Mittwoch, 20. Juli 2011
Nein, so ist es nicht
Das Identitätskonzept der Heterosexualität wird nicht von der Angst vor den "Devianten" zusammengehalten oder von dem Ekel vor ihnen. Jedenfalls nicht bei allen Heteros oder der Mehrzahl von ihnen. Was sich in der Queer-Theory flott liest und von homo versus hetero betrachtet Sinn macht ist als Generalmodell dafür, wie sich Heterosexualität begründet oder formuliert völlig unbrauchbar.

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Dass Du hier Reden im Sinne der Heteronormativität schwingst, hat sogar bei Twitter schon für Aufsehen gesorgt - und Sottisen wie "was sich in der Queer Theory flott liest" gehören nun wirklich zu den außerordentlich blöden. Rayson-Style.

Wie "begründet" und "formuliert" sich denn "Heterosexualität"?

Ist schon erstaunlich, einerseits lange Reden über "Homosexualität" als Erfindung des 19… Jahrhunderts zu schwingen, aber "Heterosexualität" ist natürlich was ganz anderes.

Die Erfindung der "Homosexualität" gibt es, damit DU Dich normierst im Sinne der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems.

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Heterosexualität muss sich genauso wenig begründen, wie Schwerkraft oder Zellteilung.

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@"hat sogar bei Twitter schon für Aufsehen gesorgt" ---- Klar, war ja auch eine Antwort auf einen Twitter-Beitrag von Dir.


Ich würde mich ja durchaus als heterosexuell bezeichnen, zugleich auch als "deviant" im Sinne von BDSM-Neigungen, aber ich habe in meinem Leben niemals Abneigungen gegen Schwule oder gleichgeschlechtlichen Sex empfunden, von Ekelgefühlen ganz zu schweigen, nullkommanix in der Richtung, und meine Heterosexualität begründet und formuliert sich dadurch, dass ich Frauen (auch nur ganz bestimmte Frauen, ich bin da typmäßig enorm festgelegt, vielleicht zu meinem eigenen Nachteil) sexuell interessant finde und Männer eher nicht. Und in meinem überwiegend heterosexuellen Freundeskreis sieht das, so ich es beurteilen kann, nicht anders aus.


Dass sich Homophobie durch imaginierte Bedrohtheitsgefühle der eigenen Heterosexualität legitimiert würde ich jederzeit unterstreichen, dass sich Heterosexualität daraus speist hingegen nicht. Ich würde eher sagen, in den meisten heterosexuellen Sozialisationen von Männern, die ich halbwegs beurteilen kann, kommt die Möglichkeit des Schwulseins oder des darüber Nachdenkens gar nicht erst vor, also auch kein sich davon Bedroht Fühlen.

Wobei mein Motto ja durchaus "ein bißchen bi schadet nie" ist, ich davon ausgehe, dass Bisexualität am Ehesten in der "Natur" des Menschen liegen dürfte, ein einziges Mal Sex mit einem Mann hatte (den ich gut fand, aber nicht wiederholen würde), einige Frauen kenne, die phasenweise mal Beziehungen mit Frauen und mal mit Männern haben und sich nicht als Lesben definieren.

Ich vertrete ja gar keine scharfe Trennung zwischen Homo-und Heterosexualität, halte dieses Rumkategorisieren eher für Banane, aber die Vorstellung, dass die Selbstdefinition der überwiegenden Mehrheit der Heten etwas mit Bedrohtheitsgefühlen bezüglich von Nichtheten zu tun hätte halte ich für falsch. Selbst wenn die Nichtheten feindlich gegenüber eingestellt sind, so sind diese doch nicht konstituierend für ihre eigenen sexuellen Präferenzen.

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"Dass sich Homophobie durch imaginierte Bedrohtheitsgefühle der eigenen Heterosexualität legitimiert würde ich jederzeit unterstreichen, dass sich Heterosexualität daraus speist hingegen nicht.
Ja, das ist ja einfach das Konzept der Heteronormativität in anderen Worten. Da könntest Du auch jedem, der "Critical Whiteness" einfordert, entgegnen, Weißsein sei ja nicht zu befragen, sondern nur der Umgang mit Schwarzen.

Wie kannst Du denn bitte aus Deiner Dir ankonditionierten Bedürfniskonstellation eine Aussage über so was wie "Heterosexualität" ableiten?

Ganz plötzlich ist der Herr Che in die Ursprünglichkeitssuppe jenseits gesellschaftlicher Bedingtheit gehüpft.

