Dienstag, 18. November 2008
Ganz weit weiterführende Gedanken
che2001, 00:22h
Meine Genossen Detlef Hartmann und Gerald Geppert haben ein neues Buch geschrieben: Cluster. Die neue Etappe des Kapitalismus= Materialien für einen neuen Antiimperialismus 8. Das lese ich gerade und bekomme Nachttischlampenfieber, es enthält nämlich ziemlich viele analytisch erhellende Wahrheiten in dichter Folge.
“Nehmen wir die schillernden Etiketten Neoliberalismus oder neoliberale Globalisierung, die alles und nichts erklären. Man könnte selbstredend auch andere gebräuchliche Formeln der globalisierungskritischen Bewegungen nehmen. Inzwischen sind diese Etiketten weit davon entfernt, Werkzeug für kritisch differenziertes Denken zu sein. Abgesehen davon bleiben diese Etiketten, auch wenn in kritischer Absicht benutzt, herrschafts- und kapitalkonform.Sie waren vielleicht geignet, die Theorie der Friedman-Schule, die Konterrevolution in Chile, die Politik der eisernen Lady, die Reaganomics und die Schuldendiktate des IWF oder auch die Operationen der Kohl-Administration, welche in die fischergrünen und sozialdemokratischen Arbeitsmarktreformen mündeten, terminologisch vom Gegenbegriff des Keynesianismus als sozialdemokratischer Etappe abzuheben…Schließlich lassen uns aber die geronnenen Generaletiketten, aller Dynamik des Sozialen entleert, angesichts eines differenzierten gesellschaftlichen Umbruchs eher hilfs- und begriffslos zurück. Dieses ganze aufeinander bezogene Begriffsinstrumentarium ist u.E. ungeeignet, die neuen kapitalistisch staatlichen Feingriffe auf menschliche, sprich soziale Subjektivität und die damit verwobene komplexe Dynamik in den metropolitanen Gesellschaften annähernd zu erfassen, auch wenn sie in den ideologischen Begriffswolken des Neoliberalismus (Qualitätsmanagement, Projekt, empowerment usw.) daherkommen. Die offensive Fortentwicklung des Toyotismus in den Betrieben, zugleich als Industrie- und Sozialpolitik …. angewandt, die mit der bundesdeutschen Arbeitsmarktstrukturierung nun auf die untersten Segmente des Arbeitsmarkts durchschlägt, und die neuen Zumutungen der Selbstvermarktung müssen u.. vielmehr als der Versuch eines totalitären Zugriffs auf menschliche subjektivität beschrieben werden, als eine sich des Sozialen bemächtigende Machtstrategie gezielter und gesteuerter Vereinzelung, der Zurichtung sozialer lebendigkeit auf die Erfordernisse politischer machtentfaltung und kapitalistisch markrwirtschaftlicher Rationalität, die Herz und Verstand, aber auch den Körper des einzelnen umfassen. Angesichts eines solchen Gesellschaftssystems der totalen Subjekt- und Bevölkerungsbewirtschaftung erscheint Neoliberalismus geradezu verharmlosend.”
Und in einer Steilkurve geht es in eine Synopse westlicher Gouvernementalität im Jahre 2008 an sich.
“Nehmen wir die schillernden Etiketten Neoliberalismus oder neoliberale Globalisierung, die alles und nichts erklären. Man könnte selbstredend auch andere gebräuchliche Formeln der globalisierungskritischen Bewegungen nehmen. Inzwischen sind diese Etiketten weit davon entfernt, Werkzeug für kritisch differenziertes Denken zu sein. Abgesehen davon bleiben diese Etiketten, auch wenn in kritischer Absicht benutzt, herrschafts- und kapitalkonform.Sie waren vielleicht geignet, die Theorie der Friedman-Schule, die Konterrevolution in Chile, die Politik der eisernen Lady, die Reaganomics und die Schuldendiktate des IWF oder auch die Operationen der Kohl-Administration, welche in die fischergrünen und sozialdemokratischen Arbeitsmarktreformen mündeten, terminologisch vom Gegenbegriff des Keynesianismus als sozialdemokratischer Etappe abzuheben…Schließlich lassen uns aber die geronnenen Generaletiketten, aller Dynamik des Sozialen entleert, angesichts eines differenzierten gesellschaftlichen Umbruchs eher hilfs- und begriffslos zurück. Dieses ganze aufeinander bezogene Begriffsinstrumentarium ist u.E. ungeeignet, die neuen kapitalistisch staatlichen Feingriffe auf menschliche, sprich soziale Subjektivität und die damit verwobene komplexe Dynamik in den metropolitanen Gesellschaften annähernd zu erfassen, auch wenn sie in den ideologischen Begriffswolken des Neoliberalismus (Qualitätsmanagement, Projekt, empowerment usw.) daherkommen. Die offensive Fortentwicklung des Toyotismus in den Betrieben, zugleich als Industrie- und Sozialpolitik …. angewandt, die mit der bundesdeutschen Arbeitsmarktstrukturierung nun auf die untersten Segmente des Arbeitsmarkts durchschlägt, und die neuen Zumutungen der Selbstvermarktung müssen u.. vielmehr als der Versuch eines totalitären Zugriffs auf menschliche subjektivität beschrieben werden, als eine sich des Sozialen bemächtigende Machtstrategie gezielter und gesteuerter Vereinzelung, der Zurichtung sozialer lebendigkeit auf die Erfordernisse politischer machtentfaltung und kapitalistisch markrwirtschaftlicher Rationalität, die Herz und Verstand, aber auch den Körper des einzelnen umfassen. Angesichts eines solchen Gesellschaftssystems der totalen Subjekt- und Bevölkerungsbewirtschaftung erscheint Neoliberalismus geradezu verharmlosend.”
Und in einer Steilkurve geht es in eine Synopse westlicher Gouvernementalität im Jahre 2008 an sich.
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rayson,
Dienstag, 18. November 2008, 01:54
So scheidet sich Qualität von Plattheit. Wenigstens annähernd, so weit die Autoren durchblicken lassen, wie beliebig bzw. zweckgerichtet der "Neoliberalismus"-Begriff doch eigentlich war und ist. Jetzt mal völlig ungeachtet der Tatsache, dass ich deren Schlussfolgerungen höchstwahrscheinlich für absurd halten werde - ich habe Respekt vor allen, die sich dem allzu Bequemen widersetzen.
Aber Manager-Sprachhülsen als Teil des "Neoliberalismus" einzuordnen, das ist dann doch wohl wieder eine Art Rückfall. Ein verständlicher, schließlich handelt es sich da um das wohl jüngste Forschungsgebiet der Verfasser, und wer will schon eingestehen, dass er das falsche Problem richtig gelöst hat...
