Mittwoch, 14. August 2013
Eine Art von Rezension – Queer_Feminismus. Label und Lebensrealität von Leah Bretz und Nadine Lantzsch
Wenn ich hier „Eine Art von Rezension“ schreibe hat das seinen guten Grund. Dies ist nicht nur eine Rezension, sondern stellt vielmehr einen Abgleich des Büchleins mit eigenen Erfahrungen aus linken emanzipatorischen Zusammenhängen dar, weil vieles, was die Autorinnen schreiben, mir fremd und doch gleichzeitig vertraut vorkommt und sich außerdemingens Synergien und Synchronizitäten zu dem ergeben, was Alter Bolschewik parallel auf Shifting Reality behandelt. Auch bei der Netbitch sind verwandte Themen und Fragestellungen verschiedentlich aufgetaucht. Fragwürdigen Erwartungshaltungen von Maskulinisten, Verschwörungstheoretikern oder Blogschlachtenbummlern möchte ich gleich eingangs eine Absage erteilen: Es geht mir nicht um ein Aufrechnen alter Konflikte mit Dritten oder Dritter mit den Autorinnen, die ich nicht kenne und gegen die ich nichts habe. Sondern es geht um den Gegenstand an sich, und das ist zwar die Materie Queerfeminismus, aber zunächst mal ein singuläres Buch.

Meine Erwartungshaltung als ich mit dem Lesen begann hatte zuförderlichst einmal darin bestanden, erläutert zu bekommen, worin sich Queerfeminismus von Feminismus im Allgemeinen unterscheidet, inwieweit queerfeministisches Denken in sonstiges feministisches Denken eingebettet ist, ich hatte eine Art Bestandsaufnahme des radikalen feministischen Denkens auf dem Status quo von jetzt erwartet. Diese Erwartungen erfüllt das Buch in keiner Weise. Schon formal fühlte ich mich etwas vor den Kopf gestoßen.

Bei Büchern, die von politisch aktiven Menschen über die eigenen politischen Inhalte geschrieben werden sind vor allem zwei Darstellungsformen üblich und verbreitet: Autobiografien bzw. Erlebnisberichte, die das eigene politische Denken und Handeln narrativ aus der eigenen Vita ausbreiten und zum anderen theoretische Arbeiten im engeren Sinne, die einen politischen Denkansatz aus der politischen Entwicklung und Rezeptionsgeschichte her darstellen. Nichts von Beidem geschieht hier, nach kurz abgerissenen Lebensläufen der Autorinnen wird hier fast übergangslos mitten in die Sache gesprungen. In einer nicht-erzählerischen, wissenschaftlichen Abhandlung eines politologischen Themas ist eine bestimmte Vorgehensweise normalerweise strikt vorgegeben: Eine einleitende Erläuterung des Themas, ein Abriss des bisherigen Diskussionsstandes und der wesentlichsten Kontroversen in der Diskussion und eine Abgrenzung des eigenen Ansatzes von den anderen, ehe vertieft zur Sache gegangen wird. Nichts davon findet statt (außer in ein paar lapidaren Sätzen über ein paar Seiten, wo es um hegemoniale Geschichtsschreibung und queere und antirassistische Gegenpositionen geht, dazu gleich noch mehr), als Leser muss ich raten oder aus der sonstigen Beschäftigung mit feministischer Theorie zwischen den Zeilen ableiten, worin sich Queerfeminismus von sonstigem Feminismus unterscheidet oder wie Queerfeminismus entstanden ist.

Noch nicht einmal ein abstracts, das eingangs die Kerngedanken zusammenfasst, Grundvoraussetzung der Veröffentlichung eines Aufsatzes in einer StudentInnenzeitschrift, ist vorhanden. Teilweise sehr provokante Positionen der Autorinnen, die auch im Widerspruch zu anderen feministischen oder antirassistischen Haltungen stehen werden nicht durch Quellenbelege, Zitate oder Sekundärtexte belegt, sondern einfach apodiktisch behauptet. Das ganze Büchlein kommt ohne Fußnoten aus. Auch das schmale Literaturverzeichnis am Ende, das einen Überblick über für das Buch relevante queerfeministische und antirassistische Literatur geben will bewegt sich ausschließlich innerhalb der eigenen Filterblase, Klassiker wie „Das Unbehagen der Geschlechter“ aka „Gender Troubles“, „Jenseits der Macht, „Strange fruit“ ….. fehlen komplett. An keiner mir bekannten Fakultät hätte ein solches Buch irgendeine Chance, als schriftliche Arbeit überhaupt zugelassen zu werden, da es rein handwerklich jegliche wissenschaftliche Arbeitsweise vermissen lässt.

Auf fast jeder Seite schrieb ich bei meiner anfänglichen Lektüre gleich mehrmals „Beleg?“ an den Seitenrand.

Gewöhnungsbedürftig, aber ambitioniert und interessant ist der Sprachstil der Autorinnen, Sprachdekonstruktivismus im besten Saussureschen Sinne, mit dem die Gewordenheit und gesellschaftliche Bedingtheit und Machtabhängigkeit von Begrifflichkeiten sehr schön verdeutlicht wird. So heißt es: „durch… hierarchisierungen verschiedener sprach_handlungen werden eurozentrische, weiße und akademisierte diskurse naturalisiert und normalisiert. sie werden also als „natürlich, ursprünglich, unveränderlich, vorgängig“ vorausgesetzt und diese herstellung weder als machtvoller prozess wahrnehmbar gemacht, noch als herstellung benannt…. sprach_handlungen scheinen lediglich in schriftlicher form vermittelbar, was wiederum ableismus, also diskriminierung_en, die aufgrund von zugeschriebenen, konstruierten und naturalisierten körperlichen und psychischen „fähigkeiten“ erfolgen, re_produziert“ S. 10. ff.

(Anm. d. Verf.: hier habe ich echt etwas dazugelernt, bisher bedeutete Ableismus für mich schlicht ein Synonym für Behindertenfeindlichkeit.)

Damit erfolge „Wegnennung“ von Quellen und somit, in fast allen genealogischen Erzählungen, eine Art zwangsläufiger Geschichtsklitterung. Bis zu diesem Punkt kann ich den Autorinnen sehr gut folgen und auch zustimmen, ich hatte ja selbst in der Auseinandersetzung mit Neuen Rechten einerseits und Wirtschaftsliberalen andererseits erlebt, wie bestimmte emanzipatorische Gedanken gar nicht mehr formulierbar gemacht werden sollen. Dann allerdings verlassen die Autorinnen den Boden der empirisch nachvollziehbaren Darstellung feministischer Geschichtsschreibung, wenn es heißt“ „wir möchten transparent machen, wie wir mit unserer queer_feministischen praxis in bezug zu verschiedenen geschichten und genealogien stehen….wir wollen die begriffe nicht ihren kontexten entreißen und mit völlig anderen be_deutungen füllen, weil wir verantwortung übernehmen, wenn wir bestimmte begriffe über_nehmen. es gibt allerdings nicht_die-erzählung von queer_feminismus. das wellenmodell lehnen wir als form der erzählenden einbettung feministischer geschichte ab, weil die eurozentrierenden, weißen, heteragegenderten und ableisierten normen dieser hegemonialen geschichtsschreibung bis heute kaum hinterfragt werden und damit ein großer teil feministischer geschichte, konflikt- und tradierungslinien sowie inhalte entmerkt und weg_genannt werden.“

Und hier schreit es bei mir geradezu: „Wo ist der Beleg?“. Dass die Standardinterpretation der Realität in einer heteronormativen Gesellschaft heteronormativ ist und dass weiß-männlich-heterosexuell noch immer das alles andere dominierende Muster ist lässt sich nicht abstreiten, dass queere und speziell lesbische Lebensrealítität permanent ausgeblendet wird („weggenannt“) auch nicht. Aber dies ausgerechnet an der Gschichtsschreibung festzumachen und dieser zu unterstellen, all die Thematiken, die sich aus der Wahl einer anderen Perspektive als whm ergeben zu unterdücken ist schon weit mehr als fragwürdig. In einschlägigen Zeitschriften wie Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis werden solche Fragestellungen sehr wohl diskutiert, und zwar kontinuierlich seit einer Zeit, als beide Autorinnen noch zur Grundschule gingen, gerade die Geschichtswissenschaft hat dem Dekonstruktivismus in der Tradition Bourdieus und Foucaults in Deutschland zum Durchbruch verholfen, Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte, Körpergeschichte, Umweltgeschichte sind längst im Mainstream angekommen. HistorikerInnen wie Karin Hausen, Maria Mies, Gerburg Treusch-Dieter, Adelheid von Saldern, Rebecca Habermas, Doris Kaufmann und Karl-Heinz Roth haben sehr viel dazu beigetragen, dass die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, des Waschens, der Hygiene, die mündlich überlieferte Geschichte der nicht schreibenden Unterschichten (oral history), die Geschichte sozialer Protestbewegungen und die Entwicklung von Geschlechtsrollen-orientierungen im Wandel der Zeiten für wichtiger oder zumindest genauso wichtig angesehen werden wie die offizielle Politik- und Staatsgeschichte, die in ihrer Reinform nur noch an inselartigen besonders konservativen Fakultäten in der Geschichtsforschung wie Bonn oder München vertreten wird. Dieser Paradigmenwechsel vollzog sich im Verlauf der Achtziger und Neunziger Jahre.

Die an die Gendertheorie anknüpfende Alltagsgeschichte wurde schon in den Achtzigern vom damaligen Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte vertreten. Mehr Establishment geht nicht.

Was die „weiße“ Geschichtsschreibung angeht erwähne ich die dem MPI nahestehende wichtige Zeitschrift Historische Anthropologie, in der nicht nur Beiträge von AutorInnen aus allen Weltregionen publiziert und solche mit definitiv antirassistischen Stoßrichtungen veröffentlich werden, sondern solch wunderschöne Provokationen wie die Beiträge von Gananath Obeyesekere, in denen er süffisant kolonialrassistische Stereotypen umdrehend sich durchaus wissenschaftlich ernsthaft damit beschäftigte, dass „der sogenannte Kannibalismus der Maori“ sich in Wirklichkeit nur auf den „Konsum von Europäern beschränkt“ habe und damit zu einem Zeitpunkt, als Frankreich gerade das Mururoa-Atoll in die Luft sprengte in der sog. „Südsee“ einen Cannibal-Chic auslöste. Die hegemonisierende, weiße, männliche Geschichtsschreibung ist innerhalb der Geschichtswissenschaft selber längst schon Geschichte geworden.

Im Sinne der Operationalisierbarkeit verschiedener Ansätze zum geeigneten Zeitpunkt im Rahmen postmoderner Philosophieauffassung folgerichtig, in der konkreten Form allerdings völlig ahistorisch wird es dann an dieser Stelle: „es gibt nach unserem verständnis keinen „ursprung“ von queer, genauso wenig wie es eine trennung von theorie und praxis gibt. es gibt lediglich verschiedene erzählungen, die je nach sozialer position für e_inen selbst im verborgenen liegen und die erst be_nannt werden müssen, bevor sie denk- reflektier-und verhandelbar sind.“


Damit sind wir einerseits beim zu ergründenden inneren Selbst, dessen Existenz von Foucault vehement abgelehnt wurde, andererseits jenseits jeder historisch entstandenen Entwicklungslinie. Im Folgenden nehmen die Autorinnen dann eine Unterteilung sexistischer Strukturen in verschiedene Kategorien vor, der ich wieder im Wesentlichen zustimmen kann (Kategorialgenderung, Androgenderung, Zweigenderung, Ciscgenderung, Heteragenderung und Reprogenderung), um dann allerdings zu einem Punkt zu kommen, den ich als intellektuellen Schuss ins eigene Knie bezeichnen würde: „über die verwendung des begriffs klassismus sind wir uns nicht sicher und auch nicht in allen aspekten einig. was ist eigentlich gemeint mit dem begriff? wer benutzt den begriff wie, in welchem kontext, mit welcher positionierung? sind damit (nur) ökonomische verhältnisse gemeint? was ist mit habitus? nicht teilhabe an bildung? der klassistischen ab_wertung von körpern, kultur, sprache, verhaltensweisen? muss ich mich auf marx beziehen, wenn ich klassismus thematisieren will?“ (S.17). Es klingt jetzt vielleicht gemein, aber bei dieser Passage fing eine alte Genossin von mir, ehemalige Emma-Mitstreiterin, lauthals zu lachen an. Eine derartige Offenbarung von „keine Ahnung“ in einem Buch, das sich als feministische Theorieschrift versteht ist schon beachtlich.

In der Traditionslinken wie in der Frauenbewegung ist der Zusammenhang zwischen Klasse und Patriarchat eigentlich klar, und abgesehen von obsoleten Diskussionen um Haupt- und Nebenwidersprüche recht eindeutig gefasst. Männliche Dominanz- und Besitzverhältnisse sind demzufolge historisch zwangsläufig miteinander verknüpft. Am Anfang des Patriarchats steht die jungsteinzeitliche Revolution, in deren Verlauf Männer sich den Besitz des Landes und des Viehs, die Kontrolle über die Waffen und über die Reproduktionsarbeit bzw. Arbeitskraft überhaupt der Frauen sicherten. Jede gesellschaftliche Formation seither kommt nicht ohne die Reproduktion ungleicher Besitz-und Geschlechterverhältnisse aus. Das ist so ganz grob die Matrix, die den Hintergrund sowohl marxorientierter als auch klassisch-feministischer Ansätze bildet (Klassiker: Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, Bebel, Die Frau und der Sozialismus, de Beauvoir, Das andere Geschlecht, Schwarzer, Der Kleine Unterschied und seine großen Folgen, mit den Themen aus den letzten Zeilen aus dem Zitat beschäftigte sich Bourdieu in "die feinen Unterschiede"), wenn das noch nicht einmal mehr gewusst wird eröffnet sich allerdings ein Abgrund an Desinformiertheit bei Leuten, die den Anspruch haben, Andere zu informieren.


http://de.wikipedia.org/wiki/Dreifachunterdr%C3%BCckung



Überhaupt scheinen den Autorinnen die Verknüpfungen von Diskriminierung-Marginalisierung-Sexismus-Rassismus und Ökonomie nicht klar zu sein, dann fehlt es allerdings an den Grundlagen der eigenen theoretischen Verortung. Und da die Diskriminierung marginalisierter Gruppen ohne sozioökonomische Theorie gedacht wird werden unterschiedliche Diskriminierungsverhältnisse aneinander gereiht bzw. unterschiedslos nebeneinandergestellt, neben Sexismus, Rassismus, „Klassismus“ und Homophobie z.B. Ableismus, Diskriminierung von Dauersingles ohne Partnerbeziehungen oder von Dicken.

Eine Perspektive von revolutionärer oder auch reformistischer Überwindung bestehender HERRschaftsverhältnisse haben die Autorinnen nicht, es geht ihnen vielmehr um die Einnahme der richtigen Haltungen und von punktuellen, situationsgebundenen „Interventionen“ gegen Dominanzsstrukturen. Bei Intervention würde ich als aktionsorientierter Linker nun an Frauen-schlagt-zurück-Vergewaltiger-wir-kriegen-euch-Aktionen, Notruftelefone oder Blockaden gegen Abschiebungen denken, aber auch das scheint wiederum nicht gemeint zu sein, sondern in erster Linie Sprechakte: hierarchisierte Verhältnisse und Privilegien verbal oder symbolisch sichtbar zu machen.

„wir begreifen jede form von denken_erleben_fühlen_sprechen_schreiben bereits als handeln, es gibt keine nicht-handlungen und keine prozesse, zustände oder gedanken, die einer handlung vorgängig sind. Somit ist eine gesellschaftliche struktur kein „fester“ zustand, sondern eine permanente handlung, wird durch handlungen hergestellt, gefestigt und aktualisiert…. Rund um den begriff handeln_handlung würde es sich im rahmen dieses buches anbieten, sich den begriffen „aktivismus“, „widerstand“, kampf“ und „bewegung_en“ w_ortend zu nähern. Wir haben uns gegen die verwendung und w_ortung dieser begriffe entschieden. Einerseits weil diese begriffe erneut hierarchisierungen zwischen handeln als aktivem „tun“ und nicht_handlungen generieren und somit ableismus re_produzieren. Andererseits weil sie in ihren konventionalisierten verwendungen nicht in gänze er_fassen, wie wir diese begriffe deuten. sie ziehen inhaltliche grenzen, wo wir keine sehen und hierarchisieren interventionen in diskriminierende strukturen und diskurse entlang einer entnannten androgegenderten_weißen_ableisierten norm.“ (S. 21 ff.) Manche Progressiven sind halt in erster Linie wortschrittlich.

Von der ersten und zweiten Generation der Frauenbewegung fühlen die Autorinnen sich nicht vertreten und konstatieren, dass diese auch nichts mit queeren Inhalten zu tun habe, sondern vor allem die Interessen heteroexueller weißer Frauen formuliert hätten. In Anbetracht der Tatsache, dass dazu die immer zum großen Teil aus Lesben bestehende Emma-Redaktion und gemischte hetera-lesbische Frauenzusammenhänge zu rechnen sind, die im Gegensatz zu Bretz und Lantzsch in strategischen Bündnissen und pragmatischer Arbeit denken und handeln wird dies der Sache nicht ganz gerecht, denn damit wird auch der sehr relevante Anteil queerer Frauen innerhalb der allgemeinen Frauenbewegung unterbelichtet. Unter dem Begriff „Umverteilung ohne Anerkennung“ wird von Privilegierten, z.B. Heten oder Männern erwartet oder verlangt, zugunsten von Marginalisierten zurückzutreten und Unterstützungs- oder Reproduktionsarbeit wahrzunehmen, den von Marginalisierung Betroffenen aber die SprecherInnenposition zu überlassen. Das finde ich gut, es ist aber nicht neu.

Aus meiner Biografie in linken Gruppierungen kenne ich die Herangehensweise, dass die Schüchternen, die Stotternden, die MigrantInnen usw. aufs Podium gehen oder die Texte schreiben oder vortragen sollen als eine Selbstverständlichkeit. Wenn das heute nicht mehr so ist – ich kann aus eigener Erfahrung nur über Leute sprechen, die ihre Sozialisation in links-emanzipatorischen Gruppen in den 1970ern, 80ern und 90ern erlebt haben und wenn heute noch aktiv so von den Youngsters abgeschnitten sind – dann dokumentiert dies, was eine emanzipatorische Bewegung alles an selbstverständlicher Kultur und selbstverständlichem Wissen inzwischen verloren hat. Oder aber es dokumentiert nur den Binnenhorizont einer kleinen Subkultur, so etwas kenne ich ja auch aus eigenem Erleben. Über den Theoriestand des Queerfeminismus habe ich aus dem Buch so gut wie nichts erfahren.

Btw. Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es Anderen juckt (Samuel Beckkett).

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...auf Fußnoten zu verzichten, finde ich sogar gut. Irgendwann muß jemand doch einmal etwas besseres einfallen, als diese scheußlichen, ablenkenden Fußnoten, besonders, wenn sie ellenlang sind und massenhaft auftreten wie in soziologischen Aufsätzen. Verrückt finde ich diese komische Gender-Gapperei und die Wortneuschöpfungen auf dessen Grundlage, die wohl nicht im Sinne derjenigen sind, die diese Gapperei einmal eingeführt haben. Und: einmal ein bedeutendes Werk in der Literaturliste auszulassen, finde ich inzwischen auch besser, als die blöden Zitierkartelle, die sich aus diesem Zitierzwang ergeben. Diese Zitierkartelle sind eine echte Bedrohung der Wissenschaft mehr noch als Plagiate, weil sie Autoritätsgläubigkeit fördern und damit Empirie und Einsichten der Autoren zurückdrängen. Möglicherweise sind eben diese Zitierkartelle auch an den beanstandeten Vorurteilen schuld, die den whm unterstellt werden. Wenn eben jede afrikanische, kaukasische, indianische Wissenschaftlerin sich zwanghaft immer mit Foucault, Butler, de Beauvois beschäftigen muß, wenn sie ihre eigenen die afrikanischen, kaukasischen oder indianische Gesellschaften betreffenden Anliegen vorbringen möchte, dann stellt sich genau der Eurozentrismus ein, über den sie selbst sich beklagen.

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Das ist wohl auch kaum zu vermeiden; schließlich sind von Hobbes bis Foucault praktisch alle politischen Theorien von Europäern entwickelt worden. Ansonsten bliebe da wohl nur noch der Islam als Alternative.

Aber es ist schon seltsam, dass es white male science gibt, aber offenbar keine white male philosophy oder white male sociology.

Schön wäre auch white male deconstruction oder white male discours analysis.

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Was Du, Sozi ohne Partei da machst ist schlicht Ausstieg aus jeder Wissenschaftlichkeit, aus Beweisführung und Nachweisbarkeit.

@Willy: Demzufolge waren Kung Fu Tse, Mao Ze Dong, Ahmed Ben Bellah, Kwame Nkruma, Frantz Fanon, Che Guevara, Mahatma Gandhi, Fujiwaru Seika, Fukuzawa Yukichi und Amartja Zen also Europäer?

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Nein, aber soweit ich sehe beziehen die sich auch alle (bis auf Konfuzius und Gandhi, auf den sich heute kaum noch jemand beruft) auf europäische Theorien, Mao und Guevara auf den Marxismus/Leninismus, Fanon auf Sartres Existenzialismus, Sen hat in Cambridge studiert.

Die beiden Japaner kenne ich nicht.

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che, ist Deine Antwort hier wirklich konsistent ?
... Du scheinst, was sozi ohne partei schreibt, buchstäblich zu lesen. Ich lese diesen Kommentar dagegen eher als Polemik. Es steht dabei jedoch zu vermuten, dass es sich nicht um eine haltlose Polemik á la willy (oder wie sie notwendig von mir lediglich vorgetragen werden könnte) handelt. Er scheint dann doch ein paar soziologische Texte gelesen zu haben.

Denn wenn er von "Zitierkartellen" spricht, dann spricht er genau jenes Phänomen an, weswegen ich mich immer von solchen Kreisen abgestoßen fühlte:

"Wenn eben jede afrikanische, kaukasische, indianische Wissenschaftlerin sich zwanghaft immer mit Foucault, Butler, de Beauvois beschäftigen muß, wenn sie ihre eigenen die afrikanischen, kaukasischen oder indianische Gesellschaften betreffenden Anliegen vorbringen möchte, dann stellt sich genau der Eurozentrismus ein, über den sie selbst sich beklagen."

