntag, 3. Mai 2015
Schicht im Schacht
che2001, 20:27h
Mal wieder unter Tage rumgestiegen. Erstaunlich, welche Schätze dort noch immer zu finden sind, die aber heute niemand mehr braucht - Vitriole liefern zwar die wertvollsten Farbpigmente, aber seit die Chemie diese viel billiger bietet, nämlich letztlich als Abfallprodukte der Rohstoffraffinierung macht kein Mensch sich mehr die Mühe, die hierzulande aus dem Berg zu holen. Mangan in Stalaktitform? Liegt in Knollen auf dem Meeresgrund, lässt sich abbaggern. Silber? Lohnt nicht bei den Förderkosten. So ist das geheimnisvolle Reich im Berg heute nur ein Ausflugsort. Aber ein höchst spektakulärer.








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Montag, 20. April 2015
100 Jahre Genozid an den ArmenierInnen
che2001, 02:39h
Die Türkei erkennt das bis heute nicht an, Deutschland auch nicht. Aber: Das war ein Verbrechen, das mit der Shoah in einem Namen genannt werden MUSS. Die Unvergleichbarkeit des Völkermords an den jüdischen Menschen halte ich für Unsinn. Wie das schon Garybian und Are hier formuliert hatten: Der Genozid der Osmanen an den armenischen Menschen vernichtete nicht nur Hunderttausende, sondern lieferte auch die Blaupause für die Shoah. Deutsche Generalstabsoffiziere koordinierten die Massaker, Hitler bezeichnete diese Massenvernichtung als "wegweisend für die Lösung der Judenfrage", und vor der Shoah wurden niemals so viele Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in solchen Massen vernichtet. Von daher gesehen ist der Genozid an den ArmenierInnen ein Kapitel der Geschichte, für das sich keine Sau interessiert.
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Sonntag, 19. April 2015
Gestern war Timothy McVeigh Memorial Day
che2001, 21:16h
Vor 20 Jahren: Das mörderische Attentat auf ein Bürogebäude in Oklahoma City war der bisher größte Bombenanschlag in der amerikanischen Geschichte und das größte Attentat vor dem 11.09.. Es zeigt, dass nicht die Islamisten diese Art von Anschlag erfunden haben. McVeigh war einerseits psychopathischer Außenseiter, andererseits ein radikal reaktionärer, rechtskatholischer und auf fast anarchistisch zu nennende Weise staatsfeindlicher Fanatiker, der diesen Anschlag als Vergeltung für den staatlichen Schlag gegen die fundamentalistische Davidianer-Sekte in Waco betrachtete.
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700 Flüchtlinge ertrinken im Angesicht von Festung Europa
che2001, 16:11h
Mindestens 700 Boatpeople sind 73 Seemeilen nördlich der libyschen
Küste auf dem Weg nach Italien um Mitternacht ertrunken. Es ist die
größte Flüchtlings-Schiffskatastrophe in der mehrtausendjährigen
Geschichte Der Seefahrt des Mittelmeers. Die EU ist mit ihrem Beschluss im Herbst
2014, die Seenotrettung im Mittelmeer herunterzufahren, verantwortlich
für diesen Massenmord.
Die Bootsflüchtlinge waren an Bord eines 30 Meter langen Kutters, das
kenterte, als sich das Frachtschiff King Jacob auf Anweisung der
römischen SOS-Zentrale näherte, um Hilfe zu leisten. Es gibt nur 28
Überlebende.
http://ffm-online.org/2015/04/19/lampedusa-heute-morgen-700-boat-people-ertrunken/
http://www.timesofmalta.com/articles/view/20150419/local/malta-helps-in-new-migrants-emergency-as-biggest-ever-tragedy-unfolds.564511
Küste auf dem Weg nach Italien um Mitternacht ertrunken. Es ist die
größte Flüchtlings-Schiffskatastrophe in der mehrtausendjährigen
Geschichte Der Seefahrt des Mittelmeers. Die EU ist mit ihrem Beschluss im Herbst
2014, die Seenotrettung im Mittelmeer herunterzufahren, verantwortlich
für diesen Massenmord.
Die Bootsflüchtlinge waren an Bord eines 30 Meter langen Kutters, das
kenterte, als sich das Frachtschiff King Jacob auf Anweisung der
römischen SOS-Zentrale näherte, um Hilfe zu leisten. Es gibt nur 28
Überlebende.
http://ffm-online.org/2015/04/19/lampedusa-heute-morgen-700-boat-people-ertrunken/
http://www.timesofmalta.com/articles/view/20150419/local/malta-helps-in-new-migrants-emergency-as-biggest-ever-tragedy-unfolds.564511
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Samstag, 11. April 2015
Spackentum und Spackeria
che2001, 21:09h
Seit einigen Jahren ist das Schimpfwort "Spacko" offiziell in den Duden aufgenommen worden. Es wird dort erklärt als zusammengesetzt aus Spasst und Lackel. Ein Spasst ist so etwas wie ein Blödmann und ein Lackel ein überheblicher Schnösel und Angeber, ein Spacko mithin also ein eingebildeter, schnöseliger Blödmann.
Zu dieser Definition sind einige Bemerkungen angebracht. Aus meiner Kindheit, die sich in den 60er und 70er Jahren abspielte, kannte ich die Beschimpfung "Spasti" als sehr unschöne Beleidigung: Ein Spasstiker war jemand, der in der NS-Zeit unter die "Euthanasie" gefallen wäre, und das war damals noch sehr präsent. Die eigenen Eltern und Lehrer gehörten ja noch zur NS-Mitläufer- und Tätergeneration. Es war damals auch noch gängige Redewendung, wenn jemand sich ergebnislos abmühte zu sagen "der tut das bis zur Vergasung", und ein Kameradenschinder unter den Mitschülern erzählte grinsend, wer alles auf den LKW käme wenn er am Ruder wäre. Insofern bekomme ich ein gewisses Grummeln bei der Verwendung speziell dieses Schinpfworts. Den Begriff Spacke (nicht Spacko, sondern die Spacke, was Männlein und Weiblein meinen kann oder der Spacken, was immer Männer bezeichnet) kenne ich aber in einem anderen Entstehungszusammenhang und mit einer etwas anderen Wortbedeutung als der Duden. Erstmals vernahm ich den Ausdruck 1992, als ein Bremer Genosse sagte: "Göttingen? Alles Spacken!". Der Ausdruck wäre damals wohl eher mit Mitgliedern des MSB Spartakus (der Studierendenorganisation der moskautreuen DKP) in Verbindung gebracht worden als mit dem in der linken Szene tunlichst vermiedenen Schimpfwort Spassti. Eine Spacke war auch kein überheblicher Dummkopf, sondern bezeichnete einen sozial inkompetenten, wenig hilfsbereiten, unempathischen Menschen, der gleichzeitig hochmoralisch war - im Sinne der politisch hyperkorrekten Szenemoral. Heute würde mensch vielleicht "PC Nerd" sagen. So prangte denn auch auf der Tür unserer alten WG jahrelang ein Aufkleber "Restrictet Area. No entrance for Spacks!".