Aber Manager-Sprachhülsen als Teil des "Neoliberalismus" einzuordnen, das ist dann doch wohl wieder eine Art Rückfall. Ein verständlicher, schließlich handelt es sich da um das wohl jüngste Forschungsgebiet der Verfasser, und wer will schon eingestehen, dass er das falsche Problem richtig gelöst hat...
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che2001,
Dienstag, 18. November 2008, 09:46
Lieber Rayson, wenn Du schreibst "Aber Manager-Sprachhülsen als Teil des "Neoliberalismus" einzuordnen, das ist dann doch wohl wieder eine Art Rückfall.", dann kann ich darauf nur antworten, dass der Begriff "Neoliberalismus" in entwicklungspolitischen, industriesoziologischen und teilweise historischen Zusammenhängen und dann zum Anderen in der politischen Diskussion von Linken und sog. "Globalisierungsgegnern" (was zwei verschiedene Baustellen sind) ein hochkomplexer Begriff ist, unter den zum Beispiel praktisch alles fällt, was seit dem weltweiten Siegeszug des Modells Toyota (Stichwort lean production) Management-
Strategien ausmacht. Und auch sehr vieles, was zu nachtaylorististischen Formen der Arbeitsorganisation zu sagen ist. Es mag einem Liberalen bitter aufstoßen, dass der Begriff Neoliberalismus so verwendet wird (ich hatte zu einem anderen Zeitpunkt schon einmal, um Verwechslungen auszuschließen und die historische und insbesondere einerseitswirtschafts- und andererseits begriffsgeschichtliche Dimension des Ganzen klar zu machen, den Begriff Postfordismus vorgeschlagen), aber er wird nun einmal so gebraucht.
Daher lässt sich Hartmann und Geppert eigentlich kein "Rückfall" unterstellen. Wenn man feststellt, dass der Begriff, mit dem bisher gearbeitet wurde, und zwar gar nicht unbedingt von einem selbst, falsch ist, muss ja trotzdem zum Ausdruck gebracht werden, was dieser Begriff bisher umfasste.
- Das klingt jetzt alles sehr abstrakt. Das Buch nimmt allerdings höchst konkret Bezug darauf, wie die Zurichtung des Menschen zum einerseits angepasst und sich andererseits selbstorganisierend einbringendem Funktionieren in der Arbeitswelt aktuell funktioniert unhd erläutert dies an vielen konkreten Beispielen, z.B. der Autostadt. Die Mobbing-Gegner dürften sich hier wiederfinden, es entspricht sehr dem von ihnen Erlebten. Auf jeden Fall eines der komplexesten und klügsten Bücher, die ich seit langem las. Dabei stehen Detlef und Gerald zwischen allen Stühlen, gerade die traditionelle Linke kriegt hier auch ihr Fett ab.
Strategien ausmacht. Und auch sehr vieles, was zu nachtaylorististischen Formen der Arbeitsorganisation zu sagen ist. Es mag einem Liberalen bitter aufstoßen, dass der Begriff Neoliberalismus so verwendet wird (ich hatte zu einem anderen Zeitpunkt schon einmal, um Verwechslungen auszuschließen und die historische und insbesondere einerseitswirtschafts- und andererseits begriffsgeschichtliche Dimension des Ganzen klar zu machen, den Begriff Postfordismus vorgeschlagen), aber er wird nun einmal so gebraucht.
Daher lässt sich Hartmann und Geppert eigentlich kein "Rückfall" unterstellen. Wenn man feststellt, dass der Begriff, mit dem bisher gearbeitet wurde, und zwar gar nicht unbedingt von einem selbst, falsch ist, muss ja trotzdem zum Ausdruck gebracht werden, was dieser Begriff bisher umfasste.
- Das klingt jetzt alles sehr abstrakt. Das Buch nimmt allerdings höchst konkret Bezug darauf, wie die Zurichtung des Menschen zum einerseits angepasst und sich andererseits selbstorganisierend einbringendem Funktionieren in der Arbeitswelt aktuell funktioniert unhd erläutert dies an vielen konkreten Beispielen, z.B. der Autostadt. Die Mobbing-Gegner dürften sich hier wiederfinden, es entspricht sehr dem von ihnen Erlebten. Auf jeden Fall eines der komplexesten und klügsten Bücher, die ich seit langem las. Dabei stehen Detlef und Gerald zwischen allen Stühlen, gerade die traditionelle Linke kriegt hier auch ihr Fett ab.
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saltoftheearth,
Dienstag, 18. November 2008, 12:29
Ich werd das einmal lesen, denke ich.
Mein grundsätzlicher Verdacht an solchen Texten ist ja, dass sie Begrifflichkeiten zu eng definieren und aus diesen verzerrten Elementen die große Welterklärungstheorie zusammenbasteln.
Erst mal zu meinem Lieblingsthema:
Moderne (Projekt-) Managementpraktiken zielen naturgemäss auf Effizienzsteigerungen ab. Viele berufen sich an irgendeiner Stelle auf Toyota. Hab damit in der zivilisierten IT viel zu tun und sie führen eben gegenüber dem Fordismus vor allem zu einer verstärkten Verteilung von Entscheidungsmacht und Freiräumen. Im Zuge der fortschreitenden Automatisierung haben mehr und mehr Arbeitsaufgaben mit komplexen Systemen zu, da die repetitiven Jobs eh von Maschinen übernommen werden. Damit sind die Einführung dieser Management-Praktiken ein natürlicher Vorgang.
Führt auch nicht zu Vereinzelung, weil es dazu aufruft, sich auf andere Menschen einzustellen, sie zu verstehen, etc.
Nicht primär kommerziell ausgerichtete Software-Entwicklung (openSource, Unis) hat diese Adaptierung von Management-Praktiken im Geiste Toyotas nicht nur übernommen sondern vorangetrieben.
Im beruflichen Umfeld betreiben wir doch alle Selbstvermarktung. Das muss doch echt gerade nicht dazu führen, dass man irgendwelchen Ansprüchen ausserhalb von einem selbst genügen muss, sondern dass man sich vielmehr kreativ mit seiner selbst und seiner Kommunikation mit Mitmenschen auseinandersetzt.
Über die Einforderungen von Deformationen durch Gebilde, die aus sozialistischen Revolutionen entstanden sind, möchte ich jetzt hier gar nicht reden. Die vernichtenste Totalitarismus-Kritik ist immer psychologisch. Eine die die Auswirkungen des Systems auf die den einzelnen Menschen zeigt. Nur die Frage, ob unser System wirklich totalitaristisch ist.
Mein grundsätzlicher Verdacht an solchen Texten ist ja, dass sie Begrifflichkeiten zu eng definieren und aus diesen verzerrten Elementen die große Welterklärungstheorie zusammenbasteln.
