Dienstag, 18. März 2008
Jugoslawien-Krieg revisited
che2001, 22:37h
Nachdem hier der Jugoslawien-Band der Materialien für einen neuen Antiimperialismus wegen seiner hochgestochenen Sprache schlecht angekommen war, will ich es nochmal mit einem eigenen Beitrag versuchen, der inhaltlich das Gleiche sagt, sprachlich aber schlichter gehalten ist und von mir 1999, während des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien verfasst wurde.Wie gesagt, Stand 1999.
Historische, wirtschaftliche und soziale Hintergründe des jugoslawischen Bürgerkriegs
Vom Zweiten Weltkrieg zur Sozialistischen Republik
Die Geschichte des letzten Krieges in Jugoslawien beginnt spätestens mit dem Zweiten Weltkrieg. Um sich eine Aufmarschbasis für den geplanten Überfall auf die Sowjetunion zu schaffen und den britischen Truppen potentielle Aufmarschgebiete in Südosteuropa zu nehmen, bezogen die faschistischen Achsenmächte (Deutschland/ Italien) den Balkan in ihre militärischen Operationen ein. Nach einer erfolglosen italienischen Invasion griff die deutsche Wehrmacht und Luftwaffe am 6.April 1941 Jugoslawien an. Der überlegenen deutschen Waffentechnik und der "Blitzkrieg"-Strategie hatten die jugoslawischen Streitkräfte nichts entgegenzusetzen und mußten am 17. April kapitulieren.
In Kroatien nutzte die faschistische Ustascha-Partei die Gunst der Stunde und rief schon am 10.April die "unabhängige" Republik Kroatien aus. So unabhängig war diese allerdings nicht, war sie doch von deutschen und italienischen Truppen besetzt und seit dem Wirtschaftsabkommen vom Mai '41 ein Satellitenstaat des deutschen Reiches. Die "unabhängigste" Leistung der Ustascha war jedoch die Tatsache, daß sie von sich aus einen systematischen Völkermord betrieb. Mit dem Ziel, ein "ethnisch reines" Kroatien zu schaffen, wurden in den KZ's der Ustascha 750 000 SerbInnen, 60 000 JüdInnen und 26.000 Roma ermordet.
Der von PartisanInnengruppen getragene bewaffnete Widerstand gegen Besatzer und Ustascha bestand aus drei Fraktionen, die weitgehend getrennt kämpften. Dies waren zum Einen die KämpferInnen der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) unter Tito, zum Anderen die königstreuen, serbisch-nationalistischen Cetniks, die für ein unabhängiges Serbien kämpften und drittens die politisch pluralistische Slowenische Befreiungsfront. Darüber hinaus hatten sich unmittelbar nach der Kapitulation der jugoslawischen Armee spontan zahlreiche lokale und regionale, unabhängige und ideologisch nicht festgelegte Widerstandsgruppen gebildet. Diese gerieten im Verlauf des Partisanenkrieges überwiegend unter kommunistische Führung. Aufgrund ihrer besseren Organisation und der Unterstützung durch die Sowjetunion nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die UDSSR waren die kommunistischen PartsanInnen den übrigen Widerstandsgruppen an Kampfkraft weit überlegen.
Ende 1941 stoppten unter der Androhung massenhafter Geiselerschiessungen die Cetniks ihre Widerstandsaktionen gegen die Deutschen, um kurz darauf, unter dem Einfluß deutscher Versprechungen und der Erwartung eines schnellen deutschen Sieges an der Ostfront, gegen die kommunistischen Gruppen vorzugehen. Ab Frühjahr 1943, als sich nach Stalingrad die deutsche Niederlage an der Ostfront abzuzeichnen begann, kämpften die Cetniks gemeinsam mit der Wehrmacht gegen die PartisanInnenverbände, um eine kommunistische Machtübernahme nach Kriegsende zu verhindern. Heutzutage nimmt die offizielle serbische Propaganda die Gleichsetzung Kroatische Armee = Faschisten mit Ustascha-Tradition, serbische Milizen = Cetniks = Antifaschisten vor. Aufgrund verbreiteter Ängste in der serbischen Bevölkerung, die durch die Ustascha-Vergangenheit bedingt sind, ist diese Propaganda ausgesprochen wirkungsvoll, politisch und historisch gesehen aber falsch.
Seit August 1944 stießen sowjetische Truppen auf den Balkan vor, die sich am 6.September mit Partisanenverbänden Titos vereinigten. Am 18.10. befreiten Titos Truppen Belgrad.
Im Zuge der sukzessiven Befreiung von Dörfern, Städten und Regionen durch die Partisanenarmee waren überall lokale Volksbefreiungskommitees gegründet worden, welche die Verwaltung in ihre Hände nahmen und die Interessen der Bevölkerung auch gegen die KPJ vertraten. Von Anfang an entwickelten sich in Jugoslawien Selbstverwaltungsstrukturen, die in deutlichem Kontrast zu der stalinistischen Ordnung in allen übrigen sozialistischen Staaten Europas stehen. Insgesamt läßt sich der sozialistische Staat Jugoslawien eher als zur Staatsmacht gelangte PartisanInnenbewegung denn als ein sozialistisches System im herkömmlichen Sinne begreifen. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei die Tatsache, daß Jugoslawien sich selbst befreit und die Rote Armee nur in der Schlußphase des Krieges eine Rolle gespielt hat.
Da die Regierung Tito nicht bereit war, den Wiederaufbau der jugoslawischen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Erfordernisse des sowjetischen Plansystems umzustellen, wurde Jugoslawien 1948 aus der Kominform ausgeschlossen. Gleichzeitig stieß die im Rahmen des Fünfjahresplans 1947-51 anvisierte Kollektivierung der Landwirtschaft auf bäuerlichen Widerstand, der zur Einrichtung bzw. nachträglichen Legalisierung von Selbstverwaltungsstrukturen in Industrie und Landwirtschaft führte.
Die weitere Entwicklung des jugoslawischen Modells wurde durch drei Faktoren bestimmt:
1) Der Ausschluß Jugoslawiens aus dem osteuropäischen Wirtschaftsraum und das damit verbundene Fehlen von osteuropäischen Wirtschaftshilfen machte das Land von der Devisenbeschaffung aus dem kapitalistischen Ausland abhängig. Dies bedeutete auch eine für den kapitalistischen Weltmarkt bestimmte Produktion nach den vom westlichen Ausland festgelegten Handelsbestimmungen.
2) Die Selbstverwaltungsstrukturen wurden weiter ausgebaut. Offiziell gehörten die Industriebetriebe Arbeiterräten, in der Praxis bildeten Manager und Betriebsleiter die gesellschaftliche Elite.
3) Beide Faktoren führten dazu, daß das bereits vor dem Zweiten Weltkrieg stark ausgeprägte Nord-Südgefälle in der industriellen Entwicklung Jugoslawiens weiter vertieft wurde. Der Aufbau Sloweniens und Kroatiens wurde weitgehend von BRD-Kapital finanziert. In Slowenien durch Zulieferproduktion für deutsche Industriebetriebe, in Slowenien und Serbien auch durch die Kooperation der Volkswagengruppe mit dem Autohersteller Zastava/Yugo. Aus Kroatien wurden Kühlschränke und sonstige Küchengeräte in die BRD exportiert. Durch den Massentourismus vornehmlich deutscher UrlauberInnen an der dalmatinischen Adriaküste setzte sich die D-Mark als zweites Zahlungsmittel neben dem Dinar durch.
In Serbien und den „unterentwickelten“ Regionen Bosnien, Mazedonien, Kosova und Montenegro blieben, abgesehen vom Autobau, westliche Investitionen hingegen aus. Parallel zur Migration von ArbeiterInnen aus Slowenien, Kroatien und Serbien in die BRD und Österreich kam es in Jugoslawien selbst zu einer Binnenmigration. Aus Bosnien-Herzegowina gingen ArbeitsmigranInnen nach Slowenien und Kroatien, aus Montenegro und Kosova nach Kroatien und Serbien, wo sie als "GastarbeiterInnen" entsprechend diskriminiert wurden.
Der Weg in die Krise
Vor dem Hintergrund weltwirtschaftlicher Entwicklungen Ende der 70er Anfang 80er Jahre, eine Zeit, die durch die Namen Reagan und Thatcher geprägt ist, muß auch die Vorgeschichte des Bürgerkriegs in Jugoslawien gesehen werden. Die jugoslawische Bundesbank hatte Anfang 1980 eine Auslandsverschuldung von fast 14 Milliarden Dollar, was hauptsächlich auf die Erhöhung der Energie- und Brennstoffpreise auf dem Weltmarkt und die gestiegenen Kreditzinsen zurückzuführen war. Die wesentlichsten Deviseneinnahmen des Landes, Überweisungen der ArbeitsmigrantInnen und im Tourismus erwirtschaftete Gelder, verschwanden zum größten Teil im grauen und schwarzen Markt und gingen somit an der Staatsbank vorbei. Angesichts des drückenden Schuldenbergs trat Jugoslawien 1980 dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bei. Dieser gewährte dem Land 1981 den größten je gegebenen Kredit und führte für Jugoslawien die Umschuldungsverhandlungen mit ca. 600 westlichen Gläubigerbanken. Dafür forderte der IWF von der jugoslawischen Regierung Lohnbegrenzungen für zahlungsunfähige Betriebe, Freigabe der staatlich subventionierten Lebensmittel- und Gebrauchsgüterpreise, Zinserhöhungen und eine 25% tige Abwertung des Dinar. Aus diesen IWF-Auflagen leitete die jugoslawische Regierung eigene Maßnahmen zur Modernisierung der Industrie, zur Produktivitätssteigerung und zur Kostensenkung ab. Dazu gehörte insbesondere auch eine generelle Senkung der Arbeitslöhne, was nur über eine Zerschlagung der ArbeiterInnenräte möglich war.
Zum Anderen wurde eine Inwertsetzung der Armutsregionen im Süden, also des Kosova, Montenegros und Bosniens sowie der angrenzenden serbischen Randgebiete angestrebt. Das beabsichtigte Ziel war dabei die Schaffung riesiger Anbauflächen für die Zucht von Nutzpflanzen für den Weltmarkt gegen westliche Devisen. Durchsetzbar war dies nur durch die Zerstörung der traditionellen Strukturen, die auf dem Lande noch vielfach durch eine subsistenzwirtschaftliche, sich selbst versorgende Sippengesellschaft geprägt war. Diese hatte es bisher ermöglicht, in ziemlicher Armut, aber sehr autark zu leben, da fast nur das gegessen wurde, was man selber anbaute.
Die in den Achtziger Jahren geplante Landreform stand vor dem gleichen Problem wie die Kollektivierung der Landwirtschaft unter Tito: es regte sich heftiger bäuerlicher Widerstand. Daneben lief die Agrarreform auf Massenentlassungen in der landwirtschaftlichen Industrie hinaus, verbunden mit der Abwanderung oder Vertreibung der Entlassenen als billiges Arbeitskräftereservoir in die Großstädte.
Zwischen Klasse und Rasse: Die Ethnisierung des Sozialen
Noch ehe diese geplanten Maßnahmen zur Wirkung gelangten, setzte eine Welle heftigen Widerstandes vor allem der IndustriearbeiterInnenschaft gegen die rapide fortschreitenden Teuerungen ein. Mitte der Achtziger Jahre begann eine Kette von wilden Streiks von Slowenien aus das Land zu überziehen. 1987 erreichten diese den Höhepunkt. 1986 wurde in Belgrad Tausenden von Familien Strom und Gas abgestellt, weil sie die Rechnungen nicht bezahlten.
