Freitag, 30. Oktober 2020
Der Lockdown und die Fitnesscenter - ein paar ketzerische Gedanken
Abgesehen davon, dass es mich gewaltig ärgert, dass der Lockdown zu einem Zeitpunkt kommt wo ich mich trainingsmäßig in einer Leistungssteigerungsphase befinde und nicht gewillt bin davon Abstand zu nehmen halte ich weit jenseits meiner eigenen Befindlichkeit den Lockdown für Fitnesscenter und ähnliche Einrichtungen nicht für sinnvoll. In meinem Sportclub herrscht Maskenzwang beim Gehen durch die Räumlichkeiten und in der Umkleide, nur beim Training an den Geräten und in den Kursräumen nicht, im Dojo stehen wir auf 5 Meter Abstand, die Luftumwälzanlage verfügt über Aerosol- und bakteriologische Filter. Die verschärften Hygieneregeln wurden erst vor zwei Wochen vom Gesundheitsamt anerkannt.

Jetzt soll der Club also zumachen weil alle zumachen sollen. Nach der Logik müsste man die öffentlichen Verkehrsmittel auch stillegen. Zumindest die, die keine Klimananlagen mit Aerosolfiltern eingebaut haben. Dort herrscht zwar ständiger Maskenzwang, aber kein Abstand. Ich weiß jedenfalls nichts von Bussen und S-Bahnen wo nur jeder dritte Sitz besetzt werden darf, obwohl das sinnvoll wäre.


Gut, ich kann mir durch Heimtraining Ersatz schaffen, was allerdings sehr zeitaufwendig wird - um dieselbe Performance mit dem Kettler zu schaffen wie in einer Stunde in meinem Kurs muss ich dann eben 4 Stunden am Stück trainieren, etwa halbe Stunde Katas laufen, halbe Stunde radeln, absitzen, 30 Liegestütze, halbe Stunde radeln, absitzen, 30 Liegestützte, Crunches und Situps, halbe Stunde radeln, Capoeira tanzen, Dehn- und Streckübungen, halbe Stunde radeln.
Ist dann halt ein Ersatz der sein muss. Als Ersatz für die Kletterwand kann ich zur Not auch an einer bestimmten Hausfassade hoch, nur da gibts dann schon Probleme mit den Ordnungshütern.

Und mal abgesehen von leistungsorientierten Sportlern wie mir trainieren in unserem Club auch Behinderte und Ü75, die dort therapeuthische Anwendungen haben und z.B. Wassergymnastik oder Gelenkigkeitsübungen machen. Wenn der Laden jetzt einen Monat zumacht ist das ja womöglich noch verschmerzbar. Falls das aber länger dauern sollte, vielleicht ein halbes Jahr, bedeutet das für solche Leute eine Zunahme an Gebrechlichkeit und möglicherweise eine Verkürzung ihres Lebens.

Fitnesscenter dienen nicht nur dem Vergnügen, sondern auch dem Erhalt der Gesundheit. Nach dem Gleichbehandlungsprinzip müsste man jetzt eigentlich auch Krankengymastikpraxen und Rehacenter schließen.

Die Schließung der Fitnesscenter erscheint mir zur Pandemiebekämpfung nicht hinnehmbar. Die deutschen Firnesscenterbetreiber wollen jetzt klagen. Meine Unterstützung haben sie.

BTW und dass die Frisöre weiter offen bleiben dürfen, Tattoo-Salons, Solarien und Restaurants aber schließen müssen folgt auch wieder dieser Verbieten-was-Genuss-bringt-Logik. Ich wittere ja da doch einen regierungsamtlichen Sadismus.

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Diese neuen Schließungen sind unsinnig, das sehe ich in diesem Fall ähnlich. Es sind in diesem Falle, nach mehreren Monaten Erfahrung mit Corona die falschen Maßnahmen.

Zu den Widersprüchen bei solchen Maßnahmen: Da, wo vom Staat effektiv etwas getan werden könnte, z.B. bei der Deutschen Bahn und auch im ÖPNV (Gedränge in U-Bahnen in der Großstadt, Streiks vor einiger Zeit, weil der öffentliche Dienst nicht zahlen will), wird nichts getan: Es werden für die DB keine verbindlichen Sitzplatzreservierungen eingeführt, die automatisch beim Kauf eines Tickets ausgestellt werden, wie beim TGV und wie beim Fliegen, so daß Menschen nur an Fensterplätzen sitzen können, nicht nebeneinander und daß am besten auch noch eine Reihe vor und hinter einem je ein Platz freigelassen wird. (Was man von Kinos und Theatern forderte, kann man doch wohl auch von der Bahn fordern!)

Während Fitness-Studios, Restaurants, Theater und Kinos in diesen letzten Monaten teils sehr gute Hygiene-Konzepte ausgearbeitet haben, hat die Deutsche Bahn bisher nichts gemacht. Und so etwas führt bei den neuen Maßnahmen am Ende in der Bevölkerung bei vielen zu Verdruß. Und das zu recht!

Weiterhin: statt daß man kollektiv alle Restaurants, Theater Fitnesscenter etc schließt, ist es sinnvoll, die Einhaltung von Regeln zu kontrollieren. Und wer sich nicht an die Regeln hält, dessen Laden wird in den Lockdown geschickt, und die anderen machen weiter.

Ich hoffe auch, daß sich hier über die Gerichte einige der Schließungen rückgängig machen.

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Ab Lockdown Nr. 4 müssen Kneipen und Muckibuden nicht mehr schließen, denn dann gibt es keine mehr.