Erst mal zu meinem Lieblingsthema:
die Konterrevolution in ChileHat zwischen 1970-73 in Chile eine nachhaltige Revolution stattgefunden. Ich bezweifele das stark. Allende regierte in einer Koalitionsregierung und wollte ja gerade keinen Bruch mit den Institutionen der chilenischen Demokratie. Es gab einen klaren Impetus in der gesamten Koalition, die stark agraisch-senioral verwurzelte und z.T. sicher auch rassistische Klassengesellschaft aufzubrechen. Aber hinsichtlich der Mittel waren Teile der Koalition nicht radikal. Im Zuge der extrem starken und sich zuspitzenden makroökonomischen und finanzpolitischen Ungleichgewichte sowie auch der Versorgungsengpässe der Jahre 1972/3 kühlte der Lust auf Wandel eben auch bei nicht wenigen ab. Man muß diese komplexen Ereignisse genau betrachten, wenn man daraus irgendwelche welt-theoretischen Schlüsse ziehlt. Irgendwelche MIR Flugblätter geben eben die gefühlte Realität wirklicher Chilenen nicht wieder.
Moderne (Projekt-) Managementpraktiken zielen naturgemäss auf Effizienzsteigerungen ab. Viele berufen sich an irgendeiner Stelle auf Toyota. Hab damit in der zivilisierten IT viel zu tun und sie führen eben gegenüber dem Fordismus vor allem zu einer verstärkten Verteilung von Entscheidungsmacht und Freiräumen. Im Zuge der fortschreitenden Automatisierung haben mehr und mehr Arbeitsaufgaben mit komplexen Systemen zu, da die repetitiven Jobs eh von Maschinen übernommen werden. Damit sind die Einführung dieser Management-Praktiken ein natürlicher Vorgang.
Führt auch nicht zu Vereinzelung, weil es dazu aufruft, sich auf andere Menschen einzustellen, sie zu verstehen, etc.
Nicht primär kommerziell ausgerichtete Software-Entwicklung (openSource, Unis) hat diese Adaptierung von Management-Praktiken im Geiste Toyotas nicht nur übernommen sondern vorangetrieben.
Im beruflichen Umfeld betreiben wir doch alle Selbstvermarktung. Das muss doch echt gerade nicht dazu führen, dass man irgendwelchen Ansprüchen ausserhalb von einem selbst genügen muss, sondern dass man sich vielmehr kreativ mit seiner selbst und seiner Kommunikation mit Mitmenschen auseinandersetzt.
Über die Einforderungen von Deformationen durch Gebilde, die aus sozialistischen Revolutionen entstanden sind, möchte ich jetzt hier gar nicht reden. Die vernichtenste Totalitarismus-Kritik ist immer psychologisch. Eine die die Auswirkungen des Systems auf die den einzelnen Menschen zeigt. Nur die Frage, ob unser System wirklich totalitaristisch ist.
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momorules,
Dienstag, 18. November 2008, 14:10
@saltofearth:
"Moderne (Projekt-) Managementpraktiken zielen naturgemäss auf Effizienzsteigerungen ab. Viele berufen sich an irgendeiner Stelle auf Toyota. Hab damit in der zivilisierten IT viel zu tun und sie führen eben gegenüber dem Fordismus vor allem zu einer verstärkten Verteilung von Entscheidungsmacht und Freiräumen. Im Zuge der fortschreitenden Automatisierung haben mehr und mehr Arbeitsaufgaben mit komplexen Systemen zu, da die repetitiven Jobs eh von Maschinen übernommen werden. Damit sind die Einführung dieser Management-Praktiken ein natürlicher Vorgang."
Habe ich neulich schon drüben zitiert: Die Deutung geschichtlicher Vorgänge als "natürlich" ist nix anderes als Mythologie.
Selbst wenn man der Marxschen Theorie der Produktivkraftentwicklung folgt, ist das trotzdem alles menschliche Praxis, und die Zukunft ist offen.
Du belegst nur, wie tief die herrschende Ideologie des Neoliberalismus (jawohl!) in die Hirne eingedrungen ist und Leute dazu brachte, das auch noch gut zu finden, daß sie alltäglich versklavt und abgerichtet werden wie die Hunde - "Anreiz" ist ja nix anderes als die Positiv-Verstärker in der Hundeerziehung, also Leckerlis.
Rein gar nix an der Organisation von Arbeit ist "natürlich", außer, daß man das, wohin man guckt, als vorne erlebt und in der Regel zwei Hände und zwei Beine hat.
"Im beruflichen Umfeld betreiben wir doch alle Selbstvermarktung. Das muss doch echt gerade nicht dazu führen, dass man irgendwelchen Ansprüchen ausserhalb von einem selbst genügen muss"
Harhar - frag mal das normale Bank-Middle-Management, das es im Leben noch "zu was bringen will". Es regiert schlicht die Angst, nicht die Freiheit ... das ist ja wohl ein Scherz, daß man Ansprüchen außerhalb von einem selbst nicht genügen müsse. Und das zieht sich durch vom Hartz IV-Empfänger bis zum Fonds-Manager. Deswegen ist ja so idiotisch, jetzt so indvioduelle Gelüste wie "Gier" anzuprangern - sei mal in so einer Position nicht gierig, wenn Du nicht schon genug Kohle auf dem Konto hast und am normalen Sozialleben weiter teilnehmen willst.
Zudem "Effizienz" eben nicht das einzige Kriterium ist ...
@Rayson:
Der Unwille oder die Unfähigkeit, über den eigenen begrifflichen Tellerrand zu gucken, rechtfertigt noch keine Arroganz ...
"Moderne (Projekt-) Managementpraktiken zielen naturgemäss auf Effizienzsteigerungen ab. Viele berufen sich an irgendeiner Stelle auf Toyota. Hab damit in der zivilisierten IT viel zu tun und sie führen eben gegenüber dem Fordismus vor allem zu einer verstärkten Verteilung von Entscheidungsmacht und Freiräumen. Im Zuge der fortschreitenden Automatisierung haben mehr und mehr Arbeitsaufgaben mit komplexen Systemen zu, da die repetitiven Jobs eh von Maschinen übernommen werden. Damit sind die Einführung dieser Management-Praktiken ein natürlicher Vorgang."
Habe ich neulich schon drüben zitiert: Die Deutung geschichtlicher Vorgänge als "natürlich" ist nix anderes als Mythologie.
Selbst wenn man der Marxschen Theorie der Produktivkraftentwicklung folgt, ist das trotzdem alles menschliche Praxis, und die Zukunft ist offen.
Du belegst nur, wie tief die herrschende Ideologie des Neoliberalismus (jawohl!) in die Hirne eingedrungen ist und Leute dazu brachte, das auch noch gut zu finden, daß sie alltäglich versklavt und abgerichtet werden wie die Hunde - "Anreiz" ist ja nix anderes als die Positiv-Verstärker in der Hundeerziehung, also Leckerlis.
