Mittwoch, 25. September 2019
Der soziale Status, das alltägliche Konsumverhalten, die Moral und der Distinktionsgewinn
Von Haus aus habe ich ein in erster Linie qualitätsbewusstes Konsumverhalten. Es muss vor allem das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen, und Produkte bestimmter Schweinefirmen wie etwa Nestlé oder kik sind out. Im Wesentlichen geht dieses Konsumverhalten auf mein Elternhaus zurück, meine Mutter hatte mich zu Nachaltigkeit erzogen, auch wenn das Wort damals noch niemand kannte. Dazu gehörte zum Beispiel, Erbsen in Dosen nur von Bonduelle und solche tiefgekühlt nur von Iglo zu kaufen und überhaupt bei den Grundlagen zuzubereitender Speisen auf hochwertige Nahrungsmittel zu achten. Dies behielt ich ein Leben lang bei.

In einer, ich sage mal, Szenekader-WG, in der ich in den Neunzigern gelebt hatte hatte ich damit echte Probleme bekommen: Mein Einkaufsverhalten sei bürgerliches Distinktionsverhalten mit dem sich der Bürgersohn über die Proleten erhebe, akzeptabel sei nur entweder ein proletarisches Einkaufsverhalten - quasi das billigste von Aldi - oder ein konsequent auf Vollwertigkeit und Nachhaltigkeit ausgerichtetes wie etwa Mitglied in einer Food-Coop zu werden.

Wichtig war daran vor allem wohl mir moralisch einen reinzuwürgen, leider bin ich immer wieder in enge Partnerschaften oder konfliktreiche Zusammenarbeitsfelder mit für mich toxischen Menschen geraten.

Was das "bürgerliche Abgrenzungsverhalten" anging war das das Ergebnis der Erziehung durch meine Mutter, eine gelernte Hauswirtschafterin und Lebensmittelchemikerin, der es um Nahrungsmittelqualität ging.

Im Gegensatz zu den auf freiwillige Armut oder zumindest zur Schau getragenen Schmudligkeit abhebenden Performaces meiner sich als proletarische Linke definierenenden Genossen habe ich die tatsächlichen Industeriearbeiter als Einfamilienhausbesitzende GTI- und AudiTT-Fahrer erlebt, und noch meine aus ausgesprochen armem Arbeiterhaushalt stammende Ex-Assistentin zeichnete sich nicht durch proletarische Bescheidenheit aus sondern durch ständiges Pleitesein aufgrund eines Hangs zum Luxus den sie sich eigentlich nicht leisten konnte (Wimpernmascara für 60 Euro die Flasche, Gucci und Prada). Die moralisierende Kritik meiner früheren Szenegenossen darüber dass ich Rasierwasser benutze (Na gut, es ist Azzaro; es ging da aber nicht um die Marke sondern dass ich überhaupt eins verwandte) würde kaum ein Malocher verstehen; die Basecap tragenden Türken und Araber in meinem Bekanntenkreis benutzen alle teure Herrendüfte, von den Frauen ganz zu schweigen.

Es bleibt abzuwarten, was für Askesemoden die aktuelle Klimabewegung hervorbringen wird, ich denke da wird einiges Altbekannte auf uns zukommen.

... comment

 
Benutzt Du Azzaro noch? Kannst Du was zu Kopfnote, Herznote, Basisnote sagen? Douglas.de beschreibt den Duft pauschal als aromatisch. Ei gucke.

Für mich kommen nur 'klassische' After Shaves in Frage, Paradebeispiel Davidoff Zino, aber das wird nicht mehr produziert. Weiterhin Aramis und Lagerfeld (obwohl das schon fast zu süßlich ist). Marbert Man war vor 30 Jahren verdammt viel besser, heute nur noch ein fader Abklatsch. Durchprobieren ist natürlich richtig teuer, deshalb mal meine bescheidene Frage.

... link  

 
Ja, ich benutze nach wie vor Azzaro. Den Duft würde ich als schwer, orientalisch, zwischen Ambra und Moschus bezeichnen. Hatte diese Note erstmals in einem Basarzelt bei den Pyramiden kennengelernt, da wird die hochkonzentrierte Grundsubstanz verkauft (wäre in Europa unbezahlbar, die Ägypter kippen so etwas in die Waschmaschine). Natürlich entwickelt sich der Duft im Lauf eines Tages auf der Haut, aber die Unterschiede zwischen Kopfnote, Herznote, Basisnote wüsste ich nicht zu beschreiben.