Diese Gesellschaft ist aber so was getränkt mit Abgrenzungen gegen alles als "schwul" konnotierte, das abzustreiten ist schlicht finsterte Ideologie.

Was für ein Blödsinn. Das ist eine essentialistische Eigentlichkeitsvorstellung von Sexualität, die gerade dann hanebüchen ist, wenn man sich mal mit BDSM beschäftigt hat.

Insofern gilt für Dich das gleiche wie für @Willy: Heterosexualität ist keine genitale Praxis, sondern ein gesellschaftliches Konzept, das zur Ausgrenzung anderer Lebensformen dient, damit Männer auch weiterhin gestählt durchs Leben ziehen. Patriachalismus.

Mann, Mann, Mann.

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@Che:
...aber die Vorstellung, dass die Selbstdefinition der überwiegenden Mehrheit der Heten etwas mit Bedrohtheitsgefühlen bezüglich von Nichtheten zu tun hätte halte ich für falsch. Selbst wenn die Nichtheten feindlich gegenüber eingestellt sind, so sind diese doch nicht konstituierend für ihre eigenen sexuellen Präferenzen.

Sicher nicht, aber auf der gesamtgesellschaftlich- systemischen Ebene betrachtet konstituiert sich das Konzept der Heterosexualität schon auch in Abgrenzung zu anderen Orientierungen. Zu behaupten, die Bedrohung durch andere Entwürfe wäre gewissermaßen das konstituierende Element der Heterosexualität, scheint mir indes auch verdammt weit hergeholt. Die Anziehung durch das andere Geschlecht war bei mir schon ganz früh da, die Info, dass es auch andere Präferenzen geben könnte, erreichte mich erst sehr viel später und hatte für mich auch keinerlei praktische Relevanz. Eine Bedrohung meines erwachenden Heterosexuallebens durch Homos und Queere, die mich dazu gezwungen hätte, mich in die Heterosexualität zu verbarrikadieren, hat schlechterdings nicht stattgefunden, das Thema war mehr oder weniger nonexistent, mehr ist auf der persönlichen Ebene dazu nicht zu sagen.

Da macht aber die gesamtgesellschaftliche Betrachtung und Analyse nicht automatisch falsch.

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Ich habe die Beschimpfung "schwule Sau" erstmals in der Grundschule kennen gelernt und kannte niemanden, der das sein wollte. Und ich habe mich durch das "andere Geschlecht" ja nun auch in vielerlei Hinsicht angezogen gefühlt, ja, und? Hatte ich so gelernt.

Der Bruch kommt in Teenie-Jahren. Und, da haste recht, man kann schlecht die individuelle Erfahrung nun als Quelle gesellschaftlicher Konfigurationen annehmen. Dass man dann unter Linken auch mal mit 'nem Mann rum probiert hat, ist doch gar nicht Thema. Weil doch jeder weiß, was abgeht, wenn man da kontinuierlich mit Männern auftaucht.

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@Momorulez: Dann müsste man erstmal sehr über den Begriff der Heterosexualität streiten, es ist m.E. nämlich sowohl als auch - genitale Praxis und das von Dir beschriebene gesellschaftliche Konzept, nebeneinander, aber durchaus nicht identisch.


@"Wie kannst Du denn bitte aus Deiner Dir ankonditionierten Bedürfniskonstellation eine Aussage über so was wie "Heterosexualität" ableiten?" ---- Nun, solange wir überhaupt mit Begrifflichkeiten wie Homo- oder Heterosexualität operieren, würde ich diese meine Bedürfniskonstellation schon als heterosexuell definieren, oder das noch enger eingrenzen vielleicht auf schlankesportlichefrauenmitschwarzenoderhellblondenkurzenoder-
sehrlangenhaarensexuell, und weder in meiner eigenen Erfahrung noch der von den meisten heterosexuellen Männern und Frauen, die ich gut genug kenne, um darüber überhaupt etwas sagen zu können, kommt aggressive oder angstgeleitete Abgrenzung zu Schwulen oder Lesben in ihrer Selbstdefinition, Eigenwahrnehmung oder Entwicklungsgeschichte vor. Eher schon Nichtwahrnehmung.




@Mark: 100%ACK.

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Na, dass sich bei dem Thema die Heten total einig sind, bestätigt ja gewissermaßen die These - mehr als "ich bin doch nicht schwul!" habt ihr ja im Grunde genommen nicht gesagt.