Im jugoslawischen Armenhaus Kosova, wo sich die Krise am frühesten zugespitzt hatte und es bereits 1981 zu bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen war, eskalierte die Entwicklung zu einem Aufstand, auf den die jugoslawische Bundesregierung mit der Aufhebung der Autonomie des Kosovo und der Verhängung des Ausnahmezustandes reagierte. Hier nahmen die Auseinandersetzungen erstmals ethnisch-nationalen Charakter an. Die jugoslawische Regierung schürte in ihrer Propaganda einen aggressiven Chauvinismus gegen die albanische Bevölkerung des Kosova, da sie die ökonomischen Ursachen des Konfliktes nicht zugeben konnte. Dies deckte sich mit serbischen Ansprüchen auf den Kosova. Das Gebiet ist zwar heute mehrheitlich albanisch besiedelt, aber die ursprüngliche Heimat der SerbInnen und durch die historische Schlacht auf dem Amselfeld Gegenstand nationalistischer Mythenbildung. Diese fand neue Aktualität, als der Kosova unter serbische Verwaltung gestellt wurde. Darauf reagierte die Führung der Aufstandsbewegung mit der Forderung nach sofortigem Austritt aus dem jugoslawischen Staatsverband und dem Anschluß an Albanien.
Die jugoslawische Staatsführung und die Regierungen der einzelnen Republiken blockierten sich gegenseitig bei der Umsetzung von Lösungsstrategien, zumal sie alle sich einer das ganze Land erfassenden Streikbewegung gegenüber sahen, die den Charakter einer proletarischen Revolte gegen einen formell noch immer sozialistischen Staat annahm.
Insbesondere die Regierungen von Slowenien und Kroatien waren nicht länger bereit, die Armut des Südens mitzufinanzieren. Bisher waren die dort getätigten Investitionen von den beiden reichsten Republiken getragen worden, ohne daß sie zu sichtbaren Erfolgen geführt hätten. Nachdem sich ein zunehmend aggressiver werdender serbischer Nationalismus am rüden Besatzungsregime im Kosova und der serbischen Annektion der bis dahin autonomen Vojvodina deutlich zeigte, setzten die Staatsführungen der beiden Republiken auf die nationale Unabhängigkeit. Dabei konnten sie auf die Unterstützung der österreichischen und der bundesdeutschen Regierung bauen, für die Slowenien und Kroatien wirtschaftlich interessant waren, der Rest Jugoslawiens hingegen überhaupt nicht. Schon seit Mitte der Achtziger Jahre wurde in osteuropäischen Arbeitskreisen der bundesdeutschen Industrie eine Abtrennung Kroatiens und Sloweniens als wünschenswert bezeichnet
Einig waren sich die Führungen aller Republiken im repressiven Vorgehen gegen die Bewegungen von unten, die mit Polizeigewalt zerschlagen wurden. Propagandistisch wurden diese in den einzelnen Republiken als Machenschaften anderer Teilrepubliken oder bestimmter Volksgruppen dargestellt. Ethnische Konflikte waren es teilweise tatsächlich; dies aber in dem Sinne, daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe mit einem bestimmten sozialen Status verbunden war. Ab 1987 kann von einer allgemeinen "Ethnisierung" ursprünglich sozial bestimmter Konflikte geredet werden. Zunehmend begannen die AkteurInnen sich über ihre Volksgruppenzugehörigkeit zu definieren.
Die Bombe platzt
Zu den ersten bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen außerhalb des Kosova kam es Frühjahr 1991 in der Krajna. Dieses Gebiet, das die kroatische Adriaküste von der Herzegowina trennt, bessaß eine sehr spezielle Bevölkerungsstruktur. Noch zur Zeit der K.u.K.-Monarchie waren dort, entlang der damaligen Militärgrenze zum Osmanischen Reich, Wehrdörfer zur Grenzsicherung angelegt worden. Diese wurden mit SerbInnen besiedelt, die in dem Bewußtsein aufwuchsen, die militärische Vorhut des Abendlandes gegen den Islam zu sein. Bis zur Zerstörung der Krajna-Republik durch die kroatische Armee im Spätsommer 1995 hatte sich die Wehrbauernmentalität dort ungebrochen erhalten. Als sich Ende der Achtziger die Pläne der kroatischen Regierung zum kapitalistischen Umbau und zur Herauslösung aus dem jugoslawischen Staatsverband immer deutlicher abzeichneten, begannen von hier aus militante serbische Nationalisten ihre Aktionen gegen Kroatien. Sie wurden von Kroatien so rigoros niedergeschlagen wie ungefähr gleichzeitig unter serbischer Regie die Unruhen im Kosova.
Am 27. Juli 1991 trat der Konflikt ans Licht der Weltöffentlichkeit: Slowenien und Kroatien erklärten ihre Unabhängigkeit. Es folgte ein kurzer Krieg um die Unabhängigkeit Sloweniens und ein sehr blutiger und grausamer Krieg zwischen Kroatien und Rest- Jugoslawien einerseits und der Krajna sowie serbischen Volksgruppen in Ost- und West-Slawonien andererseits. Alle Seiten taten sich durch die Bestialität der sog. ethnischen Säuberungen hervor, die planmäßige Ermordung und Vertreibung der Bevölkerung ganzer Landstriche. Von Anfang an war die BRD aufgrund ihrer ökonomischen Interessen auf der Seite Kroatiens, während sich die übrigen westeuropäischen Mächte mit Parteinahme zurückhielten, Großbritannien und Frankreich hauptsächlich aus Rücksichtnahme auf ihre eigenen ethnischen Minderheiten. Als der Konflikt im Frühjahr 1992 mit der Anerkennung Kroatiens durch Rest-Jugoslawien beigelegt schien, explodierte er in Bosnien-Herzegowina. Serbische Separatisten riefen in der Furcht vor einer völligen Bevormundung durch die miteinander verbündeten Moslems und KroatInnen die unabhängige Republik von Pale aus. Ehe es zu einer Verhandlungslösung kommen konnte, begannen serbische Söldnermilizen die bosnische Hauptstadt Sarajevo mit Granatwerfern zu beschießen und von der Außenwelt abzuschneiden, um auf diese Weise die Unabhängigkeit der Republik zu erzwingen. Die bosnische Führung reagierte mit militärischen Mitteln. Es folgte ein langer, blutiger Krieg, in dem beide Seiten hauptsächlich wehrlose Zivilbevölkerung niedermetzelten.
Der weitere Verlauf des Konflikts bis zum Herbeibomben des Friedens von Dayton durch die NATO dürfte, abgesehen von den Verfälschungen durch eine allgemein antiserbische Ausrichtung in der deutschen Medienberichterstattung, zumindest in groben Zügen bekannt sein. Nach dem Friedensschluß in Bosnien eskalierte die Entwicklung im Kosova.
Zweierlei Imperialismus - ein Ausblick in die nahe Zukunft
Wenn nach dem Eingreifen von NATO-Kampfeinheiten der Eindruck entstanden ist, daß die Westmächte im Jugoslawienkrieg an einem Strang ziehen, so täuscht dieser. Die Interessen der verschiedenen NATO- und WEU-Staaten sind durchaus nicht deckungsgleich.
Das Interesse der BRD an einer Unabhängigkeit von Kroatien und Slowenien wurde oben bereits dargestellt. Die jetzige Interessenlage der BRD gestaltet sich komplex. Zunächst einmal fährt sie in ihrer Balkan- und Osteuropapolitik einen Kurs, der mit der Rest-EU nur wenig abgesprochen wird. Seit 1991 betreibt die Bundesregierung eine sehr aktive Ostpolitik, die auf die Schaffung eines eigenen "Hinterhofes" in Osteuropa abzielt. Vorbild ist hierbei die Durchdringung Mittelamerikas durch US-Interessen. In Kroatien ist die BRD bereits gut im Geschäft; so gehört ein Großteil der kroatischen Energieversorgung der Firma Siemens, überhaupt der größte westliche Investor in Kroatien. Eine Rolle spielen auch deutsche Waffenlieferungen. Im Unterschied zur Lieferung von billigem NVA-Material in alle Welt wurden hier neuartige Waffen im Einsatz getestet, wie die neue Panzerabwehrrakete "Armbrust". Ein Testfall ist ebenfalls der Einsatz deutscher Schiffe, Flugzeuge und Bodentruppen. Von den Alliierten wird er gewollt, um die BRD militärisch möglichst stark einzubinden, für die BRD ist er Teil eines Stufenplanes zur Erhöhung der Akzeptanz von deutschen Militäreinsätzen ganz anderen Ausmaßes. Fernziel ist die uneingeschränkte Möglichkeit zu weltweiten Dauerinterventionen nach dem Vorbild der USA und Frankreichs. Die BRD betreibt in Jugoslawien also Großmachtpolitik auf allen Ebenen. Damit die in Kroatien getätigten Investitionen sich lohnen, liegt es im Interesse des deutschen Kapitals, daß langsam Ruhe in die Region kommt oder daß die bewaffneten Auseinandersetzungen sich nach außen verlagern. Tatsächlich besteht die Möglichkeit, daß in der Vojvodina der Bürgerkrieg noch bevorsteht.
Demgegenüber haben die USA eher ein Interesse daran, den Störfaktor Serbien auszuschalten, ohne daß BRD-Kapital allzuviel daran verdient, was vielleicht auch die besondere Gründlichkeit amerikanischer Bombenangriffe erklärt.
Großbritannien und Frankreich hatten lange gezögert, sich dem prokroatisch-promuslimischen Kurs der BRD anzuschließen. Dies geschah, wie gesagt, vor allem mit Rücksichtnahme auf die ethnischen Unabhängigkeitsbewegungen in diesen Ländern sowie vor dem Hintergrund, daß die ökonomischen Interessen der BRD nicht die Ihren sind. Mittlerweile steht die EU in Jugoslawien aber recht einheitlich da, militärisch von Großbritannien und Frankreich angeführt, zugunsten von BRD-Wirtschaftsinteressen. Militärisch kämpfen US-amerikanische und deutsche Einheiten zusammen, politisch teilweise gegeneinander.
Andererseits gibt es natürlich auch gemeinsame imperialistische Interessen. Sowohl die Durchsetzung imperialistischer Hegemonial- und Profitinteressen durch territoriale Aufteilung als auch die Kriegsweise finden sich auch anderswo wieder. Was Letztere angeht, handelt es sich um eine Mischung aus einer weltweiten Unterstützung völkermordender regionaler Heerführer, begrenzter Intervention durch eine multinationale Streitmacht und zeitweilige militärische Besetzung von Schlüsselzonen. Ähnliches fanden wir in Ruanda und Somalia vor, im Falle einer Eskalation der Auseinandersetzungen in Algerien zum offenen Bürgerkrieg würde sich dort unter französischer Führung die Fortsetzung abspielen.
Das Modell Jugoslawien ist charakteristisch für die noch kommende Neuaufteilung der Welt: Eine strikte Trennung von für das Metropolenkapital ökonomisch interessanten Regionen und Armutsgebieten, eine territoriale Abschottung notfalls mit militärischen Mitteln und die wirtschaftliche Neuerschließung durch völlige Zerstörung und anschließenden Wiederaufbau.