Nebenan, bei FreundInnen übrigens so richtig politisch unkorrekt ein Schild von einem Truppenübungsplatz mit der Aufschrift "Swine feaver. No dismounting!", darauf eine Damenbinde, auf die mit Edding "So ordinär!" geschrieben war, darunter ein Aufkleber vom Installateur "Halt Dein Rohr sauber!". Antispack-Aktion halt.
Zu dieser Definition sind einige Bemerkungen angebracht. Aus meiner Kindheit, die sich in den 60er und 70er Jahren abspielte, kannte ich die Beschimpfung "Spasti" als sehr unschöne Beleidigung: Ein Spasstiker war jemand, der in der NS-Zeit unter die "Euthanasie" gefallen wäre, und das war damals noch sehr präsent. Die eigenen Eltern und Lehrer gehörten ja noch zur NS-Mitläufer- und Tätergeneration. Es war damals auch noch gängige Redewendung, wenn jemand sich ergebnislos abmühte zu sagen "der tut das bis zur Vergasung", und ein Kameradenschinder unter den Mitschülern erzählte grinsend, wer alles auf den LKW käme wenn er am Ruder wäre. Insofern bekomme ich ein gewisses Grummeln bei der Verwendung speziell dieses Schinpfworts. Den Begriff Spacke (nicht Spacko, sondern die Spacke, was Männlein und Weiblein meinen kann oder der Spacken, was immer Männer bezeichnet) kenne ich aber in einem anderen Entstehungszusammenhang und mit einer etwas anderen Wortbedeutung als der Duden. Erstmals vernahm ich den Ausdruck 1992, als ein Bremer Genosse sagte: "Göttingen? Alles Spacken!". Der Ausdruck wäre damals wohl eher mit Mitgliedern des MSB Spartakus (der Studierendenorganisation der moskautreuen DKP) in Verbindung gebracht worden als mit dem in der linken Szene tunlichst vermiedenen Schimpfwort Spassti. Eine Spacke war auch kein überheblicher Dummkopf, sondern bezeichnete einen sozial inkompetenten, wenig hilfsbereiten, unempathischen Menschen, der gleichzeitig hochmoralisch war - im Sinne der politisch hyperkorrekten Szenemoral. Heute würde mensch vielleicht "PC Nerd" sagen. So prangte denn auch auf der Tür unserer alten WG jahrelang ein Aufkleber "Restrictet Area. No entrance for Spacks!".
Nebenan, bei FreundInnen übrigens so richtig politisch unkorrekt ein Schild von einem Truppenübungsplatz mit der Aufschrift "Swine feaver. No dismounting!", darauf eine Damenbinde, auf die mit Edding "So ordinär!" geschrieben war, darunter ein Aufkleber vom Installateur "Halt Dein Rohr sauber!". Antispack-Aktion halt.
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Vor 70 Jahren: Befreiung des größten KZs auf Reichgebiet
che2001, 20:45h
Und dazu ein zentrales Dokument des Antifaschismus: Der Schwur von Buchenwald.
http://ajb.blogsport.de/stuff/historisches/der-schwur-von-buchenwald/
http://ajb.blogsport.de/stuff/historisches/der-schwur-von-buchenwald/
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Donnerstag, 2. April 2015
Bizarres zur Karwoche, oder: Definitionsmacht ist alles
che2001, 01:25h
Im Jahre 600 entschied Papst Benedikt II, dass 600 Kaninchen Fische wären. Hintergrund war die Tatsache, dass deren Fleisch so köstlich schmeckt und in der Karwoche kein Fleisch, wohl aber Fisch gegessen werden darf. Dem Papst konnte ja niemand widersprechen ohne befürchten zu müssen, verbrannt zu werden - gut, mitunter wurde Dispens erteilt und die Verbrennung erfolgte erst nach dem Hängen - aber das war praktisch. Darauf gehen dann auch Ideen zurück wie die, dass Hasen zu Ostern Eier legen.
Da gibt es dann noch den definitiven Hasen-Witz: Hase sitzt vor einem Felsen und kritzelt auf einem Block. Fuchs kommt vorbei und fragt ihn: "Was machst Du, Hase?" Hase erwidert: "Ich arbeite an dem Programm: Hase tötet Fuchs." Der Fuchs antwortet: "Hoho, eher töte ich Dich!" Darauf entgegnet der Hase: "Du glaubst mir nicht? Geh hinter den Felsen, Du wirst schon sehen."
Der Fuchs geht hinter den Felsen und wird nie mehr gesehen. Das Gleiche passiert am Nachmittag mit dem Luchs.
Tags darauf kommt der Wolf vorbei, sieht den Hasen, der auf seinen Block kritzelt und fragt ihn: "Was machst Du da?"
Hase erwidert: "Ich arbeite an dem Programm: Hase tötet Wolf. Der Wolf
antwortet: "Hoho, eher töte ich Dich!" Darauf entgegnet der Hase: "Du glaubst mir nicht? Geh hinter den Felsen, Du wirst schon sehen."Der Wolf geht hinter den Felsen und wird nie mehr gesehen.
Tags darauf kommt die Füchsin vorbei und fragt den Hasen: "Hase, hast Du meinen Mann gesehen? Wir sind ja keine Freunde, ich verstehe, wenn Du ihn nicht magst und fürchtest, aber ich vermisse ihn wirklich sehr!" Darauf antwortet der Hase: "Geh hinter den Felsen und frag den vollgefressenen Tiger, der hat ihn als Letzter gesehen!"