Rein gar nix an der Organisation von Arbeit ist "natürlich", außer, daß man das, wohin man guckt, als vorne erlebt und in der Regel zwei Hände und zwei Beine hat.
"Im beruflichen Umfeld betreiben wir doch alle Selbstvermarktung. Das muss doch echt gerade nicht dazu führen, dass man irgendwelchen Ansprüchen ausserhalb von einem selbst genügen muss"
Harhar - frag mal das normale Bank-Middle-Management, das es im Leben noch "zu was bringen will". Es regiert schlicht die Angst, nicht die Freiheit ... das ist ja wohl ein Scherz, daß man Ansprüchen außerhalb von einem selbst nicht genügen müsse. Und das zieht sich durch vom Hartz IV-Empfänger bis zum Fonds-Manager. Deswegen ist ja so idiotisch, jetzt so indvioduelle Gelüste wie "Gier" anzuprangern - sei mal in so einer Position nicht gierig, wenn Du nicht schon genug Kohle auf dem Konto hast und am normalen Sozialleben weiter teilnehmen willst.
Zudem "Effizienz" eben nicht das einzige Kriterium ist ...
@Rayson:
Der Unwille oder die Unfähigkeit, über den eigenen begrifflichen Tellerrand zu gucken, rechtfertigt noch keine Arroganz ...
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earendil,
Dienstag, 18. November 2008, 14:53
@ saltoftheearth
"Im beruflichen Umfeld betreiben wir doch alle Selbstvermarktung. Das muss doch echt gerade nicht dazu führen, dass man irgendwelchen Ansprüchen ausserhalb von einem selbst genügen muss"
Hallo? Was ist denn Selbsvermarktung anderes als die ständige Zurichtung seiner selbst auf "Ansprüche außerhalb von einem selbst", nämlich die des Marktes bzw. durch den Markt vermittelten? Die Fremdbestimmung auch noch zu internalisieren ist doch das Gegenteil eines selbstbestimmten Lebens. Und das "Freiheit" zu nennen ist Ideologie.
Der Zugriff des Marktes auf die Menschen ist umfassender als irgendeine andere Herrschaftsform (und zudem weltweit), kein noch so alternatives Projekt, kein noch so abgelegenes Dschungeldorf kann sich ihm so ganz entziehen. Wenn also der Begriff "Totalitarismus" irgendeinen Sinn hat, dann in Bezug auf den Kapitalismus.
Und zu Chile: Ob nun unter Allende wirklich was revolutionäres i.e.S. im Gange war weiß ich auch nicht. Klar ist aber, dass den Putschisten das so erschien und sie aus antikommunistischer Gesinnung handelten. Insofern kann man das wohl schon als Konterrevolution bezeichnen.
Hallo? Was ist denn Selbsvermarktung anderes als die ständige Zurichtung seiner selbst auf "Ansprüche außerhalb von einem selbst", nämlich die des Marktes bzw. durch den Markt vermittelten? Die Fremdbestimmung auch noch zu internalisieren ist doch das Gegenteil eines selbstbestimmten Lebens. Und das "Freiheit" zu nennen ist Ideologie.
Der Zugriff des Marktes auf die Menschen ist umfassender als irgendeine andere Herrschaftsform (und zudem weltweit), kein noch so alternatives Projekt, kein noch so abgelegenes Dschungeldorf kann sich ihm so ganz entziehen. Wenn also der Begriff "Totalitarismus" irgendeinen Sinn hat, dann in Bezug auf den Kapitalismus.
Und zu Chile: Ob nun unter Allende wirklich was revolutionäres i.e.S. im Gange war weiß ich auch nicht. Klar ist aber, dass den Putschisten das so erschien und sie aus antikommunistischer Gesinnung handelten. Insofern kann man das wohl schon als Konterrevolution bezeichnen.
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netbitch,
Dienstag, 18. November 2008, 16:27
Auch wenn ich gewisse aktuelle und gewesene Mitdiskutanten jetzt ganz sicher überfordere, damit wären wir doch auch wieder bei Butler: Performative Praxis zur Formung von Identität, und: Anpassung durch Selbst-Identifizierung mit den Zumutungen des Systems (wegen mir: der Arbeitswelt, des Patriarchats, des entfremdeten Außen). Eigentlich nicht schwer zu verstehen, oder?
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saltoftheearth,
Dienstag, 18. November 2008, 19:38
Im Grunde überfordern mich Diskussionen, in denen ich mich bemühe zuzuhören oder hier zuzulesen sehr leicht. Unter Selbstidentifikation denke ich mir aber schon etwas vorstellen zu können. Nur ist das nicht auf die Arbeitswelt beschränkt. Mir ist das schon in Freundschaften und Beziehungen passiert. Oder wie siehts aus mit der Selbstidentifikation mit linker Theorie? Entspringt das vielleicht euren undeformierten, gereiften Kinderseelen, zu denen ich keinen Zugang hab, hm?
Es werden doch von verschiedenster Seite Erwartungen an mich getragen. Als nach Jahren wieder WG-Mitbewohner, als Partner, als Sohn, als Kollege, als Arbeitskraft, als Heimwerker, aktuell sogar als ex-Partner! Ich empfind das aktuell persönlich nicht so, dass dies im beruflichen Kontext so irrsinnig repressiv ist.
In den letzten 3 Jahren war meine Jobsituation zum Glück so, dass ich weggehen konnte, wenn ich zu der Überzeugung gelangt bin, dass Kollegen/Management ihre psychologischen/soziologischen/ökonomischen/etc Probleme nicht hinreichend verarbeiten konnten. Das war nicht immer so und muß nicht immer so bleiben.
Find wir sollten eher an der Arbeits-Soziologie innerhalb unseres Systems arbeiten. Systemwechsel haben eben oft die Erwartungen nicht erfüllt.
Dieser ganze zunächst begeistert gefeierte und dann immer mehr brutal aufoktroyerte "Wandel". Das uns kulturell vergleichsweise nahe Lateinamerika ist voll von dem Zeugs. Das inzwischen übersetzte "Persona non Grata" von Jorge Edwards oder Zoé Valdés. Die irrsinnige Deformation rund um die Geschichte von Zoilamerica Navez. Der Generacion Y blog redet auch viel von Deformation. Wobei ich die zumeist 4-stelligen Kommentar-Threads irgendwie auch für einen Fall von Über-Identifikation halte. Im freien Westen haben wir auch jede Menge Scheisse.
Zu Chile nur so viel: Konterrevolution bedeutet ein zurück zu einem ancien regime. Das wars aber auch nicht. Aus heutiger Sicht eher ein 16-jähriger Sprung von einer über 100 jährigen senioral-klassengesellschaftlich gebrochenen Rechtsstaats- und Demokratie-Tradition mit viel Unterdrückung und ein paar neuen wirtschaftlichen Spielregeln, die Bachelet und 90% der Bevölkerung nicht ändern will. Bestialität im Sprung wird damit natürlich nicht gerechtfertigt. Der Sprung ist Gracías a Díos Geschichte.