Hier eine analoge Polemik vom Blinden Hund:

"Dass es sich bei einem Vortrag über ein Phänomen X um einen germanistischen oder kulturwissenschaftlichen Vortrag handelt, erkennt man daran, dass X mit Begriffen oder Theoremen von Kierkegaard, Nietzsche, Heidegger, Benjamin, Adorno, Levinas, Derrida und Agamben umschrieben wird, wobei keiner dieser Begriffe und keines dieser Theoreme auch nur in einem Satz erläutert wird. Das ganze findet auf einer germanistischen oder kulturwissenschaftlichen Fachtagung statt genau dann, wenn in der anschließenden Diskussionsrunde niemand nachfragt, was diese Begriffe oder Theoreme eigentlich besagen, inwiefern sie miteinander vereinbar sind oder was genau sie mit X zu tun haben." Link

Namedropping, zwanghaftes Zitieren der immergleichen Quellen - beides enthebt nicht von der Pflicht, Behauptungen auszuweisen. sozi ohne parteis Polemik setzt m.E. ganz woanders an, als dass er nun verlangte, dass - nicht genug, dass das, wie von Dir moniert, nicht ohnehin schon oft genug geschehe - wild mit irgendwelchen Behauptungen in der Luft herumgefuchtelt würde, sondern, dass das nun auch in wissenschaftlichen Publikationen zu geschehen habe.

Nein, an die Stelle solchen Herumgefuchtels, welches, wie gesagt, mich schon immer abgestoßen hat, welches aber, so mein Eindruck, eben für solche "subkulturellen" ökologischen Nischen syptomatisch ist, tritt Namedropping, welches sich infolge jenes Zitierzwanges legitimiert wähnt.

Aus des parteilosen sozi Polemik müsste aber doch gerade folgen, dass er ebenso beklagt, Leute wie Kung Fu Tse, Mao Ze Dong, Ahmed Ben Bellah, Kwame Nkruma, Frantz Fanon, Che Guevara, Mahatma Gandhi, Fujiwaru Seika, Fukuzawa Yukichi und Amartja Zen, die Du nanntest, würden an den Rand gedrängt.

Insofern finde ich Dein Reply nicht konsistent.

Namedropping gibt es natürlich auch in der Philosophie (dann allerdings mehr in informellen oder essayistischen Zusammenhängen). Hier haben die dann aber mehr die Funktion von Wegeschildern: Hier besser abzweigen Richtung Wittgenstein oder doch mehr in Richtung Hermeneutik á la Gadamer etc., wenn ein Grundwissen vorausgesetzt werden darf. Wobei, wenn ich solches sage, hinwiederum als bekannt vorausgesetzt wurde, dass wir hier es mit einem wittgensteinischen Bild (des späteren) zu tun haben.

Und manchmal wird dadurch einfach lediglich ein Theorem, ein Aphorismus oder eine bestimmte Theorie, die sich als Einzeiler darstellen lässt, benannt (Tarsky, Adorno, Russel).

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Ja, aber um all das ging es mir nicht, sondern darum, dass das Buch von Bretsch und Lantzsch rein handwerklich eine wissenschaftliche Arbeitsweise vermissen lässt. Stelle ich Behauptungen auf, ohne die inhaltlich herzuleiten oder zu begründen, dann bewege ich mich auf verdammt dünnem Eis. In dem Buch wird gar nichts begründet, es wird nur behauptet.

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starkzumachende Argumente - Fehlanzeige ?
mir geht es ähnlich wir dem alten bolschewiken - ich staune vor dieser Deiner Fleißarbeit, dieses Buch zu besprechen, und das heißt wohl auch, es ganz durchgelesen zu haben. Ich habe Deine Besprechung nicht ganz durchgelesen und irgendwann nur noch überflogen (sie ganz zu lesen kommt ja vielleicht noch). Auch scheinst Du das Princilple of Charity (nicht im herablassenden sinne) beherzigt zu haben, worunter ich die intellektuelle Redlichkeit verstehe, durchaus die Stellen aufzusuchen, wo sauber und konsistent argumentiert wird, wo Begründungen und Nachweise geliefert werden, um die betreffende Position so stark zu machen, wie möglich - um erst dann zum "Gegenangriff", zur Kritik überzugehen.

Dazu muss man natürlich das ganze Buch, wie gesagt, durchlesen, löblich, löblich - und für meinen Geschmack sehr, sehr tapfer!

Aber Du kennst Dich ja immerhin in der Thematik aus, daher dürfte es Dir weniger schwer gefallen sein, ein solches Vorhaben durchzuführen.

So habe ich Dich jedenfalls jetzt verstanden, dass, wenn Du solche starkzumachende Stellen gefunden hättest, Du sie auch gewürdigt hättest.

Ich glaube, von Deinen Vorkenntnissen her bist Du in der Lage, die Implikationen der dort aufgestellten Behauptungen abzusehen, weil Dir ein grundsätzliches Verständnis jener für meine Augen (im buchstäblichen Sinne) recht kruden Thesen/Behauptungen nicht abgeht. Daher glaube ich Dir auch, wenn Du sagst, dass an inhaltlichen Herleitungen mangelt.

Was die wissenschaftliche Arbeitsweise angeht, ist mir schon klar, dass Du Dich in Deiner Wissenschaftlerehre getroffen fühlst, wenn, was diese betrifft, leider erhebliche Mängel festzustellen sind.

Um diese Mängel nachzuweisen, musste dann eine ausführliche Besprechung her, also: Respekt!

Mir haben schon die paar zitierten Stellen gereicht.

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Lieber Che! Natürlich gehört es sich, Behauptungen zu begründen. Ein solcher Mangel ergibt sich aber nicht aus geringer Zitierfrequenz und dem Unterlassen von störenden Fußnoten (Ausnahme: Quellenangabe).

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@Willy: Demzufolge waren Kung Fu Tse, Mao Ze Dong, Ahmed Ben Bellah, Kwame Nkruma, Frantz Fanon, Che Guevara, Mahatma Gandhi, Fujiwaru Seika, Fukuzawa Yukichi und Amartja Zen also Europäer?
Soweit sie wissenschaftlich gearbeitet haben, aller Wahrscheinlichkeit nach ja.

Karl Marx zum Beispiel beschäftigt sich mit Geschichte, mit dem Aufkommen, mit dem Aufstieg und dem Sieg des progressiven Bürgertums über die Feudalordnung. Die kapitalistische Produktionsweise hat die feudale Ordnung gesprengt. Das ist alles hervorragend belegt: durch geschichtliche Chroniken, unzählige Werke von Autoren aus dem Mittelalter und der Neuzeit. Eigentlich sind die Belege Allgemeinbildung: Die Gründung der ersten Städte, das Zunftwesen, dann der Aufstieg der italienischen Handelsstädte wie Florenz und Venedig, die Reformationszeit, die Entstehung des Kapitalismus in Großbritannien u.v.m. Das ist alles richtig.

Nun kommt aber Suche Bator daher und reißt im Jahre 1922 in der Mongolei die Macht an sich. Was hat er vollbracht? Suche Bators Meinung nach habe die proletarische Revolution stattgefunden. Er hat nämlich Karl Marx gelesen, und genau wie Shoko Asahara meint, er sei Jesus Christus, meint er, eine proletarische Revolution anzuführen. Er hat gelesen, daß die gesamte Menschheit zunächst in der Urgesellschaft lebte, dann zur Sklavenhaltergesellschaft überging, dann den Feudalismus und schließlich den Kapitalismus einführte. Jetzt stehe der Sozialismus auf der Tagesordnung. Der Sieg des Sozialismus sei unausweichlich, meinte Suche Bator bei Karl Marx gelesen zu haben.

Nur: Karl Marx hat natürlich im Prinzip recht. Doch außerhalb Europas kann man seine Lehren nämlich nur bedingt anwenden, ganz besonders dort, wo gewöhnlich Stalinismen zu wüten pflegen, kann man diesen Geschichtsmechanismus nur bedingt anwenden. In vielen Ländern hat sich der Kapitalismus überhaupt nicht aus ihrer Gesellschaft heraus entwickelt, sondern ist per kolonialistischer Gewalt hereingebrochen. In der Mongolei gar ist noch nicht einmal das passiert. Deshalb meint Suche Bator, er habe den Kapitalismus übersprungen, und sei vom Feudalismus direkt in den Sozialismus übergegangen. Dabei ist auch das falsch: Es hat in der Mongolei auch keine Feudalordnung gegeben, in dem sich ein Bürgertum herausgebildet hätte, und ein Proletariat erst recht nicht. Eine proletarische Revolution kann also in der Mongolei überhaupt nicht stattgefunden haben. Auch "Sklavenhaltergesellschaft" und "Urgesellschaft" passen nicht auf die mongolische Gesellschaft. Es hat keine Sklaven gegeben, aber privates Eigentum, zwar keines an Grund & Boden, so daß die mongolische Gesellschaft feudal organisiert sein könnte, aber welches an Vieh, so daß sie also auch keine Urgesellschaft sein könnte.

Sehr kompliziert. Man muß auch bei den Theorien de Beauvois', Foucault und vieler anderer Europäer und Nichteuropäer damit rechnen, daß auch sie sich auf die europäische Zivilisation beziehen, und außerhalb dieser sich nur bedingt anwenden lassen. Das sollten sich insbesondere der paternalistische Feminismus hinter die Ohren schreiben. Universitäten und Wissenschaft sind europäische Einrichtungen. Selbst, wenn neo-, post- oder neuerdings retro-kolonialistische Eliten an Universitäten studieren, können sie dem Eurozentrismus nur schwer ausweichen, insbesondere dann, wenn man sie zwingt, die von europäischen Denkern hervorgebrachten Schablonen wie die von Karl Marx auf Gegenstände anzuwenden, die diese Denker wenn überhaupt nur am Rande untersucht haben.

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@die von europäischen Denkern hervorgebrachten Schablonen wie die von Karl Marx
Die möchte ich mal sehen. Die Skizze da oben ist ja nur eine Version des stalinistischen, mechanistischen Vulgärmarxismus.

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ich war DDR-Bürger und kann über eigene Erfahrungen berichten. Über diese Buchgläubigkeit der Stalinisten und deren Zwang, irgendeinem Zitat von Karl Marx, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Friedrich Engels oder Lenin einen höheren Wert beizumessen, als Empirie oder Lebenserfahrung kann ich auch nach einem Vierteljahrhundert nur den Kopf schütteln. Diese Kategorie der Notwendigkeit hat es ja auch in sich: die bürgerliche Revolution als notwendiges Ergebnis europäischer Geschichte. Daran ist ja auch nichts auszusetzen. Trotzdem widerspricht dieser Stalinismus mit seiner unbedingten geschichtlichen Folgerichtigkeit und dem unausweichlichem Sieg des Sozialismus erkennbar marxistischem Geist.

So etwas ähnliches erlebe ich jetzt mit dem Feminismus. Zunächst stört man sich an den Geschlechterrollen und Familienstrukturen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den 50ern und 60ern vorherrschten. Danach besann man sich eines Besseren, und die westliche Welt wurde feministisch. Und noch später traten die Femen und Alice Schwarzer auf den Plan, die so von ihrer Unübertreffbarkeit überzeugt waren, daß sie meinten, daß die ganze Welt an ihr teilhaben müßte. de Beauvois oder Brownmiller und die Erfahrungen mit den Hausfrauenehen der Adenauerzeit sind da bedeutend wichtiger als eine Analyse der sozioökonomischen Grundlagen der Geschlechterbeziehungen in außereuropäischen Gesellschaften, wo es Qashqai- und Tuareg-Nomaden gibt, deren Lebensgewohnheiten und gesellschaftlichen Normen weit weniger verhandelbar sind als die in der westlichen Welt, weil es um das nackte Überleben geht, wo der Kolonialismus deren Gesellschaften dysfunktionalisierte und man deren Wirkung deshalb auch berücksichtigen muß u.v.a.m. Das folgende Zitat, wenn ich es richtig verstanden habe, erscheint mir daher ohne weiteres evident:
das wellenmodell lehnen wir als form der erzählenden einbettung feministischer geschichte ab, weil die eurozentrierenden, weißen, heteragegenderten und ableisierten normen dieser hegemonialen geschichtsschreibung bis heute kaum hinterfragt werden und damit ein großer teil feministischer geschichte, konflikt- und tradierungslinien sowie inhalte entmerkt und weg_genannt werden.
All die von che genannten Veröffentlichungen reichen offensichtlich nicht aus. Alice Schwarzers Paternalismus und der der Femen herrscht offenbar in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch vor.

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Soeben sind neue Großbuchstaben eingetroffen! Sie machen Nadines Texte bedeutend lesbarer...

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Das ist ungefähr das was ich mir vorgestellt hatte.
„das wellenmodell lehnen wir als form der erzählenden einbettung feministischer geschichte ab, weil die eurozentrierenden, weißen, heteragegenderten und ableisierten normen dieser hegemonialen geschichtsschreibung bis heute kaum hinterfragt werden“

Logisch, die eigene Position ist natürlich aufgrund ihrer moralischen Vortrefflichkeit von jeder Hinterfragung befreit.

Ansonsten der übliche Brei von Konstruktivismus („„durch… hierarchisierungen verschiedener sprach_handlungen werden eurozentrische, weiße und akademisierte diskurse naturalisiert und normalisiert.“) und Relativismus („wir begreifen jede form von denken_erleben_fühlen_sprechen_schreiben bereits als handeln, es gibt keine nicht-handlungen und keine prozesse, zustände oder gedanken, die einer handlung vorgängig sind.“)

Für mich immer wieder verblüffend, wie man von einer nicht hinterfragbaren moralischen Position ausgehen und gleichzeitig einen allgemeinen moralischen Realitivismus („es gibt nichts außerhalb der Macht“) propagieren kann.

Welche Bedeutung haben eigentlich die ständigen Unterstriche mitten in Wörtern?

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eigentlich wollte ich nichts sagen
lieber Che,
eigentlich wollte ich zu diesem buch gar nichts sagen. Aber da ich es dir ja quasi beschert habe und du dir jetzt so viel Mühe gegeben hast, es zu besprechen, sage ich doch ein bisschen was.

Ich habe einen Gewinn aus diesem Buch gezogen und das war ihre Diskussion der Beziehungsnormen. Das kommt recht weit hinten. Diese ganze Reflexion fand ich wirklich interessant, weil es Fragen an die Welt stellt, die Welt inFRAGE stellt, die als Norm gesetzt ist, was Beziehungen angeht. Und das hat mir richtig gut gefallen.

Beim Lesen selbst haben mich die Sprache und die Unterstriche extrem behindert. Für die 80 Seiten Lesespaß habe ich eine 8-stündige Zugfahrt gebraucht. Damit mein Gehirn sich immer wieder einmal erholen konnte von der enormen Anstrengung. Die Unterstriche - so war mein Eindruck - weisen am Anfang noch recht einleuchtend auf Wortbedeutungen hin und auch wenn es anstrengend war, schienen sie Sinn zu machen. Doch je weiter ich las, desto beliebiger waren sie überall. Mein Kopf zermaterte sich an manchen Stellen regelrecht, weil der Unterstrich in gleichen Wörtern an unterschiedlichen Stellen war und ich verstehen wollte WIESO. aber es gab manchmal keine andere Antwort als: Tippfehler. Und das ist dann schon irgendwie frustrierend.

Aber das nur nebenbei. Ich finde diesen Aspekt interessant, weil ich einige nicht-neurotypische Menschen kenne, die aufgrund des Schreibstils, der sogenannten "sprachlichen Interventionen" dieses Buch gar nicht lesen könnten. So viel zu Ableismus.

Eine so tiefgehende Auseinandersetzung wie du hätte ich gar nicht zustande gebracht, weil mein Gehirn nach der Lektüre Brei war und ich gar nicht gewusst hätte, wo anfangen. Mit einigen Wochen Abstand zur Lektüre (und das Buch liegt bei dir) kann ich nur einen Gesamteindruck versuchen zu beschreiben:

Das Buch und die Protagonistinnen leben und feiern ihre Abgrenzung und Abschottung gegen die Gesellschaft. hier geht es nicht darum, Dinge anzugehen und zu verbessern. Die Gesellschaft ist böse, daran will man nicht teilhaben. Am Eindrucksvollsten empfand ich das bei der Passage zu "DIY", wo sie irgendwann sagen: Das ist ja nun aber auch Mainstream und wird in Läden verkauft - also lehnen wir das ab. Das ist etwa das Niveau: Mainstream - Malestream - ist generell abzulehnen. Da muss man nicht differenzieren.

Dass sie keine Belege liefern - meinetwegen. Aber sie liefern auch keine Argumente. Nur Behauptungen - ohne weitere Reflexion derselben. Außer im Kapitel zu Beziehungen.

Alles in allem: Ein Meisterstück der Komplexitätsreduktion! Und absolut nicht meine Welt. Ich bin sehr dankbar für das Buch. Ich konnte durch die Lektüre endgültig mit der ganzen Clique abschließen. Ich weiß jetzt, dass ich mich damit nicht weiter befassen muss. Deswegen habe ich dazu auch nichts weiter sagen wollen. Für mich war es damit gut. Ich konnte meinen Frieden damit machen. Und ich hoffe, dass durch meinen Kommentar hier nicht wieder irgendwelche Kämpfe geschürt werden. ich will das nicht mehr. Es ist genug.

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Eine lesenswerte Rezension, danke.

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Bezeichnend, dass das Büchlein seit März bei Amazon lieferbar ist, aber sich bisher nie_frau an eine Rezension gewagt hat.

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Doch!

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Diese Rezension von Antje Schrupp war ja für mich Anlass, mich überhaupt mit dem Thema zu befassen, und dann gab Kadda mir das Buch.

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Ich meinte natürlich keine Rezension und damit Bewertung bei Amazon.

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@ Die hegemonisierende, weiße, männliche Geschichtsschreibung ist innerhalb der Geschichtswissenschaft selber längst schon Geschichte geworden.


Dass das nicht wahrgenommen wird kömmt daher, dass das erstens keine Historikerinnen sind und sich zweitens die ganzen jüngeren Foucault-Anhängerinnen n den Sozialwissenschaften unmittelbar auf ihre Foucault-Lektüre beziehen und damit auf eine Wissenschaftskritik, die die positivistische Wissenschaft auf dem Status quo der Siebziger kritisierte. Das findet sich bei Momo oder Lars genauso.

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Meine Erwartungshaltung als ich mit dem Lesen begann hatte zuförderlichst einmal darin bestanden, erläutert zu bekommen, worin sich Queerfeminismus von Feminismus im Allgemeinen unterscheidet, inwieweit queerfeministisches Denken in sonstiges feministisches Denken eingebettet ist, ich hatte eine Art Bestandsaufnahme des radikalen feministischen Denkens auf dem Status quo von jetzt erwartet.
Der Titel und der geringe Umfang hätten eher einen populärwissenschaftlichen Inhalt erwarten lassen, also eine Einführung für wohlwollende Leser wie Antje Schrupp. Da hätten umfangreiche Literaturverzeichnisse das Werk nicht verbessert. Ein einführendes Buch sollte nach Möglichkeit self-contained sein. Namedropping geht da überhaupt nicht. Man müßte erläutern, inwieweit Foucault wichtig ist und warum, und was er ihr zu sagen hat. Auf der anderen Seite beugt man der Gefahr der akademischen Selbstreferentialität vor, wenn nicht ein abgeschlossener Kreis von Akademikern sich immerzu gegenseitig zitiert und Koryphäen zwanghaft bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Das und nicht die fehlenden Zitate und Fußnoten sind aber Nadines Problem. Ihr ganzer Kreis hat etwas Sektiererisches wie die oben genannten Stalinisten, für deren Blödheit Karl Marx natürlich nichts kann. Die Gegenstände ihres Weltbildes verstärken darüber hinaus auch das Sektenhafte. In ihren Schutzräumen (klingt irgendwie "Luftschutzkeller" oder so was) und ihrer gewöhnlichen Wissenschaftsfeindlichkeit ("feministische Kritik an positivistischer Wissenschaft") bildet sich dann so etwas wie eine Sonderwirklichkeit heraus. Antje Schrupp hingegen ist auch irgendwie esoterisch, aber doch anders: demokratischer, offener, neugieriger. Das erkennt man ja auch an den von ihnen geführten Diskussionen. Während sich bei Antje Schrupp Hinz & Kunz einfinden und zusammen mit Antje Schrupp und ihren Freundinnen sich Gedanken über den Zustand der Welt machen, ist bei Nadine Lantzsch alles verriegelt.

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@netbitch: exakt!
@sozi: na ja, mein Maßstab ist ja noch immer der des verhinderten Professors, und da gelten halt die Maßstäbe der vorweisbaren Wissenschaftlichkeit, die bei diesem Buch gar nicht gegeben sind.

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Man muß da zwischen dem Universitätsbetrieb und Wissenschaft unterscheiden. Nicht alles, was von der Universität kommt, ist einwandfreie Wissenschaft, auch, wenn es sich gewissenhaft an akademische Standards hält, s. Stalinisten. Selbst wenn Nadine sich gewissenhaft an akademische Gepflogenheiten halten würde, wäre ihr und das ihrer Kolleginnen Problem immer noch der geringe Bezug zur Wirklichkeit. Empirie ist zwar nicht alles, gehört aber zu Wissenschaftlichkeit dazu. Außerdem ist Nadines Buch kein Beitrag zu einer wissenschaftlichen Tagung, wo man davon ausgehen muß, daß alle Teilnehmer den Rahmen kennen, sondern eine Einführung für interessiertes Publikum. Dem muß man natürlich das Anliegen vermitteln. Das kommt dann auch der Wissenschaftlichkeit zugute, weil der Stoff aus diesem akademischen, selbst-referentiellen Rahmen heraustritt und öffentlichen Zweifel standhalten muß, was von Nadine aber als backlash verunglimpft werden würde, wovor man sich in Luftschutzkeller flüchten muß.

