Donnerstag, 15. Oktober 2020
Doppelinfektionen mit SARS-CoV-2 und Influenzaviren – höheres Risiko für schwere Verläufe?
che2001, 18:20h
Dr. Nicola Siegmund-Schultze
Eine systematische Analyse der Surveillance- und Krankenversorgungsregister in England ergibt, dass sich das Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 erniedrigt, wenn bereits eine Influenza-Infektion besteht. Kommt es aber zur Doppelinfektion, sind schwere und auch tödliche Krankheitsverläufe häufiger. Die Autoren einer Preprint-Publikation empfehlen daher besonders für die Wintersaison, in der beide Viren kozirkulieren, für Risikogruppen die Grippeimpfung.
In den Wintermonaten werden sowohl Influenzaviren als auch SARS-CoV-2 zirkulieren. Eine klinisch relevante Frage ist, ob es Wechselwirkungen zwischen den Viren in Bezug auf das Ansteckungsrisiko gibt und auf Krankheitsverläufe, wenn es zu Doppelinfektionen kommt.
Registerstudie aus England
Die Autoren um Dr. Jay Stone, National Infection Service, Public Health England, London, werteten die nationalen Surveillance- und Gesundheitsversorgungs-Datenbanken aus England mit allen Influenza- und SARS-CoV-2-positiven Fällen aus dem Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 25. April aus. Sie veröffentlichten die Ergebnisse in medRxiv[1]. Der gewählte Zeitraum umfasste die Spanne zwischen der ersten registrierten SARS-CoV-2-Infektion in England und dem letzten Fall von Influenza der vergangenen Saison.
Eine Koinfektion war definiert als positives Labortestergebnis für beide Viren in Proben, die im Abstand von maximal 7 Tagen bei einem Patienten genommen wurden.
58 Patienten hatten Koinfektion
19.256 Personen sind im Untersuchungszeitraum auf Influenza und SARS-CoV-2 getestet worden:
992 von ihnen waren positiv für Influenza und negativ für SARS-CoV-2,
4.443 Untersuchungen ergaben ein positives Ergebnis für SARS-CoV-2 und ein negatives für Influenza;
58 Personen hatten eine Koinfektion mit beiden Viren;
die übrigen 13.763 Personen waren negativ für beide Viren.
Die Wahrscheinlichkeit für ein positives Testergebnis auf SARS-CoV-2 war bei Influenza-positiven Fällen um 68% geringer als bei Influenza-negativen Personen (Odds Ratio: 0,42). Dieses Ergebnis weist auf eine mögliche Konkurrenz der beiden Viren um den Wirt, den Menschen, hin. Von den 58 Personen mit einer Koinfektion war mehr als die Hälfte (55,2%) 70 Jahre oder älter.
Nach einer Multivariatenanalyse (Alter, Geschlecht, Ethnie, Region, Komorbidität, Koinfektion) ergab sich für Patienten mit Koinfektion ein um den Faktor 2,27 höheres Sterberisiko als bei einer SARS-CoV-2-Infektion alleine, und ein um den Faktor 5,92 erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu Personen ohne Infektionen mit einem der beiden Viren.
Der zusätzliche Effekt einer Interaktion von SARS-CoV-2- und Influenza-Infektionen auf die Sterblichkeit wird mit 3,6 angegeben (p<0,001).
Erfolgte die Auswertung auf die Parameter „invasive Beatmung“ und „intensivmedizinische Versorgung“ hin, war das Sterblichkeitsrisiko um die Faktoren 6,43 und 6,33 erhöht (im Vergleich zu Personen ohne Virusinfektion).
Negative synergistische Effekte bei Koinfektion
Die Daten weisen nach Meinung der Autoren darauf hin, dass Influenzaviren und SARS-CoV-2 möglicherweise miteinander um den Wirt konkurrieren und sich das Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion erniedrigt, wenn der Mensch bereits eine Influenzainfektion hat. Sollte es aber zu einer Koinfektion kommen, sind negative synergistische Effekte zu erwarten, die klinisch relevant sind.
Die Kozirkulation beider Viren während der Wintersaison könnte die Morbidität und die Mortalität von Patienten mit viral verursachten respiratorischen Erkrankungen erhöhen, vor allem der älteren.
Ärzte sollten in der kommenden Wintersaison auch die Möglichkeit von Koinfektionen bedenken und in die Teststrategien nicht nur SARS-CoV-2, sondern auch Influenza einbeziehen. Vor allem aber sei es wichtig, dass Risikogruppen möglichst konsequent gegen Influenza geimpft würden.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.
