Sonntag, 30. Juli 2017
Autonome, Gewalt, rinks und lechts ganz ausgelatscht
Von Gunther Latsch bin ich so manches seltsame Diktum gewohnt. Einstmals, als ich kurzfristig als freier Mitarbeiter für den SPIEGEL tätig gewesen war und nach der Höhe des Honorars gefragt hatte hatte er geantwortet: "100 pro Seite, das Zehnfache wenn Schröder deshalb zurücktreten muss." Das war vielsagend genug, es sagt eigentlich alles über dieses Medium aus: Man wird für die Größe des angerichteten Schadens bezahlt. Tiefschürfende politische Analyse, Gesellschaftskritik oder Kenntnis sozialer Bewegungen kann man vom SPIEGEL latürnich nicht erwarten, und dass ein SPIEGEL-Redakteur Wildcat oder Materialien für einen neuen Antiimperialismus oder ProKla gelesen hat erst recht nicht. Hauptsache immer drauf. Dass die Autonomen als politische Bewegung nicht in jedem Fall mit den Randalierern in Hamburg identisch waren, dass zwischen Autonomen und Antifas und Schwarzen Blöcken in einigen Fällen zu differenzieren und dass das autonome Lager in der Beurteilung des Geschehenen mehr als nur zerstritten ist, das einzugestehen wäre viel zu differenziert.

http://magazin.spiegel.de/SP/2017/29/152163675/index.html


Und wenn ich mir so die Persönlichkeitsstrukturen ansehe, die ich innerhalb der autonomen Szene innerhalb einiger Jahrzehnte in mannigfacher Form kennenlernen konnte so ist mir der Typus machohafter gewaltberauschter Schlägertyp da durchaus einige Male über den Weg gelaufen, aber szenetypisch sind solche Leute nicht. Eher schon ein Sozialisationstyp ähnlich den Leuten die sich im Kontext der Mädchenmannschaft äußern: Problembewusst bis zum Geht-nicht-mehr, hochmoralisch und mit echten moralischen Schwierigkeiten schon bei Dingen wie Fleisch essen, laut "ficken" sagen oder Rasierwasser benutzen (mitunter bis hin zu Genzzziehungen in der Richtung, Leute die so etwas tun gehören schon zum Feind). Eine Art Steigerungsform der ökofundamentalistischen Müslifraktion der sehr alten Grünen, allerdings im Punk- und Techno-Kontinuum. Und darüberhinaus auch viele arbeiterbewegte Altlinke, Jobberszene, Teils auch so ein Kampfsportpublikum mit so einer Art Jedi-Ritter-Ethos. Ein insgesamt sehr buntes und in sich extrem widersprüchliches Spektrum, in dem aber solch hooliganeske Gestalten wie von Latsch geschildert eher geduldete Randerscheinungen als typisch sind.

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Zur Ökologie der Existenz
Längst ist die sogenannte Neue Linke selber historisch geworden. Ereignisse wie der G20-Gipfel in Hamburg offenbaren denn auch eine Hilf- und Perspektivlosigkeit der Linken, die riots waren ja eben kein selbstbewusster Aufstand, sondern ein eher kontraproduktives Störfeuer, das letzendlich nach hinten losgeht. Die Überlegungen Lars Hartmanns im Freitag sind demangemessen sehr bedenkenswert, aber auch sie waren schon aktuell, als Hazel Henderson ihr Buch zum Ende der Ökonomie schrieb - so um 1980 herum. Demgegenüber betreibt die Linke in ihrer Pflege ritualisierter Proteste eigentlich einen ausgeprägten Konservativismus - eine Art Brauchtumspflege überkommener Grabenkämpfe, man könnte auch Selbstethnisierung dazu sagen.



https://www.freitag.de/autoren/lars-hartmann/neue-linke-muessen-her

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