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In Jugoslawien hat die Vertreibung der Kosova - Albaner bzw. jetzt der Serben aus dem Kosova den Charakter, eine territoriale Neuaufteilung durch die "Schaffung" einer auf das jeweilige Territorium zugeschnittenen Bevölkerung zu erreichen. Inwieweit dies dauerhaften Erfolg zeitigen wird, wird die Zukunft zeigen.
Historische, wirtschaftliche und soziale Hintergründe des jugoslawischen Bürgerkriegs
Vom Zweiten Weltkrieg zur Sozialistischen Republik
Die Geschichte des letzten Krieges in Jugoslawien beginnt spätestens mit dem Zweiten Weltkrieg. Um sich eine Aufmarschbasis für den geplanten Überfall auf die Sowjetunion zu schaffen und den britischen Truppen potentielle Aufmarschgebiete in Südosteuropa zu nehmen, bezogen die faschistischen Achsenmächte (Deutschland/ Italien) den Balkan in ihre militärischen Operationen ein. Nach einer erfolglosen italienischen Invasion griff die deutsche Wehrmacht und Luftwaffe am 6.April 1941 Jugoslawien an. Der überlegenen deutschen Waffentechnik und der "Blitzkrieg"-Strategie hatten die jugoslawischen Streitkräfte nichts entgegenzusetzen und mußten am 17. April kapitulieren.
In Kroatien nutzte die faschistische Ustascha-Partei die Gunst der Stunde und rief schon am 10.April die "unabhängige" Republik Kroatien aus. So unabhängig war diese allerdings nicht, war sie doch von deutschen und italienischen Truppen besetzt und seit dem Wirtschaftsabkommen vom Mai '41 ein Satellitenstaat des deutschen Reiches. Die "unabhängigste" Leistung der Ustascha war jedoch die Tatsache, daß sie von sich aus einen systematischen Völkermord betrieb. Mit dem Ziel, ein "ethnisch reines" Kroatien zu schaffen, wurden in den KZ's der Ustascha 750 000 SerbInnen, 60 000 JüdInnen und 26.000 Roma ermordet.
Der von PartisanInnengruppen getragene bewaffnete Widerstand gegen Besatzer und Ustascha bestand aus drei Fraktionen, die weitgehend getrennt kämpften. Dies waren zum Einen die KämpferInnen der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) unter Tito, zum Anderen die königstreuen, serbisch-nationalistischen Cetniks, die für ein unabhängiges Serbien kämpften und drittens die politisch pluralistische Slowenische Befreiungsfront. Darüber hinaus hatten sich unmittelbar nach der Kapitulation der jugoslawischen Armee spontan zahlreiche lokale und regionale, unabhängige und ideologisch nicht festgelegte Widerstandsgruppen gebildet. Diese gerieten im Verlauf des Partisanenkrieges überwiegend unter kommunistische Führung. Aufgrund ihrer besseren Organisation und der Unterstützung durch die Sowjetunion nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die UDSSR waren die kommunistischen PartsanInnen den übrigen Widerstandsgruppen an Kampfkraft weit überlegen.
Ende 1941 stoppten unter der Androhung massenhafter Geiselerschiessungen die Cetniks ihre Widerstandsaktionen gegen die Deutschen, um kurz darauf, unter dem Einfluß deutscher Versprechungen und der Erwartung eines schnellen deutschen Sieges an der Ostfront, gegen die kommunistischen Gruppen vorzugehen. Ab Frühjahr 1943, als sich nach Stalingrad die deutsche Niederlage an der Ostfront abzuzeichnen begann, kämpften die Cetniks gemeinsam mit der Wehrmacht gegen die PartisanInnenverbände, um eine kommunistische Machtübernahme nach Kriegsende zu verhindern. Heutzutage nimmt die offizielle serbische Propaganda die Gleichsetzung Kroatische Armee = Faschisten mit Ustascha-Tradition, serbische Milizen = Cetniks = Antifaschisten vor. Aufgrund verbreiteter Ängste in der serbischen Bevölkerung, die durch die Ustascha-Vergangenheit bedingt sind, ist diese Propaganda ausgesprochen wirkungsvoll, politisch und historisch gesehen aber falsch.
Seit August 1944 stießen sowjetische Truppen auf den Balkan vor, die sich am 6.September mit Partisanenverbänden Titos vereinigten. Am 18.10. befreiten Titos Truppen Belgrad.
Im Zuge der sukzessiven Befreiung von Dörfern, Städten und Regionen durch die Partisanenarmee waren überall lokale Volksbefreiungskommitees gegründet worden, welche die Verwaltung in ihre Hände nahmen und die Interessen der Bevölkerung auch gegen die KPJ vertraten. Von Anfang an entwickelten sich in Jugoslawien Selbstverwaltungsstrukturen, die in deutlichem Kontrast zu der stalinistischen Ordnung in allen übrigen sozialistischen Staaten Europas stehen. Insgesamt läßt sich der sozialistische Staat Jugoslawien eher als zur Staatsmacht gelangte PartisanInnenbewegung denn als ein sozialistisches System im herkömmlichen Sinne begreifen. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei die Tatsache, daß Jugoslawien sich selbst befreit und die Rote Armee nur in der Schlußphase des Krieges eine Rolle gespielt hat.
Da die Regierung Tito nicht bereit war, den Wiederaufbau der jugoslawischen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Erfordernisse des sowjetischen Plansystems umzustellen, wurde Jugoslawien 1948 aus der Kominform ausgeschlossen. Gleichzeitig stieß die im Rahmen des Fünfjahresplans 1947-51 anvisierte Kollektivierung der Landwirtschaft auf bäuerlichen Widerstand, der zur Einrichtung bzw. nachträglichen Legalisierung von Selbstverwaltungsstrukturen in Industrie und Landwirtschaft führte.
Die weitere Entwicklung des jugoslawischen Modells wurde durch drei Faktoren bestimmt:
1) Der Ausschluß Jugoslawiens aus dem osteuropäischen Wirtschaftsraum und das damit verbundene Fehlen von osteuropäischen Wirtschaftshilfen machte das Land von der Devisenbeschaffung aus dem kapitalistischen Ausland abhängig. Dies bedeutete auch eine für den kapitalistischen Weltmarkt bestimmte Produktion nach den vom westlichen Ausland festgelegten Handelsbestimmungen.
2) Die Selbstverwaltungsstrukturen wurden weiter ausgebaut. Offiziell gehörten die Industriebetriebe Arbeiterräten, in der Praxis bildeten Manager und Betriebsleiter die gesellschaftliche Elite.
3) Beide Faktoren führten dazu, daß das bereits vor dem Zweiten Weltkrieg stark ausgeprägte Nord-Südgefälle in der industriellen Entwicklung Jugoslawiens weiter vertieft wurde. Der Aufbau Sloweniens und Kroatiens wurde weitgehend von BRD-Kapital finanziert. In Slowenien durch Zulieferproduktion für deutsche Industriebetriebe, in Slowenien und Serbien auch durch die Kooperation der Volkswagengruppe mit dem Autohersteller Zastava/Yugo. Aus Kroatien wurden Kühlschränke und sonstige Küchengeräte in die BRD exportiert. Durch den Massentourismus vornehmlich deutscher UrlauberInnen an der dalmatinischen Adriaküste setzte sich die D-Mark als zweites Zahlungsmittel neben dem Dinar durch.
In Serbien und den „unterentwickelten“ Regionen Bosnien, Mazedonien, Kosova und Montenegro blieben, abgesehen vom Autobau, westliche Investitionen hingegen aus. Parallel zur Migration von ArbeiterInnen aus Slowenien, Kroatien und Serbien in die BRD und Österreich kam es in Jugoslawien selbst zu einer Binnenmigration. Aus Bosnien-Herzegowina gingen ArbeitsmigranInnen nach Slowenien und Kroatien, aus Montenegro und Kosova nach Kroatien und Serbien, wo sie als "GastarbeiterInnen" entsprechend diskriminiert wurden.
Der Weg in die Krise
Vor dem Hintergrund weltwirtschaftlicher Entwicklungen Ende der 70er Anfang 80er Jahre, eine Zeit, die durch die Namen Reagan und Thatcher geprägt ist, muß auch die Vorgeschichte des Bürgerkriegs in Jugoslawien gesehen werden. Die jugoslawische Bundesbank hatte Anfang 1980 eine Auslandsverschuldung von fast 14 Milliarden Dollar, was hauptsächlich auf die Erhöhung der Energie- und Brennstoffpreise auf dem Weltmarkt und die gestiegenen Kreditzinsen zurückzuführen war. Die wesentlichsten Deviseneinnahmen des Landes, Überweisungen der ArbeitsmigrantInnen und im Tourismus erwirtschaftete Gelder, verschwanden zum größten Teil im grauen und schwarzen Markt und gingen somit an der Staatsbank vorbei. Angesichts des drückenden Schuldenbergs trat Jugoslawien 1980 dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bei. Dieser gewährte dem Land 1981 den größten je gegebenen Kredit und führte für Jugoslawien die Umschuldungsverhandlungen mit ca. 600 westlichen Gläubigerbanken. Dafür forderte der IWF von der jugoslawischen Regierung Lohnbegrenzungen für zahlungsunfähige Betriebe, Freigabe der staatlich subventionierten Lebensmittel- und Gebrauchsgüterpreise, Zinserhöhungen und eine 25% tige Abwertung des Dinar. Aus diesen IWF-Auflagen leitete die jugoslawische Regierung eigene Maßnahmen zur Modernisierung der Industrie, zur Produktivitätssteigerung und zur Kostensenkung ab. Dazu gehörte insbesondere auch eine generelle Senkung der Arbeitslöhne, was nur über eine Zerschlagung der ArbeiterInnenräte möglich war.
Zum Anderen wurde eine Inwertsetzung der Armutsregionen im Süden, also des Kosova, Montenegros und Bosniens sowie der angrenzenden serbischen Randgebiete angestrebt. Das beabsichtigte Ziel war dabei die Schaffung riesiger Anbauflächen für die Zucht von Nutzpflanzen für den Weltmarkt gegen westliche Devisen. Durchsetzbar war dies nur durch die Zerstörung der traditionellen Strukturen, die auf dem Lande noch vielfach durch eine subsistenzwirtschaftliche, sich selbst versorgende Sippengesellschaft geprägt war. Diese hatte es bisher ermöglicht, in ziemlicher Armut, aber sehr autark zu leben, da fast nur das gegessen wurde, was man selber anbaute.
Die in den Achtziger Jahren geplante Landreform stand vor dem gleichen Problem wie die Kollektivierung der Landwirtschaft unter Tito: es regte sich heftiger bäuerlicher Widerstand. Daneben lief die Agrarreform auf Massenentlassungen in der landwirtschaftlichen Industrie hinaus, verbunden mit der Abwanderung oder Vertreibung der Entlassenen als billiges Arbeitskräftereservoir in die Großstädte.
Zwischen Klasse und Rasse: Die Ethnisierung des Sozialen
Noch ehe diese geplanten Maßnahmen zur Wirkung gelangten, setzte eine Welle heftigen Widerstandes vor allem der IndustriearbeiterInnenschaft gegen die rapide fortschreitenden Teuerungen ein. Mitte der Achtziger Jahre begann eine Kette von wilden Streiks von Slowenien aus das Land zu überziehen. 1987 erreichten diese den Höhepunkt. 1986 wurde in Belgrad Tausenden von Familien Strom und Gas abgestellt, weil sie die Rechnungen nicht bezahlten.