Da gibt es dann noch den definitiven Hasen-Witz: Hase sitzt vor einem Felsen und kritzelt auf einem Block. Fuchs kommt vorbei und fragt ihn: "Was machst Du, Hase?" Hase erwidert: "Ich arbeite an dem Programm: Hase tötet Fuchs." Der Fuchs antwortet: "Hoho, eher töte ich Dich!" Darauf entgegnet der Hase: "Du glaubst mir nicht? Geh hinter den Felsen, Du wirst schon sehen."
Der Fuchs geht hinter den Felsen und wird nie mehr gesehen. Das Gleiche passiert am Nachmittag mit dem Luchs.
Tags darauf kommt der Wolf vorbei, sieht den Hasen, der auf seinen Block kritzelt und fragt ihn: "Was machst Du da?"
Hase erwidert: "Ich arbeite an dem Programm: Hase tötet Wolf. Der Wolf
antwortet: "Hoho, eher töte ich Dich!" Darauf entgegnet der Hase: "Du glaubst mir nicht? Geh hinter den Felsen, Du wirst schon sehen."Der Wolf geht hinter den Felsen und wird nie mehr gesehen.
Tags darauf kommt die Füchsin vorbei und fragt den Hasen: "Hase, hast Du meinen Mann gesehen? Wir sind ja keine Freunde, ich verstehe, wenn Du ihn nicht magst und fürchtest, aber ich vermisse ihn wirklich sehr!" Darauf antwortet der Hase: "Geh hinter den Felsen und frag den vollgefressenen Tiger, der hat ihn als Letzter gesehen!"
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Dienstag, 31. März 2015
Neulich in der Sauna, allein unter Frauen
che2001, 02:50h
Generell gilt in öffentlichen gemischten Saunen ja eher die Regel, dass Entspannung und daher leises Reden und Vermeidung von Aufregung im Vordergrund steht, gemeinhin wird im Flüsterton geredet. Nicht so in der Sauna meines Dojo-Fitnesscenter-Sportclubs, da geht es eher zu wie am Tresen einer Bierbar oder Hafenkneipe, laut, schenkelklopfend und lustig. Jetzt hatte ich da aber ein Erlebnis, das selbst mich erstaunte. Ich saß da als einziger Mann unter lauter (sehr lautem Weibsvolk), und was die da parlierten war bukowskinesk: " Es macht schon Sinn, dass bei öffentlichen Meetings veganes Essen angeboten wird, schließlich sind unheimlich viele Leute gegen irgendwelche Proteine allergisch."
"Ach ja? Lactoseintoleranz, aber Sperma schlucken!" "Na ja, immer noch besser als Schwanz aus dem Arsch und gleich in den Mund!"
Hmmm. Sind Frauen-unter-sich-Gespräche öfter so?
"Ach ja? Lactoseintoleranz, aber Sperma schlucken!" "Na ja, immer noch besser als Schwanz aus dem Arsch und gleich in den Mund!"
Hmmm. Sind Frauen-unter-sich-Gespräche öfter so?
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Sonntag, 22. März 2015
Onkel Che ist verliebt
che2001, 01:16h
Und zwar in eine Frau, die aussehenstechnisch ohne Weiteres Playmate werden könnte und sagte, dass ich das Beste sei, was ihr in den letzten Jahren passiert ist. Dieses Kompliment kann ich zurückgeben. Woau!
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Samstag, 21. März 2015
Biji Nerwoz! Berxwedan Jiyane!
che2001, 19:44h
Die ganze kurdische Welt feiert Neujahr. Wenn der Friedensaufruf Abdullah Öcalans Gehör findet, besteht die Möglichkeit eines Miteinanders von Türken und Kurden und nicht nur einer versöhnlichen Entwicklung, sondern eines autonomen Gebildes in Rojava und Nordirak in friedlicher Koexistenz mit der Türkei, Iran und Restirak.
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Sonntag, 15. März 2015
Der Ursprung meiner déjá-vu-Erlebnisse
che2001, 19:45h
So manches Mal, wenn Diskussionen bei Metalust,
https://metalust.wordpress.com
Mädchenmannschaft,
http://maedchenmannschaft.net
Shifting Reality
https://shiftingreality.wordpress.com
oder hier einen stark moralisierenden Drive bekamen mit Bekenntnisaufforderungen und Forderungen, bestimmte Sprachregelungen einzuhalten reagierte ich deshalb dünnhäutig, weil diese Debatten in meiner Wahnehmung Endlosschleifen darstellen, die jedes Jahrfünft von neuen Szenegenerationen geführt und dann vergessen werden. Die feministischen Debatten von heute etwa wurden auch schon von der Generation der Mütter der Mädchenmannschaft so ähnlich geführt, Entsprechendes gilt für Klassismusdiskussionen oder die Frage, wie alltagsrassistische Wahrnehmungsmuster einer/m selbst bewusst gemacht werden können. Neu sind jeweils die vereinbarten Sprachregelungen in ihrer konkreten Form, neu ist auch, dass die Diskussion für die DiskutantInnen selber neu ist. Ansonsten gilt die Wiederholung des Immergleichen.
Hinsichtlich des humorlosen Moralismus, der hierzu die Matrix liefert prägte mich hierbei ein Ereignis, das zwar schon etwa 25 Jahre her ist, für mich aber absolut archetypisch für bestimmte gruppendynamische Grundmuster dasteht.
Hierzu muss zunächst gesagt etwas zur historischen Situation gesagt werden, in der das Ganze sich abspielte. Für die westdeutsche Linke war Ausnahmezustand. Die DDR war gerade kollabiert, der Zweite Golfkrieg in der Vorbereitung, der letzte RAF-Hungerstreik gerade zu Ende, die Repression gegen deren Sympis noch auf dem Höhepunkt, die Symbolfigur des radikalen Feminismus in Deutschland und Österreich, Ingrid Strobl, saß in Beugehaft in Zusammenhang mit einem RAF-Attentat, und bundesweit wurden Frauen-Lesben-Zentren gerazzt, weil die Frauen sich mit Gentechnik und Reproduktionstechnologien kritisch auseinandersetzten und das damals als "anschlagsrelevante Themen" eingeordnet wurde. Feministinnen wurden in dieser Zeit von den Staatsanwaltschaften als "terroristisches Umfeld" verfolgt. Also alles Dinge, die heute wesentlich anders sind und einen einzigartigen Zeithorizont ausmachten. Die Frage ist nur, ob die kognitiven Dissonanzen, die durch diese Dinge verursacht wurden so anders waren als Reaktionsweisen, die wir von heute kennen.