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Interessant ist die Lantzsch auch aufmerksamkeitsökonomisch, das sieht man aktuell an diesem Thread. Es wird über sie diskutiert, über ihr Buch, ihre Ansichten, wie schon so oft. Sie selbst diskutiert aber nirgendwo, lässt bei ihr keine Diskussionen zu, lässt sich auf keine Kritik ein, erwähnt diese nicht einmal, zumindest nicht konkret. Sie macht sich damit angreifbar und unangreifbar zugleich, das hat offenbar etwas Interessantes. Dazu kommt die Mischung aus persönlichen Bemerkungen, Betroffenheitsritualen, pubertärem Trotz und einem wissenschaftlichen, die Welt verändern wollenden Anspruch.

Das hat auch einen religiösen Touch, die Unberührbare, die Heilige, bzw. es erinnert an die Bundeskanzlerin. Über die wird sich auch überall das Maul zerissen, sie selbst meldet sich aber fast nie zu Wort. Alle paar Monate einmal mit einem fatalen Satz ("alternativlos"), der in den Folgemonaten auseinandergenommen wird, aber ohne jeden Kommentar von ihr. Dieses Rarmachen macht sie interessant, auch wenn sie im Grunde genommen völlig uninteressant ist. Jemand wie Gabriel fordert dagegen alle paar Tage etwas Neues, das nervt schnell.

In unseren aufmerksamkeitsökonomischen Zeiten ist das kaum zu unterschätzen.

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Nun ja, Frau Dr. Merkel interessiert mich nicht so dolle. Aber bezüglich Frau Lantzsch hast Du natürlich irgendwie recht. Die Mädchenmannschaft besteht ja nicht nur aus Nadine. Da gibt es ja noch Magda Albrecht, Helga Hansen, Nadja Shehadeh, diesen sanczny und viele andere, die ganz ähnlich wie sie drauf sind. Das ist akademisches Volk, das zusammen unter demselben Einfluß steht. Die gesamte Mädchenmannschaft droht sich ja in ihrem verbarrikadierten Luftschutzbunker von der übrigen Menschheit selbst auszuschließen. Das muß besser werden. shift-reality hat ja schon mit seinen Filterblasen-Threads einen Weg gezeigt, wie es besser geht, und ohne andauernd die Nadine zu ärgern.

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Nicht einmal im Ansatz ein Rezensionsversuch
Ich betrachte dieses Buch als eine Art Bestandsaufnahme.

Positiv:

Die beiden Autorinnen haben ein Buch zustande gebracht! Das ist nicht wenig, finde ich. Vielleicht steigern sich die Autorinnen in ihren nächsten Veröffentlichungen noch.

Weniger positiv:

Die gewählte Sprache ist in Stil und Duktus selbstreferentiell und geradezu selbstimmunisierend. Es geht also mehr um eine Art des "Empowering" der eigenen queerfeministischen Haltung - und weniger um einen offenen Diskurs, oder gar um ein aussichtsreiches Streiten für die eigenen Positionen (denn dann müssten die Autorinnen sich mit auch Positionen und Personen beschäftigen, die sie in Gänze ablehnen) - sondern ganz im Gegenteil um eine Abschottung gegenüber allem, was außerhalb des eigenen Referenzrahmens liegt.

Wertung:

Dieses Buch geht mich nichts an. Es betrifft mich nicht und es will auch nichts mit mir zu tun haben. Das ist völlig okay! :D

Den Autorinnen kann schon einmal nicht vorgeworfen werden, ihre Buchveröffentlichung diene als "Ticket" für irgendwelche Jobs oder Vorträge. Den Autorinnen ist auch nicht vorzuwerfen, dass sie sich mit ihrer Schreibe an einen breiten Kreis von Leser/innen "ranschmeißen" würden und damit versuchen würden, Leuten außerhalb queerfemnistischer Zusammenhänge irgend eine Meinung aufzunötigen. Es versucht auch nicht eine allgemeinverbindliche politische Haltung zu repräsentieren. Es möchte auch keine offene Diskussion über die eigenen Inhalte, sondern ganz im Gegenteil, es geht jeglicher offenen Reflektion durch Menschen, welche die eigenen Postulate nicht teilen, aus dem Weg. Das ist eine bemerkenswerte Leistung!

Ich denke nicht, dass mit dem Buch die Absicht bestand, einen Überblick über den Stand queerfeministischen Denkens zu geben. Es wurde einfach aufgeschrieben, was sich im Moment im Kopf der beiden Autorinnen befindet.

Und das ist gelungen! Nehme ich an. Vermutlich befindet sich in dem Buch auch der eine oder andere interessante Gedanke. Damit steht dieses Buch zum Beispiel mehrere Stockwerke oberhalb eines beliebigen Machwerkes von Thilo Sarrazin.

Da das Buch aber von Menschen wie mir garnicht gelesen werden möchte, folge ich diesem Ansinnen in aller gebotenen Demut.

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Ich denke nicht, dass mit dem Buch die Absicht bestand, einen Überblick über den Stand queerfeministischen Denkens zu geben.
Es wurde einfach mal Laut gegeben, damit die Menschheit nicht vergißt, daß sich tief unter ihren Füßen Luftschutzkeller befinden, in denen Queerfeministinnen hausen. Vielleicht kommt mal jemand sie besuchen. Noah Sow und momo wären gern gesehene Gäste. Jedoch gelten besondere, strenge Regeln, die nicht ganz dieselben sind, wie man sie in akademischen Kreisen an Akademiker stellt, obwohl Queerfeministen alle Akademiker sind, und als solche zu Queerfeministen wurden. Wer sich nicht an diese besonderen Regeln hält, wird am Kragen gepackt, fortgeschleppt, und vor einer zentnerschweren Eisentür wieder abgesetzt. Bevor der unerwünschte Besucher zur Besinnung gekommen ist, geht diese Tür mit lautem Knall zu, und er darf sich leise weinend davonschleichen.

So ist das. ...etwas gewöhnungsbedürftig so ein Benehmen aber trotzdem schönen Gruß in den Luftschutzkeller!

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Diese Bunkermetaphern mag ich gar nicht, zumal da ein widerwärtiger Video dahintersteht. Also sowas bitte nicht hier!

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Ein Luftschutzkeller ist etwas anderes als ein Führerbunker. Der Vergleich mit Luftschutzkellern ist trotzdem unpassend, da zwischen den Leuten, die in Luftschutzkellern campieren, gewöhnlich kein sozialer Zusammenhang und erst recht kein akademischer Zusammenhang besteht.

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Normalisierung: ständiges Bombardement
Der Vorzug dieser Metapher (die ich aber auch als zu krass und insgesamt eher unpassend empfinde) besteht darin, diese Duckweg-Haltung zu verdeutlichen, also, dass sich die Autorinnen gewissermaßen ständig (!) bombardiert fühlen. Bombardiert durch die überall drohende "Normalisierung". Bereits jeder offene akademische Diskurs ist in dieser Lesart ein Abweichung abtötender Normalisierungsprozess, der in letzter Konsequenz dazu dient, "marginalisierte Positionen" bzw. "Devianz" zu glätten oder sogar auszulöschen.

Obwohl eine Sehnsucht zu spüren ist (imho), Teil des akademischen Diskurses zu sein, wird der akademische Diskurs (inklusive solcher Dinge wie Belege und Fußnoten) in Gänze abgelehnt. Muss ja, denn anderenfalls drohen ebenjene "Normalisierungen". Das, was die Autorinnen dem entgegen stellen, wird dann mit großer Wurstigkeit weder nachvollziehbar begründet, noch überhaupt systematisch dargelegt.

Vielleicht ist da auch garnicht so viel. Die Autorinnen geben sich reflektiert - sind aber vielleicht doch eher nur affektiert, wenn mensch das mal ganz Böse fassen wollte. Die Broschüre enspringt nicht zuletzt dem besonderen Lebensgefühl und - auch das lässt sich sagen - "queerfeministischen Live-Style" - der Autorinnen.

Alles, was außerhalb dieses besonderen Lebensgefühls steht, das wird abgelehnt. Dazu rechnen natürlich auch Fußnoten. Fußnoten? Das haben sich sicherlich alte weiße heterosexuelle (pfui!) Männer (nochmals: pfui!) ausgedacht.

Somit ist sind Fußnoten nur Ausdruck eines gewalttätigen Unterdrückungsregimes! Auch die Unschuldsvermutung ("Rotz") ist ja nur ein weiteres Unterdrückungsinstrument, das sich gegen anti-normalisierenden Queerfeminismus richtet!

Okay - jetzt bin ich polemisch, engherzig und vom Horziont womöglich noch bechränkter als ich es den Autorinnen vorwerfe - jedenfalls werde ich mit dieser Polemik weder den Autorinnen, noch ihrer Broschüre, und schon garnicht ihrem Anliegen gerecht. Fairer Weise muss mensch auch anmerken, das manches in der Brochüre eben nur eine Momentaufnahme darstellt, gewissermaßen ein "Nadine erklärt sich", selbstverständlich inklusive der für sie (als Person) sehr typischen Großkotzigkeit und Wut auf so vieles, was ihr missfällt. Jedenfalls, der in der Broschüre gepflegte, sehr marottenhafte Umgang mit Sprache (an dem sich übrigens auch einige gute und/oder interessante Dinge finden lassen) ist ja inzwischen wieder Geschichte.

Und irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass es Nadine zur Zeit sauschlecht geht. Das nimmt meiner Freude an der Verbreitung von Häme jegliche Energie.

Vielleicht funktioniert dieser Lebensentwurf auch einfach nicht. Warum auch immer. Von Ferne betrachtet wirkt es auf mich tatsächlich heroisch (ernsthaft), wenn jemand sich so sehr darum bemüht, bestimmte Theorien und Hypothesen zur eigenen Lebensmaxime in allen Bereichen zu machen.

Ob es glücklich macht, ist dann offenkundig noch einmal eine andere Frage. Möglicherweise wird man dieser Broschüre am besten gerecht, wenn man sie in erster Linie als Ausdruck eines Suchprozesses liest.

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Ich sehe das alles doch noch mal anders. Eher so:

Feministische Positionen sind in der Linken wichtig, die Frauen-Lesben-Szene macht einen relevanten und bedeutsamen Teil der Neuen Sozialen Bewegungen und der undogmatisch-linken Szene aus. Da interessiert mich, wie sich Queerfeministinnen in dem Kontext verorten, aber für die beiden scheint es diesen Kontext gar nicht zu geben.

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Unhappy girl
Tear your web away
Saw thru all your bars
Melt your cell today
You are caught in a prison
Of your own devise

Unhappy girl
Fly fast away
Don't miss your chance
To swim in mystery
You are dying in a prison
Of your own device

(The Doors)

http://test-life.bandcamp.com/track/unhappy-girl

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Well, you´ve got it.

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Die sehr starke Fixierung auf
"Sprechakte" und "Sprecherposition" führt dazu, dass
Widersprüche nur noch darauf abgeklopft werden, welche Identität der/die Widersprecher/in hat. Weiß, heterosexuell ist dann schon ein Totschlagsargument. Muss ich mich nicht mit befassen, ist feindlich. Oder so. Das erschlägt jegliche Art von Diskurs.

Bretz und Lantzsch verfingen sich in ihrem Buch ja auch in der Identitätsfalle, als sie einerseits in dekonstruktivistischer Vorgehensweise Geschlechtsidentitäten auflösten und am Liebsten von Frauen und Männern nicht mehr sprechen wollen, andererseits aber bestreiten, dass Weiße überhaupt AntirassistInnen sein könnten. Das können demzufolge nur PoC. Da landen sie dann beim Positivrassismus.

Mir erscheint ja das Alles weniger als rationale politische Auseinandersetzung, sondern eher wie die Binnendiskussion eines Ordens strikter Observanz. "Dominikaner" und "Clarissen" nannten wir schon früher in der autonomen Szene die Extrem-PC-Moralischen.

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Dominikaner? - Geisterbeschwörer!
Wußtet ihr, daß der menschliche Organismus nicht auf Dauer von Süßgräsern leben kann? Trotzdem sind Süßgräser (Getreide) Grundnahrungsmittel der Europäer. Außerdem leben diese Europäer größtenteils in für sie klimatisch ungeeigneten Weltgegenden. Diese Europäer müssen doch verrückt sein! Wie erklärt man sich diesen Widerspruch? Nun, Menschen treiben arbeitsteilige Wirtschaft, verarbeiten ihre Nahrung, stellen Kleidung her, fangen Fische und züchten Nutztiere und Getreide, das danach mit Hilfe komplizierter Technologie für den Menschen verdaubar gemacht wird. Die Menschen müssen sich zu selbstgeschaffenen komplexen sozialen Organisationen zusammenfinden, weshalb Menschen einerseits über soziale Bedürfnisse (Anerkennung etc.) andererseits über die Sprache verfügen, um Kommunikationsprobleme zu lösen. Daneben verschaffen sich diese Menschen Einsichten in natürliche Vorgänge, damit Menschen Dinge vollbringen können, die eigentlich unmöglich sind, zum Beispiel von Süßgräsern in europäischen oder gar polaren Regionen überleben. Ein wichtiges Ergebnis dieser sozialen Organisation ist die Arbeitsteilung, wobei die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern eine der ältesten ist. Leider sichert dieser soziale Organismen nur das Überleben der Menschheit als Ganzes und nicht unbedingt das seiner Bestandteile. Er ist ungerecht eingerichtet. Da gibt es Hunger, Kriege, Armut u. dergl. mehr. Und dann gibt es noch das Elend alleinerziehender Mütter, Hausfrauenehen und schlimme Familienformen, ausländische Prostituierte, von denen man gemeinhin nur annimmt, daß sie ihren Beruf freiwillig ausübten u.v.m.

Und dann gibt es Idioten in verschiedenen Formen. Die einen meinen, diesen sozialen Organismen könne es gar nicht geben, weil Menschen Tiere sind, wofür der Bereich der Biologie allzuständig ist, die anderen sind Geisterbeschwörer. Für sie sind Menschen bedürfnislose sprech_handelnde Geister, die Gesellschaften bilden. Sie glauben darüber hinaus, daß kleine Jinns, die dreifach privilegierten WHM ihre Gesellschaft mit Macht durchzögen, um diese Gesellschaft zu unterdrücken und zu dominieren. Nur zweifach oder einfach oder überhaupt nicht privilegierte, d.h. einfach, zweifach oder gar dreifach diskriminierte Geister müßten sich daher an geweihte Orte zurückziehen, um sich sprech_handelnd zu stärken. Wichtig dabei ist der Ausschluß. Dreifach Privilegierte Geister entweihen die heiligen Orte, Drudenfüße und geschwenkte Weihrauchkannen vertreiben diese Geister nicht. Die Geister müssen schon am Kragen gepackt und entfernt werden. Nur zweifach oder einfach privilegierte Geister können anwesend sein, müßten aber die Schnauze halten, sobald ein nicht privilegierter Geist anhebt zu sprech_handeln. Zweck von Wissenschaft sei nicht, das Überleben der Menschheit zu sichern, sondern sich Dominanz zu verschaffen über nur zweifach, einfach oder überhaupt nicht diskriminierte Geister zu verschaffen, und müßte daher so umgemodelt werden, daß auch Wissenschaft zu einem solch geweihten Ort wird.

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Die starke Fixierung auf Sprache (und ihre damit einhergehende Überbewertung) ist ja für die ganze Denkrichtung typisch. Rassismus besteht für die ja auch im wesentlich in einem besonderen Sprachgebrauch, und es ist irgendwie klar, dass man die Realität damit aus den Augen verliert.

Passend dazu:

"Postmodernists, naturally, defend themselves against this criticism, with the response: yes, of course, there is - when all is said and done - something out there, the world, independently of language. But we can only get at the world through language. True, but we can also only get at language through the world. If there were no objective differences between shapes and sounds that we humans could recognize in common, we wouldn't be able to make the distinctions with which we talk to one another. But that doesn't prove that the world is everything and language of no account in arriving at various truths. Just so, the postmodernist's insistence (everything through language) doesn't show that language is, in effect, all that matters in the determination of truth. When postmodernists treat fallibilist, always provisional, claims to objective knowledge as equivalent to claims to absolute knowledge based on mere authority, they demonstrate that all knowledge for them is mere opinion - that for them, indeed, there is no truth."

http://normblog.typepad.com/normblog/2009/03/the-honest-truth.html

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Am Ende empfehle ich: Baut ein Kurs-System auf!
Nach Ansicht der Autorinnen befinden sie sich auch nicht innerhalb einer "Filterblase", welche die Ansicht der Realität teils doch sehr stark filtert - und zugleich laufend Bestätigungen für das eigene, radikalisierte Weltbild liefert - und Kritik an den eigenen Vorstellungen gruppendynamisch abprallen lässt..

Sondern:

Der komplette Rest (auch: wir) befinden sich in einer Filterblase - nämlich der "Normalisierung"*! So absurd sich dieser Gedanke - zumal vor der Folie dieser sektiererischen Gruppe - zunächst anlässt: Tatsächlich ist die Wahrnehmung der Realtität seitens der nicht-radikal-queerfeministischen Restwelt stark gefiltert.

Nur ist das wirklich ein Argument, und falls ja: wofür? Anything goes? Ich denke, der wesentliche Unterschied ist die Frage, wie stark die Filterung (seitens der Blasen-Angehörigen und den Blasen-Fremden):

Die Wahrnehmung der Realität
a) färbt
b) ggf. sogar unmöglich macht.

Und so wunderbar (doch, wirklich) die Selbstwahrnehmung als "Filterblase" auch ist, zu fragen ist vielleicht auch, ob einzelne Protagonist_innen (so auch die Autorinnen der Broschüre) vielleicht doch zu sehr den Kontakt mit der Restwelt verloren haben. Gucke ich mir z.B. die Bloggerinnen der Mädchenmannschaft an, habe ich nur in wenigen Fällen den Eindruck, dass hier eine "großzügige Restweltfilterung" bzw. "Restwelttaubheit" vorliegt.

Bei den Autorinnen der Broschüre indes: ist das der Fall, imho. Darum kann ich sie auch nicht mehr ernst nehmen. Die Frage ist hierbei nicht, ob die Autorinnen "deviant" sind (ich denke: die sind auf ihre Art sogar ausgesprochen angepasst und un-deviant), oder ob sie "deviante politische Positionen" vertreten (das tun sie - aber hallo!), sondern, ob es überhaupt noch eine Schnittstelle zwischen diesen Autorinnen und einer außerhalb dieser Filterblase existierenden Leserschaft gibt.

Genau das bestreite ich. Die Broschüre der Autorinnen rechne ich auch eher dem Komplex "Science Fiction" zu, denn der Sphäre politischer Literatur. Ernsthaft. Ich sehe sogar eine verblüffend weit reichende Ähnlichkeit zu Werken wie "Dianetics"...

Sollten die Autorinnen ein sehr ähnlich strukturiertes Kurs-System auf die Beine stellen, wie eben diese, äh, Kirche - dann hielte ich das für sehr konsequent, und überdies für einen lebenspraktischen Weg, finanziellen Struggle zu überwinden.

Denn Interessierte für derlei Kurse: Die gibt es ja ganz real!

(und die in diesen Kursen vermittelten Superkräfte und besonderen Erkenntnisse sind dann auch auf exakt dem gleichen Level wie die von Kursen der "Scientology Church")

*Spoiler: Ich wäre im direkten Vergleich geneigt, meine eigene Existenz als doch ziemlich randständig und stark "un-normalisiert" anzusehen, nicht zuletzt im Vergleich zu diesen gerade erwachsen werdenden Akademikern bildungsbürgerlicher Herkunft - aber was weiß ich schon...

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mit Hausmitteln fürn Hausgebrauch - Versuch einer Plausibelmachung plus Sympathiebekundung
„Wir begreifen jede Form von Denken, Erleben, Fühlen, Sprechen, Schreiben bereits als Handeln, es gibt keine Nicht-Handlungen und keine Prozesse, Zustände oder Gedanken, die einer Handlung vorgängig sind.“ –

Eine solche These ist natürlich an gewisse Bedingungen geknüpft. Jedoch würden die Autoren es vermutlich als pedantisch empfinden, wenn jemand als „Nicht-Handeln“ etwa meditative Zustände oder dergleichen anführte. Als (dem Handeln) vorgängige Prozesse könnten des weiteren etwa neuronale Zustände/Prozesse genannt werden. Der nächste Satz gibt uns jedoch einen Hinweis, wohin die Fahrt geht: eine gesellschaftliche Struktur sein "kein fester" Zustand. Weil die Autoren sich allem Anschein nach von der Austinschen Sprechakttheorie inspirieren ließen (die bekanntlich auch etwa in J. Butlers Theoriebildung einen zentralen Platz einnimmt), denn offenbar fassen sie insbesondere sprachliche Ereignisse als Handlugen auf, liegt also die Vermutung nahe, dass Akte wie Denken, Fühlen, Sprechen und Schreiben in den Augen der Autoren sowohl sprachlich -- und damit gesellschaftlich vermittelt sind. Mentale Akte und sprachliche Akte (denen auch etwa das Schreiben m. E. ohne Probleme zugerechnet werden kann) als Handlungen aufzufassen, will mir zunächst nicht unplausibel erscheinen, wenn ich mir Austins Sprechakttheorie als Hilfestellung denke, um diese Prozesse zu modellieren.

Hierbei scheint es mir nicht notwendig, z. B. Theorien aus der Philosophie des Geistes, etwa den Mentalismus, heranzuziehen, der eine "Sprache des Geistes" annimmt, welche Verwendung finde, um (innere) mentale Ereignisse/Zustände zu prozessieren. Und offensichtlich ist dies nicht gemeint: dass jeder Handlung eine Handlung vorgängig wäre -- nämlich ein mentaler Akt, der wiederum im Sinne des Mentalismus sprachlich zu charakterisieren sei, es eine Sondersprache des Geistes gebe, die einmal "mentalese" genannt wurde. Selbstverständlich sind Sprechakte ohne gesellschaftliches Moment nicht denkbar; modellieren wir nun Gedanken und Gefühle im weitesten Sinne analog der Sprechakttheorie, also als Handlungen, so scheint es mir zulässig, eben Gefühle und Gedanken desgleichen als nicht abgelöst von Interaktionen, sprich gesellschaftlichen Kontexten zu denken. Das gesellschaftliche Moment als eine wie auch immer geartete Mixtur von Handlungen aufgefasst -- bei welchen Handlungen für uns Sprechakte im weitesten Sinne an prominenter Stelle stehen -- als weiteren Handlungen vorgängig anzunehmen, scheint mir zunächst einmal nicht unplausibel.

