Montag, 13. April 2009
Von Krefeld bis zum Kirchentag - die LiberALen
Hach jaaah!!!!!

Das war wirklich eine heiße Zeit, von der Momorulez da schreibt, und sie prägte mich für den Rest meines Lebens.

http://metalust.wordpress.com/2009/04/06/ja-schreib-doch-gutmensch-sven-felix-kellerhoff/#comment-933

Der Krefelder Appell wie auch der Volkszählungsboykott, erste Runde, stellten die machtvollsten zivilgesellschaftlichen Ungehorsamsäußerungen der deutschen Nackriegsgeschichte dar.

http://de.wikipedia.org/wiki/Krefelder_Appell


Eine Massenbewegung, die von den Kirchen bis zu den Gewerkschaften, von den Jusos bis zur extremen Linken reichte brachte Hunderttausende gleichzeitig auf die Straße, und einer der Sprecher der Bewegung, Jo Leinen, verkündete, wenn die Bundesregierung nicht vom NATO-Doppelbeschluss und dem Bau neuer atomkraftwerke abrücke werde man dieses Land unregierbar machen. Für eine kurze Zeit schien eine ebenso plurale wie solidarische Massenbewegung das Heft in der Hand zu halten.


Aber es schien nur so. Mr. Unregierbarmachen zeigte bei Anti-AKW-Protesten, was von ihm zu halten war: statt die Demo direkt zum Bauzaun zu führen forderte er dazu auf, große, sandgefüllte Container, die von der Polizei als ahrzeughindernisse aufgestellt waren mit Handkellen leerzuschaufeln, was die Demo weit auseinanderfallen ließ, dazu führte, dass die Zugspitze von den Cops eingemacht wurde und er den Spitznamen "Container-Jo" sich einhandelte.

Als Reaktion auf heftige Übergriffe der Polizei hatten sich als Selbstschutz der Demos Schwarze Blöcke gebildet, die damals uniform vermummt und behelmt waren und meist aus Autonomen und Antiimps bestanden. Aus solchen Schwarzen Blöcken wurden nun des Öfteren unprovoziert Steine auf die Staatsmacht geworfen und mit Zwillen Stahlmuttern und Schrauben verschossen, manchmal mitten durch die friedlichen DemonstrantInnen hindurch. Ob das nun hirnloses Ausrasten einzelner Gruppen, gezielte Aktionen verfassungsschutzgelenkter Agents Provocateurs waren oder Teil der Eskalationsstrategie der Antiimps, fest steht, dass es die linksradikalen von den bürgerlichen Protestierern entfremdete, die kurze Zeit am gleichen Strang gezogen hatten. Dies allerdings wurde dann bei der Anti-Bush-Demo (Bush sr., damals US-Vizepräsident) von Seiten der gemäßigten Friedensbewegung zementiert. Entgegen der ursprünglichen Planung wurde von einer Demo in der Krefelder Innenstadt abgewichen und die ganze Veranstaltung auf die grüne Wiese verlegt, wo die DemonstrantInnen unter sich waren und Bush nichts mitbekam. Der Schwarze Block beharrte hingegen darauf, in der Innenstadt zu demonstrieren und wurde beim versuchten Eindringen in die Bannmeile von den Cops fürchterlich verhauen mit Hunderten von Festnahmen. Beharrlich weigerten sich die VeranstalterInnen der Kundgebung draußen auf der Wiese, Autonome und Antiimps zu Wort kommen zu lassen und über die Vorfälle auch nur zu berichten. Man wollte totschweigen, dass es auch andere als friedliche Proteste gab und sich zu den Übergriffen der an diesem Tag brutal prügelnden Polizei möglichst nicht verhalten.

Im Fernsehen blieb von dem ereignisreichen Tag nichts übrig als ein paar Bilder von Pflastersteinen, die ein paar Restversprengte wütend und verzweifelt auf die Fahrzeugkolonne von Bush warfen. Weder die friedliche Demo noch der schwarze Block wurden gezeigt.
Von da an ging ein tiefer Riss durch die Friedens- und Anti-AKW-Bewegung, und in der Folge riefen sogar Promis aus der jungen Partei DIE GRÜNEN dazu auf, Autonome der Polizei auszuliefern, Steinewerfer zu denunzieren usw. Für mich, der sich bis dahin zu den überzeugten Gewaltfreien gezählt hatte, war dies Anlass, erstmals die Nähe der Autonomen zu suchen und mir deren Version anzuhören, da mich die scheinheiligen Distanzierungsauftritte der Obergrünen - die Spaltungsteile, wie wir das damals nannten - anwiderten. Und stellte dann sehr schnell fest, dass Autonome keineswegs durch die Bank gewaltbereit waren, sondern dort eher ein Pluralismus herrschte in die Richtung, dass jedeR frei sei, die eigene Widerstandsform zu wählen. An der Gewaltfrage geradezu wund rieben sich hingegen Gruppen wie der Kommunistische Bund (KB) oder diverse linke Hochschulgruppen. Einerseits waren sie gegen gewaltsame Exkalation und selber in der Praxis auch gewaltfrei. Andererseits passte das aber nicht zum eigenen revolutionären Anspruch und geschwungenen Parolen wie "die Waffe der Kritik kann nicht immer die Kritik der Waffen ersetzen", also suchte man sich Begründungen, warum man zwar nicht gegen Gewalt, dies in diesem Fall aber doch war und distanzierte sich von den Distanzierungen der ideologisch überzeugten Gewaltfreien. Spötter machten zu dieser Haltung ein Plakat, das die Alternative Liste auf die Schippe nahm: "Von Krefeld bis zum Kirchentag - die LiberALen". Das nahm die Geschichte des grün-alternativen Lagers sozusagen vorweg. Diie gute alte Geschichte vom Revoluzzer, im Zivilstand Lampenputzer halt.