Mal sehen, wie die Obrigkeit das weiterhin sich so vorstellt: Zahlen rauf, Lockdown, Zahlen runter, Lockdown aufgehoben, Zahlen rauf, Lockdown ...
Wenn der Staat für die Bezahlung des x-ten Daunlogging auf das Vermögen der Bürger zugreift, etwa durch eine 30%ige "Corona-Solidaritätssteuer" auf die Immobilien vermittels eines "Gute Hilfe"-Gesetzes, und wenn dann fast alle verkaufen müssen, weil sie die Steuer nicht zahlen können und nicht mal die Differenz zum bisherigen Marktwert kassieren, weil der durch die Angebotsflut auf dem Immobilienmarkt mindestens halbiert ist, und die Investoren (wie Blackrock, Vonovia, N'drangheta) sich freuen, dann ist der Zeitpunkt für "Hannibal"-Gruppen und "Nord-" und "Südkreuze" gekommen.

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Staatliche Zwangshypotheken werden mit Sicherheit kommen. Dagegen hilft: Für derzeit ca. 0,8% Zinsen die Wohnung selbst übers Dach verschulden.

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Ja, dann heisst es dann irgendwann: Richtet das Sturmgewehr auf all das Bonzenzenpack!

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Es hat ja nicht mal die Bundeswehr funktionierende Sturmgewehre.

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Schon die Tatsache, daß es jetzt nur einen 'Lockdown light' gibt, läßt mich vermuten, daß es keinen weiteren geben wird. Schließlich ist eine Bundestagswahl am Horizont und die Wirtschaft zu ruinieren, ohne daß Covid-19 eingedämmt werden kann, wäre politischer Selbstmord. Dann wird es heißen: Macht was ihr wollt, viel Glück!

Dabei fällt mir die Mini-Serie Torchwood: Miracle Day ein. Der Tag, ab dem kein Mensch mehr stirbt. In den Krankenhäusern werden nur noch die leichten Fälle behandelt, weil die am schnellsten wieder entlassen werden können. Die schwersten Fälle überläßt man sich selbst und schließlich entsorgt man sie...

Die Vernünftigen und Disziplinierten werden die besten Überlebenschancen haben, die Unbelehrbaren dürfen sich für den Darwin Award anstellen.

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Sadismus, Angst, Trauma.. Gibt es hier Psychologen?

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Ich bin Historiker, Politikwissenschaftler und Kommunikationswissenschaftler, Bersarin Philosoph und Soziologe, Netbitch Sozialwirtin und Nebenfachpsychologin, H.Z. meines Wissens Mathematiker und Informatiker, der Noergler Soziologe, Philosoph und Altphilologe. Den von Dir verlinkten Text halte ich für sehr brauchbar, in mancher Beziehuing ist er aber auch wieder zu undifferenziert, z.B. bezüglich Herrn Drosten, der die Rolle nicht mag in der er sich befindet und mehrfach betonte dass er sich wissenschaftlich irren kann, er für die politischen Konsequenzen seiner Expertise nicht verantwortlich sei und nicht die Verantwortung übermehmen wolle usw.

Ich persönlich habe keine Angst. Die statistische Wahrscheinlichkeit dem Virus zum Opfer zu fallen ist minimal, ich begebe mich jedes Jahr in unmittelbare Lebensgefahr, beim Klettern, betrachte mit einem gewissen Stolz die Narben die ich von einer Klettertour diesen August davongetragen habe (Kaminkletterei mit Knien und Ellbogen und Sturz ins Seil), habe ein ungebremstes Hineinkrachen bei 160kmh in eine Mittelleitplanke überlebt und die Cholera ohne Antibiotika überstanden. Dieses dem Tod wiederholt ins Auge gesehen zu haben macht mich kontraphobisch.

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Als Historiker habe ich mich mit Massenpsychologie in Krisenzeiten beschäftigt. Erstklassiges Buch: Frantisek Graus, Pest, Geißler, Judenmorde. Das Spätmittelalter als Krisenzeit. Da sehe ich, etwa in Form der Verschwörungstheorien heute einiges wiederkehren. Mein Vater hat nur Verachtung für die dünnhäutigen Weicheier von heute übrig und meint, mit der Haltung hätte seine Generation den Zweiten Weltkrieg und die Hungerjahre nicht überstanden.

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Es ist schon auffällig, wie mit Fernsehbildern Stimmung gemacht wurde. Die Militärlaster die in Modena Leichen abtransportierten sollten natürlich Angst machen damit die Menschen ihr Verhalten ändern. Ich habe noch nie gesehen dass im Fernsehen Massentransporte von Leichen gelegentlich eines Erdbebens oder Krieges gezeigt wurden.


Pfingsten 1986 in Wackersdorf: Die Polizei treibt mit Knüppelgarden, scharfen Hunden, Tränengaspetarden werfenden Hubschraubern und Wasserwerfern die Demo eine Waldschneise herunter, wo quer zu der panischen Masse mehrere leere Mannschaftswagen ("Bullenwannen") aufgebaut sind. Genau an dieser Stelle stehen seit Stunden Fernsehkameras. Natürlich werden die Fahrzeuge umgestoßen. Übrig bleiben die Fernsehbilder von den gewalttätigen Chaoten.

Der Tod Erna Sielkas im Tränengasnebel steht nicht im Focus der Öffentlichkeit.

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Ich bin kein Psychologe...
...versuche aber dennoch ein paar Bemerkungen. Der Text ist gut, hätte aber noch besser formuliert werden können, das ist ein wenig schade.