Insbesondere zu postulieren, so kontraintuitiv dies ist, dass es kein Nicht-Handeln gebe, wäre, einmal so unterwegs, einleuchtend. Zu schweigen kann in einem Gespräch sehr wohl als ein Akt, zwar womöglich weniger als ein Sprech-Akt, aber wohl doch als ein Akt, als Handlung im kommunikativen Prozess aufgefasst werden.

Wenn nun aber es schwer möglich scheint, überhaupt gar nicht zu handeln, oder, anders gesagt, es so aussieht, dass es Schwierigkeiten bereiten würde, Nicht-Handeln als gleichwertige Interaktion oder gleichwertigen Akt aufzufassen, dann ist es zumindest in gewissen Grenzen nachvollziehbar, gleichwohl eine gesellschaftliche Struktur, wenn, dann lediglich vordergründig als einen verfestigten Aggregatzustand zu definieren, und jene Handlungen und Akte, bei welchen es sich auch um Unterlassungen handeln kann, als Substrat aufzufassen, auf welchem gesellschaftliche Ereignisse fußen. Wie ich die Autoren verstehe, definieren sie das, was statische Aspekte einer Struktur ausmacht, als "permanente Handlung".

Dies halte ich zunächst für zulässig. Bis hierher meine Plausibelmachung der Sätze 1 bis 2 in diesem Zitat. Für meine Plausibelmachung musste ich allerdings ein paar Zusatzannahmen einführen, die von Lantzsch und Bretz nicht direkt ausgesprochen werden, bzw. ihre Ausführungen auf den trivialsten gemeinsamen Nenner des common sense zurückführen.

Selbstverständlich können Gedanken, Gefühle u. (schriftliche) Sprech-Akte als Handlungen aufgefasst werden. Und das "Es gibt keine Nicht-Handlungen und keine Prozesse, Zustände oder Gedanken, die einer Handlung vorgängig sind" -- was so, wie es dort steht, offensichtlich falsch ist -- habe ich dadurch plausibel zu machen versucht, dass ich diesen eigentlich sich jeder Evidenz entziehenden Behauptungssatz dahingehend erweiterte, dass das, was diesen Handlungen vorgängig ist, ebenfalls als Handlungen aufgefasst werden. Selbst Nicht-Handeln kann als Handeln -- und damit als Handlungen vorgängig -- aufgefasst werden. Wenn es kein Nicht-Handeln gibt, das einem Handeln vorgängig wäre, dann, so schließe ich scharfsinnig, wird es sich wohl um vorgängige Handlungen handeln. Es ergibt sich dadurch für mich eine skurrile Situation:

I.
Damit widerspreche ich der Idee, dass auch Gedanken einer Handlung nicht vorgängig seien. Ich greife jetzt die "Handlung" des Denken heraus, weil hier die Schwierigkeit, irgendwo oder irgendwann auf einen Beweisgrund für die Behauptungen von Lantzsch und Bretz zu stoßen, in meinen Augen am deutlichsten wird. Wir nehmen eine Petitio Principii in Dienst oder geraten in einen unendlichen Regress der Begründung. Dadurch, dass schlicht und einfach alles und jedes Handlung ist, ist wenig, wenn nicht nichts gewonnen. Hier kommt meine Interpretation an ihre Grenzen.

Ich vermute, dass die Autoren, indem sie die Möglichkeiten kausaler Beziehungen zw. Zuständen (oder Gedanken), Prozessen, Nicht-Handlungen ausschließen, sich hier in logische Widersprüche verwickeln. Nähmen wir die Autoren beim Wort, gäbe es nichts als Handlungen. Wir müssen uns alle Kausalitäten wegdenken, bei denen nicht Handlungen die Stelle der Ursache einnehmen. Ein seltsamer Handlungsmonismus, der paradoxerweise die Option des Nicht-Handelns offen lässt:

II.
Wenn wir uns alle realweltlichen kausalen Beziehungen wegdenken, und Nicht-Handeln in einer Welt, die schlechterdings aus Handlungen besteht, keiner Handlung vorgängig ist, dann muss es dennoch etwas wie "Nicht-Handeln" geben, denn dieses Nicht-Handeln zieht nichts nach sich, wenn es keiner Handlung vorgängig ist. Denn, wie gesagt, damit, einfach alles, selbst "feste Strukturen" zu Handlungen zu erklären, ist wenig bis nichts gewonnen. Und es ist beim besten Willen nicht plausibel, dass es nichts gäbe, das keine Handlung nach sich zöge in unserem kausalitätsbefreiten Universum.

Lantzsch/Beltz wenden sich davon ab, Begriffe wie „Aktivismus“, „Widerstand“, "Kampf“ und „Bewegung/en“ zu verwenden, weil sie "erneut Hierarchisierungen zwischen Handeln als aktivem „Tun“ und Nicht-Handlungen generieren und somit Ableismus reproduzieren." (Zitat typographisch renormalisiert) Sie wollen, was in meiner Plausibelmachung/Lesart zwar konsequent aber paradox ist, die Option des Nicht-Handelns nicht aufgeben.


Zwar pessimistisch bis opportunistisch -- sympathisch finde ich jedoch die Haltung, die daraus spricht, Nicht-Handlungen -- so oder so -- gleichwertig dem Handeln zuzuordnen.

Denn der Vorwurf aus sich kritisch dünkendem Munde, dass mensch dem Irrtum erliege, zu glauben sich jedwedem politischen Engagement enthalten oder ganz allgemein sich dem "Nichts-Tun" hingeben zu können, die Option des Nicht-Handelns wählen zu können, mit der Belehrung, dass es kein Nicht-Handeln gebe (denn es steht ja dabei dahinter, dass jed/e/r sich in einem politischen Kontext befinde, gewollt oder nicht gewollt, zu dem er oder sie sich gewollt oder nicht gewollt immer schon verhalte, die Flucht ins vermeintlich Unpolitische sei also nichts anderes als bürgerlich-dekadenter Defätismus), widerlegt sich selbstverständlich selbst, weil 1. dem/der anderen Uneinsichtigkeit vorgeworfen wird - in Wirklichkeit ist es lediglich die Verweigerung, eine Standart-Floskel nachzuplappern -, die trotzköpfig vermeine, "nichts" tun zu können, & 2. sich über das fehlende Engagement empört wird, wofür das Verfallen-Sein einer solch verquasten Ideologie des Sich-Enthaltens, des Nicht-Handelns lediglich Symptom sei.

"Es gibt kein Nichts-Tun!!!" - mit wutverzerrtem Gesicht wird einem es ins eigene hineingeschrien. Sprechaktheoretisch paradox.

Wie gesagt, ich finde diese etwas trotzköpfige Verweigerung jenem linksüblichen Appell gegenüber sympathisch. Die Verweigerung, sich dem akademischen Diskurs zu stellen ist, so gesehen, konsistent. Es ist ihr gutes Recht, sich bisherigen feministischen usw. Diskursen zu entziehen, nur schütten sie damit, dass sie jede real-world Kausalverkettung ausblenden, das Kinde mit dem Bade aus. Argumentativ sich im Kreise drehend schweben sie irgendwie im luftleeren Raum. Auch dürften sie nicht für irgendeine wie auch immer geartete Praxis proponieren - außer für die des Nicht-Handelns - oder gegen irgendeine denkbare Praxis opponieren. Und ich bin der letzte, der ihnen dieses zum Vorwurf machen würde.

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Nur: Warum?

In meinen Augen liegt da vor allem eine skurrile Überschätzung der eigenen Lieblingstheoreme vor.

Es ist doch absurd: Um Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierungen zu schützen (ein nobles Ziel), verhunzen sie die Sprache, in dem naiven Glauben an einen Sprachzauber. Die Autorinnen glauben wirklich, dass der Verzicht auf die Unterscheidung von a) Handeln und b) Nichthandeln etwas sei, womit sich die Lage von behinderten Menschen erleichtern ließe.

Dass sie damit zugleich alle Menschen mit Behinderungen beleidigen, weil sie ja implizit behaupten, dass das Nichthandeln ungemein typisch für Menschen mit Behinderungen sei: Das merkt Nadine nicht, die sich diesen Bullshit ausgedacht hat. Den beiden Autorinnen entgeht darüber hinaus auch die vollständige (!) Nichtsnutzigkeit ihrer Argumentation:

Denn so gut wie kein einziger Behinderter auf der ganzen Welt freut sich darüber, dass die beiden Autorinnen Handeln und Nichthandeln in Eins setzen. Würde aber der vorgeschlagene Denk- und Sprachgebrauch der beiden Autorinnen allgemein, und schon allen Schülern in den Schulen gelehrt:

O Wei.

Vermutlich ließe sich hier aus der spezifischen Autorinnensicht einwenden, das wiederum auf die Institution der Schule bestens verzichtet werden könne, weil innerhalb der Schule unweigerlich "Normalisierungen" stattfinden - und die Unterschiede zwischen Privilegierten und weniger Privilegierten nur vergröbert werden...

Eine derartige Argumentation jedenfalls entspräche der typischen Methode in dieser Broschüre. Was ich damit sagen will: Es ist die fest stehende Methode der beiden Autorinnen, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

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ach, weißt Du, first_dr.dean, von meiner psychischen Konstitution und der daraus folgenden finanziellen Situation her gelte ich fast schon als behindert in einer Welt, in der die dummen Macher das Sagen haben. Ich lese Lantzsch/Bretz´ Text als für solche wie mich in die Bresche springend. Abgesehen von meinen lange Jahre gepflegten Süchten, meinen Allergien und meinen (noch) sehr unansehnlichen Zähnen (Termin am Montag beim Zahnartzt meines Vertrauens, finanzieller Zuschuss gesichert), bin ich sehr gesund, drücke mich verbal, also Schallwellen erzeugend, sehr deutlich genug aus, besser als meine oft wirren Kommentare, die ich verfasse, vermuten lassen. Ich bin im Vollbesitz aller meiner Glieder, und es würde mir nichts ausmachen, jetzt sofort 2 Stunden lang Joggen zu gehen. Auch verfüge ich über eine gesunde Grundintelligenz, die mir diesen Raubbau an geistigen Ressourcen bisher (bisher!) erlaubt hat. Aber spinnst Du? Jetzt soll ich "machen"? Wo denkst Du hin? Nichts hat je weniger bewirkt als dieses allgegenwärtige Machertum!

Wie ich ja schon das eine oder andere Mal erwähnt habe, mache ich hobbymäßig manchmal Musik. Aber: "Wer übt, kann nicht spielen - und fällt den anderen in den Rücken!" - ein alter Spruch aus der Punk-Szene. Nicht übertreiben! Nichts ist schlimmer als "fähige" Leute! In der Antike galt der Dilletantismus als Lebensform als hohe Kunstform.

Was ich ja eben versucht hatte, war, den aufsteigenden Qualm des von Dir so apostrophierten "Sprachzaubers" wegzuwedeln. Und Theorien aufzustellen, um aus ihnen praktische Vorschläge abzuleiten bzw. überhaupt aus einer gegebenen Theorie, nenne sie meinetwegen Sprachzauber, zur praktischen Aktivität überzugehen - solches Unterfangen sehe ich lediglich aus Ausrutscher an, die jedem mal passieren können.

Beim Ableismus geht es nicht darum, dass Leute manches nicht vermögen, sondern um diesen ekligen Fähigkeitsfetischismus.

Es ist einfach eine schlechte Angewohnheit, aus einem theoretischen Setting gleich eine praktische Forderung abzuleiten. Aber das tust Du - oder verlangst, dass dies möglich sein müsse. - Schlechte Angewohnheit, I tell you.

Und wenn Lantsch/Bretz nun praxisorientierte Vorschläge oder sogar Forderungen unterbreiten oder stellten, dann erlagen sie einfach ihrem Fähigkeitswahn - das ist aber eine menschliche, verständliche Illusion, etwas bewirken zu können. Wie gesagt, kann jedem, jeder mal passieren.

Wie gesagt, die Autorinnen sind absolut kohärent, indem sie jedem Fähigkeitswahn die Absage zu erteilen. Ich finde, Du gehst in dieselbe Falle, wenn Du beklagst, sie würden Forderungen stellen, die aus ihrer theoretischen Perspektive falsch gerechtfertigt seien, indem Du überhaupt akzeptierst oder unterstellst, dass sie überhaupt Forderungen stellen.

Du gehst ihnen auf den Leim, wenn Du erwartest, dass aus einer theoretischen Modifikation ein Unterschied des Machens sich ergeben würde - sofern es stimmt, dass Lantsch/Bretz solches in die Perspektive genommen haben. - Und natürlich können wir disabled persons helfen, wenn wir uns von diesem Machbarkeits- und Fähigkeitswahn endlich mal verabschieden.

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und meinen (noch) sehr unansehnlichen Zähnen (Termin am Montag beim Zahnartzt meines Vertrauens, finanzieller Zuschuss gesichert),
Nicht übertreiben! Nichts ist schlimmer als "fähige" Leute! In der Antike galt der Dilletantismus als Lebensform als hohe Kunstform.
Ich wünsche Dir trotzdem einen fähigen Zahnarzt, der zumindest während seines Studiums ausreichend geübt hat:
"Wer übt, kann nicht spielen - und fällt den anderen in den Rücken!" - ein alter Spruch aus der Punk-Szene.

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Mir kommt das alles ja wie eine unfreiwillige Satire auf das vor, was ich selber in der FrauenLesbenszene erlebt habe.

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Ach ja, Dein Auftritt als Kristina Schröder;-)

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Ich formulier das mal aus privilegienpimmelischer Sicht:
@ Ziggev

Erst mal alle guten Wünsche für die kommende Zahnsarnierung! Bei mir ist eigentlich nur ein einzelner Eckzahn fällig, das allerdings schon seit sehr vielen Wochen - und irgendwie bin ich zu faul, wegen ihm zum Zahnarzt zu gehen. Vor allelm ist der Zahnarzt meiner Wahl nicht mehr da. Und seine Nachfolgerin ist eine olle Beutelschneiderin, die den Großteil des Patientengesprächs dafür verwendet, um an mir (ausgerechnet...) ihre Schulungen zum Verkauf zusätzlicher Leistungen anzuwenden.

Tja, und so dulde ich seit einigen Monaten lieber den noch überschaubaren Zahnschmerz, als ich dieser Karikatur von einem Arzt noch einmal begegnen möchte, oder den zahlreichen "Kollegen", die ganz genauso widerwärtige, unangenehm geschäftstüchtige Ausplünderer sind.

@ Sprachzauber bzw. Sprachfetisch

Vorab möchte ich einmal offen legen, was so die Sachen sind, die mich prägen. So etwas beispielsweise, ein Gedicht von Anna Achmatova, die in ihren letzten 20 Lebensjahren ausgerechnet Isaiah Berlin geliebt hatte (vielleicht mehr aus Trotz, und als Vorbote einer besseren Zukunft, denn aus Hinwendung):

Ich kannte viele früh gewelkte Frauen
Von Schrecken, Furcht, Entsetzen ausgeglüht.
Des Leidens Keilschrift sah ich eingehauen
Auf Stirn und Wangen, die noch kaum geblüht.

Damit will ich sagen, mir sind politische Monismen jeglicher Art zuwider. Nun ist es sicher nicht ganz fair, die sprachstalinistischen Marotten von Bretz/Lantzsch in die Nähe eines tatsächlichen politischen Stalinismus zu rücken (davor bewahrt die Autorinnen ja auch der von dir zurecht bemerkte Fremdheit gegenüber einen "Fähigkeitsfetischismus", aber auch einem "Handlungsfetischismus" - den Autorinnen genügt es ja mitunter vollkommen, die eigenen Gefühlslagen auszuloten - und verbuchen das dann sogleich als politische Tat). Genauso wenig angemessen wäre es aber - so sehe ich das - in der Beschäftigung mit Ableismusfragen seitens der Autorinnen etwas anderes als ein "schmücke dein ideologisches Heim" zu sehen. Damit will ich den Autorinnen gewiss nicht jeden Idealismus absprechen, aber in diesem Falle dann eben doch. Ich könnte jederzeit 80 oder sogar 90 Prozent auf einem Behindertenausweis bekommen - und weiß leider nur allzu gut, wie es ist, wenn mensch bestimmte Dinge nicht mehr vermag.

(2 Stunden Joggen zum Beispiel wären ein Traum für mich: Die halbe Zeitdauer würde ich gerne mal eines Tages wieder bewältigen können - und dabei war ich mal so richtig topfit, tja)

Der Punkt ist: Ich fühle mich bei meinen "ableistischen Anteilen" (so nenne ich das mal - eigentlich stößt mich diese Art der Betrachtung einer Person ziemlich ab) ganz gewiss nicht von Bretz/Lantzsch vertreten. Wie du diese Empfindung mobilisieren kannst, ist mir so ziemlich ein Rätsel. Bei mir läuft da ein ganz anderer Film, in etwa so:
What the fuck you are telling me in my name???!!
Ich finds einfach nur dreist, sorry. Die manirierte Sprache, die nicht gerade rücksichtsvoll mit jenen umgeht, welche einen geringeren Bildungs- und Theoriestand haben, trägt da zu exakt diesem Eindruck bei, nämlich, dass bei den Autorinnen der Bezug auf Behinderte in etwa genau das ist, was bloggenden Neoliberalen mit einem großen Herz für anwendungsstarken Militarismus ihre Parteinahme "für Juden" ist.

Im konkreten Fall nämlich einen absoluten Scheißdreck, sobald es ein daher gelaufener Jude wagen sollte, die ideologischen Konstrukte anzuzweifeln. Dann wird ganz schnell und verblüffend massiv die Güllepumpe betätigt...

Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern.

Mein Problem ist auch bestimmt kein "Fähigkeitenfetischismus", so schmerzlich das Nicht-Können für mich oft genug ist. Ganz im Gegenteil: Wenn jemand zu irgendetwas fähig ist und damit etwas Schönes anfängt:

Das ist toll!

Der Punkt, wo es mir dann eventuell zuviel wird, das ist die gute alte Sache mit dem menschlichen Maß - also, wenn dieses überschritten wird. Im Rahmen der kapitalistischen Deformierung unserer Gesellschaft und unseres Arbeitslebens finden derartige Überschreitungen - leider - ziemlich häufig statt.

Deshalb muss ich mir oder anderen aber längst noch nicht das "Unfähigsein" wünschen. Mein Ideal ist da eher ein Nebeneinander. Also: Entspannt in der Sonne liegen! Und trotzdem was auf die Reihe bekommen (im Rahmen der eigenen Möglichkeiten)!

Und wenn ich mich mit politischen Konzepten und Ideen beschäftige: Dann lautet für mich nicht die entscheidende Fragestellung, welche guten Absichten damit verfolgt werden, sondern nicht zuletzt, was in der Praxis daraus folgt - und wie sich das konkret auswirkt, wenn es Praxis würde.

Unter diesem Gesichtspunkt, nun: Finde ich an dieser Broschüre kaum etwas, das mich anspricht, oder sonstwie den Eindruck auslöst, dass es irgendwen tatsächlich weiter bringt. Eher sehe ich dieses Werk als Ausdruck einer laut tönenden Eitelkeit, im Sinne von: "Seht alle her, wie unglaublich super-reflektiert ich doch bin". Zugleich aber vertstehen die Autorinnen Kritik an den eigenen Gedanken, die sie geäußert haben, reinweg als "Opression". Was sie ja nicht zuletzt dazu bringt, sich einem offenen (oder gar akademischen) Diskurs zu verweigern.

Das ist eine schöne neue Welt, wo ein jeder bzw. eine jede, die deine Ansichten kritisiert, sogleich ein "Unterdrücker" und/oder "Privilegienpimmel" ist.

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Malte Welding hatte es vor so zwei bis drei Jahren so ausgedrückt: Jede Geste ist ein hochgereckter Arm, der sagt: "Ich weiß was. Und du nicht."


Btw. mit realen FrauenundLesbenkämpfen hat das alles überhaupt nichts zu tun, und diese * _ Sprache erscheint eher als so ein akademischer Berliner Modetrend, an dem Gruppendistinktionen festgemacht werden.

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Oblomov und ein unnützer Text
first_dr.dean,
"Die manirierte Sprache, die nicht gerade rücksichtsvoll mit jenen umgeht, welche einen geringeren Bildungs- und Theoriestand haben, ..."
oder:
"Seht alle her, wie unglaublich super-reflektiert ich doch bin"
Ich habe noch nie bei Che soviel unreflektiertes Zeug und derartig beschämende Zeugnisse von Unbildung und theoretischer Unkenntnis gelesen. (Meine eigenen Kommentare diesmal nicht ausgenommen):

wir begreifen jede Form von -- was ist eigentlich eine "Form von"? Diese Phrase wird sonst gern in sich intellektuell gebärender Rede gebraucht beim Versuch, Besonderes in das kategoriale Schema des Sprechers zu pressen, der damit seinen theoretischen Durchblick unter Beweis stellen will. "Das ist eine Form von ..." jetzt kommt unvermeidlich irgend ein Substantiv, vorzugsweise eine Kette aus Sustantiven und Substantivierungen.

Der Nachteil dieser Phrase ist, dass, was z.B. "Denken" bedeutet, dadurch unscharf wird. Aber es ist immer sicherer, sich nicht festzulegen. Besser so viel wie möglich Fliegen mit einer Klatsche zu treffen. Was ist nun also Denken? - Egal, denn ich habe ja "jede Form von" gesagt. Eine abgestandene Marotte.

(Form von) denken_erleben_fühlen_sprechen_schreiben -- Gut. Anstelle eines Kommas ein Unterstrich. Als alter Arno Schmidt-Bewunderer für mich kein Beinbruch. Ein System habe ich aber bei der Verwendung des Unterstrichs nicht feststellen können. Ich sehe es ähnlich wie Che (gewöhnungsbedürftig) und kann mir vorstellen, dass netbitchs Vermutung zutrifft (Modetrend, Gruppendistinkstion). Es soll wohl zum Ausdruck gebracht werden, dass die Autorinnen diese Tätigkeiten als auf einen gemeinsamen Nenner gebracht behandelt sehen wollen. Aber wozu haben wir eigentlich eine ziemlich komplexe Sprache, die solches durchaus auszudrücken vermag ?