Eine systematische Analyse der Surveillance- und Krankenversorgungsregister in England ergibt, dass sich das Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 erniedrigt, wenn bereits eine Influenza-Infektion besteht. Kommt es aber zur Doppelinfektion, sind schwere und auch tödliche Krankheitsverläufe häufiger. Die Autoren einer Preprint-Publikation empfehlen daher besonders für die Wintersaison, in der beide Viren kozirkulieren, für Risikogruppen die Grippeimpfung.
In den Wintermonaten werden sowohl Influenzaviren als auch SARS-CoV-2 zirkulieren. Eine klinisch relevante Frage ist, ob es Wechselwirkungen zwischen den Viren in Bezug auf das Ansteckungsrisiko gibt und auf Krankheitsverläufe, wenn es zu Doppelinfektionen kommt.
Registerstudie aus England
Die Autoren um Dr. Jay Stone, National Infection Service, Public Health England, London, werteten die nationalen Surveillance- und Gesundheitsversorgungs-Datenbanken aus England mit allen Influenza- und SARS-CoV-2-positiven Fällen aus dem Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 25. April aus. Sie veröffentlichten die Ergebnisse in medRxiv[1]. Der gewählte Zeitraum umfasste die Spanne zwischen der ersten registrierten SARS-CoV-2-Infektion in England und dem letzten Fall von Influenza der vergangenen Saison.
Eine Koinfektion war definiert als positives Labortestergebnis für beide Viren in Proben, die im Abstand von maximal 7 Tagen bei einem Patienten genommen wurden.
58 Patienten hatten Koinfektion
19.256 Personen sind im Untersuchungszeitraum auf Influenza und SARS-CoV-2 getestet worden:
992 von ihnen waren positiv für Influenza und negativ für SARS-CoV-2,
4.443 Untersuchungen ergaben ein positives Ergebnis für SARS-CoV-2 und ein negatives für Influenza;
58 Personen hatten eine Koinfektion mit beiden Viren;
die übrigen 13.763 Personen waren negativ für beide Viren.
Die Wahrscheinlichkeit für ein positives Testergebnis auf SARS-CoV-2 war bei Influenza-positiven Fällen um 68% geringer als bei Influenza-negativen Personen (Odds Ratio: 0,42). Dieses Ergebnis weist auf eine mögliche Konkurrenz der beiden Viren um den Wirt, den Menschen, hin. Von den 58 Personen mit einer Koinfektion war mehr als die Hälfte (55,2%) 70 Jahre oder älter.
Nach einer Multivariatenanalyse (Alter, Geschlecht, Ethnie, Region, Komorbidität, Koinfektion) ergab sich für Patienten mit Koinfektion ein um den Faktor 2,27 höheres Sterberisiko als bei einer SARS-CoV-2-Infektion alleine, und ein um den Faktor 5,92 erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu Personen ohne Infektionen mit einem der beiden Viren.
Der zusätzliche Effekt einer Interaktion von SARS-CoV-2- und Influenza-Infektionen auf die Sterblichkeit wird mit 3,6 angegeben (p<0,001).
Erfolgte die Auswertung auf die Parameter „invasive Beatmung“ und „intensivmedizinische Versorgung“ hin, war das Sterblichkeitsrisiko um die Faktoren 6,43 und 6,33 erhöht (im Vergleich zu Personen ohne Virusinfektion).
Negative synergistische Effekte bei Koinfektion
Die Daten weisen nach Meinung der Autoren darauf hin, dass Influenzaviren und SARS-CoV-2 möglicherweise miteinander um den Wirt konkurrieren und sich das Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion erniedrigt, wenn der Mensch bereits eine Influenzainfektion hat. Sollte es aber zu einer Koinfektion kommen, sind negative synergistische Effekte zu erwarten, die klinisch relevant sind.
Die Kozirkulation beider Viren während der Wintersaison könnte die Morbidität und die Mortalität von Patienten mit viral verursachten respiratorischen Erkrankungen erhöhen, vor allem der älteren.
Ärzte sollten in der kommenden Wintersaison auch die Möglichkeit von Koinfektionen bedenken und in die Teststrategien nicht nur SARS-CoV-2, sondern auch Influenza einbeziehen. Vor allem aber sei es wichtig, dass Risikogruppen möglichst konsequent gegen Influenza geimpft würden.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.
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