Wir haben mit COVID-19 eine psychologisch stark wirksame Konstruktion: Eine Krankheit die hochinfektiös ist, unbemerkt bleiben, quasi über die Luft weitergegeben und schwere ja tödliche Erkrankungen auslösen kann. Die Maske ist als Symbol einer Angstprojektion lesbar, wozu passt, dass diese von Anfang an als Fremdschutz propagiert wurde. Dies ist auch einer der Gründe warum ich mich dagegen wehre, weil ich nicht für die Ängste anderer "haften" möchte.

Angst ist ein diffuses Gefühl, wohl bei vielen (allen) im Unbewussten vorhanden, das Teuflische, sozusagen, ist, dass sie sich, meinen Beobachtungen nach, an konkrete Vorgänge, wie an Abstraktes heftet, ja in dieses ergießt (Projektion). Wer Angst hat, in den Keller zu gehen, kann dem relativ leicht begegnen, unsere Rationalität kann da leicht schlagende Einwände machen. Haben wir Angst um das Wohlbefinden anderer, vielleicht weil wir fürchten diesen geschadet zu haben, dann können ebendiese uns helfen diese Angst zu überwinden, indem sie unsere Befürchtungen zerstreuen. Sehr viel schwieriger ist es mit Ängsten umzugehen, die sich auf eine Pandemie oder auf Erkrankung im Allgemeinen beziehen.

Unsere digitale und bilderreiche mediale "Welt" stellt viele Anheftungspunkte für Ängste bereit: Einmal, weil uns jederzeit via Smartphone allerlei dramatische Meldungen erreichen, die uns unmittelbar gar nicht betreffen und zum anderen Mal, weil das Bild -- Stichwort "Sargtransporte" -- in uns, in unserem Unbewussten wie "innere Bilder", die symbolische Verdichtungen sind, wirken.

Es gibt einen Ausweg, sozusagen, den der Text nicht erwähnt, der aber nicht ohne weiteres bestreitbar ist, wenn man nicht über eine "gewisse Praxis" oder diesbezügliche Gewohnheiten verfügt. Er nennt sich Ästhetik. Gemeint ist damit, dass ästhetische Praxis, ganz gleich welche das im Detail ist und mit welcher technischen Raffinesse sie betrieben wird, eine Entlastung von emotionaler, psychischer Belastung und unbewussten Vorgängen, eröffnet. Wesentlich ist nur, dass sie etwas von dem sichtbar macht, das man selbst ist oder in sich trägt, ein Bewusstsein davon ist nicht nötig, es kann sogar hinderlich sein. Das ist die funktionale Seite von Kunst und Kultur, ihr befreiendes und entlastendes Moment. Ich habe in der Diskussion drüben das Beispiel von einer Linie Schieles gegeben. Hypothetisch gesprochen, ist die Nervosität, die ich in ihr wahrnehme, diejenige des Künstlers und das Zeichnen vielleicht ein Akt der Befreiung von ihr. Damit ist nicht gesagt, dass sich Schieles Werk darin erschöpft oder auf einen entlastenden Zusammenhang zu reduzieren wäre, aber sie ist ein Teil der "Stimme" Schieles. Genau auf diese Stimmen achten wir im Alltag wenig, und das ist ein zweiter Aspekt auf den ich hinweisen möchte: Die emotionalen Färbungen in Körpersprache, Stimme, Kleidung, Gestalt, etc. sind oft dem Inhalt gleichbedeutend an Wichtigkeit, ja bisweilen sogar wesentlicher. Sie geben Hinweise, auf die Motivationen von handelnden Personen, die diese selbst oft nicht bemerken. Allerdings ist Vorsicht geboten: Biographische und persönliche Hintergründe können sich da in den Vordergrund schieben und "Fallen" stellen.

Die Tragik unserer kulturellen Entwicklung ist, dass dieses ästhetische Wesen immer stärker von Nutzzusammenhängen und "-notwendigkeiten" überschrieben wird, im historischen Zusammenhang, wie im ontogenetischen. Es ist von daher auch kein Zufall, dass das kulturelle Leben nun sang und klanglos heruntergefahren wird, als ob es eine Maschine wäre.

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Vielen Dank, che, für die Ausführungen zu den hier hauptsächlich kommentierenden Personen. Über Deine persönliche Furchtlosigkeit durfte ich ja schon des öfteren hier lesen. Nicht umsonst hast Du selbiger und auch Deinem beachtlichen Trainingspensum ja seit einiger Zeit einen neuen Beinamen zu verdanken;)
Dein Vater mag in punkto Weicheier ja recht haben, nur denke ich, kommen wir mit Verachtung auch nicht unbedingt weiter.
Was den Text anbelangt, so stimme ich metepsilonema (auch Ihnen vielen Dank für den Kommentar) hinsichtlich seiner formulierungstechnischen Verbesserungswürdigkeit durchaus zu, bin da allerdings nicht allzu streng, da meine Künste diesbzüglich auch eher bescheiden sind und ich nur ein paar abgebrochene Studien vorzuweisen habe. Ich finde ihn allerdings auf einer Metaebene irgendwie raffiniert, kann aber nicht genau benennen, was genau diesen Eindruck auslöst.
Ihre Ausführungen, metepsilonema, zum Ausweg der Ästhetik finde ich hochinteressant, befürchte aber, dass er nicht allzuvielen Menschen zur Verfügung stehen wird, und das zu ändern, wie Sie in Ihrer Schlussbemerkung anklingen lassen, auch kein vorrangiges Ziel in unserer Gesellschaft zu sein scheint.