Vorteil: Wenn sie alles klein schreiben, brauchen die Autorinnen sich nicht zu fragen, wie sie mit der nicht eindeutigen Substantivierung (substantivisch gebrauchter Infinitiv ohne Artikel) umgehen wollen.

Warum schreiben sie nicht einfach: "Wir begreifen jedes Denken, Erleben, ..." ? Durch das Pronomen "jedes" wird der Infinitiv imho eindeutig substantivisch gebraucht, folglich muss er groß geschrieben werden. So einfach kann es sein - wenn eins sich die Mühe macht, es wenigstens zu versuchen, die Möglichkeiten der deutschen Sprache auszuschöpfen !

wir begreifen ... bereits als ... -- "bereits"? Die genannten Tätigkeiten werden also jetzt schon als YX begriffen. Und nicht erst wann ? Allein die dann folgende Aufzählung von Tätigkeiten hätte sie stutzig werden lassen müssen. Denn, soweit ich dies auf die Schnelle überblicken kann, lässt sich so gut wie an jeder der genannten Tätigkeiten (wobei eben mit "Tätigkeit" beim Fühlen oder Erleben möglicherweise bereits etwas zuviel gesagt ist - während gerade in der philosophischen Handlungstheorie gefragt wird, ob Handlungen immer mit einem Tätigsein verbunden sind) ein von anderen unterscheidbarer Handlungstyp exemplifizieren. Solche Fragen werden von der philosophischen Handlungstheorie behandelt. Insbesondere werden in derselben die Ursachen und die physikalischen Wirkungen von Handlungen untersucht. In der soziologischen Handlungstheorie befassen sich die Forscher mit Handlungen im Gegensatz zu Verhalten. Motive spielen eine wichtige Rolle. In der Rechtswissenschft spielt die Handlungstheorie einer Rolle bei der Frage, inwiefern juristische Entscheidungsprozesse sich computerbasiert modellieren lassen. In der Betriebswirtschaft bezüglich etwa des Verhaltens von Marktteilnehmern. Sie spielt, wie eins sich gut denken kann, in die Spieltheorie hinein.

"wir begreifen ... bereits als ..." -- Also offenbar bar jeder Kenntnis der einschlägigen Forschung. Das Wort 'Handlungstheorie' ist ihnen wahrscheinlich noch nie zu Ohren oder auch nur unter die Augen gekommen. Sie begreifen X,Y,Z jetzt schon als Handlungen - ohne sich auch nur einmal zu fragen, was sie unter "Handlung" zu verstehen gedenken.

Aber da sie ja in einem kauslitätsbefreiten Universum leben, ist das ja sowieso egal:

es gibt keine Nicht-Handlungen und keine Prozesse, Zustände oder Gedanken, die einer Handlung Vorgängig sind. -- Es gibt also nur Handlungen ohne Anfang, die sich in einem autopoietetischen Akt sich selber hervorbringen, besser sich immer schon selbst hervorgebracht haben. Wenn ich nicht gewillt oder fähig bin, einen Begriff näher zu bestimmen, ist es natürlich am bequemsten, ihn absolut zu setzen - am besten im sich revolutionär gebärdenden, alles über den Haufen werfenden himmelsstürmerischen Gestus. Wow! Leere Worte als Dekonstruktion! Vor allen Dingen: Was soll mir dann noch so ein oldschool-Gelaber von Kausalität!

Somit ist eine ... -- "Somit" ! Eigentlich ja ein schönes Wort. Gerade Logiker arbeiten sehr gewissenhaft mit den verschiedenen rhetorischen Färbungen, die solche Wörter, die eine logische Beziehung implizieren (oder zu implizieren scheinen). Darauf zu achten empfahl uns jedenfalls jener Uni-Professor bei philosophischen Texten - der, btw, epistemologische und hypothesenbildende - computerbasierte - Systeme entwarf und realisierte. (Und daher bei mir als Gaudi "also" nie rein logisch, sondern immer auch rhetorisch gebraucht.) Da fällt mir einer der Lieblingssprüche meines ehem. Deutschlehrers ein: "Das ist so allgemein wie richtig, mithin falsch." Oder anders gesagt, eine Implikation (wenn, dann), die von etwas Falschem ausgeht, also zuerst den allergrößten Unsinn behauptet, wie Latzsch/Beltz es unermüdlich sich angelegen sein lassen, ist als Gesamtaussage immer wahr. Egal, wie falsch der Nachsatz ist.

"Somit" dürfen wir unter diesen Voraussetzungen, ohne den Autorinnen Gewalt anzutun, zunächst auch rhetorisch lesen. Bloß leider bleibt es bei dieser Rhetorik. Freundlich ausgedrückt: Ein Scheinschluss.

Somit ist eine gesellschaftliche Struktur kein „fester“ Zustand, sondern eine permanente Handlung, wird durch Handlungen hergestellt, gefestigt und aktualisiert -- Das ist wirklich ein harter Brocken. Zunächst: Wenn alles Handlung ist, was ist dann eine "Struktur"? Und was ist offensichtlicher/selbstverständlicher, als dass Gesellschaften dynamische Systeme sind? Mich verlassen langsam meine Kräfte. Vor allen Dingen: Was ist eine "gesellschaftliche Struktur" (also per definitionem etwas 'festes') ? Den Autorinnen zufolge ist dieser "Zustand" - welch Allerweltswort, das eben etwas nichtdynamisches bezeichnet - eine "permanente Handlung". Nun, jetzt ergibt das "somit" einen Sinn: Wenn alles Handlung ist, dann müssen sich alle Konzepte in Begriffe des Handelns übersetzen lassen. Und das tun die Autorinnen hier, indem sie "'fester' Zustand" durch "permanente Handlung" ersetzen. Das ist aber keine Schlussfolgerung! Sondern lediglich eine sprachliche Ersetzung aus Treue zu ihrer einmal getroffenen definitorischen Festlegung. Wenn alles Handlung ist, ist eine permanente Handlung kein fester Zustand. Denn:
Einen solchen lässt dieser Handlungsmonismus nicht zu. Es handelt sich hier keineswegs um eine Schlussfolgerung, sondern es ist schlicht eine definitorische Angelegenheit - oder, anders gesagt: Wir benutzen für dasselbe andere Worte.

Also kein "somit", kein Schluss, bloß Worte. Dieser Zustand/permanente Handlung wird nun durch "Handlungen hergestellt" - wodurch also sonst? - "gefestigt" u. "aktualisiert". Durch die Unterscheidung "Zustand/permanente Handlung" ist also nichts gewonnen. Denn jeder Zustand wird von irgendetwas ge- bzw. unterstützt. Hierfür haben wir in englischen Texten das schöne Wort "to provide". Etwa: "is provided by ..."

- Rein grammatikalisch bezieht sich "wird durch Handlungen hergestellt, gefestigt und aktualisiert" auf die apostrophierte Struktur als festem Zustand, und nicht auf irgendwelche "permanente" Handlungen. Insofern sind die Autorinnen konsistent, wenn sie schreiben: "wird durch Handlungen hergestellt, gefestigt und aktualisiert". "Hergestellt" - das wissen wir schon, dass, wenn es irgend Ursachen gibt, dies nur Handlungen sein können; "gefestigt" - bitte noch einmal lesen: gefestigt: also Strukturen, die keine feste Zustände sind, sondern permanente Handlungen, unterliegen einem Prozess, durch welchen sie umso mehr fest werden.

Ach, das klingt nicht (wir haben uns eben gerade selber widerlegt), schieben wir noch schnell ein "aktualisiert" hinterher ! Klingt irgendwie intellektuell. Und eigentlich sind doch alle Phänomene Phänomene im Phänomen der Zeit.

Die Autorinnen, Leserinnen und Leser stehen also unverändert mit leeren Händen da.

Che sagte: Alles nur Behauptungen! Da lag er nicht ganz richtig. Behauptungssätze, ja. Wer sich aber lediglich tautologisch im Kreise dreht - hat der oder die wirklich etwas behauptet? Das sehe ich nicht so.

PS: ich habe etwas übertrieben, aber die Stunde Joggen krieg ich noch locker hin. 2 - 3 Mal wieder ausprobieren - und das geht dann schon. Witzigerweise brauche ich für dieselbe Strecke, wenn ich 1/4 davon gehe, fast exakt dieselbe Zeit. Also langsam - nicht schnell - joggen! Kleine Luftsprünge machen, sich dabei Dezimeter für Dezimeter nach Vorne bewegen. Wenn´s nervt, einfach gehen und verschnaufen. Mit einem Lächeln losgehen/-joggen u. mit einem Lächeln ankommen - das ist das Wichtigste! (ich denke da auch immer an "Miniskus".)

"Ableism" hatte ich von "able" ausgehend interpretiert. - Also dass das Fähigkeiten als Ideologie vorherrschen. Ich bewege mich da eher auf den Pfaden Oblomovs.

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Wenn ich mal ein Traktat schreibe, dann denke ich an Dich, ziggev. Ich brauche Dich dann mal. Ich bemühe mich ja redlich, gut zu sprechen und zu schreiben. Mir unterlaufen aber auch andauernd Fehler: falsche Rückbezüge, sinnlose Füllwörter, logische Fehler in der Beweisführung, manieristisches Gehabe u.v.m. Auf der anderen Seite halte ich das bei Nadines Traktat für unwichtig. Schlimmes Deutsch ist nichts besonderes. Ich schaffe es ja auch nicht, einen Roman von Günther Grass oder Martin Walser von vorn bis hinten auszulesen. Bislang hacken wir andauernd auf formalen Fehlern herum. Deshalb weiß ich noch immer nicht, worin sich Lantzschismus von gewöhnlichen anderen Feminismen unterscheidet.

Die Kommentarspalte im "Neuen Deutschland" zu einem Artikel von Nadine, der im Onlinebereich dieser Zeitung erschienen ist, bellt zurück: "Das Sein bestimmt das Bewußtsein!". Das ist sicher so ein übriggebliebener Parteisekretär, der repliziert, was er auf der SED-Kaderschule gelernt hat. Bei Nadine und den anderen Foucaultisten ist das Verhältnis von Sein und Bewußtsein genau umgekehrt. Deshalb fühlt sich Nadine verpflichtet, die deutsche Sprache zu vergewaltigen, weil sie denkt, man könne so die Gesellschaft gerechter gestalten. Wissenschaft bedeutet in ihren feministischen Kontexten patriarchale Herrschaft. Wie für Esoteriker und andere Vernunft- und Wissenschaftsfeinde sind die schöpferischen Krisen, etwa die der Physik im angehenden 20. Jahrhundert und die der formalen Logik seit dem 20. Jahrhundert der Anlaß, systematische wissenschaftliche Arbeit und deren Ergebnisse abzulehnen. Das Streben nach zivilisatorischen Fortschritt und Emanzipation wird von ihnen radikal in Frage gestellt. Man muß davon ausgehen, daß Nadine ihren ganz eigenen Begriff von Semantik verwendet, und daß man durchaus ihrer Meinung nach Gaps keineswegs durch Kommata ersetzen kann. Der Sinn von Nadines Geschreibsel erschließt sich mir dadurch natürlich erst recht nicht.

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Füllwörter, Füllwörter - Kommentarspaltenfüller
Füllwörter, Füllwörter !! Nichts liebe ich mehr als sinnlose Füllwörter ! Insbesondere, wenn du es mal mit zu übersetzenden englischen Texten zu tun hattest, kann es schon mal passieren, dass du sie dir angewöhnst. Und manchmal erfordert einfach der Rhythmus zwingend ein sonst völlig überflüssiges Füllwort! Ich hörte mal ein Interview mit einem englischen oder amerikanischen Autor, der, in Berlin lebend, sich es vorgenommen hatte, einmal einen Roman in Deutsch zu schreiben. Das Deutsche tendiere zum Epigrammatischen; das Englische gleiche eher einem unaufgeräumten Zimmer eines High-School-Studenten: Da liegt die Unterhose, dort der Baseball-Schläger; Zeitschriften, Bücher auf dem Fußboden, auf dem Sofa, überhaupt alles überall. Füllwörter, die jederzeit aufgegriffen werden können, um den Text behutsam in die gewünschte Richtung zu lenken. Minimale Gewichtungen für den beabsichtigten Schlingerkurs. Aber das bietet sich natürlich an, wenn sie überall herumligen, diese "Füllwörter".

Insofern eignet sich das Deutsche im Gegensatz dazu sehr gut für einen dogmatischen Stil. Ich brauche nicht daran erinnern, dass das Deutsche einmal eine beliebte Wissenschaftssprache war. (Oder doch? Immerhin gelten Schopenhauer, Freud bis heute als Stilisten vor dem Herrrn. Trotzdem gibt es noch Leute wie Lichtenberg ...)

Ach, und dann doch wieder Adorno. Der sich immer wieder in den Modus der Verflüssigung hineinzubewegen trachtet.

Nur leider ist im Deutschen in mehr oder weniger dogmatischer Rede so manche Wendung zur Formel erstarrt. Umso mehr formelhaft, desto überzeugender, desto näher an wissenschaftlicher Klarheit. Also: je mehr sich diese Eigentümlichkeit des Deutschen (vermeintlich) zueigen gemacht wird, umso formelhafter, desto unangreifbarer die Argumentation. - Das ist IMHO ein Trugschluss ! Definitorische Behauptungssätze hinzuknallen reicht mitnichten aus für eine stimmige Argumentation - im Gegenteil, ein Vielleicht, mal in Nebel des Unbestimmten sich hineinzubewegen, hm, so in etwa, ich versuche mal so: ..., um dies mal in etwa zu umschreiben, probehalber ... Sowas finde ich dann oft einfach humaner und letztlich - überzeugender.

Kann natürlich ebenso zu Marotte werden, aber ich bin und bleibe ein großer Fan von sog. "Füllwörtern" !

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Und nochmal ach, ich Primitivdialektiker denke mir einfach, dass dekonstruktivistische Methoden sinnlos wären ohne zu Dekonstruktivierendes. Aus dritter Hand angelesenes Pseudowissen über die Grundlagenkrise der Mathematik zu Anfang des 20. Jahrhunderts - die uns immerhin die Turing-Maschine bescherte - berechtigt noch nicht, "systematische wissenschaftliche Arbeit und deren Ergebnisse" (wie Du, sozi ohne Partei, formuliertest) per se abzulehnen. Bisher - und gleichwohl ich von den betreffenden Disziplinen wenig bis gar keine Ahnung habe - haben sich, wie mir scheint, aus einer Art dekonstruktivistischem Skeptizismus eben "dekonstruktivistische" usf. Methoden entwickelt, die für unterschiedliche Sozialwissenschaften fruchtbar gemacht werden konnten und heute zum selbstverständlichen Handwerkszeug dieser Disziplinen gehören. Dass dem so sei, insistiert jedenfalls Che immer wieder, wenn ich ihn richtig verstanden habe.

Also weiter mit meiner Primitivdialektik: Eine Methode, die ihren Gegenstand - aus lauter Bequlichkeit - einfach nicht bereit ist, wahrzunehmen, und nun sich selbst als eigene Disziplin setzt, ohne ihren Gegenstandsbereich benennen zu können, wird schwerlich irgendwelche Erkenntnisse zutage befördern können. Es ergeben sich hochinteressante, selbstbezügliche Gebilde, die etwa Schriftsteller mit literarischen Ambitionen hervorbringen, auch lässt sich an solchen Methoden theoretisch endlos weiterstricken, von mir aus ist das alles o.k., sollen sie doch nur, wenn es ihnen Spaß bringt, nur immer zu!

Und wenn Du, sozi ohne Partei, denn Recht hast, damit, dass "Esoteriker und andere Vernunft- und Wissenschaftsfeinde (...) die schöpferischen Krisen, etwa die der Physik im angehenden 20. Jahrhundert und die der formalen Logik seit dem 20. Jahrhundert" zum Anlaß nehmen, um "systematische wissenschaftliche Arbeit und deren Ergebnisse abzulehnen", dann ergibt sch ein erschütterndes Bild der Ahnungslosigkeit: Es handelt sich um einen vollkommen missglückten Versuch des Wissenstranfers. Ich hatte angenommen, sowenig wie ich von den betreffenden Disziplinen verstehe, dass es sich beim Dekonstruktivismus etc. um Methoden handelt. Wenn nun aber die Theoretiker dieser Disziplinen sich lediglich auf ernüchternde Ergebnisse berufen, die schlicht und einfach sich nicht in ihrer eigenen Theorie (re)formuliern lassen, wie wollen sie dann den theoretischen Rahmen liefern, um ihrerseits zu irgendwelchen Ergebnissen zu kommen? Sie liefern, solange sie ihr Steckenpferd nicht bloß vernünftigerweise als Methode auffassen, immer nur immer mehr unterschiedliche Spielarten der bewussten Theorie. Es wird immer nur der Theorie Zucker gegeben - die "Ergebnisse" entfernen sch aber immer mehr von der Wirklichkeit.

Es handelt sich um eine seltsame 'Form von' Mimikri. Durch die Grundlagenkrise der Mathematik, wo es um die Beweisbarkeit der Beweiskraft von Beweisen ging (in diesem metatheoretischen Feld arbeitete Turing), schien jede Art des Wissens in Frage gestelt zu sein: Also muss ich eine grundlagenbefreite Theorie formulieren ? Unsinn ! Klar, dass so niemand zu irgendwelchen Ergebnissen je kommen wird. Es wäre dies ein unzulässiger Theorietransfer von einer Ebene zu einer anderen, die mit der ersten praktisch nichts zu tun hat. Im Übrigen wurde der die Grundlagen erschütternden Frage nach der Beweisbarkeit der Beweiskraft von Beweisen, die in der Sprache der formalen Logik gestellt wurde (oder die jedenfalls in dieser Sprache hatte gestellt werden können) mit eben (oder jedenfalls auch mit) denselben Mitteln begegnet. Der der Logik verwandten Mengentheorie und auch Geometrie.

O.k., mal wieder etwas lang, mein Gescheibsel. Ich frage mich aber ehrlich, was diese Wissenschafsfeinde darauf antworten würden, wenn sie gefragt würden, wie sie ihre Ablehnung ohne rationale, also mehr oder weniger wissenschaftliche Argumentation begründen wollten.

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Es ist an der Zeit, meine These zu belegen:
http://www.gender.hu-berlin.de/publikationen/gender-bulletins/texte-32/texte32pkt2.pdf
Bis Seite 14 habe ich nichts einzuwenden. Doch dann...

Vielleicht sollte man anmerken, daß die Nervosität der Wissenschaften sie bescheiden, skeptisch und vorsichtig gemacht hat, obwohl genau dieselben krisengeschüttelten Wissenschaftsdisziplinen, die Physik und die Mathematik, furiose Umwälzungen gebracht haben: Atombombe, Computer, Flugzeuge, Weltraumfahrtk, Nukleartechnologie... Was dagegen hat die andere Seite zu bieten, die radikale Wissenschaftskritik?

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Ich frage mich aber ehrlich, was diese Wissenschafsfeinde darauf antworten würden, wenn sie gefragt würden, wie sie ihre Ablehnung ohne rationale, also mehr oder weniger wissenschaftliche Argumentation begründen wollten.
Wie begründen Esoteriker, Katholiken und Queerfeministen ihre Behauptungen gleich noch einmal? Wie erklärt man z.B. einem Katholiken, daß die Evidenz der Jungfräulichkeit der heiligen Jungfrau Maria recht gering ist. Zwar kommt es oft vor, daß hübsche junge Mädchen Kinder bekommen, ohne, daß irgendjemand sich erklären könnte, woher sie gekommen sein könnten. Aber meistens hat man dann doch einen Vater gefunden. In den anderen Fällen konnte man das aber auch nie ausschließen. ... und dann noch Geschichten von Männern, die über das Wasser gehen konnten ... Das möchte ich gesehen haben, bevor ich so etwas glaube!

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@" Bei Nadine und den anderen Foucaultisten ist das Verhältnis von Sein und Bewußtsein genau umgekehrt. Deshalb fühlt sich Nadine verpflichtet, die deutsche Sprache zu vergewaltigen, weil sie denkt, man könne so die Gesellschaft gerechter gestalten. Wissenschaft bedeutet in ihren feministischen Kontexten patriarchale Herrschaft. Wie für Esoteriker und andere Vernunft- und Wissenschaftsfeinde sind die schöpferischen Krisen, etwa die der Physik im angehenden 20. Jahrhundert und die der formalen Logik seit dem 20. Jahrhundert der Anlaß, systematische wissenschaftliche Arbeit und deren Ergebnisse abzulehnen. Das Streben nach zivilisatorischen Fortschritt und Emanzipation wird von ihnen radikal in Frage gestellt." ---- Für Nadine kann ich nicht spechen, wohl aber für dekonstruktivistische bzw. poststrukturalistische Ansätze, besonder solche, die an Foucault anknüpfen, und da sieht es ganz anders aus als von Dir dargestellt. Nicht wissenschaftliche Arbeit wird abgelehnt, auch nicht wissenschaftliche Arbeitsweise als patriarchal hingestellt. Sondern es geht um Folgendes: Der Anspruch der positivistischen Wissenschaft, ausschließlich objektiv und empirisch nachprüfbare Realität zu beschreiben wird, seit der klassische französische Strukturalismus, Leute wie Lévy-Stauss et. al, ihre Kritik formulierten als zu kurz greifend und sich selbst nicht in Frage stellend kritisiert, zunächst einmal bezogen auf Fragestellungen in der Ethnologie, Sprachwissenschaft, Psychologie, Pädagogik, später auch Geschichtswissenschaft, Soziologie und Politikwissenschaft. Wir reden hier nicht von Physik und Chemie, wohl allerdings von Humanbiologie, soweit es dabei um anthropologische Fragen geht. Und demzufolge sind auf diesen Forschungsfeldern viele als objektiv behauptete Sachverhalte eigentlich die subjektiven Wahrnehmungen weißer, bürgerlicher heterosexueller Männer einschließlich ihrer eigenen Vorurteile gegenüber nichtweißen nicht heterosexuellen, nichtbürgerlichen und nicht männlichen Menschen. Also sollte diese Perspektive darauf abgeklopft werden, wie subjektiv sie ist, um ihr umgekehrt die subjektiven Wahrnehmungen z.B. von Frauen, Schwarzen, Proletariern usw. gegenüberzustellen, um so gerade zu einem objektiveren, weil vielseitigeren, multifacettenhaften Blickwinkel zu gelangen und so insbesondere emanzipatorische Perspektiven sichtbar werden zu lassen. Das, nicht das Verwerfen von Wissenschaftlichkeit, meint die dekonstruktivistische Kritik, die selber seit ca. 25 Jahren schon anerkannte Wissenschaft ist. Netbitch hatte es oben zutreffender Weise erwähnt, ohne große Resonanz zu finden: Foucault formulierte seine Kritik in den SiebzigerJahren, als der Wissenschaftsbetrieb in einer Art und Weise männerdominiert war wie das heute nicht mehr so durchgängig der Fall ist und die Linke mehrheitlich maoistisch-stalinistisch dachte. Wer heute Foucault liest und sich auf den damaligen status quo bezieht ignoriert, in welchem Maße Foucault und Solche längst die Sozialwissenschaften aufgemischt haben. Längst ist der Nachweis von Genderkompetenz Voraussetzung, um an vielen sozialwissenschaftlichen Fakultäten überhaupt zugelassen zu werden.