Im jugoslawischen Armenhaus Kosova, wo sich die Krise am frühesten zugespitzt hatte und es bereits 1981 zu bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen war, eskalierte die Entwicklung zu einem Aufstand, auf den die jugoslawische Bundesregierung mit der Aufhebung der Autonomie des Kosovo und der Verhängung des Ausnahmezustandes reagierte. Hier nahmen die Auseinandersetzungen erstmals ethnisch-nationalen Charakter an. Die jugoslawische Regierung schürte in ihrer Propaganda einen aggressiven Chauvinismus gegen die albanische Bevölkerung des Kosova, da sie die ökonomischen Ursachen des Konfliktes nicht zugeben konnte. Dies deckte sich mit serbischen Ansprüchen auf den Kosova. Das Gebiet ist zwar heute mehrheitlich albanisch besiedelt, aber die ursprüngliche Heimat der SerbInnen und durch die historische Schlacht auf dem Amselfeld Gegenstand nationalistischer Mythenbildung. Diese fand neue Aktualität, als der Kosova unter serbische Verwaltung gestellt wurde. Darauf reagierte die Führung der Aufstandsbewegung mit der Forderung nach sofortigem Austritt aus dem jugoslawischen Staatsverband und dem Anschluß an Albanien.
Die jugoslawische Staatsführung und die Regierungen der einzelnen Republiken blockierten sich gegenseitig bei der Umsetzung von Lösungsstrategien, zumal sie alle sich einer das ganze Land erfassenden Streikbewegung gegenüber sahen, die den Charakter einer proletarischen Revolte gegen einen formell noch immer sozialistischen Staat annahm.
Insbesondere die Regierungen von Slowenien und Kroatien waren nicht länger bereit, die Armut des Südens mitzufinanzieren. Bisher waren die dort getätigten Investitionen von den beiden reichsten Republiken getragen worden, ohne daß sie zu sichtbaren Erfolgen geführt hätten. Nachdem sich ein zunehmend aggressiver werdender serbischer Nationalismus am rüden Besatzungsregime im Kosova und der serbischen Annektion der bis dahin autonomen Vojvodina deutlich zeigte, setzten die Staatsführungen der beiden Republiken auf die nationale Unabhängigkeit. Dabei konnten sie auf die Unterstützung der österreichischen und der bundesdeutschen Regierung bauen, für die Slowenien und Kroatien wirtschaftlich interessant waren, der Rest Jugoslawiens hingegen überhaupt nicht. Schon seit Mitte der Achtziger Jahre wurde in osteuropäischen Arbeitskreisen der bundesdeutschen Industrie eine Abtrennung Kroatiens und Sloweniens als wünschenswert bezeichnet
Einig waren sich die Führungen aller Republiken im repressiven Vorgehen gegen die Bewegungen von unten, die mit Polizeigewalt zerschlagen wurden. Propagandistisch wurden diese in den einzelnen Republiken als Machenschaften anderer Teilrepubliken oder bestimmter Volksgruppen dargestellt. Ethnische Konflikte waren es teilweise tatsächlich; dies aber in dem Sinne, daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe mit einem bestimmten sozialen Status verbunden war. Ab 1987 kann von einer allgemeinen "Ethnisierung" ursprünglich sozial bestimmter Konflikte geredet werden. Zunehmend begannen die AkteurInnen sich über ihre Volksgruppenzugehörigkeit zu definieren.
Die Bombe platzt
Zu den ersten bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen außerhalb des Kosova kam es Frühjahr 1991 in der Krajna. Dieses Gebiet, das die kroatische Adriaküste von der Herzegowina trennt, bessaß eine sehr spezielle Bevölkerungsstruktur. Noch zur Zeit der K.u.K.-Monarchie waren dort, entlang der damaligen Militärgrenze zum Osmanischen Reich, Wehrdörfer zur Grenzsicherung angelegt worden. Diese wurden mit SerbInnen besiedelt, die in dem Bewußtsein aufwuchsen, die militärische Vorhut des Abendlandes gegen den Islam zu sein. Bis zur Zerstörung der Krajna-Republik durch die kroatische Armee im Spätsommer 1995 hatte sich die Wehrbauernmentalität dort ungebrochen erhalten. Als sich Ende der Achtziger die Pläne der kroatischen Regierung zum kapitalistischen Umbau und zur Herauslösung aus dem jugoslawischen Staatsverband immer deutlicher abzeichneten, begannen von hier aus militante serbische Nationalisten ihre Aktionen gegen Kroatien. Sie wurden von Kroatien so rigoros niedergeschlagen wie ungefähr gleichzeitig unter serbischer Regie die Unruhen im Kosova.
Am 27. Juli 1991 trat der Konflikt ans Licht der Weltöffentlichkeit: Slowenien und Kroatien erklärten ihre Unabhängigkeit. Es folgte ein kurzer Krieg um die Unabhängigkeit Sloweniens und ein sehr blutiger und grausamer Krieg zwischen Kroatien und Rest- Jugoslawien einerseits und der Krajna sowie serbischen Volksgruppen in Ost- und West-Slawonien andererseits. Alle Seiten taten sich durch die Bestialität der sog. ethnischen Säuberungen hervor, die planmäßige Ermordung und Vertreibung der Bevölkerung ganzer Landstriche. Von Anfang an war die BRD aufgrund ihrer ökonomischen Interessen auf der Seite Kroatiens, während sich die übrigen westeuropäischen Mächte mit Parteinahme zurückhielten, Großbritannien und Frankreich hauptsächlich aus Rücksichtnahme auf ihre eigenen ethnischen Minderheiten. Als der Konflikt im Frühjahr 1992 mit der Anerkennung Kroatiens durch Rest-Jugoslawien beigelegt schien, explodierte er in Bosnien-Herzegowina. Serbische Separatisten riefen in der Furcht vor einer völligen Bevormundung durch die miteinander verbündeten Moslems und KroatInnen die unabhängige Republik von Pale aus. Ehe es zu einer Verhandlungslösung kommen konnte, begannen serbische Söldnermilizen die bosnische Hauptstadt Sarajevo mit Granatwerfern zu beschießen und von der Außenwelt abzuschneiden, um auf diese Weise die Unabhängigkeit der Republik zu erzwingen. Die bosnische Führung reagierte mit militärischen Mitteln. Es folgte ein langer, blutiger Krieg, in dem beide Seiten hauptsächlich wehrlose Zivilbevölkerung niedermetzelten.
Der weitere Verlauf des Konflikts bis zum Herbeibomben des Friedens von Dayton durch die NATO dürfte, abgesehen von den Verfälschungen durch eine allgemein antiserbische Ausrichtung in der deutschen Medienberichterstattung, zumindest in groben Zügen bekannt sein. Nach dem Friedensschluß in Bosnien eskalierte die Entwicklung im Kosova.
Zweierlei Imperialismus - ein Ausblick in die nahe Zukunft
Wenn nach dem Eingreifen von NATO-Kampfeinheiten der Eindruck entstanden ist, daß die Westmächte im Jugoslawienkrieg an einem Strang ziehen, so täuscht dieser. Die Interessen der verschiedenen NATO- und WEU-Staaten sind durchaus nicht deckungsgleich.
Das Interesse der BRD an einer Unabhängigkeit von Kroatien und Slowenien wurde oben bereits dargestellt. Die jetzige Interessenlage der BRD gestaltet sich komplex. Zunächst einmal fährt sie in ihrer Balkan- und Osteuropapolitik einen Kurs, der mit der Rest-EU nur wenig abgesprochen wird. Seit 1991 betreibt die Bundesregierung eine sehr aktive Ostpolitik, die auf die Schaffung eines eigenen "Hinterhofes" in Osteuropa abzielt. Vorbild ist hierbei die Durchdringung Mittelamerikas durch US-Interessen. In Kroatien ist die BRD bereits gut im Geschäft; so gehört ein Großteil der kroatischen Energieversorgung der Firma Siemens, überhaupt der größte westliche Investor in Kroatien. Eine Rolle spielen auch deutsche Waffenlieferungen. Im Unterschied zur Lieferung von billigem NVA-Material in alle Welt wurden hier neuartige Waffen im Einsatz getestet, wie die neue Panzerabwehrrakete "Armbrust". Ein Testfall ist ebenfalls der Einsatz deutscher Schiffe, Flugzeuge und Bodentruppen. Von den Alliierten wird er gewollt, um die BRD militärisch möglichst stark einzubinden, für die BRD ist er Teil eines Stufenplanes zur Erhöhung der Akzeptanz von deutschen Militäreinsätzen ganz anderen Ausmaßes. Fernziel ist die uneingeschränkte Möglichkeit zu weltweiten Dauerinterventionen nach dem Vorbild der USA und Frankreichs. Die BRD betreibt in Jugoslawien also Großmachtpolitik auf allen Ebenen. Damit die in Kroatien getätigten Investitionen sich lohnen, liegt es im Interesse des deutschen Kapitals, daß langsam Ruhe in die Region kommt oder daß die bewaffneten Auseinandersetzungen sich nach außen verlagern. Tatsächlich besteht die Möglichkeit, daß in der Vojvodina der Bürgerkrieg noch bevorsteht.
Demgegenüber haben die USA eher ein Interesse daran, den Störfaktor Serbien auszuschalten, ohne daß BRD-Kapital allzuviel daran verdient, was vielleicht auch die besondere Gründlichkeit amerikanischer Bombenangriffe erklärt.
Großbritannien und Frankreich hatten lange gezögert, sich dem prokroatisch-promuslimischen Kurs der BRD anzuschließen. Dies geschah, wie gesagt, vor allem mit Rücksichtnahme auf die ethnischen Unabhängigkeitsbewegungen in diesen Ländern sowie vor dem Hintergrund, daß die ökonomischen Interessen der BRD nicht die Ihren sind. Mittlerweile steht die EU in Jugoslawien aber recht einheitlich da, militärisch von Großbritannien und Frankreich angeführt, zugunsten von BRD-Wirtschaftsinteressen. Militärisch kämpfen US-amerikanische und deutsche Einheiten zusammen, politisch teilweise gegeneinander.
Andererseits gibt es natürlich auch gemeinsame imperialistische Interessen. Sowohl die Durchsetzung imperialistischer Hegemonial- und Profitinteressen durch territoriale Aufteilung als auch die Kriegsweise finden sich auch anderswo wieder. Was Letztere angeht, handelt es sich um eine Mischung aus einer weltweiten Unterstützung völkermordender regionaler Heerführer, begrenzter Intervention durch eine multinationale Streitmacht und zeitweilige militärische Besetzung von Schlüsselzonen. Ähnliches fanden wir in Ruanda und Somalia vor, im Falle einer Eskalation der Auseinandersetzungen in Algerien zum offenen Bürgerkrieg würde sich dort unter französischer Führung die Fortsetzung abspielen.
Das Modell Jugoslawien ist charakteristisch für die noch kommende Neuaufteilung der Welt: Eine strikte Trennung von für das Metropolenkapital ökonomisch interessanten Regionen und Armutsgebieten, eine territoriale Abschottung notfalls mit militärischen Mitteln und die wirtschaftliche Neuerschließung durch völlige Zerstörung und anschließenden Wiederaufbau.
.