Es werden doch von verschiedenster Seite Erwartungen an mich getragen. Als nach Jahren wieder WG-Mitbewohner, als Partner, als Sohn, als Kollege, als Arbeitskraft, als Heimwerker, aktuell sogar als ex-Partner! Ich empfind das aktuell persönlich nicht so, dass dies im beruflichen Kontext so irrsinnig repressiv ist.
Der Zugriff des Marktes auf die Menschen ist umfassender als irgendeine andere HerrschaftsformAber das war doch zu Zeiten Ucks und Oks im Neandertal nicht anders. Der Übertritt in die Welt der Erwachsenen erforderte eben eine gewisse Anpassung, um überhaupt an lebensnotwendige Ressourcen zu gelangen.
Habe ich neulich schon drüben zitiert: Die Deutung geschichtlicher Vorgänge als "natürlich" ist nix anderes als Mythologie.Die Nachfrage nach diesen modernen Managementpraktiken ist induziert durch eine Verlagerung von repetitiven Arbeiten hin zu dem Aufbau von durch Menschen beherrschbare Systeme. Das ist ein kulturell-technologischer Wandel, insofern natürlich nicht "natürlich". Der Prozess selbst ist aber nicht zentral gesteuert sondern verteilt.
Du belegst nur, wie tief die herrschende Ideologie des Neoliberalismus (jawohl!) in die Hirne eingedrungen ist und Leute dazu brachte, das auch noch gut zu finden, daß sie alltäglich versklavt und abgerichtet werden wie die Hunde - "Anreiz" ist ja nix anderes als die Positiv-Verstärker in der Hundeerziehung, also Leckerlis.Abgesehen davon, dass ich es nicht besonders charmant finde, mit Hunden und Sklaven verglichen zu werden, leid ich da aktuell nicht os drunter. Ist doch ok, mit anderen Leuten an einem neuen Produkt zu arbeiten. Soziokulturell ist das vermutlich auch nicht viel anders als eine Mamut-Jagd. Nur das wir eben nicht mehr brüllen müssen, wenn der Gesprächspartner zu weit weg ist sondern Telefone oder Sametime benutzen (aber mit den 6 bis 12 Leuten hier natürlich nicht).
Zudem "Effizienz" eben nicht das einzige Kriterium ist ...Seh ich auch so.
Harhar - frag mal das normale Bank-Middle-Management, das es im Leben noch "zu was bringen will". Es regiert schlicht die Angst, nicht die Freiheit ...Natürlich kenn ich die Angst. Die aus der Angst geborene Aggression, etc.
In den letzten 3 Jahren war meine Jobsituation zum Glück so, dass ich weggehen konnte, wenn ich zu der Überzeugung gelangt bin, dass Kollegen/Management ihre psychologischen/soziologischen/ökonomischen/etc Probleme nicht hinreichend verarbeiten konnten. Das war nicht immer so und muß nicht immer so bleiben.
Find wir sollten eher an der Arbeits-Soziologie innerhalb unseres Systems arbeiten. Systemwechsel haben eben oft die Erwartungen nicht erfüllt.
Dieser ganze zunächst begeistert gefeierte und dann immer mehr brutal aufoktroyerte "Wandel". Das uns kulturell vergleichsweise nahe Lateinamerika ist voll von dem Zeugs. Das inzwischen übersetzte "Persona non Grata" von Jorge Edwards oder Zoé Valdés. Die irrsinnige Deformation rund um die Geschichte von Zoilamerica Navez. Der Generacion Y blog redet auch viel von Deformation. Wobei ich die zumeist 4-stelligen Kommentar-Threads irgendwie auch für einen Fall von Über-Identifikation halte. Im freien Westen haben wir auch jede Menge Scheisse.
Zu Chile nur so viel: Konterrevolution bedeutet ein zurück zu einem ancien regime. Das wars aber auch nicht. Aus heutiger Sicht eher ein 16-jähriger Sprung von einer über 100 jährigen senioral-klassengesellschaftlich gebrochenen Rechtsstaats- und Demokratie-Tradition mit viel Unterdrückung und ein paar neuen wirtschaftlichen Spielregeln, die Bachelet und 90% der Bevölkerung nicht ändern will. Bestialität im Sprung wird damit natürlich nicht gerechtfertigt. Der Sprung ist Gracías a Díos Geschichte.
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che2001,
Dienstag, 18. November 2008, 20:09
NB, das passt zu Gerald Geppert, der mal meinte, die Identifikation mit dem Aggressor sei das massenpädagogische Grundprinzip des postfordistischen kapitalistischen Umbaus nach 1990. Butler beschäftigt sich mit den Sprach- und Bewusstseinsstrukturen, Geppert und Hartmann mit der institutionellen und ökonomischen Seite. Man kann das wie Soft- und Hardware betrachten, es gehört zusammen.
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noergler,
Dienstag, 18. November 2008, 20:31
Ich stelle mir gerade Ucks und Oks auf dem neandertaler Arbeitsmarkt vor.
Kleiner Hinweis an saltoftheearth:
"Familie Feuerstein" ist eine fiktionale Zeichentrickserie mit humorig intendiertem Gegenwartsbezug, keine wissenschaftliche Dokumentation des Pleistozän.
Kleiner Hinweis an saltoftheearth:
"Familie Feuerstein" ist eine fiktionale Zeichentrickserie mit humorig intendiertem Gegenwartsbezug, keine wissenschaftliche Dokumentation des Pleistozän.
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che2001,
Dienstag, 18. November 2008, 20:39
Nicht? Ich dachte, das Ende der Eiszeit war Folge einer inflationären Entwicklung, die zur Entwertung des Neandertalers führte, bis diese Währung überhaupt nichts mehr Wert war, ausgelöst durch Kreditspekulanten, die seit der Kreidezeit hatten anschreiben lassen und nun bereits kilometertief in der Kreide standen.
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earendil,
Mittwoch, 19. November 2008, 12:04
Ich folge ja eher der Theorie, dass der Untergang der Neanderthaler durch eine Faustkeil-Überproduktionskrise verursacht wurde, die erst im Cromagnonismus durch die Klingenindustrie überwunden wurde. Interessant ist aber auch die These von R. Kurz, dass das Abschmelzen der Eismasse durch ein Abschmelzen der Wertmasse hervorgerufen worden sei...