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Nur ein Detail
@metepsilonema: Ich frage mich, wieso Sie nicht für die Ängste anderer Menschen haften wollen. Ist das nicht normalerweise das erste Gebot, wenn man ängstlichen Menschen begegnet?

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Der Begriff der Angst ist bei solchen gesellschaftlichen Phänomenen insofern wenig zielführend, weil man in diesem Falle ein komplexes und vielschichtiges Phänomen auf eine einzige Seite fokussiert. Das wäre in etwa so, als wollte man das Virus lediglich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten. Auch das führt nicht weiter.

Aber sofern man solche Fokussierung auf einen Aspekt im Argument und in der Darstellung gut macht, kann auch diese Sicht eines tatsächlichen Experten wichtige Einblicke liefern. Das erfordert aber einen genauen und gründlichen Umgang mit der Sache, und es erfordert dies vor allem, sehr genau auf seine Thesen zu schauen. Die psychologische Auffächerung als solche ist in diesem Text insofern gar nicht einmal das Hauptproblem: dieses liegt in seiner oberflächlichen und damit auch trivialen und vor allem falschen Argumentation. Solch – um es hier noch höflich zu schreiben – falsches Fokussieren und eine durchgängig luschige Argumentationsstruktur fängt schon mit dem Auftakt an:

"Wie die „Corona-Gläubigen“, sind auch die „Corona-Rebellen“ stark traumatisiert und bewegen sich in ihren „Traumabewältigungs-Strategien“ (Ruppert)."

Corona ist keine Glaubenssache wie man etwa an die Unbefleckte Empfängnis, an das ewige Leben oder an den Weihnachtsmann glauben mag, sondern Corona ist eine medizinische, virologische Tatsache, und ebenso die Auswirkungen des Virus - die freilich auch noch in andere Felder wie Wirtschaft, Politik, Jurisprudenz hineinreichen. In diesem Sinne macht der Text bereits zum Anfang den Fehler, daß er mit einer falschen Opposition aufwartet und so tut, als könne man hier eine Art Pro-und-Contra-Debatte im Sinne eines Erörterungsaufsatzes oder gar eines Besinnungsaufsatzes führen – in dessen Stil der Text dann auch sogleich gleitet. Kann man aber nicht: wir debattieren auch nicht die Frage "Ist die Erde eine Scheibe oder ist sie ein Ellipsoid?"

Und weshalb die unterschiedlichen Teilnehmer dieser Debatte bzw. die Mitglieder einer Gesellschaft, die das debattieren, allesamt (stark) traumatisiert sein sollen, erschließt sich ebensowenig. In Selbstanwendung auf jenen Herrn Ruppert und den Autor des Textes könnte man dann sagen, daß diese Aneinanderreihung von Unfugthesen, wie sie dieser Text liefert, gar der Auswuchs einer Traumatisierung sein könnte. Und damit haben wir hier bereits den Text ins Absurde geführt. Denn ohne eine sehr genaue Angabe von Gründen und Begründung, im Verband mit umfangreicher soziologischer und sozialpsychologischer Feldforschung, also mithin empirische Studien, sind solche Kollektiv-Hypothesen zu Angst und Traumata nicht haltbar. Es sind Spekulationen, die ggf. heuristischen Wert haben können,wenn sie denn im Aufbau seriös durchgeführt worden wären. In diesem Fall geschah dies leider nicht, weil diese Behauptungen dazu dienen, mittels konstruierter Voraussetzungen sich zu immunisieren und in einer Kaskade nun Behauptung an Behauptung, Verkürzung von Sachverhalten an Verkürzung zu reihen. Und dabei zudem ein ziemlich ernstes und wichtiges Thema auf die Ebene von Hokuspokus zu rücken.

"Daher nutzt es auch nichts, einfach nur die Gegenseite zu pathologisieren und es dabei zu belassen. Es geht auch nicht darum, Verständnis zu wecken im Sinne einer Entschuldigung. Bevor man erwartet, dass die Gegenseite sich ändert, muss man sich selbst seine Traumen zugeben und bereit sein, an ihnen zu arbeiten. (Ruppert) Erst dann gelingt auch eine Öffnung zum Anderen hin – und vielleicht so eine Lösung für die aktuelle, für alle unerträgliche Lage."

Abgesehen von der Dürftigkeit im Argument, sind solche Sätze, höflich gesprochen, ein ziemliches Geschwafel und eine Aneinanderreihung von Phrasen, wie man sie zuweilen bei evangelischen Kirchentagen oder bei Managerseminaren hört. Ich habe nach diesem Satz nur noch auf kursorisches Lesen umgeschaltet, weil mich solche Texte intellektuell unterfordern. Um eine schwere soziale und politische Krise zu bewältigen, muß man sich nicht seine Traumata zugeben (was voraussetzt, daß man welche hat), sondern man sollte mit Sachverstand an eine Krise herangehen, sofern man zu ihrerLösung etwas beitragen kann. Der herrliche Winston Churchill hat Hitler nicht besiegt, indem er sich auf die Couch eines Psychiaters legte und sich mit seinem Trauma beschäftigte – sofern er überhaupt eines hatte. Ein Feuerwehrmann bekämpft keinen Großbrand, indem er sich zunächst mal seiner psychischen Befindlichkeiten versichert. Und daß nach einem harten Einsatz oder nach harter Arbeit oder nach weniger schönen Erlebnissen, wie sie viele in der Corona-Krise haben, ein Ausgleich guttun kann, ist eine Binsenweisheit: In der Tat kann nach einer Belastung oder auch in einer privaten Krise Ausdauer- oder Kraftsport, ein guter Fick, ein gutes Bier, ein gutes Buch, ein guter Film einen gewissen Ausgleich schaffen und guttun. Und manche machen sogar all diese Dinge nacheinander. Aber das sind Hinweise, die mir auch die Sendung NDR-Visite und jede beliebige Illustrierte liefert. Der Text changiert hier zwischen Gesabbel und in den Raum gestellten Behauptungen und Insinuierungen.