In Jugoslawien hat die Vertreibung der Kosova - Albaner bzw. jetzt der Serben aus dem Kosova den Charakter, eine territoriale Neuaufteilung durch die "Schaffung" einer auf das jeweilige Territorium zugeschnittenen Bevölkerung zu erreichen. Inwieweit dies dauerhaften Erfolg zeitigen wird, wird die Zukunft zeigen.
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mark793,
Mittwoch, 19. März 2008, 00:14
Gute Arbeit!
Ich würde zwar nach wie vor ein paar Aspekte etwas anders einordnen, aber das kann ich für den Moment mal beiseite stellen. Ich finde diese Version jedenfalls um Klassen gehaltvoller als das akademisch verquaste Agitprop-Geschwurbel der "Materialien" (die freilich auch ihre Verdienste haben mögen).
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entdinglichung,
Mittwoch, 19. März 2008, 11:15
guter Text
Glückwunsch Che, gute und handfeste Zusammenfassung der Sache, ... ansonsten finden sich interessante Gedanken zum Thema auch in einem aktuellen Text der RSO und im "Lohoff-Buch" von 1996
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saltoftheearth,
Donnerstag, 20. März 2008, 10:15
[quote]
1) Der Ausschluß Jugoslawiens aus dem osteuropäischen Wirtschaftsraum und das damit verbundene Fehlen von osteuropäischen Wirtschaftshilfen machte das Land von der Devisenbeschaffung aus dem kapitalistischen Ausland abhängig. Dies bedeutete auch eine für den kapitalistischen Weltmarkt bestimmte Produktion nach den vom westlichen Ausland festgelegten Handelsbestimmungen.
[/quote]
So ist es doch einfach nicht. Es gab Handelsverträge zwischen einzelnen Staaten oder der EWG/EU mit Jugoslawien. Und in diesem Rahmen konnten dann relativ atomar agierende westliche Firmen mit jugoslawischen Staatsbetrieben Handel treiben. Der "kapitalistische Weltmarkt" ist einfach kein monolythischer Block wie hier dargestellt, sondern ist höchst fragmentiert in Form von einzelnen konkurrierenden Unternehmen. War z.B. der südkoreanische Aufstieg in immer anspruchsvollere Wirtschaftsbereiche vom "kapitalistischen Weltmarkt" geplant? Oder der fröhliche Hub-and-Spoke Bilateralismus Chiles, in dem man praktisch mit allem und jeden Handelsverträge abschliesst und damit Vorteile erzielt?
[quote]
3) Beide Faktoren führten dazu, daß das bereits vor dem Zweiten Weltkrieg stark ausgeprägte Nord-Südgefälle in der industriellen Entwicklung Jugoslawiens weiter vertieft wurde. Der Aufbau Sloweniens und Kroatiens wurde weitgehend von BRD-Kapital finanziert.
[/quote]
War es wirklich so? Mir bekannte Slowenen haben mir das Ende der 80er so beschrieben, dass es in Slowenien einfach weniger Korruption und eine mehr mit kapitalistischen Vorstellung kompatibleren Arbeitsmoral gegeben hat. Wird wirklich die gesamte Entwicklung von Völkern durch graue Herren bestimmt, die ihr Kapital irgendwo hinbewegen?
Und schliesslich gab es auch gewaltige Transferströme von Slowenien nach Serbien.
Sind die Jugos alles reine Statisten und die Wirtschaftsentwicklung wurde in westlichen Konzernzentralen auf dem Reißbrett geplant? Oder waren sie eben auch Akteure? Das heisst, bildete das Verhalten der Slowenen nicht vielleicht auch Anreize für westliche Konzerne, eben genau in ihr Gebiet zu investieren?
[quote]
Die jugoslawische Bundesbank hatte Anfang 1980 eine Auslandsverschuldung von fast 14 Milliarden Dollar, was hauptsächlich auf die Erhöhung der Energie- und Brennstoffpreise auf dem Weltmarkt und die gestiegenen Kreditzinsen zurückzuführen war.
[/quote]
Und warum hatten andere damals ärmere Entwicklungsländer wie z.B. Südkorea diese Probleme nicht? Natürlich können sich die relativen Preise ändern. Aber ist Verschuldung deshalb ein Naturgesetz, das sich auf Grund von der Änderung relativer Preise automatisch einstellt? Gutes Gegenbeispiel sind lateinamerikanische Volkswirtschaften, die seit Jahren stark entschulden und zwar auch in Zeiten ungünstiger Terms of Trade.
Ist das Entstehen eines Schwarzmarktes ein Naturgesetz? Oder bilden sich nicht vielleicht gerade dort Schwarzmärkte, wo die Regierung - warum auch immer - versucht stark auf die Preise Einfluß zu nehmen, so dass sich zwangsläufig starke Unterschiede zwischen den offiziellen Preisen und den Preisen, die Marktteilnehmer bereit sind zu zahlen, bilden?
[quote]
Von Anfang an war die BRD aufgrund ihrer ökonomischen Interessen auf der Seite Kroatiens
[/quote]
Wie hoch war das Interesse wirklich. Wie hoch war unser Außenhandel mit Kroatien, unsere Investitionen?
[quote]
die auf die Schaffung eines eigenen "Hinterhofes" in Osteuropa abzielt. Vorbild ist hierbei die Durchdringung Mittelamerikas durch US-Interessen.
[/quote]
Oh Bitte. Schau dir bitte mal die Wirtschaftsdaten von osteuropäischen Ländern an. Die sind für unsere Unternehmen auch Konkurrenten und der Wohlstand wächst relativ rapide. Bei ähnlichen GINI Koeffizienten liegt heute Slowenien bei 90%, Tschechien bei 80%, Ungarn und Slowakei bei ca. 60% unserer Niveaus. Irrland bei ca 130%, btw. Und die holen weiter auf. Mittelamerika ist auch sehr divers. Costa Rica, Puerto Rico, Panama stehen gar nicht so schlecht dar. Und mir kann keiner erzählen, dass die USA heute noch Länder wie Kolumbien, Venezuela, Nicaragua oder whatever wirklich kontrolliert. Im übrigen haben all diese Länder (mit der Ausnahme Mexikos) für die US-Wirtschaft eine sehr geringe Bedeutung.
[quote]
Dauerinventionen nach Vorbild der USA und Frankreich
[/quote]
Haben wir überhaupt kein Geld für. Der Irakkrieg kostet die USA ja angeblich 1 Trillionen oder mehr. Frankreich versucht ja gerade ihre Afrika-Einsätze zu europäisieren, weil die einfach kein Geld dafür haben und es sich wirtschaftlich einfach nicht rechnet.
[quote]
Das Modell Jugoslawien ist charakteristisch für die noch kommende Neuaufteilung der Welt: Eine strikte Trennung von für das Metropolenkapital ökonomisch interessanten Regionen und Armutsgebieten, eine territoriale Abschottung notfalls mit militärischen Mitteln und die wirtschaftliche Neuerschließung durch völlige Zerstörung und anschließenden Wiederaufbau.
[/quote]
Bitte wie? Wir haben seit 10 Jahren Wirtschaftswachstum v.a. in Asien, Osteuropa und z.T. auch in Lateinamerika. Argentinien konnte z.B. sehr schnell aus seiner verheerenden Krise 2002 rauskrabbeln. Sogar in Ländern wie Kolumbien und Peru gibt es wirklich spürbare Fortschritte.
Du bist echt voll der Neo-Imperialist. Geschichte wird nur in den Zentren gemacht und die Nescher sind nur Statisten. So wars aber nie.
1) Der Ausschluß Jugoslawiens aus dem osteuropäischen Wirtschaftsraum und das damit verbundene Fehlen von osteuropäischen Wirtschaftshilfen machte das Land von der Devisenbeschaffung aus dem kapitalistischen Ausland abhängig. Dies bedeutete auch eine für den kapitalistischen Weltmarkt bestimmte Produktion nach den vom westlichen Ausland festgelegten Handelsbestimmungen.
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So ist es doch einfach nicht. Es gab Handelsverträge zwischen einzelnen Staaten oder der EWG/EU mit Jugoslawien. Und in diesem Rahmen konnten dann relativ atomar agierende westliche Firmen mit jugoslawischen Staatsbetrieben Handel treiben. Der "kapitalistische Weltmarkt" ist einfach kein monolythischer Block wie hier dargestellt, sondern ist höchst fragmentiert in Form von einzelnen konkurrierenden Unternehmen. War z.B. der südkoreanische Aufstieg in immer anspruchsvollere Wirtschaftsbereiche vom "kapitalistischen Weltmarkt" geplant? Oder der fröhliche Hub-and-Spoke Bilateralismus Chiles, in dem man praktisch mit allem und jeden Handelsverträge abschliesst und damit Vorteile erzielt?
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3) Beide Faktoren führten dazu, daß das bereits vor dem Zweiten Weltkrieg stark ausgeprägte Nord-Südgefälle in der industriellen Entwicklung Jugoslawiens weiter vertieft wurde. Der Aufbau Sloweniens und Kroatiens wurde weitgehend von BRD-Kapital finanziert.
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War es wirklich so? Mir bekannte Slowenen haben mir das Ende der 80er so beschrieben, dass es in Slowenien einfach weniger Korruption und eine mehr mit kapitalistischen Vorstellung kompatibleren Arbeitsmoral gegeben hat. Wird wirklich die gesamte Entwicklung von Völkern durch graue Herren bestimmt, die ihr Kapital irgendwo hinbewegen?
Und schliesslich gab es auch gewaltige Transferströme von Slowenien nach Serbien.
Sind die Jugos alles reine Statisten und die Wirtschaftsentwicklung wurde in westlichen Konzernzentralen auf dem Reißbrett geplant? Oder waren sie eben auch Akteure? Das heisst, bildete das Verhalten der Slowenen nicht vielleicht auch Anreize für westliche Konzerne, eben genau in ihr Gebiet zu investieren?
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Die jugoslawische Bundesbank hatte Anfang 1980 eine Auslandsverschuldung von fast 14 Milliarden Dollar, was hauptsächlich auf die Erhöhung der Energie- und Brennstoffpreise auf dem Weltmarkt und die gestiegenen Kreditzinsen zurückzuführen war.
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Und warum hatten andere damals ärmere Entwicklungsländer wie z.B. Südkorea diese Probleme nicht? Natürlich können sich die relativen Preise ändern. Aber ist Verschuldung deshalb ein Naturgesetz, das sich auf Grund von der Änderung relativer Preise automatisch einstellt? Gutes Gegenbeispiel sind lateinamerikanische Volkswirtschaften, die seit Jahren stark entschulden und zwar auch in Zeiten ungünstiger Terms of Trade.
Ist das Entstehen eines Schwarzmarktes ein Naturgesetz? Oder bilden sich nicht vielleicht gerade dort Schwarzmärkte, wo die Regierung - warum auch immer - versucht stark auf die Preise Einfluß zu nehmen, so dass sich zwangsläufig starke Unterschiede zwischen den offiziellen Preisen und den Preisen, die Marktteilnehmer bereit sind zu zahlen, bilden?
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Von Anfang an war die BRD aufgrund ihrer ökonomischen Interessen auf der Seite Kroatiens
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Wie hoch war das Interesse wirklich. Wie hoch war unser Außenhandel mit Kroatien, unsere Investitionen?
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die auf die Schaffung eines eigenen "Hinterhofes" in Osteuropa abzielt. Vorbild ist hierbei die Durchdringung Mittelamerikas durch US-Interessen.