Diesem liberalen Diskussionsniveau der Spitzenklasse kann man eigentlich nur noch satirisch begegnen, ich versuch's aber trotzdem nochmal ernsthaft:
Altsteinzeitliche Menschen waren von der Natur abhängig (hat übrigens nix mit Erwachsenwerden zu tun). Von diesen Zwängen konnten und können sich die Menschen tatsächlich nicht vollständig, sondern nur graduell emanzipieren (->Kultur). Die kulturelle Emanzipation von der Natur führte bislang immer zu neuen, menschengemachten Abhängigkeiten, nicht zur Selbstbestimmung der Menschen. Weswegen Marx auch die gesamte bisherige Geschichte als Vorgeschichte der Menschheit bezeichnete, deren eigentliche Geschichte erst beginnen würde, wenn die Menschen ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen und sich weder von der Natur (zumindest weitgehend, s.o.), einer vermeintlich göttlichen Ordnung oder der unsichtbaren Hand des Marktes fremdbestimmen lassen.
Wie totalitär die Herrschaft des Marktes ist, zeigt auch, dass viele Leute sich eine andere Gesellschaftsordnung nicht mal vorstellen können und demzufolge den Markt als etwas quasi-natürliches ansehen, was es irgendwie schon immer gegeben hat und immer geben wird. Der Markt ist aber nicht natürlich, sondern menschengemacht, hat seine Entstehungsgeschichte und wird hoffentlich auch irgendwann selbst Geschichte sein.
Wenn an dich äußere Erwartungen von Familie, Freunden oder Mitbewohnern herangetragen werden, ist das erstmal nicht repressiv, solange du da nicht in hierarchisch untergeordneter Position bist. Da kannst du (im Idealfall) ganz herrschaftsfrei über deine und der Anderen Erwartungen diskutieren, Kompromisse finden etc. Kannst das ja auch mal mit dem Markt versuchen, wünsch ich viel Spaß dabei.
"Der Prozess selbst ist aber nicht zentral gesteuert sondern verteilt."
Tja, das ist ja das allgemeine Charakteristikum kapitalistischer Herrschaft, dass sie z.T. abstrakt ist, z.T. so erscheint. Aber sowohl die direkte Herrschaft des Eigentümers oder des Chefs als auch die indirekte, anonyme der "Marktgesetze" sind eben menschengemachte Herrschaft.
"Abgesehen davon, dass ich es nicht besonders charmant finde, mit Hunden und Sklaven verglichen zu werden"
Nein, du bist zwar Humankapital und Kostenstelle, aber Hund oder Sklave? Also bitte, man hat doch seinen Stolz...
"Die glücklichen Sklaven sind die schlimmsten Feinde der Freiheit."
Diesem liberalen Diskussionsniveau der Spitzenklasse kann man eigentlich nur noch satirisch begegnen, ich versuch's aber trotzdem nochmal ernsthaft:
Altsteinzeitliche Menschen waren von der Natur abhängig (hat übrigens nix mit Erwachsenwerden zu tun). Von diesen Zwängen konnten und können sich die Menschen tatsächlich nicht vollständig, sondern nur graduell emanzipieren (->Kultur). Die kulturelle Emanzipation von der Natur führte bislang immer zu neuen, menschengemachten Abhängigkeiten, nicht zur Selbstbestimmung der Menschen. Weswegen Marx auch die gesamte bisherige Geschichte als Vorgeschichte der Menschheit bezeichnete, deren eigentliche Geschichte erst beginnen würde, wenn die Menschen ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen und sich weder von der Natur (zumindest weitgehend, s.o.), einer vermeintlich göttlichen Ordnung oder der unsichtbaren Hand des Marktes fremdbestimmen lassen.
Wie totalitär die Herrschaft des Marktes ist, zeigt auch, dass viele Leute sich eine andere Gesellschaftsordnung nicht mal vorstellen können und demzufolge den Markt als etwas quasi-natürliches ansehen, was es irgendwie schon immer gegeben hat und immer geben wird. Der Markt ist aber nicht natürlich, sondern menschengemacht, hat seine Entstehungsgeschichte und wird hoffentlich auch irgendwann selbst Geschichte sein.
Wenn an dich äußere Erwartungen von Familie, Freunden oder Mitbewohnern herangetragen werden, ist das erstmal nicht repressiv, solange du da nicht in hierarchisch untergeordneter Position bist. Da kannst du (im Idealfall) ganz herrschaftsfrei über deine und der Anderen Erwartungen diskutieren, Kompromisse finden etc. Kannst das ja auch mal mit dem Markt versuchen, wünsch ich viel Spaß dabei.
"Der Prozess selbst ist aber nicht zentral gesteuert sondern verteilt."
Tja, das ist ja das allgemeine Charakteristikum kapitalistischer Herrschaft, dass sie z.T. abstrakt ist, z.T. so erscheint. Aber sowohl die direkte Herrschaft des Eigentümers oder des Chefs als auch die indirekte, anonyme der "Marktgesetze" sind eben menschengemachte Herrschaft.
"Abgesehen davon, dass ich es nicht besonders charmant finde, mit Hunden und Sklaven verglichen zu werden"
Nein, du bist zwar Humankapital und Kostenstelle, aber Hund oder Sklave? Also bitte, man hat doch seinen Stolz...
"Die glücklichen Sklaven sind die schlimmsten Feinde der Freiheit."
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kritik-und-kunst,
Mittwoch, 19. November 2008, 13:20
"NB, das passt zu Gerald Geppert, der mal meinte, die Identifikation mit dem Aggressor sei das massenpädagogische Grundprinzip des postfordistischen kapitalistischen Umbaus nach 1990."
naja, Che, die Identifikation mit dem Aggressor ist ein wesenliches kausal relevantes psychisches Phänomen bei der Absicherung von Herrschaft ÜBERHAUPT...
naja, Che, die Identifikation mit dem Aggressor ist ein wesenliches kausal relevantes psychisches Phänomen bei der Absicherung von Herrschaft ÜBERHAUPT...
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che2001,
Mittwoch, 19. November 2008, 13:57
Das ist zwar richtig, aber dieses Prinzip des "Förderns und Forderns", das Sich-Selbst-Marktkompatibel machen, der Zwanz zur Performance ist etwas völlig anderes als das Einfordern einer Leistung von jemandem, dem ein Besitzstand an sozialen Garantien zugesprochen wird und für den eine Zumutbarkeitsregelung gilt. Der HartzIVer muss sich ausziehen, materiell wie psychisch, um weiterhin Leistungen beziehen zu können.
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momorules,
Mittwoch, 19. November 2008, 14:03
"Der HartzIVer muss sich ausziehen, materiell wie psychisch, um weiterhin Leistungen beziehen zu können."
Und nicht nur der ... je weiter Arbeitnehmerrechte abgebaut werden, desto mehr doch allesamt.
Und nicht nur der ... je weiter Arbeitnehmerrechte abgebaut werden, desto mehr doch allesamt.
