Mittwoch, 17. November 2010
Zur Kulturgeschichte der Chemischen Keule
Aus den 70er Jahren kenne ich die Chemische Keule (oder Maze) noch als eine Polizeiwaffe, die in Größe und Form etwa einer Maschinenpistole entsprach und analog den alten DDT-Zerstäubern zur Insektenbekämpfung eingesetzt wurde: In einer Flüssigkeit gelöstes Tränengas wurde manuell durch einen Druckmechanismus aus einem Rohr versprüht. Später, in den 80ern wurden die unhandlichen und auffäligen Geräte dann durch Handsprühdosen für CS-Gas ersetzt und diese inzwischen durch solche für Pfefferspray. Was mich mal interessieren würde: Existieren die Vorgängervarianten noch? Kotzgas wirkt ja viel schlimmer als Pfefferspray, und Großzerstäuber sind bei Dauereinsätzen effizienter.

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Ich glaube, es hat sich schon was geändert, auch bei der Polizei. Da sind inzwischen auch jede Menge junge Leute, die Castor oder Stuttgart21 nicht prickelnd finden und nicht gleich losprügeln oder sprühen.

In Wackersdorf etc. war das bewusste Eskalieren ja angeordnet, Strauß und Co wollten das so.

Heute kommt der flächenmäßige Einsatz von CS nicht mehr so gut.

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Wäre die Eskalation seit damals so weitergegangen, gäbe es heute wahrscheinlich Gummigeschosse (in Nordirland "Eye Eraser" genannt) und Sandkanonen statt Wasserwerfer. Und Schwarzer-Block-seitig wurde ja tatsächlich überlegt, von Signalmunition und Zwillen auf Feuerwerksraketen und Schleuderriemen mit Granitwürfeln aufzurüsten. Letzteres heute undenkbar.

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Der flächenmäßige Einsatz von CS (und allgemein von Gasen/Aerosolen) setzt eigentlich sehr konstante Windverhältnisse voraus sowie die Absicht, einer Menschenmenge eine bestimmte Bewegungsrichtung aufzuzwingen. Diese Menschenmenge würde sich durch Flucht erstmal der Situation entziehen, die Polizei müßte ihr folgen, um die Initiative zu behalten, was nicht der Fall wäre, bliebe die Menschenmenge an Ort und Stelle. Anderenfalls müßte die Polizei ihren eigenen Kräften das Anlegen von Atemschutz befehlen, was sehr hinderlich und kräftezehrend wäre. Der Einsatz von Pefferspray aus Sprühdosen erfolgt hingegen nur punktuell gegen Individuen, beläßt die Gesamtsituation also so, wie sie ist.

Um gegen Menschenmengen vorzugehen, setzen sich in den USA inzwischen vermehrt Schall-, Infraschall und (bislang nur in der US-Army) Mikrowellenwaffen durch, z.B. in New York City, aber auch in Gefängnissen. Auch die Sea Shepherd Conservation Society verfügt bereits über Schallwaffen. Während Schallwaffen vor allem die Augäpfel zum Vibrieren bringen und zu Sehstörungen führen und/oder schmerzhaften Lärm erzeugen, rufen Mikrowellenwaffen starke Hitzegefühle auf der Haut hervor.
Siehe Wikipedia unter: Riot Control, Crowd Control und Activ Denial System (http://en.wikipedia.org/wiki/Active_denial_system).

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ansonsten hatte ich vor 10-15 Jahren in HH zuweilen das Gefühl, dass die Bullen die Wasserwerfer mit abgestandenem, leicht stinkendem Wasser befüllen

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Beim Tränen- und Kotzgaseinsatz habe ich ja immer nur wahrgenommen, dass es irgendwie komisch roch und rechts und links neben mir die Leute zu Boden gingen. Howauchever, auf mich wirkt das Zeug nicht. Trotzdem hatte ich damals für den Fall der Fälle eine Gasmaske dabei, Modell israelische Armee. In Wackersdorf wurden ja 80.000 Leute kollektiv eingenebelt und gezielt eine Waldschneise heruntergetrieben, wo quer zur Menschenstampede mehrere leere Bullenwannen geparkt waren, damit die fernsehwirksam umgeworfen werden konnten. Großartige Inszenierung. Schallkanonen stelle ich mir fürchterbar vor. Wie schützt man sich denn vor denen?

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ansonsten gab es bei uns vor 20 Jahren den Spruch, dass der Hauptunterschied zwischen CDU/CSU- und SPD-regierten Bundesländern sei, dass erstere CS und CN, letztere nur CN einsetzten

p.s., immer noch lesenswert: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/sanis/archiv/cs/kap_00.htm

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Der Artikel war für uns damals linke Pflichtliteratur. Und so populär, dass ein Genosse beim Anblick eines Reisebusses mit der Aufschrift "Schermuly" fragte, ob das jetzt die neuen Mannschaftswagen seien und allgemeines Gelächter auslöste.

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In Anlehnung an eine damals populäre Werbung hieß es bei uns gerne:
"An meine Haut lasse ich nur Wasser und CS – WaWe 9"

Aber demnächst gibts ja allüberall WaWe 10. Die mit der Auge-raus-Garantie.

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Die Israelis haben ja die Steigerungsform: Sandstrahlgebläse statt Wasser.

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In Grön- und Lappland dann wohl Schneekanonen.

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In Dröhnland Schallkanonen. Wobei das alles eigentlich gar nicht lustig ist.

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Das ist in der Tat nicht lustig. Aber it's not in my nature so eine elfmeterartige Kalauervorlage ungenutzt liegen zu lassen.

Außerdem habe ich mir geschworen - wenn es je soweit kommen sollte - am Tag meiner Hinrichtung zu lachen und nicht zu jammern.

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Auf dem Weg zum Schafott fragt man zum Beispiel "Was für ein Trinkgeld bekommt denn ein Henker?"

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Stimmt leider nicht. Dem sagt man einfach nur: Hau ab!

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Und da war dann noch der Mann, der auf der Leiter zum Schafott ausrutschte und fluchte: "Der Tag fängt ja gut an!"

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