1990 saßen in einem Funktionsraum eines linken Zentrums, der unserer Gruppe gehörte, in der Menschen aus dem KB, der MG, den Autonomen und auch versprengte JUSOS und Grüne zusammenarbeiteten drei Leute zusammen, zwei Männer und eine Frau. Die wollten gemeinsam eine NDR-Doku über Neonazi-Aktivitäten in Südniedersachsen gucken und aufzeichnen. Da kamen dann die Frauen vom autonomen Frauenreferat hinzu und wollten das auch gucken. Der Beitrag war aber kurzfristig aus dem Programm gekickt worden. Da meinte einer der beiden Männer, Bernward * alle Namen wurden verändert *, "Dann schauen wir uns doch stattdessen einen Spielfilm an, an dem sich sehr gut geschlechtsspezifische Verhaltensweisen studieren lassen." Als die Frauen den auch sehen wollten fragte er, ob sie nicht lieber gehen wollten, eigentlich säßen ja die drei Leute gruppenintern zusammen. Da kam der Spruch auf "Aha, die Herren wollen wohl Pornos gucken", dann fiel der Blick auf das Filmetikett: "Playboys und Abenteurer". Das ist ein Revolutionsschmachtfetzen, der in dem fiktiven südamerikanischen Staat Corteguay spielt, aber mit dem Wort Playboy erschien der Verdacht erhärtet. Laut lachend entfernten sich die Frauen.
Am nächsten Tag war es nicht mehr lustig. Auf die Tür des Raumes war "Bernwards Porno-Kino" gesprüht. Noch einen Tag später klebten überall in Göttingen, an Schwarzen Brettern und Litfasssäulen, Plakate mit den Fotos der beiden Männer mit vollständigen Namen, Adressen und Telefonnummern - die anwesende Sylvia wurde, weil als Frau nicht ins Weltbild passend, komplett unterschlagen - unter der Überschrift "Alle Wichser in den Mixer, alle Macker untern Acker!" mit der Darstellung, dass sie Frauen aus dem Frauen-Lesbenreferat aus dem Szenetreff rausgeschmissen hätten um dort in Ruhe einen Porno schauen zu können und der Forderung, sie aus allen linken Zusammenhängen auszuschließen. Ein Versuch der Betroffenen, die Angelegenheit zu klären indem gemeinsam dieser Film gesehen werden sollte um festzustellen, dass der nicht pornografisch ist scheiterte an dem wütenden Gegenargument "Was? Jetzt sollen wir diesen Scheißfilm auch noch selber sehen?".
Es fand dann unter dem Ausschluss der "Angeklagten" eine Sitzung über deren Ausschluss statt, bei der alle Leute, die etwas zu Gunsten der Beschuldigten sagten, durch Zwinkern und Zuruf von im Saal strategisch verteilten Leuten kollektiv ausgelacht oder niedergebuht wurden. (Zwischenbemerkung: In gleicher Weise spielte sich der Umgang mit KritikerInnen von Radikal-CW-Perspektiven auf dem Nobordercamp 2012 ab)
Abstruserweise brüstete sich da einer der Platzhirsche in der Pose Brust raus - Bauch rein - Muskeln zeigen mit der Bemerkung, das Verhalten vieler linker Männer würde ja von Frauenseite stark kritisiert, er könne das gar nicht verstehen, mit ihm hätten Frauen keine Schwierigkeiten.
Sämtliche Männer, die den engen Bezugsgruppen der "Angeklagten" angehörten wurden mit der Ansage "rechtfertige Dich" namentlich aufgefordert, Stellung zu beziehen. Als die Reihe an mich kam sagte ich, dass eine in der Szene hochangesehene feministische Genossin gemeint hatte, den Initiatorinnen dieser Aktion gehöre in die Fresse geschlagen, den Umgang mit Emotionen und Stimmungen in diesem Plenum hielte ich für faschistoid. Ich legte auch noch ein Paper vor, das mit den Worten endete "Spielt weiter, Ihr Kindergarten. Als erwachsene Menschen kann ich Euch nicht mehr akzeptieren." Damit hatte ich meinen Ausschluss unter Androhung von Schlägen auch schon selber organisiert.
In der Folgezeit mied man mich, das ging so weit, dass Aktivisten am Aneinandervorbeigehen in Ladentüren bemüht waren, nicht meine Kleidung zu berühren, ich war ja aussätzig. Beim Vorbereitungsplenum zu Aktionen gegen den 1991er Golfkrieg weigerten sich die Feministinnen, mit mir, dem Männerschwein, auf einem Podium zu sitzen und hielten deshalb ihren Vortrag aus dem Publikum heraus.
Ja und dann wurde langsam klar, dass ich in der Kurdistan-Gruppe und dem Antirassismusplenum aktiv war, Flüchtlinge mit Guerrilla-Hintergrund mit mir befreundet waren, die unter Feministinnen extrem angesagte Wortführerin der Antira große Stücke auf mich hielt, ich eine Beziehung mit einer Feministin hatte, die PKK mich als Ehrengast zu Veranstaltungen einlud und ich den angeblichen - tatsächlich völlig unschuldigen - Mörder von Herrhausen persönlich kannte. Ich gehörte zum Vorbereitungskommittee der bundesweiten Demo gegen die Abschaffung des Asylrechts 1993, war da Mitglied der sehr exklusiv handverlesenen ersten Reihe des Schwarzen Blocks und hatte Zugang zur Redaktionsgruppe der Materialien für einen Neuen Antiimperialismus.
Und plötzlich durfte ich alles! Die Leute, die mich vorher als antifeministisches Arschloch verachtet hatten schauten zu mir auf, und ich erlaubte mir Scherze wie in der veganen Volksküche Putenschnitzel zuzubereiten. Mit Beifall!
Die Hauptaktivistin der ganzen Antipornoaktion, die, nachdem sie auch anderen Feministinnen wegen fehlender Linientreue den Rauswurf besorgt hatte, den Spitznamen "Danger-Woman" sich einfing, bezeichnenderweise eine Juristin, lebt heute als Sub in einer SM-Beziehung mit ihrem früheren Psychotherapeuthen auf Gomera.