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saltoftheearth,
Mittwoch, 19. November 2008, 15:08
Wie totalitär die Herrschaft des Marktes ist, zeigt auch, dass viele Leute sich eine andere Gesellschaftsordnung nicht mal vorstellen können und demzufolge den Markt als etwas quasi-natürliches ansehen, was es irgendwie schon immer gegeben hat und immer geben wird. Der Markt ist aber nicht natürlich, sondern menschengemacht,Der Tausch hat sehr früh in der Menschheitsgeschichte begonnen. Die konkrete Ausprägung eines Marktes ist selbstverständlich NIEMALS natürlich sondern immer von Menschen gemacht. Ich sag auch nicht, dass Märkte gerecht oder gut sind. Gestern hab ich z.B. jemanden im chilenischen Arbeitsmarkt zu der aktiven Suche eines neuen Arbeitgebers geraten (und zu der gleichen Härte in Lohnverhandlungen, die diese Person in anderen Lebenssituationen problemlos zeigt).
Streik ist in diesem Fall ziemlich aussichtslos.
Innerhalb von Märkten bin ich sehr dafür, dass die Leute für ihre Rechte kämpfen. Und ich weiss auch, dass die Machtverhältnisse dies oft sehr schwer bis quasi unmöglich machen.
Da kannst du (im Idealfall) ganz herrschaftsfrei über deine und der Anderen Erwartungen diskutieren, Kompromisse finden etc. Kannst das ja auch mal mit dem Markt versuchen, wünsch ich viel Spaß dabei.Ich kann sehr wohl im beruflichen Umfeld über Erwartungen diskutieren, Kompromisse finden, etc.
Aber sowohl die direkte Herrschaft des Eigentümers oder des Chefs als auch die indirekte, anonyme der "Marktgesetze" sind eben menschengemachte Herrschaft.Je nach Wertigkeit, die man meiner Arbeit zuordnet, bin ich in diesem Prozeß aber nicht ohnmächtig. Ich weiss aber (vielleicht unmittelbarer als du denkst), dass dies nicht für jeden Menschen gilt. Solche Menschen müssen gestärkt werden.
"Die glücklichen Sklaven sind die schlimmsten Feinde der Freiheit."Die utopistischsten Freiheits-Träumer sind die schlimmsten Feinde der von ihnen als solche wahrgenommenen "Sklaven" (obwohl sie sich vielleicht gar nicht als solche empfinden).
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earendil,
Mittwoch, 19. November 2008, 17:46
"Der Tausch hat sehr früh in der Menschheitsgeschichte begonnen."
Erstens ist nicht jeder Tausch gleich Markt, und zweitens war der Markt in vorkapitalistischen Gesellschaften nicht die zentrale Instanz, die sie im Kapitalismus ist.
Deine Ratschläge an eine_n konkrete_n chilenische_n Arbeiter_in sind für die Betrachtung der Gesellschaft entweder irrelevant oder zynisch. Denn entweder ergeben sich gar keine gesamtgesellschaftlichen Schlussfolgerungen, oder die, dass besonders hart ausgebeutete Leute selber schuld sind, nicht hart genug verhandeln etc.
"Innerhalb von Märkten bin ich sehr dafür, dass die Leute für ihre Rechte kämpfen. Und ich weiss auch, dass die Machtverhältnisse dies oft sehr schwer bis quasi unmöglich machen."
Leute wie du wären wohl auch dafür eingetreten, innerhalb der Feudalordnung für ein bisschen weniger harte Ausbeutung zu kämpfen, was leider, leider, leider wegen der Machtverhältnisse, die man aber um Gottes Willen nicht prinzipiell beseitigen darf, so schwierig ist... Und hätten Leute wie Thomas Müntzer, die die Notwendigkeit der Feudalordnung grundsätzlich in Frage stellten, als "utopistische Freiheits-Träumer" abgekanzelt.
Im übrigen sind es nicht diese oder jene konkreten Machtverhältnisse, die ein gutes und selbstbestimmtes Leben für die allermeisten Arbeiter_innen verunmöglichen, sondern die Gesetze des Marktes selbst.
"Ich kann sehr wohl im beruflichen Umfeld über Erwartungen diskutieren, Kompromisse finden, etc."
Ja, auch Knechte können meist in gewissem Maße mit ihrem Herrn diskutieren, aber ich schrieb auch was von herrschaftsfrei. Und mit dem Markt zu diskutieren wird dann schon schwieriger (auch wenn dieser anonyme Zugriff auch nicht einfach diktatorisch erfolgt).
"Je nach Wertigkeit, die man meiner Arbeit zuordnet, bin ich in diesem Prozeß aber nicht ohnmächtig. Ich weiss aber (vielleicht unmittelbarer als du denkst), dass dies nicht für jeden Menschen gilt. Solche Menschen müssen gestärkt werden."
Hurra, rief der Sklave, mein Herr schätzt meine Arbeit und fragt mich auch mal nach meinen Ideen für die Produktion. Andere Sklaven werden geschlagen und müssen nur gehorchen, die müssen gestärkt werden!
Aber jenseits der Polemik: Du trägst deine Arbeitskraft zum Markt, und wenn die gut qualifiziert und somit a) besonders wertschöpfend, also gewinnabwerfend, und b) selten ist, wird sie auch von der Kapitalseite geschätzt. Deine wunderbar freien und eigenständigen Ideen zum Produktionsprozess sind dabei ein wichtiger Teil der zu verwertenden Arbeitskraft. (Natürlich nur, soweit sie marktkonform sind.) Du machst dir also selber die Gedanken der Herrschaft. Das Ziel, der Zweck dieser Gedanken sind aber nicht selbst-, sondern fremdbestimmt.
Menschen, deren Arbeitskraft weniger wertschöpfend ist oder häufiger angeboten wird, bekommen dafür eben einen geringeren Preis (Lohn), that's capitalism. Und wenn bei dem Wertschöpfungsprozess die eigenen Ideen der Arbeitskraft keine Rolle spielen, sind sie halt bloße Befehlsempfänger.
Ob die Arbeiter beim Produktionsprozess mitreden dürfen oder nicht, hängt auch vom Grad ihrer "Identifikation mit dem Agressor" (gutes Stichwort) ab. Von ihren Bedürfnissen her sind die Wünsche der Arbeiter (kürzere und leichtere Arbeit, mehr Lohn) ja den Unternehmenszwecken entgegengesetzt, dahingehende Ideen sind natürlich unerwünscht. Ist die innere Zurichtung aber so weit fortgeschritten, dass die Arbeiter die Unternehmenszwecke zu ihren eigenen machen, sind ihre diesbezüglichen Gedanken logischerweise willkommen.
Schlussendlich geht es dem "glücklichen Sklaven" besser als dem widerspenstigen. Trotzdem muss man darauf beharren, die Sklaverei in Gänze abzuschaffen.