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Oh Bitte. Schau dir bitte mal die Wirtschaftsdaten von osteuropäischen Ländern an. Die sind für unsere Unternehmen auch Konkurrenten und der Wohlstand wächst relativ rapide. Bei ähnlichen GINI Koeffizienten liegt heute Slowenien bei 90%, Tschechien bei 80%, Ungarn und Slowakei bei ca. 60% unserer Niveaus. Irrland bei ca 130%, btw. Und die holen weiter auf. Mittelamerika ist auch sehr divers. Costa Rica, Puerto Rico, Panama stehen gar nicht so schlecht dar. Und mir kann keiner erzählen, dass die USA heute noch Länder wie Kolumbien, Venezuela, Nicaragua oder whatever wirklich kontrolliert. Im übrigen haben all diese Länder (mit der Ausnahme Mexikos) für die US-Wirtschaft eine sehr geringe Bedeutung.
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Dauerinventionen nach Vorbild der USA und Frankreich
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Haben wir überhaupt kein Geld für. Der Irakkrieg kostet die USA ja angeblich 1 Trillionen oder mehr. Frankreich versucht ja gerade ihre Afrika-Einsätze zu europäisieren, weil die einfach kein Geld dafür haben und es sich wirtschaftlich einfach nicht rechnet.
[quote]
Das Modell Jugoslawien ist charakteristisch für die noch kommende Neuaufteilung der Welt: Eine strikte Trennung von für das Metropolenkapital ökonomisch interessanten Regionen und Armutsgebieten, eine territoriale Abschottung notfalls mit militärischen Mitteln und die wirtschaftliche Neuerschließung durch völlige Zerstörung und anschließenden Wiederaufbau.
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Bitte wie? Wir haben seit 10 Jahren Wirtschaftswachstum v.a. in Asien, Osteuropa und z.T. auch in Lateinamerika. Argentinien konnte z.B. sehr schnell aus seiner verheerenden Krise 2002 rauskrabbeln. Sogar in Ländern wie Kolumbien und Peru gibt es wirklich spürbare Fortschritte.
Du bist echt voll der Neo-Imperialist. Geschichte wird nur in den Zentren gemacht und die Nescher sind nur Statisten. So wars aber nie.
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che2001,
Donnerstag, 20. März 2008, 10:38
@"Der "kapitalistische Weltmarkt" ist einfach kein monolithischer Block wie hier dargestellt, sondern ist höchst fragmentiert in Form von einzelnen konkurrierenden Unternehmen." --- Ich habe hier keinen monolithischen Block dargestellt, sondern die ökonomischen Grundvoraussetzungen, die sich in den 1950er und 60er Jahren für Jugoslawien aus der Nichtmitgliedschaft im RGW ergaben. Das der "kapitalistische Weltmarkt" irgendetwas planen würde ist eine in sich absurde Vorstellung, die ich nirgendwo vornehme.
@"Mir bekannte Slowenen haben mir das Ende der 80er so beschrieben, dass es in Slowenien einfach weniger Korruption und eine mehr mit kapitalistischen Vorstellung kompatibleren Arbeitsmoral gegeben hat. Wird wirklich die gesamte Entwicklung von Völkern durch graue Herren bestimmt, die ihr Kapital irgendwo hinbewegen?
Und schliesslich gab es auch gewaltige Transferströme von Slowenien nach Serbien." --- Eben weil es diese Transferströme gab und die Slowenen nicht mehr bereit waren, Gelder zu zahlen, für die sie nichts zurück bekamen kam es zur Sezession. Graue Herren tauchen bei mir nirgendwo auf. Es ist ein eigenartiges Phänomen, dass einem sofort Verschwörungstheorien unterstellt werden, wenn man lediglich konstatiert, dass historische Prozesse von ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und ökonomischen Interessen bestimmt werden.
@"Und warum hatten andere damals ärmere Entwicklungsländer wie z.B. Südkorea diese Probleme nicht? Natürlich können sich die relativen Preise ändern. Aber ist Verschuldung deshalb ein Naturgesetz, das sich auf Grund von der Änderung relativer Preise automatisch einstellt? " --- In Jugoslawien wurden in den 1970ern immense Beträge in riesige Investitionsruinen gesteckt, z.B. hypermoderne Aluminiumwerke, die besonders hochwertiges Alu u.a. für die Raumfahrt (Arianespace war als Partner gedacht) herstellen sollten, aber in Gegenden gebaut wurden, wo es weder Kraftwerke zu einer ausreichenden Energieversorgung noch das nötige Wasser noch Infratstruktur zur Unterbringung der Arbeiter gab. Ein anderes Problem war die Tatsache, dass die Betriebe in Arbeiterselbstverwaltung strukturell hatten: Die Belegschaften zahlten sich vielfach die Dividenden selber aus, statt zu reinvestieren.
@"Wie hoch war das Interesse wirklich. Wie hoch war unser Außenhandel mit Kroatien, unsere Investitionen?" ---Schau Dir mal an, wem heute Energieerzeugung und Stromnetz in Kroatien gehören, nebenbei gesagt alles in meinem ersten Jugoslawien-Thread schon ausgebreitet.
@"Bitte wie? Wir haben seit 10 Jahren Wirtschaftswachstum v.a. in Asien, Osteuropa und z.T. auch in Lateinamerika. Argentinien konnte z.B. sehr schnell aus seiner verheerenden Krise 2002 rauskrabbeln." --- Und das wirfst Du einem Text vor, der 1999 geschrieben wurde?
Zum besseren Verständnis des Gesamtzusammenhangs bitte hier lesen:
http://shiftingreality.wordpress.com/2008/03/18/zu-den-historischen-hintergrunden-des-jugoslawischen-burgerkriegs/#comment-7410
http://shiftingreality.wordpress.com/2008/03/18/zu-den-historischen-hintergrunden-des-jugoslawischen-burgerkriegs/#comment-7422
http://che2001.blogger.de/stories/1050225/comments/1054475
@"Mir bekannte Slowenen haben mir das Ende der 80er so beschrieben, dass es in Slowenien einfach weniger Korruption und eine mehr mit kapitalistischen Vorstellung kompatibleren Arbeitsmoral gegeben hat. Wird wirklich die gesamte Entwicklung von Völkern durch graue Herren bestimmt, die ihr Kapital irgendwo hinbewegen?
Und schliesslich gab es auch gewaltige Transferströme von Slowenien nach Serbien." --- Eben weil es diese Transferströme gab und die Slowenen nicht mehr bereit waren, Gelder zu zahlen, für die sie nichts zurück bekamen kam es zur Sezession. Graue Herren tauchen bei mir nirgendwo auf. Es ist ein eigenartiges Phänomen, dass einem sofort Verschwörungstheorien unterstellt werden, wenn man lediglich konstatiert, dass historische Prozesse von ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und ökonomischen Interessen bestimmt werden.
@"Und warum hatten andere damals ärmere Entwicklungsländer wie z.B. Südkorea diese Probleme nicht? Natürlich können sich die relativen Preise ändern. Aber ist Verschuldung deshalb ein Naturgesetz, das sich auf Grund von der Änderung relativer Preise automatisch einstellt? " --- In Jugoslawien wurden in den 1970ern immense Beträge in riesige Investitionsruinen gesteckt, z.B. hypermoderne Aluminiumwerke, die besonders hochwertiges Alu u.a. für die Raumfahrt (Arianespace war als Partner gedacht) herstellen sollten, aber in Gegenden gebaut wurden, wo es weder Kraftwerke zu einer ausreichenden Energieversorgung noch das nötige Wasser noch Infratstruktur zur Unterbringung der Arbeiter gab. Ein anderes Problem war die Tatsache, dass die Betriebe in Arbeiterselbstverwaltung strukturell hatten: Die Belegschaften zahlten sich vielfach die Dividenden selber aus, statt zu reinvestieren.
@"Wie hoch war das Interesse wirklich. Wie hoch war unser Außenhandel mit Kroatien, unsere Investitionen?" ---Schau Dir mal an, wem heute Energieerzeugung und Stromnetz in Kroatien gehören, nebenbei gesagt alles in meinem ersten Jugoslawien-Thread schon ausgebreitet.
@"Bitte wie? Wir haben seit 10 Jahren Wirtschaftswachstum v.a. in Asien, Osteuropa und z.T. auch in Lateinamerika. Argentinien konnte z.B. sehr schnell aus seiner verheerenden Krise 2002 rauskrabbeln." --- Und das wirfst Du einem Text vor, der 1999 geschrieben wurde?
Zum besseren Verständnis des Gesamtzusammenhangs bitte hier lesen:
http://shiftingreality.wordpress.com/2008/03/18/zu-den-historischen-hintergrunden-des-jugoslawischen-burgerkriegs/#comment-7410
http://shiftingreality.wordpress.com/2008/03/18/zu-den-historischen-hintergrunden-des-jugoslawischen-burgerkriegs/#comment-7422
http://che2001.blogger.de/stories/1050225/comments/1054475
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saltoftheearth,
Donnerstag, 20. März 2008, 13:31
Du kommst in dem Text zu ziemlich starken Schlüssen. Und die find ich so eben nicht ok. Die Prognosen haben sich ja nicht erfüllt. Ist eben viel komplizierter.
Kann mich da an einen Chat erinnern.
PSM: Ich hab ein Bewerbungsgespräch bei einem spanischen Energiekonzern. Bin voll aufgeregt. Muß Montag im Morgengrauen nach Santiago.
LC: Viel Glück... oder warum eigentlich. Bist du nicht der prinzipiellen Meinung, dass die vielen spanischen Unternehmen in Chile ein Problem sind?
PSM: Hör mal. Als Arbeitgeber sind die sehr gut. Urlaub von Anfang an, gute Krankenversicherung, viiiiieeel Gehalt.
Letztlich ist das ein sehr zweischneidiges Schwert. Was ich so über NAFTA lese, halte ich für explizit nicht koscher. Da scheint die mexikanische Regierung - aus welchen Gründen auch immer - die Interessen von Gruppen in Mexiko nicht richtig zu vertreten. Aber es gibt eine Menge anderer Beispiele, die sich günstig für die Verbreiterung des Mittelstandes in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern ausgewirkt haben.
Und andere eher konfrontative Entwicklungsversuche sind eben auch gescheitert.
Gutes Beispiel ist ja der aktuelle peruanische Präsident Alan García, der in seiner ersten Präsidentschaft eine sehr "progressive" Wirtschaftspolitik verfolgte und jetzt ganz, ganz anders agiert.
Der ehemalige Dependencia Theoretiker Cardoso war ja der Präsident, der für ein Gutteil der brasilianischen Privatisierungen und Deregulierungen verantwortlich war.
Viel Grund von Konflikten liefert das Innen. Unaufgearbeitete Geschichte. In Chile gibts z.B. zweifellos immer noch Strukturen einer brutal-senioralen Agrarstruktur, die immer noch an vielen Stellen wirksam ist (Bewußtsein, Klassenjustiz). Nur mit vielen Brüchen, es nimmt das eher ab und der Westen hat daran echt nicht so die Schuld, weil wir das nämlich noch nicht mal verstehen.
Ähnliches dürfte in Jugoslawien wirksam sein. Akteure waren eher die Slowenen, Kroaten, Serben, Albaner, Montenegriner, Macedonier, Rumänen, Ungarn, Sinti und Roma. Und die treten halt in wirtschaftliche Beziehungen mit gewinn-orientierten ausländischen Unternehmen. Letztere können natürlich Konfliktpotentiale verschärfen. Auf der anderen Seite aber auch lindern. In einem Indien ohne Bangalore würden wir vermutlich ein wesentlich agressiveres Auftreten der radikalen Hindu-Parteien erleben.