Nach 1984 zerfiel die große plurale außerparlamentarische Bewegung zusehends, aber noch bis Ende der Achtziger hatten die Rudimente eine beachtliche Mobilisierungskraft, wie der 1987er Volkszählungsboykott zeigte.

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Verfallsmomente
Habe als "Verfallsmomente der Einheit" Ereignisse wie die Startbahnschüsse 1987, der Eintritt der AL in den Berliner Senat 1989 (nebst dem nachfolgenden 1. Mai), der 9. November 1989, wo im Bundestag auch die Grünen die Nationalhymne mitsangen (bzw. danach vorgaben, nur die Lippen bewegt zu haben) und dann endgültig den 2. Golfkrieg 1991 empfunden

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Das trifft auch etwa zu, wobei es regionale Bündnisse gab, bei denen das viel länger hielt. In Göttingen gibt es das Dauerbündnisse Reformierte Gemeinde-BürgerInnen gegen Rechts-DGB-Autonome mit kurzen Unterbrechungen seit 1988 bis heute.

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"...In Göttingen gibt es das *Dauerbündnisse Reformierte Gemeinde-BürgerInnen* gegen *Rechts-DGB-Autonome* ..."

Über die gewaltigen Differenzen und die ideologischen und politischen Aueinandersetzungen zwischen der *Volksfront von Judäa*,*Populäre Front* und der *Judäischen Volksfront* wurde Ende der 70iger ein Dokumentarfilm gedreht. Das Leben des Brian

Spalter !

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Che, erinnert mich in gewisser Weise an die Situation in HH, wo das Bündnis zwischen parlamentarischem Flügel (GAL-Fundis) und "bewaffnetem" Flügel (Autonome) bis ca. 1989 dominant war, ... eine enge Zusammenarbeit gibt es teilweise zwischen den damals involvierten Personen auch noch heute, nur dass erstere schon sehr lange nicht mehr in der GAL und letztere zuweilen nicht mehr Autonome sind ... in Schleswig-Holstein hielten derartige Bündnisstrukturen auch z.T. viel länger um dann 1999 mit dem Jugoslawienkrieg auseinander zu fliegen

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p.s.: in ihrem Moralismus (und z.T. was ihre familiäre Herkunft angeht) gab es zwischen damaligen Antiimps und kirchlichen Friedensbewegten durchaus viele Gemeinsamkeiten

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Ich kannte sogar mal einen kirchlichen Friedensbewegten, der dann Antiimp, später katholischer Pfarrer und noch später PR-Referent eines Weltkonzerns wurde, der mich zuerst aufgrund meiner Positionen sehr mochte und sich dann über meine Kritik an seinem Arbeitgeber sehr aufregte und mich wegen meines angeblichen rigiden Moralismus (ich würde mich als eher unmoralischen Menschen bezeichnen, der aber Machtverhältnisse sehr klar kritisiert) "Che" nannte, obwohl er nicht wusste, dass ich diesen Spitznamen trage.

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der Gute hat dann ja fast so viele Wendungen hinter sich wie Jürgen Elsässer

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Ich kenne eine Menge Leute mit solchen Biografien.

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ich auch ... wobei es da verschiedene "Kategorien" gibt: Menschen, die irgendwo Anschluss/Geborgenheit/u.ä. suchen aber zumeist nirgendwo finden; Menschen, welche immer danach streben, irgendwo (zuweilen egal wo) die "Nr. 1" zu spielen; "AbenteurerInnen", welche immer da sind, wo es gerade abgeht ... manche sind in jedem Milieu "sie selbst", andere sind bereit, jede Anpassungsleistung zu bringen

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Nicht zu vergessen diejenigen, die ehrlich an ihre jeweilige Sache glauben und sich bei Gesinnungswechseln mit dem, was sie gerade vertreten überidentifizieren, meist ziemlich zwanghafte Leute und diejenigen, die sich nach einem vermeintlichen "Zeitgeist" (für mich ein Kotzwort) richten.

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wobei letztere in der radikalen Linken in den letzten 20 Jahren ziemlich selten geworden sind ... "unsereins" liegt halt nicht im Trend

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Ich bin ja strikt dagegen, Menschen in Kategorien einzuteilen und sie dort festzunageln. Das bringt meistens gar nichts, denn nur weil ich A will, muss ich ja nicht den Rest aus Schublade A gleich mitkaufen wollen.

"Ich kannte sogar mal einen kirchlichen Friedensbewegten, der dann Antiimp, später katholischer Pfarrer und noch später PR-Referent eines Weltkonzerns wurde"
Ich sehe da durchaus einen roten Faden, vom kirchlich Friedensbewegten zum Pfarrer ist es nicht weit.
Das alles (ausser dem PR-Referenten nehme ich mal an) hat etwas mit dem Einstehen für das, was man als richtig ansieht zu tun. Es hat etwas damit zu tun, dass man lebt, was man glaubt.
Als mein Gemeindepfarrer in den Ruhestand ging verschenkte er Teile seiner Buchersammlung. Seitdem steht bei mir "Diskussionen zur Theologie der Revolution".

Und so betrachtet passt das alles wunderbar zusammen.

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Der PR-Referent passt aber auch dazu. Egal, von was man überzeugt ist, Hauptsache, Überzeugungen werden vehement vertreten.

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sind PR-Referenten von dem, was sie tun, überzeugt? Weiss ich einfach nicht, und lässt sich vermutlich schlecht verallgemeinern.

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