Montag, 12. Oktober 2020
COVID-19: Studiendaten zu Remdesivir und Hydroxychloroquin im NEJM – eines ist top, das andere floppt
Dr. Susanne Heinzl


Im New England Journal of Medicine sind online die finalen Ergebnisse der ACTT-1-Studie zu Remdesivir [1] und der RECOVERY-Studie zu Hydroxychloroquin [2] in der Behandlung von Patienten mit COVID-19 publiziert worden.

Remdesivir: Schnellere Genesung, geringere Sterblichkeit
Bei Remdesivir bestätigen die Daten dessen Wirksamkeit: Es verkürzte bei hospitalisierten Patienten mit COVID-19 und Infektionen der tiefen Atemwege im Vergleich zu Placebo die Zeit bis zur Genesung signifikant um 5 Tage. Eine klinische Besserung an Tag 15 war mit Remdesivir wahrscheinlicher als mit Placebo. Die Sterblichkeit an Tag 29 war mit 11,4% unter Remdesivir niedriger als mit 15,2% unter Placebo.

Schwere unerwünschte Wirkungen traten bei 24,6% der Patienten unter Remdesivir und bei 31,6% unter Placebo auf.

Hydroxychloroquin: Malariamittel bringt keinen Benefit
Ganz anders dagegen die Ergebnisse der RECOVERY-Studie, deren Hydroxychloroquin-Arm wegen fehlender Wirksamkeit vorzeitig abgebrochen worden war. Innerhalb von 28 Tagen waren 27% der Patienten unter Hydroxychloroquin und 25% in der Standardtherapie-Gruppe gestorben. Das Risiko für eine künstliche Beatmung oder Tod war unter Hydroxychloroquin mit 30,7% versus 26,9% höher.

ACCT-1-Studie mit Remdesivir
In die vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) der USA durchgeführte, doppelblinde, placebo-kontrollierte Phase-3-Studie ACCT-1-Studie mit Remdesivir sind zwischen 21. Februar 2020 und 19. April 2020 in 60 Zentren weltweit 1.062 hospitalisierte Patienten mit mittelschwerem bis schwerem COVID-19-Verlauf eingeschlossen worden.


Zusätzlich zur Standardbehandlung erhielten 541 Patienten Remdesivir und 521 Placebo. Remdesivir wurde intravenös appliziert, an Tag 1 mit einer Loading Dose von 200 mg, von Tag 2 bis Tag 10 mit einer Erhaltungsdosis von 100 mg/Tag. Die Patienten wurden bis zum Tag 29 nachverfolgt.

Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur Genesung, die nach verschiedenen Kategorien definiert worden war. Wichtiger sekundärer Endpunkt war der klinische Status an Tag 15. Bei einer geplanten Zwischenanalyse am 27. April 2020 waren bereits alle vorgesehenen Patienten in die Studie eingeschlossen, das Follow-Up war aber noch nicht in allen Fällen beendet. Die damaligen Ergebnisse waren am 22. Mai im NEJM publiziert worden.

Raschere Genesung mit Remdesivir
Die nun vorliegenden finalen Ergebnisse sind mit den vorläufigen Daten konsistent. Eine 10-tägige Behandlung mit Remdesivir verkürzte im Vergleich zu Placebo bei hospitalisierten Patienten mit mittelschwerem bis schwerem COVID-19-Verlauf die Zeit zur Genesung von 15 auf 10 Tage im Median (Rate Ratio für Recovery 1,29, p < 0,001). Bei schwerer Erkrankung betrug die Zeit bis zur Genesung unter Remdesivir im Median 11 Tage, mit Placebo 18 Tage.

Remdesivir besserte die klinische Symptomatik an Tag 15 stärker als Placebo. Die Sterblichkeit an Tag 15 betrug 6,7% mit Remdesivir und 11,9% mit Placebo (Hazard-Ratio 0,55), an Tag 29 betrug die Sterblichkeitsquote 11,4% mit Remdesivir und 15,2% mit Placebo (Hazard-Ratio 0,73.

