Samstag, 30. Juli 2011
Ganz der Alte
Im zarten Alter von 18 hatte ich mit meinem Vater ein heftige Auseinandersetzung. Es ging um mein politisches Engagement für einen Kurden, der von Abschiebung bedroht war. Man hatte seinen Asylantrag als offenkundig unbegründet abgelehnt, da es den kurdischen Arbeiterverein dem er angehörte in seinem Heimatdorf nicht gäbe und er ihm daher auch nicht angehören könnte. Die Türkei wurde damals von einer Generalsjunta regiert, und es ist da wohl verständlich, dass verbotene Organisationen keine Mitgliederlisten führten. Es wurde ihm verboten, seine deutsche Freundin zu heiraten, weil das eine Scheinehe zur Erlangung des Bleiberechts sei. Daraufhin klagte er gegen die Ablehnung seines Asylantrags und legte einen Brief vor, der seine Vereinsmitgliedschaft belegte, wurde aber erneut abgelehnt und in Abschiebehaft genommen. Nun arrangierte mein Vater ein Treffen mit Leuten aus unserer Antirassismusgruppe, dem Leiter der Ausländerbehörde und Vertretern der Ratsfraktionen von SPD, FDP und CDU, um dem Mann zu helfen. Bei diesem Gespräch kippte er um. Der Leiter der Ausländerbehörde erzählte, die Freundin des Kurden sei überhaupt keine Studentin, wie sie selber angäbe, sondern habe sich nur immatrikuliert, um die Leistungen des Studentenwerks in Anspruch nehmen zu können und würde mit einem gelben Sari bekleidet abends in einem Restaurant bedienen. Dabei grinste er süffisant, es war dieses Herrenwitz-na-sie-wissen-schon-Grinsen. Der Kurde sei ein ungelernter Arbeiter, bei dem schon mal Drogenbesitz festgestellt worden war und könne gar kein Linksradikaler sein, da ihm das intellektuelle Rüstzeug dazu fehle. Das war wohl so die Vorstellung, Exilanten wären alles nur Leute vom Schlag Tucholskys. Das Ergebnis war niederschmetternd. Die Vertreter der Parteien weigerten sich, irgend etwas für den Mann zu tun, und zuhause angekommen brüllte Vater mich an, wie ich denn dazu käme, ihn und damit seinen guten Namen für solches "Gesocks" einzusetzen. Für ihn waren das eine Prostituierte und ein Krimineller, und solchen Leuten hülfe man nicht. Der Kurde wurde dann abgeschoben.

Das ist Jahrzehnte her, und eigentlich hat mein Vater sich seither nach links entwickelt, meinte sogar erst kürzlich, das einzige, was in der aktuellen Krise helfe sei eine Revolution, und zwar eine tatsächliche.

In der Praxis sieht es aber doch wohl anders aus. Als er kürzlich mit einer BI, so einer richtig klassischen ökopazifistischen 40+-Initiative zu tun bekam regte er sich tierisch über diese auf, meinte, wer immer nur auf der Seite der Verlierer stünde könnte es zu nichts bringen und nannte sie samt und sonders Kommunisten, was für ihn plötzlich wieder etwas ganz ganz Schlimmes war und ebenso unzutreffend füpr leute, die ich eher als konsequente Linksliberale bezeichnen würde. Irgendwie hatte ich den Eindruck, seine Entwicklung der letzten Jahrzehnte habe nicht stattgefunden.

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Die schönen Redewendungen meiner Jugendzeit
kennen immer weniger Jugendliche, und der Schulhof redet heute eher wie das RTL/Sat1-Nachmittagsprogramm, voll krass ey.

"Ab in die Klafalle, der Spökenkieker sagt, es wird schütten wie mit Mollen, ich fin das nicht so toff." "Dufte finde ich das auch nicht, aber der Dösbaddel ist doch nen Happen detsch, den hab ich schon lange auf dem Kieker. Ich glaube eher, das wetter wird knorke!"


So redet heute niemand mehr.

Bei meinen Eltern hieß schlittschuhlaufen noch glisseken und Knast Kittchen. Konsequent sagte ich im Englischunterricht, gefragt, was Kitchen sei "Jail".

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