Donnerstag, 8. April 2021
Nach dem Tod von Qosay K. in Delmenhorst ? Forderung nach Aufklärung
In der Nacht vom 5. auf den 6. März 2021 starb der 19-jährige Qosay Khalaf, nachdem er im Polizeigewahrsam in Delmenhorst kollabiert war. Er war zuvor von Zivilpolizist_innen im Delmenhorster Wollepark kontrolliert und festgenommen worden. Die Polizist*innen setzten bei der Festnahme Pfefferspray und körperliche Gewalt ein. Auch einen Monat nach dem Tod des jungen Geflüchteten bleiben viele Fragen zum Geschehen offen.

?Woran starb Qosay Khalaf? Wie ist der Polizeieinsatz abgelaufen? Wurde Qosay Khalaf ärztliche Hilfe verweigert? Was geschah im Polizeigewahrsam und warum wurde der 19-Jährige überhaupt dorthin gebracht??
Qosay K. bekam keine Luft, in: taz vom 6. April 2021

Mohamad al-Jammal, der an dem Abend gemeinsam mit Qosay Khalaf im Wollepark von der Polizei kontrolliert und festgenommen worden war, schilderte gegenüber dem NDR die Ereignisse:

?Al-Jammal beschreibt, wie ein Beamter auf seinem Freund kniete. Mittlerweile sollen fünf Polizisten und eine Polizistin anwesend gewesen sein. Ein Sanitäter, der nach einem Pfefferspray-Einsatz routinemäßig gerufen wird, soll ihn nicht richtig untersucht haben und Qosay unterstellt haben, er schauspielere.?
Tod in Polizeigewahrsam? Staatsanwaltschaft ermittelt, in: NDR vom 7. April 2021

Nachdem es zunächst kein Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Polizist_innen gegeben hatte, stellten die Anwält*innen der Familien Strafantrag, so dass die Staatsanwaltschaft Oldenburg mittlerweile Ermittlungen aufgenommen hat.

?Das Anwält*innen-Team der Familie wartet momentan noch auf Akteneinsicht. Es sei aber klar, sagt [Anwältin Lea] Voigt, dass der Sohn ihrer Man­dan­t*in­nen gesund war und im Zuge des Polizeieinsatzes so schweren gesundheitlichen Schaden nahm, dass er starb. ?Laut dem Obduktionsgutachten, welches die Familie in Auftrag gegeben hat, starb Qosay K. an einem sauerstoffmangelbedingten Herz-Kreislauf-Versagen?, so die Anwältin. Ein Zeuge hatte schon früher berichtet, Qosay K. habe bereits im Park gesagt, er bekomme keine Luft. ?Ihm wurde offensichtlich nicht geholfen, das wurde nicht erkannt ? oder man wollte das nicht erkennen?, sagt Voigt.?
Qosay K. bekam keine Luft, in: taz vom 6. April 2021

?Fakt ist: Qosay K. hat den Polizeigewahrsam lebend betreten. Nur wenige Stunden später starb der Jugendliche im Krankenhaus. Auf Fotos von dort, die dem NDR vorliegen, ist der Heranwachsende kaum wiederzuerkennen. Das Gesicht ist stark angeschwollen. Eingetrocknetes Blut ist an einem Hüft-Verband zu sehen. Das Bettlaken, auf dem der junge Mann liegt, hat Blutflecken, rot getränkte Waschlappen lugen unter seinem Körper hervor.?
Tod in Polizeigewahrsam? Staatsanwaltschaft ermittelt, in: NDR vom 7. April 2021

Am Ostersamstag organisierte das Bündnis in Erinnerung an Qosay eine weitere Demonstration in Delmenhorst, an der rund 250 Menschen teilnahmen und die Aufklärung des Polizeieinsatzes forderten. Auch die Eltern von Qosay Khalaf sprachen zum ersten Mal öffentlich.

Der Flüchtlingsrat erwartet, dass die Umstände, unter denen der Jugendliche ums Leben kam, gründlich ermittelt werden. Allzu oft müssen wir erleben, dass in Fällen, in denen Menschen bei einem Polizeieinsatz zu Tode kommen, Ermittlungen frühzeitig eingestellt oder ? wie in diesem Fall zunächst ? gar nicht erst aufgenommen werden. Auch Anmesty International kritisiert in seinem am 7. April vorgestellten Menschenrechtsbericht: ?Der deutsche Rechtsstaat weist ausgerechnet dort Lücken auf, wo es um Transparenz und Kontrolle der Polizei geht.? Eine unabhängige Kontrollinstanz fehle. Wichtige internationale Menschenrechtsstandards würden nicht eingehalten.
Hintergrund

Bündnis in Erinnerung an Qosay
Medienberichte

Tod in Polizeigewahrsam? Staatsanwaltschaft ermittelt, in: NDR vom 7. April 2021

Qosay K. bekam keine Luft, in: taz vom 6. April 2021

230 Menschen bei Trauerkundgebung in Delmenhorst, in: Nordwest Zeitung vom 6. April 2021

Zwischen Trauer und Wut, in: Weser-Kurier vom 5. April 2021

Wie starb Qosay K.?, in: taz vom 12. März 2021

In der Zelle kollabiert, in: taz vom 7. März 202

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