Schon die Verengung von "Sexualität" auf die Penetration halte ich für ein heteronormatives Modell, und Deine individuelle Objektfixierung ist ja nun auch nicht auf "Frau", sondern etwas komplexer.

Diese Abgrenzung nimmst Du einfach nicht wahr. Gehe einfach mal ins Stadion und sperre die Ohren auf. Dass die Abgrenzung unter Heten so prima funktioniert, dass niemand sie schnallt, das ist ja das Ziel, klar. Ihr seid halt gut trainiert. Ich ja auch. Ich bin ja auch ganz brav schwul.

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@momorules:
Ich habe die Beschimpfung "schwule Sau" erstmals in der Grundschule kennen gelernt und kannte niemanden, der das sein wollte.

Klar. Aber zu meiner Grundschulzeit war (im Gegensatz zu heute) zum Beispiel auch "geile Sau" ein Schimpfwort. Wir haben uns alles Mögliche an Kraftworten um die Ohren gehauen, oft ohne genauen Peil, was das jeweilige Wort eigentlich bezeichnete.

Im übrigen weiß auch nicht so recht, was ich von dem Term "Deine Dir ankonditionierte Bedürfniskonstellation" halten soll, ob da nicht auch auch eine implizite Aussage mitschwingt à la "zum Hetero wirst Du erst gemacht". Was dann aber die Frage aufwerfen würde, wie denn bitteschön ein Schwuler gemacht wird, ob der das dann durch Gottes besondere Gnade geworden ist oder durch seine übermenschliche Überwindung des biogischen Reproduktionsprogramms.

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@"mehr als "ich bin doch nicht schwul!" habt ihr ja im Grunde genommen nicht gesagt." ---- Du liest halt nicht zu. Gesagt habe ich u.a. "meine sexuelle Selbstdefinition ist nicht durch Abgrenzung gegen Schwule geprägt worden", und das ist eine völlig andere Aussage. Wobei ich mich auch als überwiegend monosexuell bezeichnen könnte, Partnersex kommt in meinem Leben ja viel weniger vor als Sex mit mir selber, hinsichtlich Beziehungsproblemen, egal, ob Lesben, Schwule oder Heten die haben, könnte ich auch eine Dychotomie die Sexuellen vs. mich setzen.

Und auf der überindividuellen, allgemeinen Ebene habe ich gesagt, dass ich nicht denke, dass die Abgrenzung gegen Schwule und Lesben konstituierend ist für das Konzept der Heterosexualität. Konstituierend meinte ich im Sinne von ursächlich begründend, nicht im Sinne von aufrechterhaltend oder stabilisierend, letzteres dürfte vielfach der Fall sein.

Wie die Abgrenzung im Stadion schallt weiß ich. Was Du twittertest las sich aber so, dass sämtliche oder die meisten Heteros deswegen hetero wären, weil sie sich fortwährend angst- und ekelgeleitet vom Schwulsein abgrenzen würden, und so herum funktioniert es nicht. Der Stadionmob ist auch nicht die Gesamtheit oder Mehrheit der Heten.

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Der Stadionmob ist da lediglich etwas unkultivierter als Du hier gerade ...
"Konstituierend meinte ich im Sinne von ursächlich begründend"
Und was meinst Du damit? Was ist da "ursächlich begründend"? Der Trieb? Das zu penetrierende Objekt?

Schon erstaunlich, wie in linken Blogs der Mensch als Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse ganz plötzlich zum vorgeschichtlichen, reinen Subjekt der individuellen Erfahrung mutiert.

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"Heterosexualität ist keine genitale Praxis, sondern ein gesellschaftliches Konzept, das zur Ausgrenzung anderer Lebensformen dient, damit Männer auch weiterhin gestählt durchs Leben ziehen. Patriachalismus."

Ja klar, Sexualität ist ein Produkt von Diskursen.

So ein Quatsch, als hätte es zu vorgeschichtlichen Zeiten, als es keine Gesellschaft im heutigen Sinne gab, keine Heterosexualität gegeben, oder als käme sie bei Tieren nicht ebenso vor wie bei Menschen.

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Ein sprechender Zellhaufen!

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Schon erstaunlich, dass Du immer auf eine indirekte, in diesem Fall am politischen Bewusstsein ansetzende moralische Vorwurfsebene gehst, wenn man in grundsätzlichen Fragen anderer Auffassung ist als Du, Herr Psychotherapeutinnensohn.