Und so geht der Text dann auch erwartungsgemäß banal weiter. Eine Aneinanderreihung von Trivialitäten:

"Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Aufgabe der Medien sei die Aufklärung der Gesellschaft. Die Aufgabe der Medien in der einer kapitalistisch orientierten Welt ist „Auflage/ Clicks/ Einschaltquoten“ steigern."

Man setzt einfach dogmatisch eine These, dazu ohne größere Differenzierungen und mittels binärer Schematisierungen (und das betreibt der Text in Dauerschleife) und baut dann auf diesen durch nichts ausgewiesenen Behauptungen sein Gebäude, nicht bemerkend, daß das Gebäude, sprich die Argumentation, in sich zusammenfällt wie ein Kartenhaus, wenn man zeigen kann, daß bereits die Grundprämissen falsch sind.

Medien sind alles mögliche: manche wollen Auflage machen, andere wollen belehren, andere wieder wollen aufklären, andere vertreten eine Haltung und da geht es nicht nur um Auflage, sondern die gute Auflage ist ein Mittel zum Zweck, um eben eine bestimmte Haltung und Sichtweise darzustellen. So unterschiedliche Zeitungen wie ND, Junge Welt und Junge Freiheit gehören dazu. Aber im Grunde auch die FAZ, die Welt, die Süddeutsche, die ja allesamt eine gewisse Grundausrichtung haben.

Ein Text, der bereits in seinem Auftakt in seinen Thesen derartig stolpert, ist kein guter Text. Ich bin kein Experte für Psychologie und für die damit zusammenhängenden Phänomene, aber ich bin als promovierender Philosoph, Soziologe und Literaturwissenschaftler Experte für Texte, für Argumentationsweisen sowie für Begründungslogik, und ich sehe ziemlich schnell, wo Texte falsch aufgebaut sind. Und wenn das so ist, wenn ich eine Aneinanderreihung von logischen Fehlern, Denkfehlern, Pauschalthesen, verkürzten Darstellungen nach dem Motto "Was nicht paßt wird für meine Behauptungen passend gemacht" sehe, habe ich keine Lust mich damit näher zu beschäftigen.

Diesen Text kann man in der Tat Satz für Satz auseinandernehmen. Angefangen bei der Verwechslung von Aussagen des Typs "alle" mit denen des Typs "einige". Aber All-Aussagen machen sich freilich schmissiger, als wenn man zugeben müßte, daß das, was man da behauptet am Ende in bezug auf "Angst" und "Trauma" nur auf einge, wenn nicht gar nur auf wenige zutrifft. Da schrumpft die Sache dann erheblich.

Davon ab, daß in diesem Text jegliche gründlichere Bestimmung von Angst und ihren unterschiedlichen Ausprägungen fehlt. Statt zu spezifizieren, bastelt sich der Autor einen Riesenmaßstab, unter den am Ende alles und nichts paßt. Und auch aus diesem Grunde ist der Text derart Larifari, daß er mich an schlechte Sonntagspredigten in Kirchen oder an längst abgewrackte Motivationstrainer erinnert, die den Leuten Heizdecken oder organisierten Frohsinn verkaufen wollen.

Hinzu kommt, daß es in Gesellschaften immer schon zahlreiche Phänomenen gibt, die Angst machten. In den1980ern war das in Schulen die sehr stark einsetzende Aufklärung über die NS-Zeit, so daß es Schüler gab, die Angst hatten, ebenso war es die gesellschaftspolitische Lage, in der bei einigen teils erhebliche Ängste vorlagen: teils berechtigte, teils aufgesteigerte: Waldsterben, Atomkraft, Nuklearkrieg, Volkszählung, Angst vor Terror durch RAF. Insofern ist die Fokussierung auf das Phänomen "Angst" nicht verkehrt. Man muß es dann aber gründlich machen und nicht auf dem Niveau von Hobbypsychologie. Und hier muß man dann ins Detail gehen, statt mit der Gießkanne über alles irgendwie darüberzutröpfeln.

Und was die Bilder aus Bergamo und die Leichenlaster des Militärs betrifft: es ist Aufgabe von Nachrichtensendern genau das zu zeigen. Wenn, wie jetzt kürzlich, das Erdbeben in der Ägäis wütete, dann zeigt man in der Regel keine Bilder von heilen Gebäuden und Menschen, die fröhlich am Strand sitzen und einen Sundowner zu sich nehmen. Als das Konzentrationslager Dachau befreit wurde, waren in den Zeitungen die erschreckenden Photographien zu sehen, die unter anderem die Photographin Lee Miller machte. In Weimar führte man die Bewohner der Stadt auf den Ettersberg. Und dies nicht wegen der schönen Aussicht dort auf die Landschaft. Und ebenso waren diese Leichenberge in Wochenschauen zu sehen. Und wie es im Leben so ist: einige waren von diesen Bildern tief verstört, andere beunruhigt, andere sind es weniger und wieder andere interessiert es überhaupt nicht.

Daß Bilder auch Politik machen können, ist unbestritten: Der Vietnam-Krieg wurde auch aufgrund der breiten Berichterstattung und wegen der Bilder in Medien verloren. Aber das war beileibe nicht der einzige Grund. So wie eben die Bilder aus Bergamo einerseits auf ein reales Geschehen weisen, wie auch andere Krisenbilder das tun.

