Montag, 3. Juli 2017
Keine Bürgerrechte für Flüchtlinge
che2001, 00:07h
Der Bundestag hat die „Ehe für alle“ beschlossen – aber nicht für Kriegsflüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus, die werden weiterhin zwangsweise voneinander getrennt, und die Kinder mit dazu. Auch die Eheleute (und ihre Kinder), die als Flüchtlinge in Griechenland gestrandet sind und auf eine Zusammenführung mit ihren in Deutschland lebenden Angehörigen warten, auf die ein Rechtsanspruch besteht, profitieren nicht von dem heutigen Beschluss des Bundestages.
Die Zahl der Betroffenen, bei denen bereits eine Zustimmung des BAMF zur Übernahme nach Deutschland vorliegt, die aber infolge der auf Druck des deutschen Innenministeriums vereinbarten Deckelung der monatlichen Überstellungen (auf etwa 70 – 80 Personen monatlich) nach dem Dublin-Verordnung unter meist unerträglichen Bedingungen weiter in Griechenland ausharren müssen, ist deutlich größer als bislang angenommen! Es betrifft etwa 3.700 Menschen, wie sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Frage der Linken( Drs. 18/12876, Fragen 26 und 27) ergibt.
Auch die Familie des syrischen Familienvaters B. gehört dazu. Seit drei Jahren lebt die Familie getrennt. Ehefrau und Kinder sind in Griechenland. Seit April 2017 liegt eine Zustimmung der deutschen Behörden für die Zusammenführung vor; dennoch passiert nichts und es nicht absehbar, wann eine Einreise nach Deutschland ermöglicht wird (sh. Fallskizze).
MiGAZIN berichtet heute hierüber. Ulle Jelpke (Linke) kommentiert:
Wenn es in dem aktuellen Tempo weiter geht, wird sich die Familienzusammenführung der aktuellen Fälle über vier Jahre hinwegziehen – nach Art. 29 Abs. 1 der Dublin-Verordnung soll eine Überstellung jedoch „sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten“ erfolgen. Die Deckelung des Familiennachzugs ist also nicht nur unmenschlich und grausam – der Innenminister sollte sich das Elend und die Verzweiflung der Betroffenen in Griechenland einmal mit eigenen Augen ansehen. Sie ist auch rechtswidrig.“
Weitere Informationen:
Flüchtlingsrat Niedersachsen:
Karim Alwasiti, Tel. 0511 98 24 60 32, ka@nds-fluerat.org
Sebastian Rose, Tel. 0511 98 24 60 34, sr@nds-fluerat.org, nds@nds-fluerat.org
Fallskizze 1:
Verzögerung der Familienzusammenführung aus Griechenland
Der syrische Familienvater B. ist seit Dezember 2014 in Deutschland und hat im August 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen.
Im Mai 2016 floh seine Ehefrau mit den vier minderjährigen Kindern nach Griechenland. Dort lebten sie zunächst in Idomeni und wurden nach dessen Räumung in ein Camp bei Thessaloniki verbracht. Im Herbst 2016 stellten sie einen Asylantrag in Griechenland und verwiesen hier auf ihren in Deutschland lebenden Ehemann. Daraufhin richteten die griechischen Behörden ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Deutschland, welches im April 2017 positiv beantwortet wurde. Die Familie wartet also nur noch darauf, dass Griechenland ihre Ausreise ermöglicht wird.
Die Familie lebt seit fast drei Jahren getrennt. Mit der aktuellen Begrenzung der Ausreisezahlen von deutscher und griechischer Seite scheint sich diese Trennung noch um weitere Monate oder Jahre zu verlängern. Ein Zustand, der für die Familie eine unzumutbare Härte darstellt. Die Trennung von seiner Frau und den Kindern macht es auch für B. sehr schwer, sich hier in Deutschland einzuleben, da er in Gedanken stets bei seiner Familie ist, die im griechischen Camp unter sehr schlechten Bedingungen untergebracht ist.
Fallskizze 2:
Kein Familiennachzug zu subsidiär Geschützten
Der staatenlose Kurde C. aus Syrien ist im November 2015 nach Deutschland eingereist. Nach seiner Ankunft übernahm eine Ehrenamtliche die Patenschaft für ihn. Seine Ehefrau und drei Kinder halten sich im Irak auf. Im April 2016 kam C. mit einem Bauunternehmen ins Gespräch, das nach erfolgreichem Praktikum und Abschluss des Asylverfahrens eine Beschäftigung in Aussicht stellte. Im Hinblick auf einen möglichen Arbeitsplatz begann ein mühseliges Unterfangen das Asylverfahren zu beschleunigen.