Ursächlich begründet wird m.E. die sexuelle Orientierung durch Erziehung, allgemeines gesellschaftliches Umfeld, kindliche und juvenile Erfahrungen, hormonelle und genetische Komponenten und wahrscheinlich Faktoren, die man gar nicht so genau kennt. Ich las von einem Hirn- und Intelligenzforscher, selber schwul, der die Auffassung vertritt dass vorgeburtliche Erfahrungen die Hauptursache dafür seien, ob jemand hetero- oder homosexuell würde.

Dies jetzt auf der Ebene der sexuellen Praktik bzw. Partnerprämisse. Wenn Du unter Heterosexualität ein komplexes soziales Konzept verstehst, an das klassische Geschlechtsrollen geknüpft sind, erwartete Verhaltensweisen, die an Männlein/Weiblein geknüpft werden, komplexe Genderstrukturen stimme ich Dir zumindest teilweise zu. So etwas würde ich dann allerdings eher Heteronormativität, Heterosexismus oder das dominante heterosexuelle Rollenbild nennen, nicht Heterosexualität an sich.

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"Ein sprechender Zellhaufen!"

Ein inhaltliche Reaktion war von dir wohl auch nicht zu erwarten; es könnte ja dein Weltbild ins Wanken geraten.

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Bei Tieren von Homo- oder Heterosexualität zu sprechen ist Unsinn, da es sich hierbei durchaus um kulturelle Praktiken handelt, die Tieren unbekannt sind.

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Die allermeisten Tiere paaren sich so, dass Nachwuchs dabei herauskommt.

Ich weiß, bei Menschen kommt noch mehr dazu, aber die Beziehung zwischen Sexualität und Fortpflanzung ist auch beim Menschen nicht aufgehoben. Natürlich sind Menschen Tiere.

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Männliche Wölfe poppen einander mindestens so häufig wie Weibchen, ähnliches gilt für Stiere. Die Verknüpfung von Sex und Fortpflanzung ist ein Mythos bürgerlicher Biologie.

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"Wenn Du unter Heterosexualität ein komplexes soziales Konzept verstehst, an das klassische Geschlechtsrollen geknüpft sind, erwartete Verhaltensweisen, die an Männlein/Weiblein geknüpft werden, komplexe Genderstrukturen stimme ich Dir zumindest teilweise zu."
Na, dann stimmst Du somit der "am politischen Bewusstsein ansetzenden moralischen Vorwurfsebene" teilweise zu ;) ... und bist jetzt sogar bei der Bestimmung des "Ding an sichs" angelangt. Wow.

Diese frühe Schwangerschaftsnummer ist auch einer der guten Witze in diesem Zusammenhang, da haben wir schon Ende der 80er drüber gegackert. Da gab es die These, dass Schreck oder Traumatisierung während der Schwangerschaft Homos hervor bringt - bemerkenswerterweise wurde Lesben da wie üblich vergessen, die penetrieren ja nicht, womit auch schon der Phallozentrismus des Modells "Heterosexualität an sich" offenkundig sein dürfte. Vielleicht korrigiert mich da jetzt aber Nadine, die hat mich auf diesen Text überhaupt erst aufmerksam gemacht. Und ich dachte erst, der sei von 2005 oder so. Dass es ein aktueller ist, hat mich im Sinne des Zulesens doch arg erschreckt.

Und wir stellten uns damals immer vor, dass, wenn wir jetzt ständig Schwangere in Fussgängerzonen erschrecken gehen, es ein vielleicht ein paar mehr Schwule gibt :D ...

Die Theorie gibt es bezeichnenderweise auch bei Psychosen. Schwule, die solche Fragestellungen erforschen, sind echt die dämlichsten, mit Verlaub. Was immer auch geschieht, nie darf man so tief sinken ... und noch ein Beleg für die Richtigkeit der Ausgangs-These.

PS:
"Bei Tieren von Homo- oder Heterosexualität zu sprechen ist Unsinn, da es sich hierbei durchaus um kulturelle Praktiken handelt, die Tieren unbekannt sind."
Sag ich doch.

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"Männliche Wölfe poppen einander mindestens so häufig wie Weibchen, ähnliches gilt für Stiere."

Belege?

"Die Verknüpfung von Sex und Fortpflanzung ist ein Mythos bürgerlicher Biologie."

Wie würdest du unter dieser Voraussetzung erklären, warum es überhaupt sowas wie Sexualität gibt? Menschen könnten sich ja auch ohne Sex vermehren wie andere Tierarten.