Wer ansonsten ernsthaft und in einem pathologischen Sinne Angst hat oder an einer Angststörung leidet, muß und sollte psychologische Hilfe aufsuchen. Und hier liegt das Problem eher darin gegründet, daß die Praxen seit Jahrzehnten überlaufen sind – zumindest in Großstädten.

Es ist dies ein im ganzen entsetzlich trivialer und dummer Text, der sich unter dem Deckmantel der Psychologie anmaßt, Politisches und auch Soziologisches zu formulieren. Im deutschen Fernsehen gab es mal eine Sendung, die hieß „Plumpaquatsch“. Im Falle dieses Textes sollte man es auseinanderschreiben: plumper Quatsch.

Statt in die Länge seines Textes zu investieren, hätte der Autor gut daran getan seine Kraft in die Argumente zu setzen.

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merci, @bersarin, für diese gehaltvolle analyse.

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Schließe mich an und finde dennoch, dass der Text vom Potenzial her Wertvolles liefert. Aber wie gesagt, vom Potenzial, die angesprochenen Themen müssten anders kontextualisiert werden.

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Ich kann bersarin nur in fast jedem Punkt seiner wie erwartet gnadenlosen Analyse recht geben und bedanke mich für die Mühe und Überwindung.
"Hinzu kommt, daß es in Gesellschaften immer schon zahlreiche Phänomenen gibt, die Angst machten..." Hier denke ich aber, dass keiner dieser Angsterzeuger derartige Auswirkungen hatte wie die Causa Corona. Vielleicht irritiert mich auch einfach nur, dass mir dieses Ding nicht mehr Angst als andere mögliche Gesundheitsgefährder macht, trotz Bildern aus Bergamo und dergleichen. Und ich bin wahrlich nicht aus demselben Eisenholz geschnitzt wie che. Danke jedenfalls nochmal für den Niveausprung;)

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Des Bürgers Hirn wird mit der Gefährlichkeit des Virus immunisiert gegen die Gefährlichkeit des neoliberalisierten Krankenhauses. Betten und Beatmungsgeräte gibt's in Fülle und Hülle, nur leider kein Fachpersonal.
Indes wird, leider folgenlos, die Wahrheit doch ständig ausgeplaudert: Täglich hören wir, dass es darum geht, "die Überlastung der Krankenhäuser zu vermeiden", und zwar darum, weil dem Bürger dann vielleicht doch der Gedanke näherträte, dass er mit dem Privatisierungsscheiß hinter die Fichte geführt wurde. Das ist die Sorge der Nomenklaturkader, nicht die Gesundheit der Bürger, die doch sonst auch nicht interessiert.

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Schon als ich Zuvieldienstender war, 1986, protestierten die Ärtze im Uni-Klinikum Göttingen, einer der Top-A-Kliniken in Deutschland gegen die bestehenden Verhältnisse mit: "Achtung - müde Ärzte. Über 24 Stunden Dienst"

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@" Mein Vater hat nur Verachtung für die dünnhäutigen Weicheier von heute übrig und meint, mit der Haltung hätte seine Generation den Zweiten Weltkrieg und die Hungerjahre nicht überstanden."



Dafür hat ein Teil seiner Generation dafür gesorgt dass Millionen Leute den Zweiten Weltkrieg nicht überstanden haben.

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Die Generation meiner Eltern war zu diesem Zeitpunkt im Kindes- und Teeenageralter, "Backfisch" wie man das damals nannte.

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@damals
Meinen Sie damit, dass man sich um deren Ängste kümmern soll (Stichwort: "erstes Gebot")?

@manhartsberg
Schon das Hören von Musik kann "reinigen", also helfen Ihren Gefühlshaushalt auszugleichen, ich möchte also von einem Grundzug menschlicher Wahrnehmung sprechen (Ausprägung bzw. Vermögen variieren selbstredend).

Der Begriff Analyse schließt jedenfalls bei mir ein vollumfängliches Lesen über das Vorwort hinaus, ein.

Das Problem mit den Bildern aus Bergamo ist ähnlich wie mit den täglich veröffentlichten Listen an Infizierten oder Toten und eigentlich das gleiche wie "immer": Es ist zu klären, was daran eine Nachricht ist und wenn es eine ist, dann sollte diese in einen Zusammenhang gebracht werden, in Relationen. Entscheidend an den Bildern aus Bergamo ist nicht, dass diese womöglich Traumata, Ängste auslösen hätten können, sondern, dass sie verbreitet wurden in einer nicht (vollständig) geklärten Gefahrenlage, einer sich ausbreitenden Pandmie. Wenn ich ein paar Beispiele aus meinem Bekanntenkreis hochrechne, dann haben diese Bilder gewiss bei zahlreichen Menschen etwas ausgelöst. Nicht Traumata, aber sicherlich Ängste. Vielleicht Urängste, vielleicht wurde Verdrängtes aktiviert, vielleicht auch nicht. Aber das ist nicht das Ende, es kann sogar sein, dass sich in Österreich -- zusammen mit der Bemerkung unseres Bundeskanzlers von den 100.000 Toten -- gerade weil danach lange nichts vergleichbar Dramatisches passiert ist, ein Fatalismus eingeschlichen hat, dass bei uns nichts passieren kann. Überlegungen zur kollektiven Psychodynamik sind daher keinesfalls obsolet und wenn ein nicht ausgereifter Text dazu einen Ausgangspunkt gibt, ist das nicht weiter schlimm.