... link  

 
Zino Davidoff gibt es noch, das roch damals Mitte der 1980er aber deutlich deutlich besser. Auch ich meine festgestellt zu haben, daß die Düfte sich änderten. Ansonsten nehme von Channel Antaeus und ein Eau de Toilette des Namen ich nicht verrate, weil es so gut und exkulusiv ist, daß ich nicht möchte, daß es irgendwer sonst noch benutzt. Allerdings dürfte die Verbreitung schon durch seine Preisdimension erheblich eingeschränkt sein und es gibt es das auch nicht im Kaufhaus oder in einer normalen Drogerie oder Parfümerie wie Douglas.

Marbert Man fand ich damals tatsächlich auch ganz nett und angeneh und zudem noch Paco Rabanne - als Student mußte ich immer ein wenig noch aufs Geld achten. Und da waren diese Düfte ein guter Kompromiß.

... link  

 
Ich war auch schon viel exklusiver, als ich mir meinen Duft selber mixte: Aus Lotus-Essenz, Moschus und Ambra. Meine nicht mehr auffindbare Quelle war ein Beduinenzelt in Sakkara.

... link  

 
düfte brauch ich nich mein fell stinkt von alleine
dekadentes zeuch

abba bonduelle aus der dose
du hast ja ma nen pic von dein herd gemacht
mehr is da auch nich drinne
hast du den noch?
dann melde das dem umweltbundesamt
für nachhaltichkeit gibts dann ne goldmedaille

... link  

 
Es bleibt abzuwarten, was für Askesemoden die aktuelle Klimabewegung hervorbringen wird, ich denke da wird einiges Altbekanntes auf uns zukommen.
Kann bei mir nicht schlimmer werden. Bei uns in Sachsen herrscht spröder kleinbürgerlicher lutherischer Protestantismus. Da wird gegessen, was auf den Tisch kommt, und aufgehört, wenn es am schönsten ist. Und das unabhängig davon, wieviel man sich leisten kann, so daß man ziemlich viel erben kann. Kirchen sehen sowieso schon aus wie Müllverbrennungsanlagen und demnächst gehen darin also auch die Kerzen aus, weil sie sonst CO_2 produzieren würden. Demnächst wird die Klimabewegung dabei helfen, daß sich diese Lebensweise ausbreitet, indem sie für eine unsoziale CO_2-Steuer sorgt, die, indem sie den Bürgern das Geld wegnimmt, nicht nur die Menschen darin hindert, Rasierwasser und Parfums zu verwenden, sondern auch unnütze Bücher zu lesen, Theater, Konzerte und Kinos aufzusuchen und Parties zu feiern, was Evangelen für Sünde halten, weil Lebenszeit verschwendet würde, in der man hätte etwas "sinnvolles" anstellen können. Zugleich sorgt die Klimabewegung für die soziale Isolation von Delinquenten. Denn Leute, die gegen die Zumutungen der von der Klimabewegung praktizierten autoritären Zurichtung der Bürger aufbegehren, heißen "Klimaleugner". Das treibt Zeitgenossen in die soziale Isolation. Noch nicht so schlimm wie "Holocaustleugner", aber schon so schlimm wie "Alu-Hut-Träger", "Verschwörungstheoretiker" oder "Neurechte".

... link  

 
Ja, aber ich wohne im industriellen und akademischen Kern Niedersachens, Heimat der Porsche- und Harleyfahrer und der Umsonst-und-draußen-Konzerte, eine eher hedonistische Umgebung. Die verbissene Verzichtsmoral dortiger Linker ist ein Spezifikum bestimmter studentisch geprägter Subkulturen der 80er und 90er gewesen.

... link  

 
Von Alu-Hut-Trägern weiß ich im übrigen noch nicht mal ob es die wirklich gibt oder ob die so etwas sind wie die Spinne in der Yuccapalme.