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@Willy:

Meine Hündin wird rattenscharf bei läufigen, anderen Hündinnen und will sie hechelnd vor Lust besteigen; ist sie selbst läufig, steht sie auf Huskie-Typen und flirtet die an.

Die Natur ist so unglaublich viel vielfältiger, als Du das glaubst, Willy, Du mechanistisches, zum Großteil aus Wasser und Kohlenstoff bestehendes Tier, das hier seinen neurologischen Reflexen freien Lauf lässt. Welche biologische Funktion erfüllt denn diese Kommunikation hier gerade?

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Seltsam, mein Kater ist nur auf Katzen scharft und prügelt sich mit anderen Katern.

"Welche biologische Funktion erfüllt denn diese Kommunikation hier gerade?"

Die gleiche wie die gesamte menschliche Kultur: die Welt so zu gestalten, dass ich in ihr leben und meine Gene weitergeben kann.

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Aua!

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Wer will denn nun ausgerechnet Deine Gene?

Das muss ein Fehler im System sein. Wie ich ja auch, der ich als evolutionär höherstufig solchen niederen Zwängen wie der Fortpflanzung enthoben bin :D ... diesen Quatsch hat ein mir bekannter, schwuler Wissenschaftler tatsächlich mal behauptet. Mit diesen Modellen kann man halt jeden reaktionäre Scheiß irgendwie zurecht biegen.

Das ist ja das interessante an diesen naturalisierenden Ideologien, dass Interaktionsmuster, sogar die mit der Umwelt, komplett ausgeblendet werden. Irgendein ein innerer Impuls verursacht dann irgendwas Äußeres. "Gene weiter geben". Wie beim Staffellauf.

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Von ganz fataler Wirkung ist da das Buch "Das egoistische Gen" des Evolutionsbiologen Dawkins, das geradezu eine Kehrtwende zum Soziobiologismus in den Humanwissenschaften und bis hinein in die Pädagogik eingeleitet hat, nachdem in den 70ern die Milieutheorien Oberwasser hatten. Ich kenne sogar linke Biologen, die ernsthaft vertreten haben, eigentlich seien unsere politischen Ideale nicht zu verwirklichen, das scheitere am Egoismus der Gene.

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@Che:
Puh. Andererseits nimmt es nicht übermäßig wunder, wenn Biologen die Macht und den Egoismus der Gene überschätzen und Soziologen/Gender-Checker anderereits die Prägung durch die Gesellschaft. Wer nichts hat als einen Hammer, dem erscheint halt die ganze Welt als Nagel. Dabei würde es nicht viel Hirnschmalz kosten, darauf zu kommen, dass das eine womöglich mehr so eine Betriebssystem-Sache ist und das andere eher Anwenderprogramme auf einer anderen Ebene sind und dass sich zwischen diesen Instanzen auch durchaus Zielkonflikte ergeben können. Zu deren Resultanten zäht dann beispielsweise auch Kultur im weitesten Sinne.

Also die Tatsache der zweigeschlechtlichen Fortpflanzung impliziert ja nicht, dass es ein Tabu oder widernatürlich sein muss, wenn Männchen mit Männchen rummachen und Weibchen mit Weibchen. Das ist ja wohl eher eine kulturelle/soziale Festschreibung, die im Übrigen nicht in Stein gemeißelt ist.

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Der bislang schönste Satz in diesem Thread ist:
"Heterosexualität muss sich genauso wenig begründen, wie Schwerkraft oder Zellteilung."
Diese faszinierende Sentenz verdiente es, in eine 2x5-Meter-Messingplatte eingraviert zu werden.

Jene erste Wahrheit aussprechen heißt, die zweite sogleich ins Auge zu fassen: dass nämlich die Homosexualität jenes Privileg natürlicher ("Zellteilung") und naturgesetzlicher ("Schwerkraft") Begründungsfreiheit nicht in gleicher Weise genießen kann. Während nämlich der Heterosexuelle im Einklang steht mit dem Äonen und Galaxien umspannenden universalen Weltengesetz, darf vom Schwulen durchaus erwartet werden, dass er erst einmal sauber begründet, warum es ihn überhaupt gibt, und wieso er eigentlich meint, dass es ihn legitimerweise gibt.
Der Homosexuelle hat sich vor dem Heterosexuellen auszuweisen, nicht umgekehrt. Wäre ja noch schöner.