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"Der Begriff Analyse schließt jedenfalls bei mir ein vollumfängliches Lesen über das Vorwort hinaus, ein."

Noch schlimmer sind Leute, die vollumfänglich lesen und trotzdem nicht in der Lage sind, das Gelesene zu begreifen und vor allem die Struktur der Argumente eines Textes zu prüfen: das Aufmachen eines falschen Dilemmas, ungültige All-Aussagen, mereologische Fehlschlüsse und dogmatische Setzungen etwa zu entdecken. Texte, die sich wissenschaftlich geben und mit solchem Vokabular arbeiten, unterliegen einer besonderen Sorgfaltspflicht. Vor allem dann, wenn darin vollmundig Thesen vertreten werden, und sticht man da zum Prüfen mit der Nadel herein, dann fällt das Konstrukt in sich zusammen wie ein Käse-Soufflé

Wenn ich diesen ganzen Text durchanalysieren würde, dann käme hier ein Kommentar, der etwa 30 Seiten Analyse umfassen würde. Auch der Rest da ist nicht besser.

"Schon das Hören von Musik kann "reinigen", also helfen Ihren Gefühlshaushalt auszugleichen, ..."

Meinen Gefühlshaushalt gleicht es meist aus, dummbatzige Reden eben als dummbatzige Reden zu entlarven. Aber in solchen Sachen handelt wohl jeder unterschiedlich. Die Sängerin Peaches macht es noch anders: "Fuck the Pain Away".

"Wenn ich ein paar Beispiele aus meinem Bekanntenkreis hochrechne, dann haben diese Bilder gewiss bei zahlreichen Menschen etwas ausgelöst."

Ja, das tun Bilder von Katastrophen in Nachrichten meistens. Das ist nun keine allzu neue Erkenntnis. Mit solchen Bildern werden wir konfrontiert, seit es Medien in größerem Umfang gibt, mit solchen Bildern wurden wir zu 9/11 konfrontiert, solche Bilder gibt es seit den 1970er Jahren aus den Hungerzonen Afrikas, von Kriegen und Terroranschlägen dieser Welt. Und was diese Bilder mit Menschen machen, kann sehr unterschiedlich ausfallen. Viele haben diese Bilder aus Bergamo darin bestärkt, gegen diesen Virus sich zu schützen und vorsichtig zu sein. Manche haben solche Katastrophen-Bilder benutzt, um damit für irgendwas Propaganda zu machen. Manche haben die Bilder aus der Sahehzone genutzt, um zu helfen, etwa um für Hilfsorganisationen zu werben, so auch "Brot für die Welt", andere wurden nach den Anschlagbildern in Berlin vom Breitscheidtplatz auf Muslime wütend, andere mahnten zur Besonnenheit. Viele Bilder, viele Reaktionen.Trivialerweise. Und daraus läßt sich eben nichts Allgemeines ableiten, schon gar nicht kollektive Psychodynamiken. Vielmehr ist es so, daß solche Bilder heute ebenso Gesellschaften in ihrer Pluralität der Deutungen zeigen. Selbst bei 9/11. Allenfalls gibt es einen kollektiven Unterstrom, daß ein Bild als unschön oder bedrohlich empfunden wird.

"Überlegungen zur kollektiven Psychodynamik sind daher keinesfalls obsolet und wenn ein nicht ausgereifter Text dazu einen Ausgangspunkt gibt, ist das nicht weiter schlimm."

Überlegungen zur kollektiven Psychodynamik können dann sinnvoll sein, wenn sie wohlüberlegt und nicht geschwafelt sind, metepsilomena. Wenn ein Text jedoch voller logischer und inhaltlicher Fehler steckt und dann auch noch trivialen Blödsinn transportiert, der an das Gewäsch von Fernsehpredigern oder Heizdeckenverkäufern erinnnert, dann ist damit rein gar nichts gewonnen, sondern hier werden lediglich Nebeltöpfe gezündet und Unsinn verleiht sich durch aufgepimptes Vokabular höhere Weihen.

Und auf die triviale Einsicht, daß auch ein wenig gute Musik guttun kann, darauf kommen selbst Menschen von ganz alleine, die mit Psychologie nichts zu tun haben. In manchen Kreisen heißt das auch Feierabendbier.

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„in Relationen. Entscheidend an den Bildern aus Bergamo ist nicht, dass diese womöglich Traumata, Ängste auslösen hätten können, sondern, dass sie verbreitet wurden in einer nicht (vollständig) geklärten Gefahrenlage, …“

Und auch das ist leider falsch: die Gefahrenlage war völlig klar. Die Leute sind nicht alle vom Hochhausdach gefallen oder haben vielleicht doch nur eine schlechte Thunfischpizza gegessen. Und wenn man Bilder erst dann bringt, wenn eine Sache zu 100 % geklärt ist, dann dürfte es überhaupt keine Fernsehbilder geben: weder vom Kennedymord noch von 9/11 noch aus den Hungerregionen: bis dann geklärt ist, wie es dazu kam, daß da Menschen verhungern und wodurch es geschah. Auch hier wieder: solche Thesen entstehen aus Erwartungen an die Medien, die aber nicht der Funktionsweise von Medien entsprechen. Und solche nicht erfüllten Erwartungen münden dann in solche Behauptungen.