Erstens ist nicht jeder Tausch gleich Markt, und zweitens war der Markt in vorkapitalistischen Gesellschaften nicht die zentrale Instanz, die sie im Kapitalismus ist.
Deine Ratschläge an eine_n konkrete_n chilenische_n Arbeiter_in sind für die Betrachtung der Gesellschaft entweder irrelevant oder zynisch. Denn entweder ergeben sich gar keine gesamtgesellschaftlichen Schlussfolgerungen, oder die, dass besonders hart ausgebeutete Leute selber schuld sind, nicht hart genug verhandeln etc.
"Innerhalb von Märkten bin ich sehr dafür, dass die Leute für ihre Rechte kämpfen. Und ich weiss auch, dass die Machtverhältnisse dies oft sehr schwer bis quasi unmöglich machen."
Leute wie du wären wohl auch dafür eingetreten, innerhalb der Feudalordnung für ein bisschen weniger harte Ausbeutung zu kämpfen, was leider, leider, leider wegen der Machtverhältnisse, die man aber um Gottes Willen nicht prinzipiell beseitigen darf, so schwierig ist... Und hätten Leute wie Thomas Müntzer, die die Notwendigkeit der Feudalordnung grundsätzlich in Frage stellten, als "utopistische Freiheits-Träumer" abgekanzelt.
Im übrigen sind es nicht diese oder jene konkreten Machtverhältnisse, die ein gutes und selbstbestimmtes Leben für die allermeisten Arbeiter_innen verunmöglichen, sondern die Gesetze des Marktes selbst.
"Ich kann sehr wohl im beruflichen Umfeld über Erwartungen diskutieren, Kompromisse finden, etc."
Ja, auch Knechte können meist in gewissem Maße mit ihrem Herrn diskutieren, aber ich schrieb auch was von herrschaftsfrei. Und mit dem Markt zu diskutieren wird dann schon schwieriger (auch wenn dieser anonyme Zugriff auch nicht einfach diktatorisch erfolgt).
"Je nach Wertigkeit, die man meiner Arbeit zuordnet, bin ich in diesem Prozeß aber nicht ohnmächtig. Ich weiss aber (vielleicht unmittelbarer als du denkst), dass dies nicht für jeden Menschen gilt. Solche Menschen müssen gestärkt werden."
Hurra, rief der Sklave, mein Herr schätzt meine Arbeit und fragt mich auch mal nach meinen Ideen für die Produktion. Andere Sklaven werden geschlagen und müssen nur gehorchen, die müssen gestärkt werden!
Aber jenseits der Polemik: Du trägst deine Arbeitskraft zum Markt, und wenn die gut qualifiziert und somit a) besonders wertschöpfend, also gewinnabwerfend, und b) selten ist, wird sie auch von der Kapitalseite geschätzt. Deine wunderbar freien und eigenständigen Ideen zum Produktionsprozess sind dabei ein wichtiger Teil der zu verwertenden Arbeitskraft. (Natürlich nur, soweit sie marktkonform sind.) Du machst dir also selber die Gedanken der Herrschaft. Das Ziel, der Zweck dieser Gedanken sind aber nicht selbst-, sondern fremdbestimmt.
Menschen, deren Arbeitskraft weniger wertschöpfend ist oder häufiger angeboten wird, bekommen dafür eben einen geringeren Preis (Lohn), that's capitalism. Und wenn bei dem Wertschöpfungsprozess die eigenen Ideen der Arbeitskraft keine Rolle spielen, sind sie halt bloße Befehlsempfänger.
Ob die Arbeiter beim Produktionsprozess mitreden dürfen oder nicht, hängt auch vom Grad ihrer "Identifikation mit dem Agressor" (gutes Stichwort) ab. Von ihren Bedürfnissen her sind die Wünsche der Arbeiter (kürzere und leichtere Arbeit, mehr Lohn) ja den Unternehmenszwecken entgegengesetzt, dahingehende Ideen sind natürlich unerwünscht. Ist die innere Zurichtung aber so weit fortgeschritten, dass die Arbeiter die Unternehmenszwecke zu ihren eigenen machen, sind ihre diesbezüglichen Gedanken logischerweise willkommen.
Schlussendlich geht es dem "glücklichen Sklaven" besser als dem widerspenstigen. Trotzdem muss man darauf beharren, die Sklaverei in Gänze abzuschaffen.
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saltoftheearth,
Donnerstag, 20. November 2008, 10:06
Deine Ratschläge an eine_n konkrete_n chilenische_n Arbeiter_in sind für die Betrachtung der Gesellschaft entweder irrelevant oder zynisch. Denn entweder ergeben sich gar keine gesamtgesellschaftlichen Schlussfolgerungen, oder die, dass besonders hart ausgebeutete Leute selber schuld sind, nicht hart genug verhandeln etc.Wieso? Es handelt sich eher um eine konkrete Angestellte als um anonyme Arbeiter.
Zynisch oder irrelavant ist das auch nicht, weil ich genauso agiere. Bin auch mal zu lange in einer Arbeitsstelle geblieben während gleichzeitig für mich bessere Verdienstmöglichkeiten existierten. Sehe da keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Chile und Deutschland.
Ja, auch Knechte können meist in gewissem Maße mit ihrem Herrn diskutieren, aber ich schrieb auch was von herrschaftsfrei.Ich könnte auch als Freelancer arbeiten... oder vielleicht sogar eine Firma gründen... insofern triffts diese Trennung von Herrn und Sklave nicht so ganz. Meine dokumentierten Erfahrungen und Kenntnisse stellen ja auch ein spezialisiertes Produktionsmittel dar, über dessen Einsatz letztlich ich entscheide.
"Identifikation mit dem Agressor" (gutes Stichwort) ab. Von ihren Bedürfnissen her sind die Wünsche der Arbeiter (kürzere und leichtere Arbeit, mehr Lohn) ja den Unternehmenszwecken entgegengesetzt, dahingehende Ideen sind natürlich unerwünschtGibt auch Situationen, in denen Mitarbeitern vernünftigerweise gesagt wird, ein bischen langsamer zu machen. Deine Sicht ist ziemlich simplifizierend.
... und wenns mal unter einem von den zahlreichen brilliant geniuses, die der Marxismus im Laufe der Zeit als Herrscher am Start hatte, mal weniger Ausbeutung/Unterdrückung gibt als unter den bisherigen realen Erfahrungen, wärs auch glaubwürdiger.
Schlussendlich geht es dem "glücklichen Sklaven" besser als dem widerspenstigen. Trotzdem muss man darauf beharren, die Sklaverei in Gänze abzuschaffen.In der Empirie finden diese reinen Typen von wegen "widerspenstig" oder "glücklich" nicht statt. Die Sklaverei ist für die meisten Menschen abgeschafft.
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