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@momorulez: "Schon die Verengung von "Sexualität" auf die Penetration halte ich für ein heteronormatives Modell" --- Da bin ich voll und ganz bei Dir, wurde ja in den 1980ern noch und nöcher thematisiert. Allerdings wurden dann daraus auch die falschen Konsequenzen gezogen, ist bei mir ja Dauerthema, was da an verkorksten normativen Sexualmoralen bei herauskam.


@noergler: Schöner hätte es niemand sagen können, Chapeau!

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@che:

Ich bin doch hier nur so rein geprescht, weil ich weiß, dass Du in ganz anderen Kategorien denkst, als obiger Eintrag vermuten lässt ;) ...

@Nörgler:

Ja. Exakt. Danke!

Und schön, dass Du wieder da bist!!!

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@Mark ganz weit oben:

Natürlich bin ich genau so in meine Rolle, mich entscheiden zu müssen und darauf ganze Lebensentwürfe aufzubauen, hinein konditioniert und habe auch all die homophoben Muster internalisiert. Ich hab mich das schon oft gefragt, in was für Lebensformen wir allesamt leben würden, wenn diese Dichotomie nicht als frühe Weichenstellung abverlangt würde und alles um die heterrosexuelle Zweierbeziehung und die Abweichung davon gruppiert wäre.

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@momorules:
Danke, dass Du darauf noch eingegangen bist. Natürlich hätte es mich auch sehr gewundert, wenn Du Dir Deiner spezifischen Konditionierungen nicht bewusst wärst.

Übrigens war beim Spreeblick vor einiger Zeit mal ein Interview mit einem (wenn ich mich recht entsinne schwulen) Sexualforscher verlinkt, der die provokante These vertrat, in nicht allzu ferner Zukunft würden Nichtschwule Männer nichts schlimmes mehr dabei finden, sich Blowjobs zu verpassen. Und wenngleich ich dieser Aussage auch ein bisschen Wunschdenken unterstellte, waren einige seiner Prämissen nicht ganz von der Hand zu weisen, etwa, dass sich Männer im Rahmen eines flotten Dreiers mit einer Frau auch zunehmend an ihren Geschlechtsgenossen rantrauen würden. Mal gucken, vielleicht hat diese Dichotomie Hetero/Homo in ein paar Jahren tatsächlich nicht mehr diese aufgeladene Bedeutung wie heute. Wenn ich den Link wiederfinde, liefere ich ihn nach.

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@momorulez: Der Punkt ist für mich der begriffliche Unterschied zwischen Heterosexualität (eine Frage der Partnerprämisse) und Heterosexismus/Heteronormativität oder, wie die Materialien für einen Neuen Antiimperialismus das nennen, Zwangsheterosexualität (ein gesellschaftsdominierendes Normsystem). Und ich fühle mich immer ein stückerlweit zwischen den Stühlen, zwischen sämtlichen. Männliche Rollenerfüllungsansprüche wurden mir nie anerzogen, wurde hauptsächlich durch Frauen und deren Wahrnehmungsweisen geprägt, ich fand die "männlichen Verhaltensweisen" eher strange, musste mir dann aber in Szenezusammenhängen Kritik für "machistisches Beschützerverhalten" anhängen lassen, als ich einen Knüppel abwehrte, der gegen eine Genossin gerichtet war, oder in einer Männergruppe und auch sonst wurde ich dafür kritisiert, dass ich in Beziehungskonflikten die Positionen der Frauen besser verstand als die der Männer - das war einerseits Entsolidarisierung, andererseits Anbaggertum. Nur verstand ich selbst einfach die Frauen besser als die Männer. Und mein Kampfsportler-Bergsteigertum macht mich für bestimmte Leute erst recht zum Hardcore-Macho.
Hinsichtlich von dem, was in dieser Gesellschaft an Rollenverhaltensweisen erwartet wird fühle ich mich komplett draußen.

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Hinsichtlich von dem, was in dieser Gesellschaft an Rollenverhaltensweisen erwartet wird fühle ich mich komplett draußen.