- Wenn sich britische und französische linke Szenen in den 70ern Jahren ähnliche Binnenstrukturen geleistet haben kennen wir zumindest die Entstehungshintergründe einiger Filme der Monty Pythons und Comics von Lauzier;-)
Trotzdem bleiben die eigentlich dramatischen Fragen die sich hier stellen unbeantwortet. Warum bringen linke Szenen immer wieder solche menschenverachtenden Überreaktionen bei einer an sich richtigen kritischen Grundhaltung hervor? Wieso bringen Reizworte wie Sexismus, Rassismus, Faschismus kritisch-reflektierte, hochintelligente Menschen dazu, sich in angespannten Situationen wie ein nicht mehr reflexionsfähiger hypermoralischer Mob zu verhalten? Ich würde behaupten, das Mobverhalten gegen die angeblichen Sexisten unterscheidet sich in seiner Gruppendynamik nicht von dem des Lynchmobs, der Schwarze in den USA einstmals an den Baum hängte. Der Wunsch von marginalisierten, gesellschaftskritischen, oft charakterlich noch etwas unreifen Menschen, sich im Rahmen einer Szene als Teil eines Großen Ganzen zu fühlen führt dazu, sich gefolgschaftsmäßig den Opinionleadern anzuschließen. Selbstzweifel finden nicht mehr statt, sie werden mit Gebrüll übertönt. Somit wird die Struktur dieser "linkslibertären", "undogmatischen" Szene, die offiziell keine Hierarchien kennt de facto schweineautoritär. Und als ich mich selber als nunmehriger Szenehierarch mit allen möglichen Klamotten über die Szenemoral lustig machte wurde das zwar akzeptiert, die inhärente Kritik kapierte aber niemand. Das ging so weit, dass ein Genosse einmal erklärte, es müsste eine für alle verbindliche Szenemoral geben, insbesondere auf das Sexualverhalten bezogen, an die alle sich zu halten hätten. Das war sarkastisch gemeint, es wurde aber geschluckt. Als er einen draufsetzte und sagte "Wie im Iran!" kapierte das niemand. Erst der Satz, es müsse ein Witzbollah entscheiden, über was gelacht werden dürfe macht klar, dass hier ein Schabernakel gebaut wurde.
Die Leute von damals sind heute viel entspannter, die meisten haben Karriere gemacht und ihr einstiges linksradikales, feministisches, radikalökologisches oder sonstwieistisches Engagement ist eine folgenlose Episode ihrer Studienzeit geworden. Was ich ebenso schade finde wie den sinnlosen moralischen Rigorismus, mit der eigentlich fortschrittliche und emanzipatorische Bewegungen sich immer wieder selbst zerfleischen.
https://metalust.wordpress.com
Mädchenmannschaft,
http://maedchenmannschaft.net
Shifting Reality
https://shiftingreality.wordpress.com
oder hier einen stark moralisierenden Drive bekamen mit Bekenntnisaufforderungen und Forderungen, bestimmte Sprachregelungen einzuhalten reagierte ich deshalb dünnhäutig, weil diese Debatten in meiner Wahnehmung Endlosschleifen darstellen, die jedes Jahrfünft von neuen Szenegenerationen geführt und dann vergessen werden. Die feministischen Debatten von heute etwa wurden auch schon von der Generation der Mütter der Mädchenmannschaft so ähnlich geführt, Entsprechendes gilt für Klassismusdiskussionen oder die Frage, wie alltagsrassistische Wahrnehmungsmuster einer/m selbst bewusst gemacht werden können. Neu sind jeweils die vereinbarten Sprachregelungen in ihrer konkreten Form, neu ist auch, dass die Diskussion für die DiskutantInnen selber neu ist. Ansonsten gilt die Wiederholung des Immergleichen.
Hinsichtlich des humorlosen Moralismus, der hierzu die Matrix liefert prägte mich hierbei ein Ereignis, das zwar schon etwa 25 Jahre her ist, für mich aber absolut archetypisch für bestimmte gruppendynamische Grundmuster dasteht.
Hierzu muss zunächst gesagt etwas zur historischen Situation gesagt werden, in der das Ganze sich abspielte. Für die westdeutsche Linke war Ausnahmezustand. Die DDR war gerade kollabiert, der Zweite Golfkrieg in der Vorbereitung, der letzte RAF-Hungerstreik gerade zu Ende, die Repression gegen deren Sympis noch auf dem Höhepunkt, die Symbolfigur des radikalen Feminismus in Deutschland und Österreich, Ingrid Strobl, saß in Beugehaft in Zusammenhang mit einem RAF-Attentat, und bundesweit wurden Frauen-Lesben-Zentren gerazzt, weil die Frauen sich mit Gentechnik und Reproduktionstechnologien kritisch auseinandersetzten und das damals als "anschlagsrelevante Themen" eingeordnet wurde. Feministinnen wurden in dieser Zeit von den Staatsanwaltschaften als "terroristisches Umfeld" verfolgt. Also alles Dinge, die heute wesentlich anders sind und einen einzigartigen Zeithorizont ausmachten. Die Frage ist nur, ob die kognitiven Dissonanzen, die durch diese Dinge verursacht wurden so anders waren als Reaktionsweisen, die wir von heute kennen.
1990 saßen in einem Funktionsraum eines linken Zentrums, der unserer Gruppe gehörte, in der Menschen aus dem KB, der MG, den Autonomen und auch versprengte JUSOS und Grüne zusammenarbeiteten drei Leute zusammen, zwei Männer und eine Frau. Die wollten gemeinsam eine NDR-Doku über Neonazi-Aktivitäten in Südniedersachsen gucken und aufzeichnen. Da kamen dann die Frauen vom autonomen Frauenreferat hinzu und wollten das auch gucken. Der Beitrag war aber kurzfristig aus dem Programm gekickt worden. Da meinte einer der beiden Männer, Bernward * alle Namen wurden verändert *, "Dann schauen wir uns doch stattdessen einen Spielfilm an, an dem sich sehr gut geschlechtsspezifische Verhaltensweisen studieren lassen." Als die Frauen den auch sehen wollten fragte er, ob sie nicht lieber gehen wollten, eigentlich säßen ja die drei Leute gruppenintern zusammen. Da kam der Spruch auf "Aha, die Herren wollen wohl Pornos gucken", dann fiel der Blick auf das Filmetikett: "Playboys und Abenteurer". Das ist ein Revolutionsschmachtfetzen, der in dem fiktiven südamerikanischen Staat Corteguay spielt, aber mit dem Wort Playboy erschien der Verdacht erhärtet. Laut lachend entfernten sich die Frauen.