Sozi, Du diskutierst hir auch schon jahrelang mit. Langsam erwarte ich mal, dass Du diese Fakten einfach mal zur Kenntnis nimmst.

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Vielleicht denke ich ja nicht allgemein genug, so ganz generell mag ich ja eher das Konkrete - aber ich möchte davor warnen:

1. Queerfeminismus und wiederum die Broschüre von Bretz/Lantzsch in einen Topf zu werfen.

2. Zu glauben, dass Queerfeministinnen keine ernsten und vernünftigen Anliegen hätten.

und darüber hinaus:

3. Aus einer einzelnen, imho eher misslungenen Broschüre, allgemeine Aussagen über die Autorinnen zu ziehen.

Ich glaube, die Fähigkeit zur Extrapolation ist ganz allgemein formuliert: eine menschliche Stärke und Schwäche zu gleich. Vermutlich ist es diese sehr menschliche Eigenschaft, die einzelne Queerfeministinnen dazu bringt, argumentative Einwände zu übergehen, sobald diese als "mansplaining" markiert sind. Genau die gleiche Eigenschaft wiederum kann uns dazu bringen, aus einem einzelnen Werk sehr umfassende Rückschlüsse auf "den" Queerfeminismus überhaupt zu fassen.

Ich kritisiere das und plädiere für mehr Sorgfalt.

Und vielleicht ist es auch einfach so, dass die beiden Autorinnen sich zum Zeitpunkt der Broschüren-VÖ ganz überwiegend noch in einem Formations- und Suchprozess befanden. Das würde jedenfalls die sehr ausgedehnte Vorläufigkeit und teils sogar groteske Vorsicht in vielen ihrer Formulierungen (die paradoxer Weise zugleich oft ungemein weit gefasst sind, beispielsweise beim Verdammen von DIY u.v.m.) gut erklären. Eine Art "Work in Progress", eine Etappe. Ausdruck eines Selbstfindungsprozesses.

Und so sehr ich viele Aussagen in dieser Broschüre für übergeneralisiert oder schlicht falsch halte, teils fast schon beschämend falsch, so wenig möchte ich Teil einer Kritik sein, die Züge von Bullying und persönlicher Diffamierung aufweist.

Auch wenn das eventuell Spaß macht.

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sich entringende LOLs
@ sozi ohne partei

Danke für den Link. Habe aber gerade erst angefangen zu lesen. Zunächst einmal war es beruhigend, festzustellen, dass meine Andeutungen der dort auf der ersten Seite zu findenden Darstellung nicht konträr entgegenstehen, eingedenk der Tatsache, dass ich mich als Nichtmathematker mit dem Thema lediglich okkasionell u. zuletzt vor ca. 4 Jahren beschäftigt habe.

Aber ein hefitges LOL! entrang sich dann doch beim Lesen der letzten zwei Zeilen von S. 1 meiner Brust :

Die Frage, der die Autorin nachgehen möchte, sei die, ob die 'Krise' der Mathematik "als Krise von Männlichkeit gelesen werden" könne !

Das kann ja heiter werden ... Danke also schon jetzt mal allein dafür !

Und für den Lesespaß, den ich mir davon verspreche!

PS Ich bin jetzt echt neugierig. Wird das hier

http://de.wikipedia.org/wiki/Alan_Turing#Verfolgung_wegen_Homosexualit.C3.A4t_und_Turings_Tod

zur Sprache kommen? (Ist wohl allgemein bekannt, trotzdem wollte ich den Link hier mal setzen.)

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@ziggev: ... wird nicht zur Sprache kommen.

@dean: ...Gegen Nadine habe ich persönlich nichts. Deshalb extrapoliere ich ja, damit nicht die arme Nadine allein alles an den Kopf kriegt. Auch, wenn Nadine möglicherweise ihre Gedanken zuviel auf der grünen Wiese entwickelt. Es gibt trotzdem Quellen. Die typisch feministische Sprach- und Wissenschaftskritik spielt gewiß eine Rolle. Aus diesem Grund arbeitet sie an der deutschen Sprache, und gestaltet sie neu. Daß die Sprache dabei häßlich wird, nimmt sie hin. Man kann ihr persönlich also nicht die Gapperei vorwerfen, sondern nur, daß der Sinn dahinter nicht immer klar erkennbar ist. Die Zweisatz-high-on-cliche dagegen hat ja auf der anderen Seite ein ganzes System entwickelt, das Microsoft sofort in ihren Word-Prozessor integrieren könnte, und Piratenparteipolitiker dann wieder heraustransformieren könnten. Wenn man nur auf dieser formalen Ebene argumentiert, daß die einen also feministische Sprachkritik umsetzen und die anderen diese schöpferisch weiterentwickelte Sprache der Schönheit zuliebe automatisch wieder in richtiges Deutsch übersetzen, dann gelangt man sehr schnell zu Diskussionen, wie sie in der Piratenpartei üblich sind. Deshalb muß man sich nicht nur mit Nadines Texten beschäftigen sondern eben auch mit ihren Quellen und der Kritik an ihnen. Extrapolation ist unvermeidlich. Sonst gelangt man nie auf die inhaltliche Ebene.

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Bitte um Plausibelmachung einer plausiblen Angelegenheit
@ sozi ohne partei, @ dean

ich habe auch prinzipiell nichts gegen einen kreativen Gebrauch der Typographie. Nur kenne ich mich im bewussten Feld zuwenig aus, um mir im Einzelfall eine Meinung zu bilden. Aber wenn selbst im Ullstein-Verlag die Sekretärin das Lektorat ist (oder umgekehrt, original erlebt), dann denke ich an meinen Musiklehrer und umtriebigen Dirigenten (vorzugsweise große Chöre in großen Kirchen: Bach): "Die Freiheit liegt in der Form." Die alte Jazz-Formel: Du musst erst alles lernen, dann alles wieder vergessen. Erst dann kommen die eigenen Ideen. Es ist witzlos, die Regeln zu durchbrechen ohne sie zu kennen.

Aber ich hatte das Gefühl, dass tatsächlich durch diese Unterstriche usf. sich Räume öffneten ... ein Gefühl.

@ Che

Che, nun lese ich zum x-ten mal diese Deine Darstellung der Geschichte und Wirkung des "Dekonstruktivismus" - in Gänsefüßchen, weil mir bewusst ist, dass ich hier womöglich unzulässig generalisiere. Aber kannst Du dann nicht mal Dich anders geben, denn als Wissenschaftshistoriker?

ich werde immer nervös, wenn ich lese: "Der Anspruch der positivistischen Wissenschaft, ausschließlich objektiv und empirisch nachprüfbare Realität zu beschreiben".

Auch wenn Du nicht zu jenen zählst, scheint mir doch bei Sozialwissenschafsaffinen allein das Wort "positivistisch" ausreichend zu sein oder ausreichend gewesen zu sein, um, einmal den Feind identifiziert habend, weiterzumachen und mit einer Kritik von "Objektivisten" zu Gunsten von "Subjektivisten" fortzufahren.

Zunächst müsste gezeigt werden, dass wirklich der Anspruch erhoben wurde, "ausschließlich objektiv und empirisch nachprüfbare Realität zu beschreiben".

Nun, dieser Anspruch wird infrage gestellt. Soweit, so gut. Aber sollte solches Inanspruchnehmen tatsächlich einmal vorgefallen sein, dann handelt es sich gewissermaßen um Folklore. Wissenschaftler erheben Ansprüche, die eindeutig außerhalb des von ihnen zu beackernden Feldes liegen. Stammtisch, Kneipengespräche. Es handelt sich um das weite Feld der Wissenschaftstheorie. Nur weil ich Geologe bin, bin ich noch nicht kompetent, allgemeine Aussagen über die einzig gültige Form des Wissen zu treffen. - Die gegenteilige Haltung wird nicht nachgewiesen, sondern unterstellt.

Umgekehrt sieht es aber immer so aus, als würden "Dekonstruktivisten" glauben, mit ihrem neuen Paradigma ein allesumwälzendes und in allen Wissenschaften geltendes neues Konzept des Wissens in die Welt gesetzt zu haben.

Der historische Positivismus mag implizit (unbewusst) solche Ansprüche des Alleinbesitzens der Wahrheit und der einzig gültigen wissenschaftlichen Methode erhoben haben, wunderbar nachzulesen bei Sartes Beschreibung des Vaters von Gustave Flaubert in "Der Idiot der Familie", der als Arzt unermüdlich Leichen sezierte, um "positive" Erkenntnisse zu gewinnen, aber das ist spätestens seit Popper passé.

Angesichts einer wissenschaftstheoretisch längst weiter fortgeschrittenen Wissenschaft kann die Kritik am Positivismus nach Popper lediglich eine Ideologiekritik sein.

Ein ausspruch wie: "Der Anspruch der positivistischen Wissenschaft, ausschließlich objektiv und empirisch nachprüfbare Realität zu beschreiben" schüttet daher in meinen Augen das Kinde mit dem Bade aus. "Positivistische Wissenschaft" - eigentlich eine contradiction in terms - bedeutet für moderne Wissenschaftler Ideologie und nicht Wissenschaft. Selbstverständlich gibt es aber Objektivität und Experimente, die Hypothesen durch In-Fühlung-Gehen mit der Realität überprüfen.

Vielleicht irre ich mich und es gibt immer noch Restbestände jener Ideologie. Das würde aber nicht dazu berechtigen, den Implikationspfeil umzudrehen (Schoppenhauer: Dummheit ist die Verwechslung von Ursache und Wirkung) und das Ansinnen, ausschließlich objektiv und empirisch nachprüfbare Realität zu beschreiben, als ein von ideologischem Wahn angetriebenes Unterfangen zu betrachten.

Dieses Ansinnen wurde vielleicht von "positivistischer Wissenschaft" betrieben; es wird aber ebenso von nicht-positivistischer Wissenschaft, also "falsifikatorischer" Wissenschaft angestrebt.

Anstelle nun wissenschaftliche Methoden und Methodologien zu verbessern, werden Ausdrücke wie "objektiv" und empirisch "nachprüfbare Realität" als Termni ideologischer Provenienz aufgefasst. Was natürlich vollkommener Unsinn ist.

Ich denke, das ist Dir klar, und dass Du Dein Auto nicht für ein Zauberding hältst. Trotzdem unterlaufen Dir solche vernebelnden Formulierungen, die mich nervös machen.

Dann stellt sich jedoch heraus, dass solche Ideologiekritik immer nur in Einzelfällen und -Wissenschaften, die Du eben aufgezählt hast, Anwendung finden - und ich beruhige mich wieder. - Dass in manchen Disziplinen die subjektive Perspektive nicht vernachlässigt werden darf, liegt ja auf der Hand.

Also:
um ihr umgekehrt die subjektiven Wahrnehmungen z.B. von Frauen, Schwarzen, Proletariern usw. gegenüberzustellen, um so gerade zu einem objektiveren, weil vielseitigeren, multifacettenhaften Blickwinkel zu gelangen und so insbesondere emanzipatorische Perspektiven sichtbar werden zu lassen.
So aufregend also nicht, wenn eins "objektiv" und "subjektiv" einmal ernstnimmt. Ich glaube, von Nietzsche stammt die Beobachtung, dass es doch seltsam sei, dass Erkenntnisse über die entferntesten Gegenstände, Himmelsgestirne, als über alle Maßen objektiv gelten, während die unmittelbarsten Gewissheiten, subjektive Wahrnehmungen, als solche immerzu diskreditiert werden.

Galileo, Keppler sahen übrigens mit ihren eigenen Augen durch ihre Teleskope. Sie schafften es allerdings, irgendwann die Mitwelt davon zu überzeugen, dass das, was durch das Fernrohr zu beobachten ist, tatsächlich dasselbe ist, was wir mit bloßem Auge am Himmel erblicken und an dessen Existenz wir Gemütsmenschen zu zweifeln kaum aufgelegt sind.

Verstehe, Ideologiekritik ist eine aufregende Angelegenheit; und nochmals Nietzsche, ausgerechnet Isaiah Berlin meinte denbetreffend, dass ein Gedanke aufregend sei, spreche noch lange nicht für ihn. Ich verstehe die ganze Aufregung um "Dekonstruktivismus" wirklich nicht. Mein Eindruck: vor lauter ideologischem Wald ist der einzelne Baum nicht mehr erkennbar.

Also, langer Rede kurzer Sinn, könntest Du nicht einmal für den sich ungern aufregenden Laien etwas spezifischer verdeutlichen, wie und auf welche Weise infolge Lévy-Stauss´(et. al.) Kritik aus heutiger Perspektive so selbstverständliche - oder jedenfalls augenfällig plausible - Programmänderungen vorgenommen wurden, dergestalt, dass die Überzeugung sich durchsetzte, dass umso mehr, insbesondere sonst unterdrückte, unterschiedliche Perspektiven auf denselben Gegenstand diesen zusammengenommen umso deutlicher und vollständiger darzustellen ermöglichen würden.

Nur anzudeuten, würde mir schon reichen. Dass Du den Wissenschaftshistoriker geben kannst, ist mir schon klar.

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Danke für die Links - obwohl ich die meisten ja schon das eine oder andere Mal überflogen habe in meinem Bemühen, nicht noch augenfälliger am Thema vorbeizuschreiben. Hoffentlich bringt mich der dlf-Link weiter.

Ich habe übrigens mich mit unterschiedlichen Recherchemethoden beschäftigt, Praktika in diversen Bibliotheken gemacht - unter anderem in der "Commerz-Bibliothek", im hamburger Rathaus ansässig, wo Dokumente seit der letzten Überschwemmung vor ein paar Jahrhunderten, die das Rathaus errichte, immer noch zum Trocknen - oder besser zum aus konservatorischen Gründen Feucht-Gehalten-Werden - hinter riesigen Tresortüren aufbewahrt werden. So seit Anfang des 17. Jahrhunderts. Die Pfeffersäcke und deren Geschichte. Freudig begrüßten wir immer die Professoren oder weniger leicht zu identifizierende Interessierte aus Übersee, die sich für die deutsche, genauer hamburgische Schifffahrts- u. Kolonialgeschichte interessierten !

Diese Praktika absolvierte ich zufällig in Zeiten der großartigen Umwälzungen im Internet.

Ja, ich beschäftigte mich mit den unterschiedlichen Klassifizierungssystemen im aristotelischem Geiste, aber der einzige Recherchetipp, den ich mir aus jener Zeit gemerkt habe, lautet: Frage den Experten!

Frage den Experten! - Nicht Wikipedia!

Insofern, ich hoffe, Du hast Verständnis, bin ich etwas enttäuscht, mit ein paar Links abgespeist zu werden.

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if you can get it ?
Also: nach einer hinreichend präzise gestellten Frage, die ich stellte, weil ich mich von dem zu lesenden Textvolumen überfordert fühlte, und ich glaubte, das sei klar, lediglich mit noch mehr Text versorgt zu werden, was ich, das erlaube ich mir, lediglich als Beleg dafür werte, dass der Gefragte das betreffende Themengebiet theoretisch nicht durchdrungen hat, hat sich das so geglaubte Vorurteil bestätigt, dass diejenigen, die sich professionell mit dem bewussten Thema beschäftigen, es vorziehen, gegebene Phrasen nachzuplappern, anstatt ihr eigenes Denken von vorformulierten Schemata zu emanzipieren.

Anstatt das Wagnis einzugehen, auch mal um 180 Grad vorbeizuschießen, was, so es denn einmal passiert, nur zu einem Erkenntnisgewinn, weil dann zur notwendigen Denkkorretur, führen kann und den aufgeklärten Geiste führen muss, belässt mensch es bei der Faktenhuberei, verständlich, verständlich, die jedoch vollkommen unsexy wird, wenn sie lediglich Elaborate stützen soll, die andere in ideologischer Verblendung missbrauchen.

Nur wenn ich die Kirche im Dorf lasse, kann ich frisch, fromm - oder auch leidlich unfromm - fröhlich und frei durch die umliegenden Felder, aus denen Lerchen aufsteigen und die ihren jubelnden Gesang in die Luft hinausschmettern, stromern und die Verabredung an jener Schuppentür wahrnehmen, die mein ganzes Leben verändern könnte:

Nice Work If You Can Get It :

http://www.youtube.com/watch?v=6ztsCl_i-RI

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Für mich sind meine Antworten so arschklar, dass ich nicht verstehe, wo da überhaupt ein Erklärungsproblem ist. Neuer Versuch, ganz simpel: Vor Lévy-Strauss beschäftigte sich die Ethnologie in erster Linie damit, außereuropäische (außereuropäisch meint hier: außerhalb Europas und des Alten Orients) Kulturen mit Vergleichen aus der europäisch-altorientalischen Geschichte zu erklären. Also: Maya oder Azteken wurden mit Ägypten und Sumer verglichen, weil sie Priesterkönigtum und Pyramiden kannten. Europäische Steinzeitkulturen wurden rekonstruiert anhand von Jäger-Sammlerkulturen, die Ethnologen aktuell bei Feldforschungen erlebten. Die patriarchale europäische Familienstruktur wurde als höhere Entwicklungsstufe begründet aus andersartigen Familenstrukturen bei den Irokesen, Papuas oder wo auch immer. Seit Lévy-Strauss werden außereuropäische, außernahöstliche, außerchinesische Gesellschaftsstrukturen nach ihrem eigenen Selbstverständnis befragt und dem Wert, den sie für sich selber haben. Das war in der Ethnologie eine kopernikanische Wende, die Abkehr vom Eurozentrismus. Das wurde dann in der Folge analogisierend z.B. auf die Klassenfrage übertragen: Nicht mehr Geschichte als Geschichte politischer Parteien oder großer Ereignisse, auch keine ArbeiterInnengeschichte als Geschichte der ArbeiterInnenbewegung in Form ihrer Organisationen, sondern bezogen auf die subjektive Erlebnisweise und die mündlich tradierte Überlieferung ("oral history") der "kleinen Leute" - Erna Müller erzählt. Ebenso Geschlechtergeschichte als eine aus der Position von Frauen oder sexuellen Minderheiten erzählte Geschichte der Wandlung von Rollenstrukturen. Ist das Alles so schwer zu verstehen? Sorry, aber für mich ist das Alles nur selbstverständliches Wissen, das ich voraussetze.

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So ganz einfach, wie Du tust, Che, ist das nicht. Daß es "die" objektive Perspektive nicht gibt, erscheint heute natürlich evident (wobei ich gerne manchmal die perverse Lust verspüre, den advocatus diaboli zu spielen und gegen den ganzen pluralistischen Relativismus die eine und unteilbare Wahrheit zu verteidigen; aber nicht heute). In unserer historischen Situation sind wir, wenn wir nicht komplett verblendet sind, der Überzeugung, daß jede Form von Geschichtsschreibung durch die Perspektive dessen verzerrt ist, der sie vornimmt. So weit, so gut.

Wir sind zudem davon überzeugt, daß die herrschende Geschichtsschreibung die Geschichtsschreibung der Herrschenden ist, getreu Benjamins geschichtsphilosophischen Thesen, daß die Sieger die Geschichte schreiben, nicht die Besiegten.

Allerdings hat die Geschichtsschreibung in den letzten 50 Jahren oft und expressiv die Perspektive der Unterdrückten, der Marginalisierten eingenommen. Daß heute noch Geschichte allein aus der Perspektive der Herrschenden geschrieben würde, wäre eine lächerliche Behauptung.

Heißt das also, daß Geschichtsschreibung immer relativ ist, daß wir uns im Bereich der Historie von der "Wahrheit" verabschieden müssen? Daß jede historische Darstellung - mit Foucault - nur ein taktischer Zug innerhalb diskursiver Machtpraktiken ist?

Ich bin mir da nicht sicher. Zum einen gibt es historische Fakten. Deren Darstellung kann richtig oder unzutreffend sein. Manchmal läßt sich das, anhand der Quellenlage, nicht definitiv entscheiden, aber dennoch ist die Wahrheit da draußen, sie ist nicht einfach ein Effekt des Diskurses.

Natürlich haben wir subjektive - oder besser: einer bestimmten, selbst historisch gewordenen Position entspringende - Fragen an die Geschichte. Und diese Fragen sind andere als die, die sich vorhergehende oder nachfolgende Generationen stellen. Aber die Antworten auf diese Fragen sind nicht willkürlich, sondern sie sind - innerhalb bestimmter Grenzen - intersubjektiv verbindlich zu entscheiden. Und dann sind diese Antworten nicht dadurch diskreditierbar, daß man feststellt, daß sie von männlichen hetereosexuellen weißen Männern gegeben werden, sondern allein dadurch, daß man sie mit anderen Fakten konfrontiert, die ihnen widersprechen.

Und genau da habe ich meine Probleme mit dem poststrukturalistischen/dekonstruktivistischen Denken: Statt den "Zeitkern von Wahrheit" (Adorno/Horkheimer) zu thematisieren, werfen sie den Begriff der Wahrheit komplett über Bord und lösen ihn in Sprach-/Machtspiele auf. Das mag in einer bestimmten historischen Situation der Konfusion, als die 68er Gewissheiten sich in Rauch auflösten, als strategische Waffe erfolgversprechend ausgesehen haben; doch tatsächlich denke ich, daß das theoretisch in die Sackgasse eines Neo-Nihilismus geführt hat, der heute nur noch als faktisch politisch irrelevantes Filterblasenphänomen fortvegetiert.

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@ Che
"Für mich sind meine Antworten so arschklar, dass ich nicht verstehe, wo da überhaupt ein Erklärungsproblem ist."