Auch wenn ich das "komplett draußen" für mich nicht vollumfänglich unterschreiben würde, kann ichs nachfühlen. In den etwas simpler gestrickten Teilbezirken meiner Nachbarschaft macht man sich voll den Kopp, wie ich denn als Hausmann/Homeofficer damit klarkomme, dass meine Frau karriere- und verdiensttechnisch den traditionell männlich besetzten Versorgerpart übernommen hat. Dass ich nicht ständig an den Stehtisch von Pauls Pinte gegenüber komme, um Altbier zu tanken und rumzupolitisieren, können sich einige nur so erklären, das ich wohl voll unter dem Pantoffel meiner Frau stehen muss. Die Vorstellung, dass mann da intrinsisch keinen Bock drauf haben könnte, ist der Stammbesatzung dort völlig fremd. Und angesichts der ganzen Schützenbrüder-Tradition und dem Karnevals-Gedöns komme ich mir als aus dem Süden Zugereister eh bisweilen vor wie ein Alien.

Aber alles in allem empfinde ich die Möglichkeit, Männlichkeit auch jenseits tradierter Rollenbilder und Erwartungen erproben zu können, als ein Riesengeschenk.

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Das ist es auch ohne jeden Zweifel. Und bei aller Kritik, die ich so an Szenekuriositäten übe ist mir derer Gesamtkontext natürlich immer noch lieber und näher als die NORMalität.

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„Mit diesen Modellen kann man halt jeden reaktionäre Scheiß irgendwie zurecht biegen.“

Pech nur dass die Modelle von einem ganzen Haufen von Forschungsergebnissen gestützt werden, anders als deine abstrusen Behauptungen über gesellschaftliche Konzepte usw.

Im übrigen habe ich immer noch keine Antwort auf die Frage, warum Menschen über so was wie Sexualität verfügen.

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@che, hast du "Das egoistische Gen" mal gelesen?

Ansonsten ist die typisch linksradikale Art, inhaltliche Auseinandersetzung mit alternativen Denkansätzen zu vermeiden, indem man sie auf die sofort auf die politische Ebene verschiebt und dadurch disqualifiziert (und nicht mal zu recht).

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Quatsch. Das sind verhältnismäßig simple, erkenntnistheoretische Erwägungen, die solche rechtsradikalen Naturalisierungen, wie Du sie vornimmst, ad absurdum führen.

Kein ernstzunehmender Forscher vertritt so was - die wissen in der Regel auch, dass sie nicht viel wissen und oft auch nicht, was warum funktioniert. Das hat mehr mit Spieltheorie und Zufall zu tun, was die da vor sich hin experimentieren, und die Guten wissen das auch.

Dieser monokausale Unfug für Anfänger ist schlicht unterkomplex. Auch so was wie Naturzwecke nimmt man allenfalls metaphorisch an. Dass es so was wie eine Selbsterhaltung biologischer Systeme z.B. gibt, die sich in Interaktionen mit Umweltbedingungen dann verändern, hat mit so was wie "Gene weiter geben" wenig zu tun.

Für soziale Zusammenhänge gibt es gar keine Sprache, die das naturwissenschaftlich fassen könnte.

Das ist Kosmologie wie bei von Däniken, was Du formulierst. Wissenschaft für "Die Bunte"-Leser.

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@"@che, hast du "Das egoistische Gen" mal gelesen?

Ansonsten ist die typisch linksradikale Art, inhaltliche Auseinandersetzung mit alternativen Denkansätzen zu vermeiden," ----- Ich habe über den ideengeschichtlichen Kontext, in dem u.a. dieses Buch entstanden ist promoviert. Und es gibt innerhalb der Anthropologie eine massive Kritik an der Soziobiologie, die darauf hinausläuft, den alten Sozialdarwinismus in neuem Gewand wieder salonfähig zu machen, und zwar als durchaus politisch gemeinte Aktion. Im Übrigen ist sein Verfasser, Dawkins, alles Andere als ein ´"wertfrei" (was es so m.E. gar nicht gibt) auftretender Naturwissenschaftler. Er gehört einer sektenartigen Vereinigung an, die sich die "Brights" nennen. Diese vertreten mit missionarischem Eifer eine naturalistische Realitäts- und Gesellschaftsauffassung. So eine Art modernisierte angloamerikanische Variante von Haeckels Monistenbund.

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na hab ich's mir doch gedacht, dass das hier noch rund geht. ich hätte allerdings auch dem ursprungsposting widersprechen wollen, wird doch die mitte einer karte maßgeblich vom rand her kartographiert.

dass "generische personen" (connell) versuchen, die diskussion auf pm-niveau zu ziehen, war zu erwarten.
die mangelnde historizität in der debattte kultureller und sozialer praxis ist gelegentlich tatsächlich atemberaubend.

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Es fehlt hier die migrantische Perspektive.
Die Diskussion, wie Sie hier verläuft, ist unzeitgemäss monokulti und recht biodeutsch zentriert.