Am nächsten Tag war es nicht mehr lustig. Auf die Tür des Raumes war "Bernwards Porno-Kino" gesprüht. Noch einen Tag später klebten überall in Göttingen, an Schwarzen Brettern und Litfasssäulen, Plakate mit den Fotos der beiden Männer mit vollständigen Namen, Adressen und Telefonnummern - die anwesende Sylvia wurde, weil als Frau nicht ins Weltbild passend, komplett unterschlagen - unter der Überschrift "Alle Wichser in den Mixer, alle Macker untern Acker!" mit der Darstellung, dass sie Frauen aus dem Frauen-Lesbenreferat aus dem Szenetreff rausgeschmissen hätten um dort in Ruhe einen Porno schauen zu können und der Forderung, sie aus allen linken Zusammenhängen auszuschließen. Ein Versuch der Betroffenen, die Angelegenheit zu klären indem gemeinsam dieser Film gesehen werden sollte um festzustellen, dass der nicht pornografisch ist scheiterte an dem wütenden Gegenargument "Was? Jetzt sollen wir diesen Scheißfilm auch noch selber sehen?".
Es fand dann unter dem Ausschluss der "Angeklagten" eine Sitzung über deren Ausschluss statt, bei der alle Leute, die etwas zu Gunsten der Beschuldigten sagten, durch Zwinkern und Zuruf von im Saal strategisch verteilten Leuten kollektiv ausgelacht oder niedergebuht wurden. (Zwischenbemerkung: In gleicher Weise spielte sich der Umgang mit KritikerInnen von Radikal-CW-Perspektiven auf dem Nobordercamp 2012 ab)
Abstruserweise brüstete sich da einer der Platzhirsche in der Pose Brust raus - Bauch rein - Muskeln zeigen mit der Bemerkung, das Verhalten vieler linker Männer würde ja von Frauenseite stark kritisiert, er könne das gar nicht verstehen, mit ihm hätten Frauen keine Schwierigkeiten.
Sämtliche Männer, die den engen Bezugsgruppen der "Angeklagten" angehörten wurden mit der Ansage "rechtfertige Dich" namentlich aufgefordert, Stellung zu beziehen. Als die Reihe an mich kam sagte ich, dass eine in der Szene hochangesehene feministische Genossin gemeint hatte, den Initiatorinnen dieser Aktion gehöre in die Fresse geschlagen, den Umgang mit Emotionen und Stimmungen in diesem Plenum hielte ich für faschistoid. Ich legte auch noch ein Paper vor, das mit den Worten endete "Spielt weiter, Ihr Kindergarten. Als erwachsene Menschen kann ich Euch nicht mehr akzeptieren." Damit hatte ich meinen Ausschluss unter Androhung von Schlägen auch schon selber organisiert.
In der Folgezeit mied man mich, das ging so weit, dass Aktivisten am Aneinandervorbeigehen in Ladentüren bemüht waren, nicht meine Kleidung zu berühren, ich war ja aussätzig. Beim Vorbereitungsplenum zu Aktionen gegen den 1991er Golfkrieg weigerten sich die Feministinnen, mit mir, dem Männerschwein, auf einem Podium zu sitzen und hielten deshalb ihren Vortrag aus dem Publikum heraus.
Ja und dann wurde langsam klar, dass ich in der Kurdistan-Gruppe und dem Antirassismusplenum aktiv war, Flüchtlinge mit Guerrilla-Hintergrund mit mir befreundet waren, die unter Feministinnen extrem angesagte Wortführerin der Antira große Stücke auf mich hielt, ich eine Beziehung mit einer Feministin hatte, die PKK mich als Ehrengast zu Veranstaltungen einlud und ich den angeblichen - tatsächlich völlig unschuldigen - Mörder von Herrhausen persönlich kannte. Ich gehörte zum Vorbereitungskommittee der bundesweiten Demo gegen die Abschaffung des Asylrechts 1993, war da Mitglied der sehr exklusiv handverlesenen ersten Reihe des Schwarzen Blocks und hatte Zugang zur Redaktionsgruppe der Materialien für einen Neuen Antiimperialismus.
Und plötzlich durfte ich alles! Die Leute, die mich vorher als antifeministisches Arschloch verachtet hatten schauten zu mir auf, und ich erlaubte mir Scherze wie in der veganen Volksküche Putenschnitzel zuzubereiten. Mit Beifall!
Die Hauptaktivistin der ganzen Antipornoaktion, die, nachdem sie auch anderen Feministinnen wegen fehlender Linientreue den Rauswurf besorgt hatte, den Spitznamen "Danger-Woman" sich einfing, bezeichnenderweise eine Juristin, lebt heute als Sub in einer SM-Beziehung mit ihrem früheren Psychotherapeuthen auf Gomera.
- Wenn sich britische und französische linke Szenen in den 70ern Jahren ähnliche Binnenstrukturen geleistet haben kennen wir zumindest die Entstehungshintergründe einiger Filme der Monty Pythons und Comics von Lauzier;-)
Trotzdem bleiben die eigentlich dramatischen Fragen die sich hier stellen unbeantwortet. Warum bringen linke Szenen immer wieder solche menschenverachtenden Überreaktionen bei einer an sich richtigen kritischen Grundhaltung hervor? Wieso bringen Reizworte wie Sexismus, Rassismus, Faschismus kritisch-reflektierte, hochintelligente Menschen dazu, sich in angespannten Situationen wie ein nicht mehr reflexionsfähiger hypermoralischer Mob zu verhalten? Ich würde behaupten, das Mobverhalten gegen die angeblichen Sexisten unterscheidet sich in seiner Gruppendynamik nicht von dem des Lynchmobs, der Schwarze in den USA einstmals an den Baum hängte. Der Wunsch von marginalisierten, gesellschaftskritischen, oft charakterlich noch etwas unreifen Menschen, sich im Rahmen einer Szene als Teil eines Großen Ganzen zu fühlen führt dazu, sich gefolgschaftsmäßig den Opinionleadern anzuschließen. Selbstzweifel finden nicht mehr statt, sie werden mit Gebrüll übertönt. Somit wird die Struktur dieser "linkslibertären", "undogmatischen" Szene, die offiziell keine Hierarchien kennt de facto schweineautoritär. Und als ich mich selber als nunmehriger Szenehierarch mit allen möglichen Klamotten über die Szenemoral lustig machte wurde das zwar akzeptiert, die inhärente Kritik kapierte aber niemand. Das ging so weit, dass ein Genosse einmal erklärte, es müsste eine für alle verbindliche Szenemoral geben, insbesondere auf das Sexualverhalten bezogen, an die alle sich zu halten hätten. Das war sarkastisch gemeint, es wurde aber geschluckt. Als er einen draufsetzte und sagte "Wie im Iran!" kapierte das niemand. Erst der Satz, es müsse ein Witzbollah entscheiden, über was gelacht werden dürfe macht klar, dass hier ein Schabernakel gebaut wurde.