Aha, einfach Links zu setzen, ist also eine "arschklare" Antwort. Bitte arbeite an Deiner Begrifflichkeit. Oder überdenke, wann Du welche Adjektive setzt!

"Ich nix verstahn" = Du bist blöd. - Glaubst Du wirlich, dass ich mich auf solche Primitivismen einlasse ?

Aber zum Glück Du kriegst Du Dich ja wieder ein und schaffst es, die Dir selbstverständlichen Antworten zu liefern - für Dich sind das vielleicht immerklare "Antworten", aber dass Du gleich beleidigt reagierst, wenn jemand neugierig nachfragt, ob Du die von Dir hingestellten wissenschaftshistorischen Proklamationen auch mit weiteren Informationen unterfüttern kannst, welchem Anliegen Du ja auch - rein sachlich - genüge tust, wirft doch einen (ideologisch gefärben) Schatten. Warum bereitet es Dir solches Missebehagen, in medias res zu gehen?

Warum dieses Beleidigt-Sein, wenn es doch nur um eine Abklärung in Sachfragen ging? Anstatt Dich zu freuen, dass sich jemand für die Themen interesiert, mit denen Du Dich Jahre-, Jahrzehnte lang beschäftigt hast, bist Du beleidigt, wenn jemand nicht von Vorneherein alle Schlussfolgerungen akzetiert, die in Kenntnis jenes Vorwissens aus jenem resultieren würden, mit welchem mitzuteilen Du aber geizt, solange nicht jene Schlüsse, die Dir voraussetzungslos "arschklar" sind, fraglos geschluckt worden sind.

Tut mir Leid. Aber Du scheinst immer schon vom Konzept des oder der "Wissenden" vers. der "Unwissenden" auszugehen, und reagierst beleidigt, wenn jemand Dein ohne Zweifel vorhandenes Wissen zu seinem eigenen Wissensvorteil abzufragen sich nicht entblödet.

Du wurdest nie gefragt, Du hast deshalb noch nie noch so "arschklare" Antworten geliefert. Mir ist es herzlich egal, wie "arschklar" Dir irgendetwas ist, solange Du von einem einfachen Frage-Antwort-Schema überfordert bist. Und Deine "arschklaren" Ansichten gehen mir dann am A... vorbei bzw. sind mir herzlich egal.

PS: Ich setze voraus, dass ein Dr. Dr. die Kommasetzung beherrscht. Vor einiger Zeit, nicht zulange her, schafftest Du es einfach nie, das abschließende Komma nach einer längeren Periode zu setzen; diese Krise scheinst Du Überwunden zu haben. Jetzt bringst Du es einfach nicht fertig, das Komma nach einem einleitenden Nebensatz rechtzeitig oder überhaupt zu setzen.

Da freue ich mich über den einen Fortschritt - der aber nicht anders möglich zu sein scheint, ohne den Rückschritt auf einem anderen Gebiet.

Aber mach Dir keine Sorgen, ich habe meinen Ausgleich gefunden und korrigiere z.z. Texte von Hauptschülern - eine sinnvolle und sehr befriedigende Aufgabe.

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@ Alter Bolschewik

Advokati Diaboli sind ja grundsätzlich eine sehr positive Sache, zumal wenn sie eher spielerisch auftreten und weniger diabolisch: Dann helfen sie, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Insofern ist dein Vorschlag, einen Advokatus Diaboli mit der Verteidigung des Prinzips der Wahrheit zu beauftragen, gleich doppelt konsequent!

(diabolisch wird es hier imho erst ab der Sekunde, wo der Advokat der reinen Wahrheit auf keinen Widerspruch mehr stößt)

Ganz allgemein glaube ich, dass die Suche nach Wahrheit (bzw. das Ideal von Wahrhaftigkeit) idealerweise in einer quasi polyamorösen Wechselbeziehung erfolget, einerseits der Suche nach der einen, reinen Wahrheit, und andererseits der unmittelbaren Infragestellung ebendieser einen Wahrheit.

@ All

Will man sich über queerfeministische Konzepte informieren, empfehle ich hier nicht Bretz/NL oder noch ärgere Autorinnen, sondern das Blog von Lena Schimmel. Dort (*click*) findet sich auch der bemerkenswerte Satz:
Manches davon ist überspitzt, fast nichts davon ist in Beton gegossen. Das heißt, auch bevor irgendwer emanzipatorische Texte darüber schrieb war das immer schon möglich, viele dieser Normen zu ignorieren. Aber dennoch spreche ich ihnen Wirkung zu.
Ich glaube, diese Art der Näherung an Queerfeminismus ist ganz allgemein ein guter Ratschlag!

Statt also in wütenden Protest wegen angeblich oder tatsächlich demonstrierten, angeblich "ostentativer" Normsexualität zu verfallen, beispielsweise, wenn bei irgendwelchen Treffen Frauen ihre kleinen Kinder mitbringen (und anderer, strukturell recht ähnlicher Verbrechen der "Fortpflanzer", zum Beispiel harmloses Flirtverhalten, das dann zwecks Repression als vermeidenswertes "Privileg" misgedeutet wird), wäre es ganz gut für manche Vertreter*innen des Queerfeminismus, wenn sie anerkennen könnten, dass eine Elimination normtypischer Sexualität (auch nicht aus sogenannten geschützten Räumen) a) weder wirklich möglich ist, noch b) real emanzipatorisch wirkt, noch c) wirklich notwendig ist, um sich selbst als Queer frei entfalten zu können.

Queerfeminismus in Verbindung mit deutscher Engherzigkeit und Rigidität entfaltet eher Abschreckungspotentiale denn emanzipative Möglichkeiten...

Kurzum: Einige Grundannahmen des Queerfeminismus drohen tatsächlich und unmittelbar in repressive Scheiße abzukippen, wenn sie in der Praxis dogmatisch umgesetzt werden.

Auch das in bestimmten queerfeministischen Millieus vorherrschende rigigide Diskussionsklima lässt sich oftmals erklären (erklären lässt sich im Zweifelsfall ohnehin fast alles), aber ob es wirklich gut ist:

Das ist dann noch einmal eine ganz andere Frage.

(für mich ist das ja ein alter Klassiker von linken bis linksradikalen Gruppen, der sich in verblüffend ähnlicher Gestalt seit nunmehr fast 50 Jahren beständig wiederholt)

Darüber hinaus frage ich mich, ob es nicht ein Problem bestimmter Protagonist*innen des Queerfeminismus ist, dass sie eine alles in allem doch recht spezielle, allemal emanzipatorisch gemeinte Sichtweise ins Allgemeine zu setzen versuchen.

An der Stelle lande ich also wieder bei der Fragestellung des alten Bolschewiken, und nach dem Spannungsverhältnis zwischen der "einen, reinen Wahrheit", den davon abweichenden speziellen Wahrheiten spezieller Gruppen und der Vielzahl weiterer Wahrheiten.

Tja. Ich bin ohne Wissen und Verstand geboren worden, und ich fürchte, ich werde als Philosoph enden.
;-)

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So viele Fehler die Nadine auch macht, wenigstens ist sie konsequent ("rigid", "engherzig") und übernimmt Verantwortung. Das finde ich schön. Da fliegen ja nicht nur Freundinnen im hohem Bogen aus der Mädchenmannschaft oder aus momos näherer Bekanntschaft. Da gibt es ja noch die CW-Geschichte und andere üble Stänkereien. Für all das übernimmt die arme Nadine Verantwortung. Sie ist Udo Vetters Boxvorlage bei seiner Verteidigung des Rechtsstaates. Sie ist ja auch die einzige, die so unvorsichtig ist, fragwürdiges Zeug zum Thema Rechtsstaatlichkeit zu veröffentlichen. Und es hat sich bei Netbitch, Nörgler & Cie. eingebürgert, so etwas Lantzschismus zu nennen. Da hat man ja immer den Eindruck, sie sei eine Art Sündenbock dafür, daß eine ganze Generation junger Leute (s. Piratenpartei) plötzlich dem Feminismus den Kampf ansagt, was man in der Fachsprache "backlash" nennt. Nein, Lena Schimmel ist nicht besser.

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Wieso sagst du, dass z.B. Lena Schimmel "nicht besser" ist? Vermutlich ist NL deutlich intelligenter, aber der Horizont von Lena Schimmel ist dafür weiter. Sie ist überhaupt nicht rigid und sie äußert auch keine großkotzigen Dummdreistigkeiten am laufenden Band - sondern sie argumentiert vorsichtig, sorgfältig und versucht, ihren Standpunkt tatsächlich nachvollziehbar zu machen. Das ist doch ein Unterschied! Ich habe von ihr auch noch keine Aussagen wie diese gelesen:
Glücklich bin ich immer nur dann wenn ich keine Pärchendinge anderer Leute in meinen Alltag reingeschmiert bekomme
Ich glaube einfach nicht, dass es in politisch klug ist von Queerfeministinnnen, wenn sich diese gegenüber Erscheinungen von Normsexualität "russisch" positionieren.

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@Ziggev, ich habe überhaupt nicht beleidigt reagiert, höchstens ein bißchen genervt, wenn die immergleichen Antworten auf die immergleichen Fragen, die Du ja nun auch wiederholt gestellt hast, jedesmal gar nichts fruchten (Links können sehr wohl Antworten sein, zum Beispiel, wenn ich das Gefühl habe, mein Gegenüber versteht meine Argumentationsweise nicht, so verlinke ich halt zu einer Beschreibung des Themas, die vielleicht verständlicher ist) und ich nicht das Gefühl habe dass es daran liegt dass ich zu akademisch sei. Als ich mal eine Weile an einer Sozialer-Brennpunkt-Schule unterrichtet habe hatte ich keine Schwierigkeiten, den Kiddos Wissen zu vermitteln, ich tat mich da leichter als viele KollegInnen. Insofern bin ich inzwischen ratlos, wie ich Dir das erklären soll.

Übrigens habe ich keinen Dr. Dr.. Die Bezeichnung Doppeldoktor bezieht sich darauf, dass ich meinen Dr. fakultätsübergreifend gemacht habe, in Geistes- und in Sozialwissenschaften.


@sozi: weder der Nörgler noch Netbitch haben jemals den Ausdruck Lantzschismus gebraucht, ich erst recht nicht. Der Begriff kommt eher so aus der Richtung Willy.

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Kleine Zwischenmeldung:

Während ich gerade darüber nachdenke, inwieweit sich ein um CWS erweiterter Queerfeminismus eben doch als gute und vielleicht sogar sehr gute Antwort auf den neoliberalen und letztlich sogar entpolitisierenden Karrierefeminismus verstehen lässt, oder ob und wo wiederum das muntere "Herumgegendere" neben der Spur liegt (mein Eindruck) - und welche möglichen anderen Antworten es darauf eventuell gäbe, fällt mir wie Schuppen von den Augen, wie ungemein vernagelt ich doch (hoffentlich nur ab und an) bin!

Ich lese also gerade mit großem geistigen Behagen ein Interview von Angela McRobbie mit dem SpOn, tja - und dann Wumms! Also, da fragt die Interviewerin, Hannah Pilarczyk, gerade in Bezug auf das politische Projekt eines Mindestlohns:
Von dieser Art des Feminismus profitieren in der Regel aber nur Frauen, die eh schon privilegiert sind. Dabei würden in Deutschland zum Beispiel viel mehr Frauen von der Einführung eines angemessenen Mindestlohns über alle Branchen hinweg profitieren als von einer Quote für Führungsetagen.
Und ich fühle mich erwischt wie schon lange nicht mehr:

Also, ausgerechnet bei einem meiner Leib- und Magenthemen (Mindestlohn) fällt mir seit knapp zwei Jahrzehnten kaum auf, dass dieser nicht nur eine notwendige Antwort auf ordnungspolitische Probleme sowie eine Gerechtigkeitsproblematik im Sinne von "gerechter Lohn" und "prekäre Verhältnisse und Ausbeutung vermindern" dartstellt, sondern weit darüber hinaus eine ausgesprochen fundamentale weitere Gerechtigkeitsproblematik (Frauen, Migranten usw.) anspricht...

(Owei - wie konnte ich das übersehen)

Vielleicht steckt darin auch ein Teil der Antwort auf meine Ausgangsfrage. Also eine Hinwendung auf - so nenne ich das mal - "die Lebenswirklichkeit" von großen, sehr relevanten Teilen der Gesellschaft. Lohn, Wohnung, Arbeitsbedingungen, Altersarmut, Zweiklassenmedizin, Bedingungen von Familie, alleinstehenden Frauen, von Einsteiger/innen in den Arbeitsmarkt, gerechter Welthandel, politische Partizipationsmögichkeiten usw. usf.

Tja, sollten sich an dieser Stelle einige tausend kluge junge Frauen angesprochen fühlen, einen neuen, modernen und sehr bissigen "sozialdemokratischen Feminismus" mit Leben zu erfüllen, wäre ich darüber nicht Gram.

Muss ja nicht gleich "vierte Welle" genannt werden. Aber es wäre trotzdem überfällig, imho.

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@ Che/Leseempfehlung

Wenn du dich über Grundpositionen und typische Debatten im Queerfeminismus informieren möchtest, dann ist das Queerfeministische Institut Hamburg mit seinen Texten imho ein ziemlich guter Anlaufpunkt. Ähem, so weit ich das überhaupt beurteilen kann... Einfach links "Unsere Themen" duchclicken - dort finden sich dann die Texte.

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Universalien ?
Dear Che,

Natürlich habe ich Fragen. Die stelle ich bei dem bew. Thema eher implizit. Allerdings sehe ich es als Selbstgänger an, dass solche unbeantworteten Fragen aus idiosynkratischer Verwendung so mancher Begriffe in meinen Elaboraten herauszulesen wären.

"Idiosynkratisch" verwende ich bspw. idiosynkratisch. Denn H. W. FOWLERS Definition gefällt mir einfach am besten. Und es entspricht einfach meinen Charakter oder meiner "Charkter-Mixtur", diese Definition, wenn auch implizit, zu verwenden. Die "richtige" (es geht ihm um die Etymologie) Verwendung dieses Wortes sei wünschenswert. Ich schließe mich dem einfach mal an.

So löst das Wort "objektivistisch" in bewussten Kontexten bei mir Skepsis aus. Ähnlich wie ich, soweit ich mit entsinne, einmal vorgeschlagen habe, "objektiv", "subjektiv" analog zu Kants "regulativen Ideen" aufzufassen, so fände ich es begrüßenswert, dies mit "objektivistisch" ebenso zu halten. Denn immer wieder taucht "Objektiv" in den einander ab einem gewissen Punkt immer wieder anähnlenden scheinenden Blog-Diskussionen ungefähr in folgenden Kontexten auf: "Selbstverständlich gibt es 'die' Objektivität nicht!" (Wobei die Hervorhebung von 'gibt' meiner Interpretation entspringt.)

Ich glaube aber, dass diese Feststellung nicht unbedingt weiterhilft. Vielmehr stellen sich anschließend neue Fragen: "Ist Objektivität eine 'Universale' ?" Dass es "die" Objektivität nicht gebe, scheint diese Frage zu verneinen. Fraglich bleibt aber, ob sich diese Frage überhaupt stellt. Ähnlich wie Du, Che, immer wieder betonst, dass etwa unter der Überschrift "Strukturalismus" zunächst auf eine Methode - oder vielleicht ein Bündel von Methoden - das Augenmerk gelegt werden soll(t)e, wie sich allein schon an bestimmten Entwicklungen in den Sozialwissenschaften spätesten seit den (späten?) 80er-Jahren abzulesen sei (nein, dieses Insistieren ist mir nicht entgangen), halte ich es für zweckmäßiger, "objektiv", "objektivistisch" zunächst vorsichtig mit bestimmten Methodologien zu assoziieren. Damit wären wir anfänglich, wir ich glaube, auf der sichereren Seite: Objektivität ist etwas menschengemachtes. Das ist m. E. auch intuitiv viel nachvollziehbarer. Die Frage danach, was Objektivität ist/sei, wird mit einer Darstellung entsprechender Methden u. deren Enstehungsgeschichte(n) beantwortet.

Infolge meiner tiefverwurzelten Antriebslosigkeit habe ich mich nie sonderlich für sozialwissenschaftliche Methoden, die eine Beschäftigung mit Empirie und erbsenzählirischem Fleiß erfordern, interessiert. Eher erlahmte immer mein Interesse an z. B. Chomsky in dem Moment, wenn dessen Universalgrammatik zur Sprache kam. Sobald Universalien und der damit verbundene Platonismus/Idealismus ins Spiel kam.

So habe ich mich hin und wieder ebenfalls sporadisch mit Lévi-Strauss beschäftigt. - Weit entfernt davon, dass hieraus eine systematische Auseinandersetzung hätte werden können. Da immer wieder sich der Universalienstreit als im Hintergrund vor sich hinwesender Frage nach vorne drängen wollte, während ich versuchte, mir strukturalistische Konzepte einzuprägen, es immer lauter an die Türen meines Oberstübchens zu klopfen, geradezu zu hämmern begann: " Universalienstreit", "Universalienstreit!", - hat Lévi-Strauss nun seine binären Strukturen gefunden, oder sind dies menschengemachte, bzw. kontingenterweise so entstandene, die als solche der besonderen Methode des Forschers geschuldet sind; sind insbesondere die "Strukturen", in denen er sich bewegt, ihrerseits Univerlaien, welcher logisch-wissenschaflicher Stutus kommt letzteren zu? (Hier ist lustigerweise der von sozi ohne partei verlinkte Text nicht uninteressant: Sind logische, mathematische Sätze Universalien, handelt es sich also um Entdeckungen oder sind sie "menschengemacht"?)

Auf diese Weise habe ich mir die strukturalistischen Hauptthesen immer nur sehr vage einprägen können.

Diese Fragen schienen mir bei der eine Zeit lang zur Mode gewordenen Beschäftigung mit (Post-)Strukturalismus unterbelichtet geblieben zu sein. Auf der einen Seite ein (unterstellter) Idealismus/Platonismus (Objektivität ist eine Universalie), welche Unterstellung eben in dem vorwurfsvoll vorgetragenen Ausruf, "Es gibt keine Objektivität" bzw. jener Position, die von "objektivistisch" spricht, durchscheint; auf der anderen das scheinbar fraglose Hinnehmen der "gefundenen" Strukturen als Universalien.

Da ich dazu tendiere, dem Paltonismus abhold gegenüberzustehen, fand ich immer, die Beschäftigung mit dem Nominalismus sollte nicht unterbleiben.

Den Platonismus eher als eine esoterische Lehre auffassend hielt ich das Philosophieren nach der Linguistischen Wende, die Beschäftigung mit "ordinary language", eher als eine Spielart des Nominalismus, als dass ich mich nicht gewundert hätte, wie nach dem Linguistc Turn plötzlich expilizit der Idealismus sein Verwirrung stiftendes Haupt erhob (Chomsky) oder implizit (L.-Strauss) sich in jenen auch als Modeerscheinung in Erscheinung tretenden Strukturalismus hatte einschleichen können.

So wird ja auch der späte Wittgenstein (und dessen Nominalismus) als Startschuss für Linguistische Wende gesehen (hier und hier).

Zwar bin ich mit K. Popper der Ansicht, dass Definitionen nur schwerlich eine Diskussion ersetzen können. Doch vielleicht würden sie trotzdem weiterhelfen bei all jenen Diskussionen um Queerfemnismus etc.

Insbesondere habe ich den Eindruck, dass gegenseitig einander gemachte Vorwürfe (Relativismus! Wie unterbelichtet! - - Objektivismus, Positivismus! Das ist gefährlich!) regelmäßig und treffsicher aneinander vorbeischießen.

Verwirrung entsteht möglw. dadurch, dass implizierte Vorannahmen oft nicht verstanden/erkannt werden, sowohl von SprecherInnenseite wir auf RezipitInnenseite. Wenn die Lage wirklich so einfach ist, wie sich aus Deiner wissenschaftshistorischen Darstellung ergibt, frage ich mich, wo die ganze Aufregung herkommt.

So frage ich mich, ob nicht ebenso manche VertreterInnen des (Post-)Strukturalismus, des Dekonstruktivismus u. Queerfeminismus aus Deinen wissenschaftsgeschichtlichen Darstellungen Gewinn ziehen könnten (weil einige sich diesen mit den bewusstren Methoden/Thoerien verbundenen philosophischen Fragen (aus Unkenntnis?) nie gestellt haben, was in meiner Wahrnehmung zum unschönen Phänomen des bloßen Nachplappern geführt haben könnte), wie jene, die plumpest mit dem Vorwurf des Relativismus aufwarten.

Desh. meine Bitte um Präzisierung. Denn eine Historiographie ist noch keine Erklärung bzw. liefert noch keine Aufklärung darüber, worin der Zwist eigentlich besteht, oder ermöglicht noch nicht sogleich eine Rekonstruktion des Sachverhalts, auf die mensch sich beiderseits einigen könnte, sodass wenigstens ein "To-agree-todisagree" möglich würde.

Ich kann allerdings in gewisser Weise Deine Verärgerung nachvollziehen. Deine Erklärung (der Methode, des Ansatzes), die ich jetzt von Dir zum ersten Mal lese, also: nicht über Leute reden ohne die eigene SprecherInnen Position zu reflektieren, sondern die Leute selber mal reden lassen, ist/war selbst bei mir mal angekommen und scheint mir in der Tat zur "Standart - Folklore" (Harald Lesch) geworden zu sein, dergestalt, dass ich dieses gar nicht mehr dem Strukturalismus unvermittelt zugeordnet hätte. Aus meiner Perspektive, von wo aus ich eher nach dem wissenschaftstheoretischen Status vom (Post-)Strukturalismus, Dekonstruktivismus, Queerfeminismus fragen würde, sehe ich die genannten Strömungen in den Sozialwissenschaften eher als eine Begleiterscheinung des - zugegebener Maßen - faszinierenden Ansatzes von Claude Lévi-Strauss.

Gerade weil z. B. in unterschiedlichen Disziplinen mit dem Ausdruck "Linguistic Turn" unterschiedliche Bedeutungsfelder und Entwicklungen als mit ihm verbunden gedacht werden, für Gadamer etwa z. B. Wittgenstein, Hermeneutik (Heidegger), ein Umstand, dessen Wahrnehmung ich meinerseits andernorts manches Mal vermisse (nochmal dieselben Links hier und hier), fand ich dennoch Deine Hinweise und Erläuterungen hilfreich.