... link  

 
ab und zu darf ich ja auch ma nen suv fahren
dann komm ich auf die werte von einem smart den ich auch ab und zu fahre
dieses teil schalte ich individuell mit den paddels landstrasse 1200 -1500 umdrehungen
wenn du die strecke kennst wird gesegelt
diese dinge sind natürlich bei einem smart nicht möglich
der kostet ja auch ein drittel

ich kenn einen der fährt sport +
start-stop an der ampel ausgeschaltet
is dann programmbedingt
ja und wenn du dann auf der autobahn vollgas bremse vollgas stress machst
dann kommst du natürlich auf astronomische werte die ich gar nich wissen will
behaupten tut er aber nie über 10 liter
absolut lächerlich

es is mich unbegreiflich wie fahrzeuge an nefz-werten sowas wie hybrid 2,5 liter bewertet werden und dann ballert so eine knalltüte mit 12 litern durch die gegend und das is dann der weltretter

das is doch pures narrenhaus

... link  

 
@che, 17 Uhr 30:
Wer sagt, dass das nicht kippen kann, wenn genügend sozialer Druck in Richtung Verzicht und Konsumscham aufgebaut wird?

Die verblödeten Schafe rufen doch schon nach einer CO2-Steuer, die ökologisch zwar so wenig bringt wie die Sektsteuer den Weinbau fördert, aber man muss doch was tun, oder?

... link  

 
mark, den kleinstes co2 fussabdruck hat der penner unta die brücke
da kommen die weltenretter im traum nich dranne

... link  

 
Ich hatte als Incentive für meinen Vertriebserfolg einen Groß-Heizpilz mit Wärmestrahler bekommen und wollte den meiner Schwester zu Weihnachten schenken für den Pferdestall, sie wies das Geschenk aber zurück weil es CO2 freisetzt.

... link  

 
@ziwo: Oder die Atmung ganz einstellen...

@che: Aber Pferde halten, die nicht nur CO2 ausstoßen, sondern als Pflanzenfreser auch Methan furzen, was ein viel schlimmeres Treibhausgas ist. Mannmannmann...

... link  

 
übba die energieeffizienz eines heizstrahlers
schweig ich mich ma aus
und übba die elektrofahrzeuge mit 2,5 tonnen auch

man is von narren umgeben

mark, die pferdeweiden sollten der nutzunk von quinoa chia und gojibeeren dienen
vegan und regional

auch wenn da nur gras wachsen kann
jesus is auch übers wasser gegangen

... link  

 
Ja, aber ich wohne im industriellen und akademischen Kern Niedersachens, Heimat der Porsche- und Harleyfahrer und der Umsonst-und-draußen-Konzerte, eine eher hedonistische Umgebung. Die verbissene Verzichtsmoral dortiger Linker ist ein Spezifikum bestimmter studentisch geprägter Subkulturen der 80er und 90er gewesen.
Protestanten haben eher so einen bescheuerten Uhrenfetisch. Die Schweizer sind ja als die Feinmechaniker bekannt. Die Nürnberger liefern die Schachteln für ihre Elisenlebkuchen grundsätzlich mit Spieluhren aus. Und auch in sächsischen protestantischen Haushalten kauft man noch im Zeitalter NTP-atomuhr-synchronisierter Computer- und Handy-Uhren haufenweise mechanische Uhren, um die sich die Mutter eine ganze Stunde des Tages lang kümmern muß, bis alle aufgezogen sind und genau gehen. Detailreiche handwerkliche Arbeiten sind unwiderstehlich. So etwas wie Uhren oder auch Intarsien oder Weihnachtsberge (Erzgebirge!). Am unwiderstehlichsten sind ausgefallene Mechanismen zur Lösung bekannter trivialer Probleme. Richtig bescheuert das!

... link  

 
Na ja, in der Vorliebe für gediegene mechanische Apparate steckt auch Respekt und Achtung für feinhandwerkliche Arbeit, etwas das im modernen Kapitalismus fast vom Aussterben bedroht ist oder doch zumindest sehr entwertet wurde. Ich achte auch eine mechanische Hasselblad oder Paubel Makina mehr als jede Digitalkamera.

... link  

 
Kein Wunder, daß die Taschenuhr ausgerechnet in Nürnberg erfunden wurde, das sogenannte Nürnberger Ei. Wurde das Problem des Uhrenfetisch schon einmal psychoanalytisch untersucht?

... link  

 
Ja, du willst deine Mutter ermorden und mit deinem Vater schlafen, wenn du so ne hässliche Angeberuhr hast.

... link  

 
Haha, der war gut!

... link  

 
Gnihihi!!!

... link  


... comment