Die Leute von damals sind heute viel entspannter, die meisten haben Karriere gemacht und ihr einstiges linksradikales, feministisches, radikalökologisches oder sonstwieistisches Engagement ist eine folgenlose Episode ihrer Studienzeit geworden. Was ich ebenso schade finde wie den sinnlosen moralischen Rigorismus, mit der eigentlich fortschrittliche und emanzipatorische Bewegungen sich immer wieder selbst zerfleischen.
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Sonntag, 8. März 2015
Heute ist 8. März, Frauenkampftag
che2001, 17:53h
Als Nichtfrau verlinke ich mal zu den eindeutigen Seiten.
http://netbitch1.twoday.net/stories/1022404906/
http://www.frauenkampftag2015.de
https://www.demoplaner.de/details/1841-frauenkampftag-2015.html
http://netbitch1.twoday.net/stories/1022404906/
http://www.frauenkampftag2015.de
https://www.demoplaner.de/details/1841-frauenkampftag-2015.html
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Freitag, 6. März 2015
Onkel Ches Subkulturprogramm
che2001, 01:22h
Nachdem Ziggev von meinen letzten Einspielungen von Carolin Kebekus so begeistert war (die Netbitch redet im Realleben übrigens so ähnlich wie die) hier also noch einige Performances, die ich schweinegut finde:
https://www.youtube.com/watch?v=XgOuibCvKNo
https://www.youtube.com/watch?v=FKMrbBsf8fA
https://www.youtube.com/watch?v=XgOuibCvKNo
https://www.youtube.com/watch?v=FKMrbBsf8fA
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Sonntag, 1. März 2015
Arbeitslosigkeit, Perspektive auf Jobs und Erwartungshaltungen - eine getwitterte Story, oder auch: Generation Rabäh meldet sich zu Wort
che2001, 19:52h
(edit: aufgrund inhaltlich zutreffender Kritik überarbeitetes Posting)
Eigentlich ist es eine Frage des gesunden Menschenverstandes, ein radikales politisches Engagement nicht in den eigenen Bewerbungsunterlagen stehen zu haben, wenn eine Karriere angestrebt wird, die nicht durch persönliche Connections ins Rollen gebracht wird. Ich meine, es schreibt ja auch niemand in den Lebenslauf "1989 129a)-Verfahren im Zusammenhang mit dem letzten RAF-Hungerstreik gehabt" oder "redaktionelle Tätigkeiten beim Angehörigen-Info, radikal und der E.Colibri". Aus einem solchen Engagement aber eine besondere Eignung für einen Job abzuleiten finde ich absurd. Zu meinen Zeiten führte so etwas eher dazu, Ziel staatsanwaltlicher Ermittlungen zu werden, und es galt als eine Art Ethos, das in Kauf zu nehmen.
Nun ist ein Magisterstudium der Germanistik das nicht auf ein Lehramt abzielt ohnehin ein Studium direkt auf Hartz 4 hin, es sei denn, es wird bereits während des Studiums eine unbefristete journalistische Tätigkeit bei einem Medium aufgenommen, so dass nach Abschluss das Volontariat kommt und dann eine Übernahme als Redakteurin.
Ein Magister-Diplom- oder Masterstudium in einer Geistes- oder Sozialwissenschaft ist eine Zeit kreativer Muße, in der mensch Gelegenheit findet sich einen gesellschaftheoretischen Fundus anzulegen, die eigenen Gedanken zu ordnen und sich experimentell in neuen Lebenssituationen auszuprobieren, aber keine eigentliche Berufsausbildung. Und das ist so schon seit Jahrzehnten.
Dunnemals, in den Achtziger Jahren hatten wir als Fachschaft Geschichte den Erstsemestern in der Studienberatung geraten, einen Führerschein für einen Gabelstapler zu machen oder Ähnliches, und das war realistisch und nicht polemisch gemeint gewesen. Ich hatte GenossInnen, die sind nach dem Studium für ein oder zwei Jahre bei VW oder Bosch ans Band gegangen um sich so die ABM-Berechtigung zu erwerben und dann in dem von ihnen angestrebten Bereich, etwa linken Kulturzentren, Flüchtlingsberatungsstellen, Frauenhäusern oder Alternativredaktionen auf ABM-Basis zu arbeiten. Der allergrößte Teil der Non-Profit-Jobs im karitativen und soziokulturellen Bereich lebt von diesen ABMs. Da haben sich Leute schon zu Studienzeiten ABM-Karrieren zurechtgeplant, bei denen dann bis zu drei Jahre auf einer ABM gearbeitet wird, um sich dann arbeitslos zu melden und bis zum Wiedereintritt der ABM-Berechtigung zu warten. De facto wird da bei Bezug von Arbeitslosengeld weiter durchgearbeitet, ehrenamtlich halt, bis die Berechtigung wieder da ist. Der größere Teil der SozialarbeiterInnen, Campaigner und sonstigen Projektleute aus dem Caritas-AWO-Greenpeace-ai-Flüchtlingsratsumfeld die ich so kenne macht diese Art von Job.
Bei mir selbst war das so gelaufen dass ich nach dem Studium zunächst Sozialhilfe bezogen hatte, um dann über eine BSHG19-Stelle, eine spezielle ABM für Sozi-BezieherInnen in ein Projekt einzusteigen, mein weiterer Weg führte mich dann über einen Job als Reporter und ein Promotionsstipendium schließlich zu einer Pressesprechertätigkeit. Und da wurde ich aus dem Szenespektrum schon als "Karrierist" beschimpft und sogar moralisch kritisiert, als ich schließlich für ein Profit-Unternehmen arbeitete.