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@dean: Unmißverständlicher Ausdruck gefällt mir besser als falsche Konzilianz. Daher sind Nadines Beiträge besser als die Lena Schimmels. Ich habe nichts dagegen, wenn Artikel provozieren. Ich hoffe, Nadine nimmt es uns nicht übel, wenn alle Welt vorrangig ihre Beiträge kommentiert und nicht die der anderen.

#Lantzschismus: Leichte Andeutung hier: Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, die Beziehung Don Alphonsos zu Lantzschi in das Gedächtnis zu rufen. Schon etwas deutlicher. Weitere Belege finde ich jetzt nicht auf die Schnelle.

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Antiklassismus ohne Marx
Da ich zu allem ansonsten in diesem Thread teils Explizierten, teils auch nur Breitgetretenen nichts beizutragen habe, picke ich diesen Aspekt raus.
Kurz: ja, natürlich geht das. Es ist schlichte Moralphilosophie. Die diversen, als -ismen aufgelisteten Diskriminierungspraktiken werden katalogisiert als unterschiedliche Typen der Abweichung von einem Gerechtigkeitsideal. Findet sich auch bei Rorty schon so.
Und in Wikipedia ist es treulich aufgeschrieben.
Geht man umgekehrt ran und nimmt nicht moralische Gerechtigkeit als Urbegriff, sondern sondern sucht nach den Ursachen dessen, was phänomenal als Klassismus erfaßt wird, landet man übrigens immer noch nicht zwangsläufig bei Marx. Der kommt ja ohne eine Vorstellung von Theorie, die als unmittelbare Gewalt die Massen erfaßt, nicht aus, läßt also seine Geschichtskonstruktion in eine theologische Coda münden. Demgegenüber verbleiben halt noch die Optionen eines idealistischen Wertabsolutismus ohne imaginäre historische Erfolgsgarantie und, sofern primär nicht auf Philosophie, sondern auf Ökonomie und Psychologie rekurriert wird, eines Approximationsprozesses sozialer Systeme an einen Zustand austarierter Funktionalität.
(Das hat natürlich mit dem obigen Buch nichts mehr zu tun, das aber eh völlig aus der Welt gefallen zu sein scheint.)

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Das ist die korrekte Definition des Klassenbegriffs im orthodoxen Marxismus
hier die kaum noch bekannte aber trotzdem wichtige Definition vom Genossen Uljanow.

Man muß natürlich kein orthodoxer Marxist sein. Das kann man natürlich alles anders sehen. Man muß nur zuvor Wikipedia in die Tonne treten und Andreas Kempers dishwasher-Moralismus gleich mit. Mit Moral, Anständigkeit, menschlicher Psychologie und Theologie hat der Begriff nämlich wenig zu tun, eher mit ökonomischen Beziehungen. Moral, Anständigkeit, menschliche Psychologie und Theologie treten erst später auf den Plan, s. hier.

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Kaum noch bekannt? Das würde ich als Standard-Schulbuchbildung 10. Klasse bezeichnen.

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queerer Aktivismus auch: als Bemühung um Selbstwerdung, als Selbstheilungsversuch und Kanalisation von Wut
Das (...) obige Buch (...) eh völlig aus der Welt gefallen zu sein scheint.
Ich lerne gerade, dass ich die Sätze und Aussagen von NL zunächst auf eine spezielle Weise filtern muss, sehr gründich umschreiben muss - und dann aber oft etwas erhalte, das trotz aller radikalen Subjektivität (und auch: Queerness) bedenkenswert ist.

Ich denke: Im Grunde genommen müsste diese Broschüre komplett neu verfasst werden, gewissermaßen "neu übersetzt", und sei es nur, dass hier die zahlreichen Großkotzigkeiten, Übergeneralisierungen und die fast immer auf pseudoakademischen Bluff ausgelegten, verwundenen Formulierungen und Schreibweisen "auf menschliches Maß" herunter gebrochen werden.

Wenn mensch das tut, werden auch einige wichtige wie wertvolle Ansichten/Aussagen besser sichtbar, und darüber hinaus auch NL als Mensch, der damit dann massiv nachvollziehbarer und sympathischer wird.

Ein kleines "Aha-Erlebnis" für mich war ein Text von NL aus dem Jahr 2007 (also lange vor ihrer aktivistischen Phase und akademischen Beschäftigung mit Queerfragen), wo sie sich sich in typischer NL-Heftigkeit und NL-Abschätzigkeit über zwei harmlose Typen auslässt, die es wagten, sie und ihre Freundin auf einer öffentlichen Feier gleichermaßen nett und etwas unbeholfen anzusprechen (welch irrsinniges Verbrechen!).

In Grunde genommen zeigt sich auch schon 2007 und 2006 NL in allen Zügen, die sie auch heute als politische Aktivistin, Bloggerin und Twitterfrau zeigt. Der Punkt ist dabei nicht, wie mensch ihre "Wütigkeit" und Heftigkeit interpretiert (übrigens etwas, das sie einräumt - und wozu sie damit noch einen Umgang sucht). Für mich war der entscheidende Punkt ein anderer, generellerer:

Ich versuche mir einfach mal vorzustellen, wie sich vor der Folie von tatsächlicher/gefühlter Hilflosigkeit Gewalterfahrungen bei mir auswirken würden, sexueller Gewalt zudem. Bei allen persönlichen Möglichkeiten, als Mensch einen Umgang mit dieser zutieft verletzenden und erschütternden Erfahrung zu finden ist "Wut" im Grunde genommen noch die beste. Nehme ich an. Ich bin in Sachen Empathievermögen nun wahrlich kein Naturtalent (ähem: wie auch??), aber wenn ich mir jetzt einfach mal vorzustellen versuche, ich als überwiegend lesbisch orientierte Frau stoße in meinem Leben - vor dem Hintergrund von Missbrauchserfahreungen - immer wieder an Männer, die mir nah sein wollen und an mir rumbaggern. Bei mir würde allein schon dieser Umstand massiven Ekel und Wut auslösen, und in Bezug darauf, wie ich meine Freund- und Liebschaften zu Frauen ordne, überdies eine gewisse Verzweiflung (auf lange Sicht sogar), weil die mich umgebene Welt stets einen gewissen "heterosexuellen Drall" aufweist - der mich bei der Entwicklung meiner Freundschaften/Liebschaften/Beziehungen hemmt und behindert, und zwar ziemlich egal, wie weit ich mich in meinem Leben von Männern und "Heten" distanziere.

Ich weiß natürlich nicht, ob und inwieweit ich mich mit diesem Versuch des Nachempfindens eines bestimmten Typs von queeren Aktivistinnen tatsächlich einem echten Verständnis nähere. Mein Eindruck ist aber, dass das der Fall ist. Wobei das im Übrigen nicht bedeutet, dass ich jetzt alle oder auch "nur" die überwiegende Mehrzahl aller getroffenen "queeren" Aussagen in diesem Licht sehe.

Vieles ist ja schließlich auch fernab vermuteter Zusammenhänge interessant und relevant. Aber ich muss sagen, dass dieser Blickwinkel es für mich deutlich (!) vereinfacht, Aussagen und Sätze von solchen Aktivistinnen zu übersetzen.

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Dieser Perspektive stimme ich voll zu, und Empathie empfinde ich bei allem inhaltlichen Widerspruch für Nadine durchaus. Nur Nachempfinden Können ist halt etwas anderes als die daraus abgeleiteten Handlungen und Haltungen richtig zu heißen.


Der Punkt ist, dieser ganze Queerfeminismus/Critical-Whiteness-Bereich der Blogosphäre scheint mir ein Ort zu sein, wo sich extrem traumatisierte, in vielerlei Hinsicht getroffene, geschädigte, gebeutelte Menschen treffen. So sehr, dass mit denen das, was ich unter einem politischen Diskurs verstehe gar nicht möglich ist, denn politische Diskussion bedeutet in meiner Welt inhaltlich mitunter harte Auseinandersetzung auf Augenhöhe. Hierzu meinte ein Freund gerade, dies liefe hier aber darauf hinaus, extrem labile und gefährdete Persönlichkeiten auf einer
Ebene anzugreifen, auf der sie überhaupt nicht in der Lage sind, zu reagieren.

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Lehmann ohne Marx
Der ausgelutschteste aller ausgelutschten Langweiler ist es, sich zum Affen zu machen, indem man über die Marxsche Theorie sich äußert ohne sie zu kennen.
Marx sagt, Voraussetzung der radikalen Veränderung ist, „daß die Theorie die Massen ergreift“, da diese Veränderung die bewußte Tat voraussetzt, im Unterschied zu den Transformationen der bisherigen Geschichte, die „naturwüchsig“ erfolgten, dh aus dem ökonomischen Prozeß selbst hervorgingen.
Dass die bewußte Praxis die bewußte Theorie voraussetzt, ist eine Selbstverständlichkeit. Was daran theologisch sein soll, wissen die Götter.

Bereits in den 70ern entdeckten die Evangelischen Akademien Theologie bei Marx. Sie nutzten das, um Marx zu loben. Lehmann benutzt es, um ihn zu denunzieren. Man erkennt hieran leicht die Beliebigkeit des bloßen Meinens und der – nach Marx – verachtungswürdigen Standpunktshuberei.

Und dass Marx eine „Geschichtskonstruktion“ oder „Geschichtsphilosophie“ habe, ist der Käse, den Lehmann beim Marxismus-Leninismus abgeschrieben hat: Histomat, Diamat, Automat. Wer Marx studiert, kann dort manches entdecken. Eine Geschichtskonstruktion ist mir allerdings noch nicht aufgefallen.

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"Ein kleines "Aha-Erlebnis" für mich war ein Text von NL ..., wo sie sich sich in typischer NL-Heftigkeit und NL-Abschätzigkeit über zwei harmlose Typen auslässt, die es wagten, sie und ihre Freundin auf einer öffentlichen Feier gleichermaßen nett und etwas unbeholfen anzusprechen (welch irrsinniges Verbrechen!)."

Das ist symptomatisch, Noah Sow empfindet ja auch Avancen von irgendwelchen weißen Männern als puren Rassismus. Es ist den Damen halt nicht am Gesicht anzusehen, dass sie keine Kontakte zu WHM´s wünschen. Und um vom Uni-Seminar zur Szenekneipe und von da aus nach Hause zu gelangen, muss man sich halt durch die Öffentlichkeit bewegen, wenn´s auch schwer fällt.

Das die große Mehrheit der Menschen eben heterosexuell ist, dürfte auch Lantzschi nicht verborgen gelieben sein.

Ein halbweg intelligenter Mensch müsste allerdings in der Lage sein, sich mal in die Lage anderer zu versetzen und die Welt auch mit anderen Augen zu sehen.

Genau wie Noah Sow völlig entgeht, dass manche Menschen andere Hautfarben erotisch anziehend finden. Und das sind nicht nur WHM´s; viele schwarze Männer finden Blondinen rattenscharf.

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Also ich habe Noah Sow ja persönlich kennengelernt, und habe sie entschieden cooler erlebt als manche ihrer Texte vermuten lassen. Sehr sehr cool sogar. Ich finde es falsch, Persönlichkeiten auf Textauszüge zu reduzieren.

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bitte mal wieder Cornflakes essen (edited)
ich hatte mal was mit der Frau, die ihr Psychologiestudium u. A. abbrach, weil sie damit nicht mehr klarkam, lernen zu sollen, dass sie mit ihren lesbischen Neigungen krank sei. Ich fragte sie, ob sie nicht Kontakt zu dieser kritischen Szene, wo Foucault gelesen werde, aufnehmen wolle? Wo die Leute sich ähnlich wie sie kleideten? Gerade die Kritik an solchen Lehrinhalten sei dort sehr wichtig. Es würde sich eigentlich mit nichts anderem beschäftigt, nur könne ich ihr da nicht weiterhelfen. Aber nein, sie hatte genug. Sie hatte sich immer allein durchgeschlagen, nachdem sie mit Sechzehn auf dringende Anraten von Bekannten das Haus ihrer Mutter verlassen und ein Frauenhaus aufgesucht hatte. Bestimmte Körperregionen hatten von ihrer Mutter Phantasienamen erhalten, die dort rumgespielt hatte; sie hatte sie mit ins Bett gezwungen, wohl auch aus Angst vorm Tod, sie habe ihr Energie abzuziehen versucht, um sich gegen ihre Krebserkrankung zu stärken. Onkel habe auch mal zugefasst. Überhaupt vernachlässigt, fehlende Polioimpfung, was nicht ohne Folgen geblieben ist, Verweigerung einer Behandlung durch ein Streckbett (edit.: durch ihre Mutter!), Schläge von der Mutter mit der zwanghaften Persönlichkeit. Nach med. Kunstfehler Morphin verschrieben, Bye-Konsum, Kontakte zu Junkie Szene. Nach Bestnote im Vordiplom (das mit der Statistik, wovor sich die meisten Psycho-Studenten fürchten) Odyssee durch Deutschland und Frankreich (Arbeit und Praktikum, Übersetzungsbüro, Hospiz), wobei sie z.B. die chaotischen Zustände in HH abgeschreckt hatten, die sie offenbar mit jenen "Subkulturen" assoziiert hatte, ihr zufolge in Oldenburg teilw. wiss. Dilettantismus. Unzureichende empirische Basis, die dem Projekt, das sie fortführen sollte für ihre Abschlussarbeit, zugrunde liegen sollte. Dilettantische Ausdrucksweise ihrer betreuenden Professorin. "Unterkategorien". Eine Kategorie ist jene Klasse, die nicht mehr Klasse einer übergeordneten Klasse ist. (Das ist Standart-Wissen, Cornflakes-Verpackung.) Stattdessen "therapeutische" Spielereien an jener Uni. Psychologiestudium als Selbsttherapie. Auch bekam sie zu oft Druckstellen am Fuß der Fahrten wegen von HH nach Oldenburg. Sie vermutete, wegen Überlastung mehrere Brust OPs. (Nur klener Ausschitt ihrer Gebrechen) Dass sie krank sei, war nur Auslöser gewesen. Nie gelernt habend, dass es etw. wie Vertrauen oder menschliche Hilfe gibt, hatte sie sich mit ihrer Dickköpfigkeit, mit der sie sich gegen ihre Mutter zur Wehr zu setzen gelernt hatte, immer auf für mich bewunderungswürdige Weise allein durchgeschlagen. (Nur kleiner Ausschnitt ihres oft exzentrischen Verhaltens.) Natürlich möchte ich diese Außenseiterin. Die sich aber mehr für Medizin, hard science interessierte. "Intellektueller" sei für sie ein Schimpfwort.

Sie warf´s also hin. Sei von Lesben (körperlich) brutal behandelt worden beim Sex. Alle Lesbischen Beziehungen gescheitert. Diese kritische (linke) Szene, Psycho-Spiele, seinen nicht ihr Ding. Sie sei eigentlich mehr rechts.

Warum erzähle ich das nun alles ?

1. Queerfeminismus ist nicht zwingend die passende Anlaufstelle für alle Menschen, deretwegen die ganze Veranstaltung ins Leben gerufen wurde. Aus dem Frauenhaus nahm sie so schnell wie möglisch reißaus 2. Die Dinge, die WHMs möglicherweise verschrecken oder die zumindest bei WHMs ofts eine gewisse Ratlosigkeit zurücklassen, haben mitunter bei potenzieller Klientel dieselben oder ähnliche Reaktionen zur Folge. 2. Missbraucherfahrungen haben nicht notwendig so scheinende pseudowissenschaftliche Verdrehtheiten zur Folge. 3. Ich kann mich zwar nicht in Menschen mit Missbraucherfahrungen hineinversetzen, hatte aber mit den aus diesen resultierenden Folgen auch im buchstäblichen Sinne hautnahem Kontakt. Missbraucherfahrungen und lesbische Neigungen schließen also zwar nicht immer "normalen" aber letztlich doch heterosexuellen Sex nicht aus. 4. Es ist klar, dass Missbrauch schwerwiegende Folgen haben kann.

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Du, che, bist auch Zoni? Lauter Zonis hier: Kadda, Nadine und ich und jetzt auch che, wo die doch angeblich alle Nazis sind. ...oder lernt man die Grundlagen des dialektischen & historischen Materialismus auch im Westen in der 10. Klasse?

Persönlich habe ich, wie gesagt, nichts gegen Nadine. Ich finde sie auch nicht unerträglich, arrogant, abschätzig. ...zumindestens nicht, solange sie in klösterlicher Abgeschiedenheit in ihrem Luftschutzkeller hockt. Ich selbst würde es nie wagen, so persönliche Dinge vor der Öffentlichkeit auszubreiten, wie sie es tut. Das verlangt viel Mut. Außerdem verfügt sie über päpstliche Autorität. Und anstößiges Material finde ich gut, Material, das phosphoresceiert vor Irrsinn. Während eine Lena Schimmel ihre queerfeministischen Mitstreiterinnen einen faireren Umgang mit Frauen mit Familie anmahnt, und damit dem Publikum mitteilt, daß Frauen mit Familie in einer queerfeministischen Gesellschaft nichts zu lachen haben, gelang unserer lieben Nadine ein Kabinettsstück, das diesen Verdacht bestätigt, und das das Verhältnis von Queerfeminismus und den übrigen Feminismen ein für alle mal klärt. Ich bin es gewohnt, daß Feministinnen die familiären Verpflichtungen gerade der Mütter sehr am Herzen liegen, und daß sie wissen, daß gerade diese sie niederdrücken, und die Sozialisation von Frauen mit diesen Verpflichtungen zusammenhängen, selbst dann, wenn die betreffende Frau keine Mutter ist. Daß ausgerechnet Frauen mit Familie den Luftschutzkeller "Mädchenmannschaft" nur noch von außen ansehen dürfen, sagt deshalb alles. Wenn man also die Beziehung von Queerfeminismus und anderen Feminismen erläutern möchte, so tut man das, und dafür bitte ich Nadine um Entschuldigung, falls sie das hier liest, indem man Nadines Texte kommentiert. Udo Vetter tat es im Falle, als er während des Kachelmann-Prozesses die Haltung von Feministen darstellen wollte. Er wollte dabei gewiß Nadine nicht kränken.

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Ja, auch Che und ich sind Zonis – Westzone.

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Lieber Nörgler,
wenn ich mehr Lust habe als heute, werde ich meinen elektronischen Marxzitate-Zettelkasten bemühen. Das wird dann leider ein kilometerlanger Kommentar werden.
So ganz nebenbei hast Du übrigens auch übersehen, daß ich selbst mich gar nicht vom Klassenbegriff distanziert habe. Es gibt nämlich so etwas wie linke Nichtmarxisten, zu denen nach Engels' Auffassung - hier wird es nun aber ironisch - sogar Marx selbst gehört haben könnte. Solche Leute sind teilweise imstande, dem Klassenbegriff etwas abzugewinnen.

Mein Hauptpunkt war der Hinweis, daß der "Klassismus"-Begriff - um es nochmal nachzuschärfen - so etwas wie der idealistisch-identitätspolitische Gegenpol zur Haupt/Nebenwiderspruchs-Dialektik ist. Rein kategorial erscheinen Klassenschicksale dabei einfach als eine weitere Unrechtsquelle und die Betroffenen entsprechend als mögliche Ziele der eigenen Empathie. Der eigene ökonomische Status ist dafür nicht ursächlich. Der Antiklassist verwickelt sich in Kämpfe in derselben Weise wie der bürgerrechtsbewegte Antirassist privilegierter Hautfarbe: aufgrund eines moralischen Engagements. Nur ist halt der Unterschied, daß - in historischer Langfristperspektive betrachtet - ein am ökonomischen Status festgemachtes Selbstbewußtsein seltener geworden ist als ein an ethnischen, sexuellen und anderen Identitätsmerkmalen orientiertes. Mithin wird die Parteinahme auch meist nicht mehr praktisch. Es kommt hinzu, daß sich der Antiklassismus im Extremfall - allerdings gewiß nicht bei Rorty - auch auf eine reine Interaktionsethik reduzieren läßt. Sofern Bewohner von Slums, Ghettos, Favelas einerseits und Insassen von gated communities im Alltag nicht mehr miteinander in Berührung kommen, ist dann gar kein Konfliktaustrag mehr möglich.

Noch etwas, Nörgler: meistens fällt das Wort vom Denunzieren auf den zurück, der es ins Spiel bringt. Sollte ich zu dem Schluß kommen, daß ich aus psychohygienischen Gründen irgendwie nicht auf dieserlei verzichten kann, werde ich mich jedoch auch in Zukunft an berühmte, schmerzbefreite Tote halten. Versprochen.

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"So ganz nebenbei hast Du übrigens auch übersehen, daß ich selbst mich gar nicht vom Klassenbegriff distanziert habe", während Du übersahst, dass ich in meinem Kommentar von "Klasse" überhaupt nicht geredet habe. Dein letzter Kommentar hat auch sonst keinen Bezug zu dem meinigen.

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@ Peter Lehmann
"Denunzieren...ich aus psychohygienischen Gründen irgendwie...an schmerzbefreite Tote halten."
Sehr geehrter Herr Lehmann,
ich kann hier nicht für den Hausherren und andere sprechen, sondern tue es mehr aus Eigeninteresse heraus. Genau darum möchte ich Sie doch um etwas mehr Sorgfalt und Gelassenheit bitten. Wir sind hier zwar sehr interessante Menschen, die Ihren Standpunkt womöglich sehr nötig haben, aber dennoch: Sorgfalt und insbesondere Gelassenheit im persönlichen Umgang schätzen die meisten von uns sogar sehr. Okay?

Der übergeschnappte, ins Persönliche abklappende Tonfall wiederum ist wiederum eine andere Variante. Diese mag vielleicht von Zeit zu Zeit notwendig sein, in 99 Prozent aller Fälle ist sie jedoch maximal nur verständlich. Dies dann aber, wie Sie so schön zu formulieren pflegen, eher in der Betrachtung "psychohygienischer" Umstände, Lebens- und Notlagen. Das soll hier aber nicht das Thema sein.

Auch wenn es das auch in Bezug auf die Ausgangsthematik, ich sage: irrwitziger- und bedauerlicherweise, vielleicht doch mehr der Fall ist, als uns lieb ist.

Sie verstehen.

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