Patienten in der Remdesivir-Gruppe waren kürzer im Krankenhaus als Patienten der Placebo-Gruppe: 12 versus 17 Tage. 5% der Remdesivir- und 3% der Placebo-Gruppe mussten erneut hospitalisiert werden.

Bei Patienten, die zu Studienbeginn Sauerstoff benötigten, war unter Remdesivir die Sauerstoffversorgung mit 13 Tagen kürzer als unter Placebo mit 21 Tagen. Nach Studienbeginn benötigten weniger Patienten (36%) unter Remdesivir neu Sauerstoff als unter Placebo (44%).

Remdesivir wirkte besser, wenn es früher im Verlauf der Erkrankung eingesetzt wurde.

Schwere unerwünschte Wirkungen traten bei 24,6% der Patienten in der Remdesivir- und bei 31,6% in der Placebo-Gruppe auf.

Die Autoren weisen in der Diskussion auf die zahlreichen Herausforderungen hin, die im Verlauf der Studie aufgetreten waren, denn sie wurde in einer Zeit mit zahlreichen Pandemie-bedingten Einschränkungen durchgeführt. „Allerdings waren die Forschungsteams motiviert, kreative Lösungen zu finden, um diese Herausforderungen zu meistern.“

Darüber hinaus betonen sie, dass Virustatika allein nicht ausreichend seien, um alle Patienten erfolgreich zu behandeln. Daher werde Remdesivir derzeit in der ACTT-2-Studie in Kombination mit dem JAK-Hemmer Baricitinib und in der ACTT-3-Studie in Kombination mit Interferon-beta1a untersucht.

Die RECOVERY-Studie mit Hydroxychloroquin
In der RECOVERY-Studie, einer britischen offenen Untersucher-initiierten Plattform-Studie, die unter der Aufsicht der Universität Oxford stattfindet, werden bekanntlich verschiedene Therapien für die Behandlung hospitalisierter COVID-19-Patienten in 176 Kliniken in Großbritannien untersucht.

Im Hydroxychloroquin-Arm der Studie erhielten 1.561 Patienten Hydroxychloroquin, 3.155 Standardtherapie. Die Initialdosis betrug 800 mg Hydroxychloroquin-Sulfat (4 Tabletten à 200 mg) zu Studienbeginn und nach 6 Stunden, nach 12 Stunden nahmen die Patienten 400 mg und wiederholten die Einnahme alle 12 Stunden über bis zu 9 Tage oder bis zur Entlassung.

Primärer Endpunkt war die Sterblichkeit an Tag 28. Dieser Endpunkt trat bei 27,0% in der Hydroxychloroquin-Gruppe und bei 25,0% in der Vergleichs-Gruppe auf (Rate Ratio 1,09, p = 0,15).

Patienten der Hydroxychloroquin-Gruppe waren im Median 16 Tage hospitalisiert, Patienten der Vergleichs-Gruppe 13 Tage. Für die Hydroxychloroquin-Patienten war die Wahrscheinlichkeit geringer, nach 28 Tagen die Klinik lebend verlassen zu können (59,6% versus 62,9%).

Patienten, die zu Studienbeginn nicht künstlich beatmet wurden, mussten bei Behandlung mit Hydroxychloroquin häufiger beatmet werden als bei Behandlung mit Standardtherapie (30,7% versus 26,9%).

Kardiale Todesfälle waren unter Hydroxychloroquin geringfügig (0,4 Prozentpunkte) häufiger. Schwere kardiale Arrhythmien traten jedoch unter Hydroxychloroquin-Behandlung nicht vermehrt auf.

„Diese Ergebnisse zeigen, dass Hydroxychloroquin keine wirksame Behandlung für hospitalisierte Patienten mit COVID-19 ist. Sie befassen sich jedoch nicht mit dem Einsatz zur Prophylaxe oder bei Patienten mit nicht so schwerer COVID-19, die im niedergelassenen Bereich behandelt werden“, geben die Autoren zu bedenken.

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