Ein halbes Jahr später hat C. den Termin für die Asylantragstellung und die Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhalten. 2015/2016 vergingen in ganz Deutschland bei Schutzsuchenden oft Monate oder mehr als ein Jahr bis zur ersten Terminvergabe beim BAMF.
Im September 2016 erfolgte die Arbeitsaufnahme in dem Baubetrieb. Seit diesem Tag werden keine Sozialleistungen mehr in Anspruch genommen und es konnte ein Arbeitsplatz besetzt werden, für den „Einheimische“ nicht zur Verfügung standen.
Mitte November 2016 erging der Bescheid zum Asylantrag, der C. den subsidiären Schutz zuerkennt. Damit ist die Familienzusammenführung bis zum 16.03.2018 nicht möglich. C. wird im Bescheid des BAMF als staatenloser Kurde deklariert, der aufgrund der Kriegssituation und der Entrechtung in seinem Land geflohen sei.
Bereits im Juni 2016 hat C. für Ehefrau und Kinder einen Termin für die Beantragung von Visa für den Familiennachzug beim Generalkonsulat Erbil beantragt. Ein Termin wurde bisher nicht vergeben. C. ist auf dem besten Weg zu einer erfolgreichen Integration in Deutschland. Das Unternehmen ist sehr zufrieden mit seiner Arbeit und er unterstützt andere Flüchtlinge bei Behördengängen oder Arztbesuchen. Obwohl er in der Lage ist, für seine Frau und Kinder, die sich in einem Flüchtlingslager im irakischen Kurdistan befinden, nach den allgemeinen Voraussetzungen des Aufenthaltsgesetzes Lebensunterhaltssicherung und Wohnraum sicherzustellen, wird ein erfolgreiches Visumverfahren unmöglich gemacht. Durch das Asylpaket II ist der Nachzug zu subsidiär Geschützen kategorisch bis März 2018 ausgeschlossen. Die einzige Möglichkeit des Nachzugs wäre bis dahin über eines der Länderaufnahmeprogramme zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen durch ihre Angehörigen. Solche Programme gibt es derzeit aber nur in fünf Bundesländern. Niedersachsen zählt derzeit nicht dazu.
Der größte Wunsch von C. ist es, endlich eine Heimat für sich und seine Familie zu finden, in der die Familie vor Krieg und Verfolgung sicher ist.
Die Zahl der Betroffenen, bei denen bereits eine Zustimmung des BAMF zur Übernahme nach Deutschland vorliegt, die aber infolge der auf Druck des deutschen Innenministeriums vereinbarten Deckelung der monatlichen Überstellungen (auf etwa 70 – 80 Personen monatlich) nach dem Dublin-Verordnung unter meist unerträglichen Bedingungen weiter in Griechenland ausharren müssen, ist deutlich größer als bislang angenommen! Es betrifft etwa 3.700 Menschen, wie sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Frage der Linken( Drs. 18/12876, Fragen 26 und 27) ergibt.
Auch die Familie des syrischen Familienvaters B. gehört dazu. Seit drei Jahren lebt die Familie getrennt. Ehefrau und Kinder sind in Griechenland. Seit April 2017 liegt eine Zustimmung der deutschen Behörden für die Zusammenführung vor; dennoch passiert nichts und es nicht absehbar, wann eine Einreise nach Deutschland ermöglicht wird (sh. Fallskizze).
MiGAZIN berichtet heute hierüber. Ulle Jelpke (Linke) kommentiert:
Wenn es in dem aktuellen Tempo weiter geht, wird sich die Familienzusammenführung der aktuellen Fälle über vier Jahre hinwegziehen – nach Art. 29 Abs. 1 der Dublin-Verordnung soll eine Überstellung jedoch „sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten“ erfolgen. Die Deckelung des Familiennachzugs ist also nicht nur unmenschlich und grausam – der Innenminister sollte sich das Elend und die Verzweiflung der Betroffenen in Griechenland einmal mit eigenen Augen ansehen. Sie ist auch rechtswidrig.“
Weitere Informationen:
Flüchtlingsrat Niedersachsen:
Karim Alwasiti, Tel. 0511 98 24 60 32, ka@nds-fluerat.org
Sebastian Rose, Tel. 0511 98 24 60 34, sr@nds-fluerat.org, nds@nds-fluerat.org
Fallskizze 1:
Verzögerung der Familienzusammenführung aus Griechenland
Der syrische Familienvater B. ist seit Dezember 2014 in Deutschland und hat im August 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen.