Kann mich da an einen Chat erinnern.
PSM: Ich hab ein Bewerbungsgespräch bei einem spanischen Energiekonzern. Bin voll aufgeregt. Muß Montag im Morgengrauen nach Santiago.
LC: Viel Glück... oder warum eigentlich. Bist du nicht der prinzipiellen Meinung, dass die vielen spanischen Unternehmen in Chile ein Problem sind?
PSM: Hör mal. Als Arbeitgeber sind die sehr gut. Urlaub von Anfang an, gute Krankenversicherung, viiiiieeel Gehalt.
Letztlich ist das ein sehr zweischneidiges Schwert. Was ich so über NAFTA lese, halte ich für explizit nicht koscher. Da scheint die mexikanische Regierung - aus welchen Gründen auch immer - die Interessen von Gruppen in Mexiko nicht richtig zu vertreten. Aber es gibt eine Menge anderer Beispiele, die sich günstig für die Verbreiterung des Mittelstandes in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern ausgewirkt haben.
Und andere eher konfrontative Entwicklungsversuche sind eben auch gescheitert.
Gutes Beispiel ist ja der aktuelle peruanische Präsident Alan García, der in seiner ersten Präsidentschaft eine sehr "progressive" Wirtschaftspolitik verfolgte und jetzt ganz, ganz anders agiert.
Der ehemalige Dependencia Theoretiker Cardoso war ja der Präsident, der für ein Gutteil der brasilianischen Privatisierungen und Deregulierungen verantwortlich war.
Viel Grund von Konflikten liefert das Innen. Unaufgearbeitete Geschichte. In Chile gibts z.B. zweifellos immer noch Strukturen einer brutal-senioralen Agrarstruktur, die immer noch an vielen Stellen wirksam ist (Bewußtsein, Klassenjustiz). Nur mit vielen Brüchen, es nimmt das eher ab und der Westen hat daran echt nicht so die Schuld, weil wir das nämlich noch nicht mal verstehen.
Ähnliches dürfte in Jugoslawien wirksam sein. Akteure waren eher die Slowenen, Kroaten, Serben, Albaner, Montenegriner, Macedonier, Rumänen, Ungarn, Sinti und Roma. Und die treten halt in wirtschaftliche Beziehungen mit gewinn-orientierten ausländischen Unternehmen. Letztere können natürlich Konfliktpotentiale verschärfen. Auf der anderen Seite aber auch lindern. In einem Indien ohne Bangalore würden wir vermutlich ein wesentlich agressiveres Auftreten der radikalen Hindu-Parteien erleben.
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che2001,
Donnerstag, 20. März 2008, 14:00
Na, Deine Schlüsse sind ja noch viel stärker. "Du bist echt voll der Neo-Imperialist. Geschichte wird nur in den Zentren gemacht und die Nescher sind nur Statisten. So wars aber nie." --- habe ich nie gesagt, in meinem Text steht auch nicht, dass die Jugoslawen ihren Bürgerkrieg nicht selbst gemacht hätten, wird alles nur von Dir in ihn hineininterpretiert. Wenn Du zum Beispiel meinen verlinkten Kommentar zum Thema Milosevic und Amselfeld durchliest, lässt sich da ja kaum behaupten, ich würde sagen, Geschichte würde nur in den Zentren gemacht - es sei denn, Du meinst das Zentrum Belgrad im Gegensatz zu Pristina.
Nein, selbst dann nicht, Milosevic hatte seinen großen Auftritt ja auf dem Amselfeld.
Nein, selbst dann nicht, Milosevic hatte seinen großen Auftritt ja auf dem Amselfeld.
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Donnerstag, 20. März 2008, 15:04
(Trollbeitrag durch Blogger.de-Admin gelöscht.)
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mark793,
Donnerstag, 20. März 2008, 15:10
Vielleicht war die Angabe
zur jugoslawischen Auslandsverschuldung ja auch Produkt einer mehrfachen Milliarde/billion-Hinundherfalschübersetzung, mir kamen die 14 Milliarden Dollar jetzt auch nicht sooo dramatisch hoch vor. Aber gut, damals waren es andere Zeiten, vielleicht haben sich die Größenordnungen in der Zischenzeit tatsächlich so stark verschoben, dass uns das heute wie Ültjes vorkommt.
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che2001,
Donnerstag, 20. März 2008, 16:10
Die 14 Milliarden Dollar, zum Zeitpunkt der Vergabe des IWF-Kredits 20 Milliarden, waren damals wirklich viel Geld. Die Auslandsverschuldung des gesamten Ostblocks zusammengerechnet lag damals bei 150 Milliarden, die aller Länder Schwarzafrikas 60 Milliarden. Das war die berühmte Schuldenkrise, mittlerweile haben sich die angehäuften Schulden aufgrund von Inflation, der von den USA in den 80ern betriebenen Hochzinspolitik und Neubewertungen im Rating verdreifacht. Die 14 Milliarden Dollar entsprachen also in heutigen Relationen 40-50 Milliarden.
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saltoftheearth,
Donnerstag, 20. März 2008, 17:18
Sorry, dass ich da etwas überinterpretiert habe. Ich bekomm das leicht in diesen Hals.
Das unser Verhalten Schwellen/Entwicklungsländer destabilisieren kann, find ich auch. War auch wohl in Jugoslawien der Fall.
Staatsschulden muß man immer im Verhältnis zum Wert des in diesem Landes erzeugten Zeugs sehen (BIP). Der war natürlich für Jugoslawien in den 80ern deutlich geringer. Ausserdem waren damals viele Staatskredite an bestimmte Referenzzinsen gebunden (z.B. LIBOR). Die stiegen in Folge der Hochzinspolitik unter Reagan (Paradigmenwechsel zu Milton Friedman als Lieblings-Theoretiker) dramatisch an. Und Kredite an die Bundesrepublik werden sowieso als wesentlich weniger risikoreich perzepiert als die an Jugoslawien, d.h. die mußten astronomische Zinsen zahlen.
Das unser Verhalten Schwellen/Entwicklungsländer destabilisieren kann, find ich auch. War auch wohl in Jugoslawien der Fall.
Staatsschulden muß man immer im Verhältnis zum Wert des in diesem Landes erzeugten Zeugs sehen (BIP). Der war natürlich für Jugoslawien in den 80ern deutlich geringer. Ausserdem waren damals viele Staatskredite an bestimmte Referenzzinsen gebunden (z.B. LIBOR). Die stiegen in Folge der Hochzinspolitik unter Reagan (Paradigmenwechsel zu Milton Friedman als Lieblings-Theoretiker) dramatisch an. Und Kredite an die Bundesrepublik werden sowieso als wesentlich weniger risikoreich perzepiert als die an Jugoslawien, d.h. die mußten astronomische Zinsen zahlen.
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che2001,
Donnerstag, 20. März 2008, 18:05
Mir ging es auch vor allem darum, die "Umgebungsbedingungen" herauszuarbeiten, wie es zu diesem Krieg kam. Dazu habe ich ja noch ein paar spannende Links.
http://www.gsa-essen.de/gsa/publikationen/nato/jugodossier990409.htm
http://www.wildcat-www.de/zirkular/50/z50jugos.htm
http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2007/nr8-vom-2722007/am-anfang-der-zerschlagung-jugoslawiens-stand-ein-amerikanisches-gesetz/
http://kosova.org/de/konflikt/index.asp#3
http://www.gsa-essen.de/gsa/publikationen/nato/jugodossier990409.htm
http://www.wildcat-www.de/zirkular/50/z50jugos.htm
http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2007/nr8-vom-2722007/am-anfang-der-zerschlagung-jugoslawiens-stand-ein-amerikanisches-gesetz/
http://kosova.org/de/konflikt/index.asp#3
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che2001,
Freitag, 21. März 2008, 13:53
Tja Ziwo, da denkst Du meine Sache brav weiter bzw. formulierst zu Ende, was ich eigentlich meine: Das sozialistische Regime in Jugoslawien wurde durch eine Klassenbewegung delegitimiert, die es von LINKS in Frage stellte. Darauf wurde die nationalistische Antwort entwickelt. Nichts anderes bedeutet der Begriff "Ethnisierung des Sozialen". Im Übrigen argumentierst Du hier mit einem Link, den ich aus wirklich sehr guten Gründen in die Diskussion gebracht habe, und das stellt die IWF-Argumentation oder die Sache mit dem Amselfeld-Mythos aber nicht in Abrede - ist ja alles sehr direkt miteinander verknüpft.
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saltoftheearth,
Samstag, 22. März 2008, 09:21
Die Abspaltung von Slowenien war aber eine bügerliche Bewegung. Und ich wette, dass Kroatien, Bosnien, Montenegro, Serbien, Mazedonien, Kosovo und Albanien irgendwann deren Referenzmodell folgen werden.
Kaum in den Medien, scheinen die wohlstandsmässig bald Mitteleuropa zu erreichen.
Kaum in den Medien, scheinen die wohlstandsmässig bald Mitteleuropa zu erreichen.
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che2001,
Samstag, 22. März 2008, 11:34
Slowenien war ohnehin ein Sonderfall. Die Slowenen haben sich auch im Tito-Jugoslawien immer mehrheitlich als eigene Nation empfunden und sich Istrien und Südostkärnten verbundener gefühlt als Zagreb oder Belgrad. Das "gefühlte Slowenien" hörte kurz vor Udine, Venedig und Klagenfurt auf. Das steht aber nicht im Widerspruch zu dem oben von mir skizzierten Modell, sondern ist nur eine weitere Komponente in einem multifaktoriellen Prozess. Die Welt ist nicht monokausal.
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workingclasshero,
Sonntag, 23. März 2008, 00:30
Che, dann schildere mal Deine Faktoren in diesem Modell, sonst wird es unübersichtlich.