Man sollte zunächst den Dialog mit Vertretern migrantischer Verbände und Kultusgemeinden suchen bevor man diffuse Verallgemeinerungen zum Besten gibt.

Es besteht dort durchaus eine wissenschaftliche und differenzierte Sicht: z.B. die das z.B. der Genuss von Schweinefleisch schwul macht. Also wäre der Verzehr von Schnitzel und Wurst durchaus bestimmend bei der Entwicklung persönlichen Sexualität. Auch zum ungezwungenen Miteinander zwischen Schwulen und Heten, was manchmal sogar in migrantischen Herkunftsländern gesetzlich verankert ist.

Damit müsste man sich auseinandersetzen, ganz ergebnisoffen, und migrantische Einflüsse in den Diskurs aufnehmen.


Nur so nebenbei. Und wer jetzt gleich wieder darüber herfällt, ist braun bis in die Unterhose.

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@che, was Ihr in den Achtzigern da für Penetrationsdebatten geführt habt tät mich nun aber sehr interessieren. Ich kenne die Thematik ja nun einmal aus eigenem Erleben ;-) und einmal aus den Diskussionen in Frauenlesbenkreisden der Neunziger, aber gemischte linke Gruppen in den Achtzigern, was handelten die da ab? Und was für Blödfug kam in der Praxis bei raus (das kann ich mir noch am ehesten vorstellen, weia!)?

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Das fing im Ursprung sehr sinnvoll an. So eine Kernposition war, dass eine Vorstellung von Sex, die vaginale Penetration zum Mittelpunkt hat, ebenso patriarchal ist wie langweilig - einerseits phallokratisch, andererseits zig Möglichkeiten sexueller Lusterfüllung ausblendend. Ob Oralverkehr, Ohrmuscheln ausschlecken oder Füße kauen, sonstige Formen körperlicher Befriedigung (was soll eigentlich dieses blöde Wort? Es wird erregt und genossen!) werden da missachtet. Vielfältige und nicht HERRschaftliche Formen von Sex zu praktizieren, das war so die Prämisse. Freiheit liegt im freien Ausprobieren, so etwa.
Begriffe wie heterosexuelle Matrix kannten wir nicht, wir sprachen eher von patriarchalem Sexmodell odev Zwangsheterosexualität oder schlicht Machotum.


Das gerade beschriebene Modell klappte dann um in einen neuen moralischen Wertekanon: Penetration an sich sei schlecht und nur Formen von Sex, bei denen nicht penetriert wird OK, oder Penetration ein äußerster Vertrauensbeweis. Als ich damit kam, BDSM als alternative Möglichkeit anzuführen wurde ich sehr schräg angesehen - pervers und außerhalb jeglicher linker Ideale, die spielerische Versklavung wurde als reale mißverstanden.


In der Praxis kam es zu Hierarchisierungen in der Art, dass Leute, die auf Penetrationssex stehen halt noch nicht so weit seien wie andere, alle mit Nichtpenetration verbundenen Praktiken quasi als politisch korrekter verstanden wurden (das war damals ein für uns positiv besetzter Begriff, kennste ja auch von Deinem Liebsten), und ich kenne so abstruse Geschichten, dass die Freundin eines Freundes meinte, als Konsequenz der Theorie dürfe er nur bis zum Eichelrand in sie eindringen, als sie dann mal penetrierend vögelten und beide das gut fanden war sie in ihrer Frauengruppe unten durch oder die Geschichte, dass ein sehr unmittelbar triebhafter Freund, der mit einer extrem PC-moralischen Frau liiert war von dieser zu hören bekam: "Du darfst mich jetzt penetrieren!", worauf er sich wegschmiss vor Lachen. Du wärst für diese Leute ein absoluter Kulturschock gewesen.

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Diese "Szene" damals hat es aber echt geschafft, aus jedem vernünftigen Ansatz irgendeine repressive Scheiße anzurühren. Bißchen mehr postmoderne Beliebigkeit und Spielfreude hätte da echt nicht geschadet.

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Völlig richtig, wobei das immer nur ein bestimmter Teil der Szene war, der solch einen Irrsinn hervorgebracht hat, und da deutlichst zwischen Uni- und Stadtszene unterschieden werden muss, Faustformel: Je weniger akademisch und je durchmischter, desto weniger durchgeknallt.

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Was für eine Diskussion! Ihr müsst euch mögen.

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Tun wir!

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