Mittwoch, 8. Juni 2016
Gesundheit für alle statt lebenslänglicher Minimalversorgung
che2001, 14:07h
Georg Classen (Flüchtlingsrat Berlin) hat eine vulminante Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 08.06.2016 unter dem Titel: „Medizinische Versorgung von Flüchtlingen“ verfasst. Darin kritisiert er zunächst grundsätzlich die Beschränkungen, die das Asylbewerberleistungsgesetz vorsieht, und zitiert zustimmend den renommierte Sozialrechtler Eichenhofer:
„Das Urteil des BVerfG vom 18.7.2012 muss für den Gesetzgeber … ein Anlass sein, die Reichweite des Gesundheitsschutzes für Flüchtlinge und Asylsuchende zu überprüfen. Die Beschränkung des Anspruchs auf eine Akutbehandlung und die Versagung einer nachhaltigen Krankenbehandlung verletzt das Menschenrecht auf Gesundheit und widerspricht auch einem das Sozialleistungsrecht umfassenden Verständnis des Art. 2 11 GG. Danach ist der Staat nicht nur gefordert, sich sämtlicher Eingriffe in das Leben und die körperliche Unversehrtheit und Gesundheit der Inlandsbewohner zu enthalten, sondern auch zum aktiven Schutz der kranken Menschen durch medizinische Hilfe verpflichtet. Deren Versagung stellte auch die Diskriminierung behinderter Menschen dar, die sowohl international- und europarechtlich wie nach Art. 3 III 2 GG untersagt ist.“
Ausführlich widmet sich Classen sodann dem Bundesrats-Kompromiss zum AsylbLG, der die Möglichkeit für die Länder vorsieht, elektronische Gesundheitskarten auch für Asylsuchende auf freiwilliger Basis einzuführen. Er beschreibt ausführlich den unbefriedigenden Stand in den Bundesländern (zu Niedersachsen weitere Infos hier) und kommt zu dem Ergebnis:
„Anzustreben ist nach alledem – wie bereits 2014 vom Bundesrat empfohlen – eine bundeseinheitlichen gesetzliche Regelung zur Einbeziehung aller AsylbLG-Berechtigten in die Gesetzliche Krankenversicherung. Rechtssystematisch am einfachsten wäre dies wie beim Arbeitslosengeld II über die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 SGB V zu regeln. Hilfsweise kann über § 264 Abs 2 SGB V eine bundesweit verbindliche, einheitliche Regelung zur medizinischen Versorgung aller AsylbLG Berechtigten über die GKV geschaffen werden. Bereits seit vielen Jahren gilt dies für Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG sowie für Leistungsberechtigte nach dem SGB VIII und SGB XII. Verhandlungen über die Höhe der Vergütung des Verwaltungsaufwandes der Krankenkassen würden überflüssig, wenn der Bundesgesetzgeber die Marge verbindlich festschreibt. Beide Varianten würden die Sozialbehörden wesentlich von administrativen Aufgaben bei der Krankenversorgung nach AsylbLG entlasten. Auch der Übergang von der Krankenhilfe nach §§ 4/6 AsylbLG bzw. § 2 AsylbLG zur Versorgung nach SGB II/XII würde sich unkomplizierter gestalten, da eine Krankenkassenwahl und die erneute Anfertigung von Fotos für die eGK entbehrlich wären.“
„Das Urteil des BVerfG vom 18.7.2012 muss für den Gesetzgeber … ein Anlass sein, die Reichweite des Gesundheitsschutzes für Flüchtlinge und Asylsuchende zu überprüfen. Die Beschränkung des Anspruchs auf eine Akutbehandlung und die Versagung einer nachhaltigen Krankenbehandlung verletzt das Menschenrecht auf Gesundheit und widerspricht auch einem das Sozialleistungsrecht umfassenden Verständnis des Art. 2 11 GG. Danach ist der Staat nicht nur gefordert, sich sämtlicher Eingriffe in das Leben und die körperliche Unversehrtheit und Gesundheit der Inlandsbewohner zu enthalten, sondern auch zum aktiven Schutz der kranken Menschen durch medizinische Hilfe verpflichtet. Deren Versagung stellte auch die Diskriminierung behinderter Menschen dar, die sowohl international- und europarechtlich wie nach Art. 3 III 2 GG untersagt ist.“
Ausführlich widmet sich Classen sodann dem Bundesrats-Kompromiss zum AsylbLG, der die Möglichkeit für die Länder vorsieht, elektronische Gesundheitskarten auch für Asylsuchende auf freiwilliger Basis einzuführen. Er beschreibt ausführlich den unbefriedigenden Stand in den Bundesländern (zu Niedersachsen weitere Infos hier) und kommt zu dem Ergebnis:
„Anzustreben ist nach alledem – wie bereits 2014 vom Bundesrat empfohlen – eine bundeseinheitlichen gesetzliche Regelung zur Einbeziehung aller AsylbLG-Berechtigten in die Gesetzliche Krankenversicherung. Rechtssystematisch am einfachsten wäre dies wie beim Arbeitslosengeld II über die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 SGB V zu regeln. Hilfsweise kann über § 264 Abs 2 SGB V eine bundesweit verbindliche, einheitliche Regelung zur medizinischen Versorgung aller AsylbLG Berechtigten über die GKV geschaffen werden. Bereits seit vielen Jahren gilt dies für Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG sowie für Leistungsberechtigte nach dem SGB VIII und SGB XII. Verhandlungen über die Höhe der Vergütung des Verwaltungsaufwandes der Krankenkassen würden überflüssig, wenn der Bundesgesetzgeber die Marge verbindlich festschreibt. Beide Varianten würden die Sozialbehörden wesentlich von administrativen Aufgaben bei der Krankenversorgung nach AsylbLG entlasten. Auch der Übergang von der Krankenhilfe nach §§ 4/6 AsylbLG bzw. § 2 AsylbLG zur Versorgung nach SGB II/XII würde sich unkomplizierter gestalten, da eine Krankenkassenwahl und die erneute Anfertigung von Fotos für die eGK entbehrlich wären.“
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