Im Mai 2016 floh seine Ehefrau mit den vier minderjährigen Kindern nach Griechenland. Dort lebten sie zunächst in Idomeni und wurden nach dessen Räumung in ein Camp bei Thessaloniki verbracht. Im Herbst 2016 stellten sie einen Asylantrag in Griechenland und verwiesen hier auf ihren in Deutschland lebenden Ehemann. Daraufhin richteten die griechischen Behörden ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Deutschland, welches im April 2017 positiv beantwortet wurde. Die Familie wartet also nur noch darauf, dass Griechenland ihre Ausreise ermöglicht wird.
Die Familie lebt seit fast drei Jahren getrennt. Mit der aktuellen Begrenzung der Ausreisezahlen von deutscher und griechischer Seite scheint sich diese Trennung noch um weitere Monate oder Jahre zu verlängern. Ein Zustand, der für die Familie eine unzumutbare Härte darstellt. Die Trennung von seiner Frau und den Kindern macht es auch für B. sehr schwer, sich hier in Deutschland einzuleben, da er in Gedanken stets bei seiner Familie ist, die im griechischen Camp unter sehr schlechten Bedingungen untergebracht ist.
Fallskizze 2:
Kein Familiennachzug zu subsidiär Geschützten
Der staatenlose Kurde C. aus Syrien ist im November 2015 nach Deutschland eingereist. Nach seiner Ankunft übernahm eine Ehrenamtliche die Patenschaft für ihn. Seine Ehefrau und drei Kinder halten sich im Irak auf. Im April 2016 kam C. mit einem Bauunternehmen ins Gespräch, das nach erfolgreichem Praktikum und Abschluss des Asylverfahrens eine Beschäftigung in Aussicht stellte. Im Hinblick auf einen möglichen Arbeitsplatz begann ein mühseliges Unterfangen das Asylverfahren zu beschleunigen.
Ein halbes Jahr später hat C. den Termin für die Asylantragstellung und die Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhalten. 2015/2016 vergingen in ganz Deutschland bei Schutzsuchenden oft Monate oder mehr als ein Jahr bis zur ersten Terminvergabe beim BAMF.
Im September 2016 erfolgte die Arbeitsaufnahme in dem Baubetrieb. Seit diesem Tag werden keine Sozialleistungen mehr in Anspruch genommen und es konnte ein Arbeitsplatz besetzt werden, für den „Einheimische“ nicht zur Verfügung standen.
Mitte November 2016 erging der Bescheid zum Asylantrag, der C. den subsidiären Schutz zuerkennt. Damit ist die Familienzusammenführung bis zum 16.03.2018 nicht möglich. C. wird im Bescheid des BAMF als staatenloser Kurde deklariert, der aufgrund der Kriegssituation und der Entrechtung in seinem Land geflohen sei.
Bereits im Juni 2016 hat C. für Ehefrau und Kinder einen Termin für die Beantragung von Visa für den Familiennachzug beim Generalkonsulat Erbil beantragt. Ein Termin wurde bisher nicht vergeben. C. ist auf dem besten Weg zu einer erfolgreichen Integration in Deutschland. Das Unternehmen ist sehr zufrieden mit seiner Arbeit und er unterstützt andere Flüchtlinge bei Behördengängen oder Arztbesuchen. Obwohl er in der Lage ist, für seine Frau und Kinder, die sich in einem Flüchtlingslager im irakischen Kurdistan befinden, nach den allgemeinen Voraussetzungen des Aufenthaltsgesetzes Lebensunterhaltssicherung und Wohnraum sicherzustellen, wird ein erfolgreiches Visumverfahren unmöglich gemacht. Durch das Asylpaket II ist der Nachzug zu subsidiär Geschützen kategorisch bis März 2018 ausgeschlossen. Die einzige Möglichkeit des Nachzugs wäre bis dahin über eines der Länderaufnahmeprogramme zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen durch ihre Angehörigen. Solche Programme gibt es derzeit aber nur in fünf Bundesländern. Niedersachsen zählt derzeit nicht dazu.
Der größte Wunsch von C. ist es, endlich eine Heimat für sich und seine Familie zu finden, in der die Familie vor Krieg und Verfolgung sicher ist.
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