Keine entsprechenden Vorbereitungen zu treffen, von solchen Möglichkeiten offensichtlich nullkommanichts zu wissen und dann auch noch die Fußeisen in der eigenen Bio anzugeben um schließlich in etwas naiv anmutender Weise über die zugegeben beschissene eigene Lage zu klagen, da stellen sich mir einige Fragezeichen. Fragezeichen allerdings nicht unbedingt zu der betroffenen Person selber, sondern zu den Rahmenbedingungen. Offensichtlich ist in einer sozialen Situation, die angespannter ist als je zuvor in diesem Lande selbst bei politisch hochengagierten Menschen das Bewusstsein darüber, was mit dem eigenen Bildungsgrad zu gewinnen ist und wie mensch sich selbst organisiert viel geringer entwickelt als es in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Das System hat es leicht bei einer solchen Konstellation.
Nun ist dies beileibe kein Einzelfall. Vor Jahrzehnten meinte ein alter Freund mal, die Generation von Studierenden die nach uns kommt würde eine sein, die weder über persönliche Widerstandsfähigkeit noch über sonderliche soziale Selbstorganisationsfähigkeit verfügen wird. Könnte es sein, dass er leider Recht behalten hat?
http://rebellmarkt.blogger.de/stories/2481604/#comments
Eigentlich ist es eine Frage des gesunden Menschenverstandes, ein radikales politisches Engagement nicht in den eigenen Bewerbungsunterlagen stehen zu haben, wenn eine Karriere angestrebt wird, die nicht durch persönliche Connections ins Rollen gebracht wird. Ich meine, es schreibt ja auch niemand in den Lebenslauf "1989 129a)-Verfahren im Zusammenhang mit dem letzten RAF-Hungerstreik gehabt" oder "redaktionelle Tätigkeiten beim Angehörigen-Info, radikal und der E.Colibri". Aus einem solchen Engagement aber eine besondere Eignung für einen Job abzuleiten finde ich absurd. Zu meinen Zeiten führte so etwas eher dazu, Ziel staatsanwaltlicher Ermittlungen zu werden, und es galt als eine Art Ethos, das in Kauf zu nehmen.
Nun ist ein Magisterstudium der Germanistik das nicht auf ein Lehramt abzielt ohnehin ein Studium direkt auf Hartz 4 hin, es sei denn, es wird bereits während des Studiums eine unbefristete journalistische Tätigkeit bei einem Medium aufgenommen, so dass nach Abschluss das Volontariat kommt und dann eine Übernahme als Redakteurin.
Ein Magister-Diplom- oder Masterstudium in einer Geistes- oder Sozialwissenschaft ist eine Zeit kreativer Muße, in der mensch Gelegenheit findet sich einen gesellschaftheoretischen Fundus anzulegen, die eigenen Gedanken zu ordnen und sich experimentell in neuen Lebenssituationen auszuprobieren, aber keine eigentliche Berufsausbildung. Und das ist so schon seit Jahrzehnten.
Dunnemals, in den Achtziger Jahren hatten wir als Fachschaft Geschichte den Erstsemestern in der Studienberatung geraten, einen Führerschein für einen Gabelstapler zu machen oder Ähnliches, und das war realistisch und nicht polemisch gemeint gewesen. Ich hatte GenossInnen, die sind nach dem Studium für ein oder zwei Jahre bei VW oder Bosch ans Band gegangen um sich so die ABM-Berechtigung zu erwerben und dann in dem von ihnen angestrebten Bereich, etwa linken Kulturzentren, Flüchtlingsberatungsstellen, Frauenhäusern oder Alternativredaktionen auf ABM-Basis zu arbeiten. Der allergrößte Teil der Non-Profit-Jobs im karitativen und soziokulturellen Bereich lebt von diesen ABMs. Da haben sich Leute schon zu Studienzeiten ABM-Karrieren zurechtgeplant, bei denen dann bis zu drei Jahre auf einer ABM gearbeitet wird, um sich dann arbeitslos zu melden und bis zum Wiedereintritt der ABM-Berechtigung zu warten. De facto wird da bei Bezug von Arbeitslosengeld weiter durchgearbeitet, ehrenamtlich halt, bis die Berechtigung wieder da ist. Der größere Teil der SozialarbeiterInnen, Campaigner und sonstigen Projektleute aus dem Caritas-AWO-Greenpeace-ai-Flüchtlingsratsumfeld die ich so kenne macht diese Art von Job.
Bei mir selbst war das so gelaufen dass ich nach dem Studium zunächst Sozialhilfe bezogen hatte, um dann über eine BSHG19-Stelle, eine spezielle ABM für Sozi-BezieherInnen in ein Projekt einzusteigen, mein weiterer Weg führte mich dann über einen Job als Reporter und ein Promotionsstipendium schließlich zu einer Pressesprechertätigkeit. Und da wurde ich aus dem Szenespektrum schon als "Karrierist" beschimpft und sogar moralisch kritisiert, als ich schließlich für ein Profit-Unternehmen arbeitete.
Keine entsprechenden Vorbereitungen zu treffen, von solchen Möglichkeiten offensichtlich nullkommanichts zu wissen und dann auch noch die Fußeisen in der eigenen Bio anzugeben um schließlich in etwas naiv anmutender Weise über die zugegeben beschissene eigene Lage zu klagen, da stellen sich mir einige Fragezeichen. Fragezeichen allerdings nicht unbedingt zu der betroffenen Person selber, sondern zu den Rahmenbedingungen. Offensichtlich ist in einer sozialen Situation, die angespannter ist als je zuvor in diesem Lande selbst bei politisch hochengagierten Menschen das Bewusstsein darüber, was mit dem eigenen Bildungsgrad zu gewinnen ist und wie mensch sich selbst organisiert viel geringer entwickelt als es in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Das System hat es leicht bei einer solchen Konstellation.
Nun ist dies beileibe kein Einzelfall. Vor Jahrzehnten meinte ein alter Freund mal, die Generation von Studierenden die nach uns kommt würde eine sein, die weder über persönliche Widerstandsfähigkeit noch über sonderliche soziale Selbstorganisationsfähigkeit verfügen wird. Könnte es sein, dass er leider Recht behalten hat?
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