Montag, 8. Februar 2021
Das neoliberale Krankenhaus
Eine Uniklinik ist sicherlich noch überhaupt nicht typisch für das wirtschaftlich durchökonomisierte Krankenhaus. In Bezug auf den medizinischen Standard hinsichtlich Untersuchungsmethoden und Therapien fand ich ja auch sehr gute Bedingungen vor. Was das Pflegepersonal angeht ist der Personalschlüssel auch nicht so schlecht - 16 Pflegekräfte in 2 Schichten auf etwa 40 PatientInnen auf einer Station ist sicher nicht so übel. Aber: Von denen sind zwei Deutsche, und bei einigen gibt es echte Sprachschwierigkeiten. Ich bin nun der allerletzte der etwas dagegen hat von Migrationsarbeitskräften versorgt zu werden, aber wenn die Kommunikation mit denen nicht klappt weil sie nicht richtig deutsch verstehen wird es schon merkwürdig. Etwa, wenn eine Schwester mich fragt ob ich rumänisch verstehe, oder mir eine Braunüle abgezogen wurde weil die Nadel nicht mehr richtig saß und infolgedessen meine Chemo nicht fortgesetzt wurde. Ich machte daraufhin eine Schwester darauf aufmerksam - schriftlich, sprechen konnte ich ja nicht - und die erwiderte grantig in gebrochenem Deutsch, die Therapie würde von den Ärzten angeordnet, ich könnte sie nicht verlangen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass sie die Stationsärztin wäre, hinter den FFP-3-Masken lassen die sich schwer unterscheiden. Schließlich erwischte ich dann die Ärztin und brachte sie dazu, mich wieder zu versorgen.
Alles Dinge, die in meiner Zivildienstzeit undenkbar gewesen wären.

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Hab da in meiner Arbeitsrealität Software-Entwicklung auch meine Probleme.
Hatte im letzten Jahr den Fall, dass ich einen afrikanisch-stämmigen Kollegen mal heftig angegangen bin, weil der mich dadurch wahnsinnig gemacht hat, dass er freudestrahlend Blödsinns-Aufgaben eines *externen* Managers ausgeführt hat. Zu mir ist der Vollhorst-Manager gar nicht gekommen, weil er von mir eine zynische Antwort bekommen hätte.
Ich werde immer ein jähzorniger Mensch bleiben, aber viele Dinge triggern mich heute nicht mehr.
Die 2 Dinge, die im Hinblick auf Impuls-Kontrolle schwierig bleiben sind a) Untertanen-Verhalten und b) übertriebene Technologie-Gläubigkeit bezüglich von toolgestützten Arbeitsprozessen, wenn sie offensichtlich nicht funktionieren. Junge Kollegen sehen das oft nicht.

Bin zu dem Schluß gekommen, dass meine Reaktion ausländerfeindlich war.
Wenn die noch nicht so lange hier sind, muss man denen Zeit geben zu begreifen, dass positives Manager-Feedback in vielen Situationen einen möglicherweise viel geringeren Wert darstellt als in dem Land, in dem sie aufgewachsen sind.
Wir brauchen diese Leute und Geduld ist die einzige Option.

Nicht alle aber einige Osteuropäer neigen dazu, ihre Arbeit so zu organisieren, dass sie möglichst viele Punkte "abhaken" und sie dabei das große ganze völlig aus dem Blick verlieren. Und zwar völlig im Sinne von total völlig. Nachfragen bei offensichtlichen Lücken in den Anforderungen stört ja vielleicht den Anforderer und dann kann man ja weniger Story-Punkte einsammeln. Das triggert mich übrigens nicht mehr, auch weils sehr berechenbar ist.

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Ist aber ein echtes Problem wenn davon die Gesundheit des Patienten, schimmstenfalls das Leben abhängt.

Kanüle nicht angeschlossen weil es dafür keine Anweisung gab, kein Antibiotikum, kein Cortison, kein Heparin, Patient hat jetzt ne Sepsis, aber Hauptsache nicht eigeninitiativ gehandelt und nicht kapiert dass der Patient seine Diagnose und seine Medikation kennt denn Patient hat ja nichts zu sagen, das ist eine sehr fatale Reaktion.

BTW in meiner Zivildienstzeit nahmen die Pflegekräfte bis runter zum Zivi an den Ärztekonferenzen teil um zu kapieren warum die PatientInnen wie behandelt wurden. Hier kommen die Pflegekräfte ja nichtmal mehr sprachlich hinterher.

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Ich war auch Zivi im Krankenhaus. Da wurde mir viel erklärt und die Kombination von Sprachdefiziten mit problematischer Haltung zu Eigenverantwortlichkeit halte ich auch für eine riskante Mischung.
Mein einziger Krankenhausaufenthalt der letzten 20 Jahre als Betriebsgenossenschaftsfall (während Arbeitszeit) wegen Schulterbruch in einem Krankenhaus in btw Hannover verlief absolut top.
Die Schwestern erzählten mir damals Mitte der 00er schon, dass der Job v.a. dadurch härter geworden ist, dass sich die Bettenumlaufzeiten für relativ junge, mitarbeitende Patienten deutlich beschleunigt hätten.
In meiner Zivizeit sehr Ende der 80er gabs auf Station einige tschechische und polnische Schwestern. Die konnten gut deutsch und waren v.a. auch gut ausgebildet. Kam wegen der ihrer schon mal burschikoseren Art zu Konflikten mit der Oberschwester. Da war ich auf Evas Seite, aber deren pragmatischen Lösungen gingen nie wirklich zu Lasten des Patienten wie Du das schilderst.

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Ein mir bekannter 17-jähriger Chilene ist vor 2 Wochen in Italien für einen Schüleraustausch eingetroffen. Die Woche vorher hatte ich einen Kultur-clash mit der Mutter. Die war genervt, dass ständig Besucher kommen, um sich zu verabschieden. In Covid-Zeiten ist das ja ein Risiko. Ich sagte, sie solle einfach die Tür zulassen. Das geht in Chile nicht. Ist zu alman. Das hat mich getriggert.
Eine halbe Stunde bevor das Auto nach Santiago kam, gabs einen Anruf vom "Gesundheitsministerium". Angeblich hätte einer der Besucher covid gehabt und der Junge dürfe nicht ins Flugzeug. Nach 20 sehr emotionalen Minuten, hat das "Gesundheitsministerium", die Sanktion aufgehoben, weil angeblich der Erkrankte falsche Angaben gemacht hätte.
2 Tage später, nachdem die Mutter mit einem ihr bekannten Polizisten gesprochen hat, erwies sich die Sache wohl als Streich. Der Anrufer hat das nicht aufgedeckt.

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