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auch-einer,
Sonntag, 23. März 2008, 12:22
der aspekt der arbeitsemigration kommt mir etwas zu kurz, dabei halte ich ihn für einen entscheidenden hebel.
ein wesentlicher anteil der deviseneinnahmen jugoslawiens kamen aus den geldtransfers der im ausland tätigen jugoslawen. jugoslawen waren nicht nur in deutschland, sondern auch in österreich, in der schweis, ja, und auch in der ddr zugange.
auch mit ein grund, dass dort nicht nur "das bundesdeutsche kapital" für investitionen sorgte.
aus deutscher sicht waren diese (zumeist slowenen und kroaten, aufgrund ihrer guten ausbildung und guter beherrschung des deutschen in der industrie beschäftigt, im gegensatz zu den bauernsöhnen süditaliens und später anatoliens, die hilfsarbeiten verrichteten) diejenigen, die praktisch vorlebten, was später als integration bezeichnet werden sollte. deren kinder hatten in der schule wenig probleme, auch sie wurden facharbeiter, etliche absolvierten ein studium.
solange, bis jugoslawien zerfiel. die gründe sind genannt, hinzu kommen dürften noch gewaltige unterschleife seitens der betriebsführungen der grossbetriebe und der banken.
in folge erinnerten sich die vorden jugoslawen auf ihre wurzeln, vor allem die kroaten artikulierten sich als solche und gründeten vereine zur pflege der kroatischen kultur, des kroatischen sports usw.
kann es sein, dass die in deutschland lebenden slowenen, kroaten, serben und albaner der eigentliche grund für die von deutschland betriebene politik im ehemaligen jugoslawien sind? zu zeiten des serbisch - kroatischen kriegs wurde befürchtet, dass dieser auch in deutschland ausgetragen werden könnte. zudem kam ein erheblicher anteil von flüchtlingen nach deutschland.
ein wesentlicher anteil der deviseneinnahmen jugoslawiens kamen aus den geldtransfers der im ausland tätigen jugoslawen. jugoslawen waren nicht nur in deutschland, sondern auch in österreich, in der schweis, ja, und auch in der ddr zugange.
auch mit ein grund, dass dort nicht nur "das bundesdeutsche kapital" für investitionen sorgte.
aus deutscher sicht waren diese (zumeist slowenen und kroaten, aufgrund ihrer guten ausbildung und guter beherrschung des deutschen in der industrie beschäftigt, im gegensatz zu den bauernsöhnen süditaliens und später anatoliens, die hilfsarbeiten verrichteten) diejenigen, die praktisch vorlebten, was später als integration bezeichnet werden sollte. deren kinder hatten in der schule wenig probleme, auch sie wurden facharbeiter, etliche absolvierten ein studium.
solange, bis jugoslawien zerfiel. die gründe sind genannt, hinzu kommen dürften noch gewaltige unterschleife seitens der betriebsführungen der grossbetriebe und der banken.
in folge erinnerten sich die vorden jugoslawen auf ihre wurzeln, vor allem die kroaten artikulierten sich als solche und gründeten vereine zur pflege der kroatischen kultur, des kroatischen sports usw.
kann es sein, dass die in deutschland lebenden slowenen, kroaten, serben und albaner der eigentliche grund für die von deutschland betriebene politik im ehemaligen jugoslawien sind? zu zeiten des serbisch - kroatischen kriegs wurde befürchtet, dass dieser auch in deutschland ausgetragen werden könnte. zudem kam ein erheblicher anteil von flüchtlingen nach deutschland.
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che2001,
Sonntag, 23. März 2008, 17:59
Ich antworte mal auf Workingclasshero, da ist teilweise das, was Du schilderst, auch-einer schon drin enthalten, aber es ergibt doch eine etwas andere Perspektive. Die Verschuldungskrise um 1980 hing teilweise mit gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen auf dem Weltmarkt und einer rigiden Änderung bei der Neuvergabe von Entwicklungskrediten seitens IWF und Weltbank zusammen, also ganz allgemeinen Determinanten der damals so genannten Schuldenkrise der damals so genannten Dritten Welt. Und teilweise waren das ganz spezifisch jugoslawische Gründe. Das Entwicklungsdefizit von Bosnien-Herzegowina, dem montenegrinischen Hinterland, dem Kosovo und Mazedonien gegenüber dem Norden sollte durch Sonderabgaben für Entwicklungsprojekte dort ausgeglichen werden, die hauptsächlich Slowenien und Kroatien zu leisten hatten. Eine Art Länderfinanzausgleich, der aber zeitweise über 10% des Bruttosozialprodukts einer Teilrepublik betrug. Das Geld kam nie dort an, wo es sollte, es versickerte im Sumpf von Partei, regionalen Administrationen und der jugoslawischen Fabrikdirektorenbourgeoisie. Dass die Slowenen und Kroaten irgendwann keinen Bock mehr hatten, dieses Geld zu zahlen, erklärt sich auch ganz ohne Bemühung eines besonderen Nationalismus oder uralter Animositäten. Versuche, das Land zu entwickeln, führten, siehe Alu-Werke, teilweise zu grotesken Investitionsruinen. Es war auch nicht gerade sehr hilfreich, dass bei Unternehmen in Arbeiterselbstverwaltung, eigentlich ja eine tolle Sache, in der beginnenden Krise die Belegschaften für den persönlichen Konsum sich die Dividenden vielfach selber auszahlten, statt sie, was eigentlich nötig gewesen wäre, sie in die Modernisierung der Betriebe zu stecken.
Dann waren da die Devisen der jugoslawischen Migrationsarbeiter, die die ihren Familien schickten und die DM-Einnahmen der slowenischen, kroatischen und montenegrinischen Gastronomie, die in beiden Fällen an der jugoslawischen Nationalbank vorbeigingen. Diese Faktoren waren vorhanden, als der IWF mit seinen Auflagen kam, die de facto auf die Abschaffung des sozialistischen Systems hinausliefen. Sobald die ersten tiefen Eingriffe ins Sozialsystem stattfanden und es zu ersten Massenentlassungen kam, gingen die Massenproteste los, die den Staat als antisozialistisch diffamierten. Gleichzeitig breitete sich rapide die Schattenwirtschaft aus, und je härter die IWF-Auflagen wurden, desto eher griffen die Arbeiter, kleinen Angestellten und Landarbeiter zu Methoden der "moralischen Ökonomie", d.h. Diebstahl am Arbeitsplatz, Unterschlagung, Schwarzhandel, Hehlerei, Schmuggel, um sich für die staatlicherseits eingeführten Verschärfungen schadlos zu halten. Darauf reagierten die Republikführungen bereits mit nationalistischer Propaganda, die die sehr multiethnische Unterschichtsbewegung dadurch zu spalten versuchte, indem sie die Krise (und auch die Streiks, Proteste und die davon nicht zu trennende Massendelinquenz) jeweils für das Werk bestimmter ethnischer Gruppen ausgab. Am Gründlichsten tat dies Milosevic, der schon 1987 einen rassistisch-antialbanischen serbischen Nationalbolschewismus mit religiöser Unterströmung als neue Ideologie anstelle des Marxismus setzte. Als Anfang der 90er dann die USA ihre Bereitschaft, Handelsbeziehungen mit Jugoslawien zu unterhalten und Neukredite zu vergeben von einer vollständigen Privatisierung aller jugoslawischen Betriebe in kürzester Zeit abhängig machten verschärdfte auch noch einmal der IWF seine Gangart und verlangte die Schließung von 3/4 aller jugoslawischen Betriebe wegen Unrentabilität bzw. den Verkauf an ausländische Investoren. In dieser Situation war das Ziehen der nationalen Karte für Slowenien und Kroatien eine Art Befreiungsschlag: War man ein souveräner Staat und nicht Rechtsnachfolger der Bundesrepublik Jugoslawien, war man auch an keine IWF-Auflagen mehr gebunden. Zwar benötigte man weiterhin ausländische Investoren, aber die suchte man sich nun selber in der unmittelbaren Nachbarschaft im Norden, bzw. die hatten schon ihre Fühler ausgestreckt. Dass dann plötzlich ein großkroatischer katholischer Nationalismus losbrach und die serbisch-montenegrinischen Truppen, die Dubrovnik beschossen, davon sprachen, "Ragusa" unter Feuer genommen zu haben, also in der Terminologie der Kriege zwischen Venedig und dem Osmanischen Reich sprachen, zeigt, wie rasend schnell sich fanatischer Irrationalismus ausbreitet, wenn das Nationale auf den Schild gehoben wird. Tja, und was die Migranten angeht: Ein kroatischer Kollege meldete sich freiwillig und kehrte nie mehr zurück, mehrere Nachbarn fielen im Kessel von Vukovar, ein paar deutsche Naziskins, mit denen wir uns gewuppt hatten, waren auch weg und kämpften als Söldner in einer faschistischen Miliz, und Ende der 90er flogen Serben und Albaner, die teilweise in Deutschland im gleichen Stadtviertel wohnten, im Urlaub oder zum verlängerten Wochenende in den Kosova runter, um zu metzeln. Schon ziemlich absurd...
Dann waren da die Devisen der jugoslawischen Migrationsarbeiter, die die ihren Familien schickten und die DM-Einnahmen der slowenischen, kroatischen und montenegrinischen Gastronomie, die in beiden Fällen an der jugoslawischen Nationalbank vorbeigingen. Diese Faktoren waren vorhanden, als der IWF mit seinen Auflagen kam, die de facto auf die Abschaffung des sozialistischen Systems hinausliefen. Sobald die ersten tiefen Eingriffe ins Sozialsystem stattfanden und es zu ersten Massenentlassungen kam, gingen die Massenproteste los, die den Staat als antisozialistisch diffamierten. Gleichzeitig breitete sich rapide die Schattenwirtschaft aus, und je härter die IWF-Auflagen wurden, desto eher griffen die Arbeiter, kleinen Angestellten und Landarbeiter zu Methoden der "moralischen Ökonomie", d.h. Diebstahl am Arbeitsplatz, Unterschlagung, Schwarzhandel, Hehlerei, Schmuggel, um sich für die staatlicherseits eingeführten Verschärfungen schadlos zu halten. Darauf reagierten die Republikführungen bereits mit nationalistischer Propaganda, die die sehr multiethnische Unterschichtsbewegung dadurch zu spalten versuchte, indem sie die Krise (und auch die Streiks, Proteste und die davon nicht zu trennende Massendelinquenz) jeweils für das Werk bestimmter ethnischer Gruppen ausgab. Am Gründlichsten tat dies Milosevic, der schon 1987 einen rassistisch-antialbanischen serbischen Nationalbolschewismus mit religiöser Unterströmung als neue Ideologie anstelle des Marxismus setzte. Als Anfang der 90er dann die USA ihre Bereitschaft, Handelsbeziehungen mit Jugoslawien zu unterhalten und Neukredite zu vergeben von einer vollständigen Privatisierung aller jugoslawischen Betriebe in kürzester Zeit abhängig machten verschärdfte auch noch einmal der IWF seine Gangart und verlangte die Schließung von 3/4 aller jugoslawischen Betriebe wegen Unrentabilität bzw. den Verkauf an ausländische Investoren. In dieser Situation war das Ziehen der nationalen Karte für Slowenien und Kroatien eine Art Befreiungsschlag: War man ein souveräner Staat und nicht Rechtsnachfolger der Bundesrepublik Jugoslawien, war man auch an keine IWF-Auflagen mehr gebunden. Zwar benötigte man weiterhin ausländische Investoren, aber die suchte man sich nun selber in der unmittelbaren Nachbarschaft im Norden, bzw. die hatten schon ihre Fühler ausgestreckt. Dass dann plötzlich ein großkroatischer katholischer Nationalismus losbrach und die serbisch-montenegrinischen Truppen, die Dubrovnik beschossen, davon sprachen, "Ragusa" unter Feuer genommen zu haben, also in der Terminologie der Kriege zwischen Venedig und dem Osmanischen Reich sprachen, zeigt, wie rasend schnell sich fanatischer Irrationalismus ausbreitet, wenn das Nationale auf den Schild gehoben wird. Tja, und was die Migranten angeht: Ein kroatischer Kollege meldete sich freiwillig und kehrte nie mehr zurück, mehrere Nachbarn fielen im Kessel von Vukovar, ein paar deutsche Naziskins, mit denen wir uns gewuppt hatten, waren auch weg und kämpften als Söldner in einer faschistischen Miliz, und Ende der 90er flogen Serben und Albaner, die teilweise in Deutschland im gleichen Stadtviertel wohnten, im Urlaub oder zum verlängerten Wochenende in den Kosova runter, um zu metzeln. Schon ziemlich absurd...
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michael.schoene,
Sonntag, 23. März 2008, 17:25
Schaut Euch mal das hier an
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che2001,
Sonntag, 23. März 2008, 18:07
Kenne ich, sehr interessant allerdings. Frohe Ostern übrigens!
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