Und wie Bilder zu interpretieren oder auszulegen sind: das kann – trivialerweise – bei unterschiedlichen Leuten sehr unterschiedlich geschehen. Sensible Gemüter machen dann besser mal den Fernseher aus, wenn es zu viel wird. Es gibt da so einen roten Knopf an der Fernbedienung. Und es wird auch niemand gezwungen, täglich eine Zeitung zu lesen. Wer sich also meint schützen zu müssen, hat die Möglichkeiten dazu. Ob solches Verhalten wirklich zielführend ist und ob da nicht vielmehr ein deutlich tiefer liegendes psychisches Problem vorliegt, sofern solche Bilder Traumata und Ängste auslösen, daß da also etwas vorliegt, das am Ende nichts mit den Bildern aus Bergamo, sondern mit anderen Ursachen zusammenhängt, das müssen die Leute dann halt für sich prüfen. Diese Bilder sind also vermutlich und in der Regel nur der Katalysator für ein tiefer liegendes Problem und da ist dann der Anlaß solcher Bilder relativ egal. Bei anderen sind es eben überfahrende Schildkröten oder verendende Tiere in einer Fleischfabrik. Darüber läßt sich nur spekulieren. Und in diesem Sinne und aus diesen genannten Gründen sind solche Befindlichkeiten, wie Du sie hier schreibst, nicht besonders zielführend. Sie sind vielmehr von der Machart „Kann sein, kann auch genau anders sein“. Ich kenne privat genügend Leute, die diese Bilder ziemlich genau begriffen haben, ohne sich verrückt machen zu lassen. Und Du scheinst andere Leute zu kennen.

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Daß Kunst solle reinigen und Gefühle ausgleichen können, ist eine asbachuralte These, die auf einem gröblichen Mißverständnis einer Stelle in Aristoteles' "Poetik" beruht.
Derlei Funktionalitäten sind der Kunst jedoch so fremd, daß nur der Kunstfremde zur Annahme gelangt, sie könne sie besitzen.

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Bei uns scheint sich so einiges eingeschlichen zu haben, wofür man jetzt einen ausgeglichenen Gefühlshaushalt gebrauchen kann. Den aufrecht zu erhalten, sind Bier und Asbachuralt momentan nicht die Mittel meiner Wahl.

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Der Nörgler hat es treffend auf den Punkt gebracht und Adorno hat es in seinem Essay "Engagement" zusammengefaßt:

"Den Satz, nach Auschwitz noch Lyrik zu schreiben, sei barbarisch, möchte ich nicht mildern; negativ ist darin der Impuls ausgesprochen, der die engagierte Dichtung beseelt. Die Frage einer Person aus 'Morts sans sépulture': 'Hat es einen Sinn zu leben, wenn es Menschen gibt, die schlagen, bis die Knochen im Leib zerbrechen?' ist auch die, ob Kunst überhaupt noch sein dürfe; ob nicht geistige Regression im Begriff engagierter Literatur anbefohlen wird von der Regression der Gesellschaft selber. Aber wahr bleibt auch Enzensbergers Entgegnung, die Dichtung müsse eben diesem Verdikt standhalten, so also sein, daß sie nicht durch ihre bloße Existenz nach Auschwitz dem Zynismus sich überantworte. Ihre eigene Situation ist paradox, nicht erst, wie man zu ihr sich verhält. Das Übermaß an realem Leiden duldet kein Vergessen; Pascals theologisches Wort »On ne doit plus dormir« ist zu säkularisieren. Aber jenes Leiden, nach Hegels Wort das Bewußtsein von Nöten, erheischt auch die Fortdauer von Kunst, die es verbietet; kaum wo anders findet das Leiden noch seine eigene Stimme, den Trost, der es nicht sogleich verriete. Die bedeutendsten Künstler der Epoche sind dem gefolgt. Der kompromißlose Radikalismus ihrer Werke, gerade die als formalistisch verfemten Momente, verleiht ihnen die schreckhafte Kraft, welche hilflosen Gedichten auf die Opfer abgeht. Aber selbst der 'Überlebende von Warschau' bleibt in der Aporie gefangen, der er, autonome Gestaltung der zur Hölle gesteigerten Heteronomie, rückhaltlos sich ausliefert."

DAS ist die Dialektik der Kunst, die tatsächlich Kunst sein will und die sich deshalb nicht unter irgendein beliebiges und austauschbares Sedativum einreihen will; oder wie Wilhelm Busch es in "Die fromme Helene" dichtete, "Wer Sorgen hat, der hat auch Likör". Solche Weisheiten sind, auf die Kunst bezogen, Phrasen und eine Degradierung von Kunst zum Putzmittel. Wer sich reinigen will, nehme morgens eine Mundspülung und dusche ausgiebig.

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@noergler
Ich schrieb a) nicht "Kunst" und b) nicht "sollen". Aber das soll niemanden hier in seinem Eifer bremsen.

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metepsilonema schrieb:
"Schon das Hören von Musik kann 'reinigen', also helfen Ihren Gefühlshaushalt auszugleichen ..."

Dazu bemerkte ich:
"Daß Kunst solle reinigen und Gefühle ausgleichen können, ist eine asbachuralte These …"

Hierauf erwidert metepsilonema, leicht quengelig:

"@noergler Ich schrieb a) nicht 'Kunst' und b) nicht 'sollen'. Aber das soll niemanden hier in seinem Eifer bremsen", was insoweit etwas schmierantig argumentiert, als a) die Existenz musikalischer Kunst gemeinhin nicht bezweifelt wird, und b) das "können" in meinem Satz auf das "kann" des deinigen referiert, während mein "solle" hier nicht ein Seinsollen im Gegensatz zum Eventualkönnen ist, sondern adverbial zu "können" steht.
Selbst unterhalb des Leistungslevels eines talmudischen Premium-Schriftgelehrten sollte man das erkennen können.

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