Montag, 21. September 2020
Hasskampagne gegen J.K.Rowling
Die Harry-Potter-Autorin wird u.a. auf Twitter gedisst, bis hin zu erfundenen Todesnachrichten über sie und Online-Grabsteinen, auf die gepisst werden soll. Grund: In ihren Romanen kämen zuwenig Transgender-POC- und schwullesbische Personen vor, deshalb wäre sie als homo-und transphobe Person zu bekämpfen. In der Auseinandersetzung mit Momorulez hatte ich ja das erste Mal die Begegnung mit diesem Wahnsinn, inzwischen nimmt das Formen an, bei denen ich den ProtagonistInnen Verstand nur noch absprechen kann.

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Es ging zuletzt vor allem um ihren Kriminalroman "Troubled Blood", in dem ein crossdressender Serienmörder sein Unwesen treibt. Da hatten die Kritiker endlich was Handfestes. Dass die Freaks auf Twitter dann in den Hexenjagd-Modus umschalten, war zu erwarten. Aber man kann sich immer noch nicht daran gewöhnen, dass auch Journalisten inzwischen bei solchen Sachen mitjaulen:

https://www.fr.de/panorama/jk-rowling-neues-buch-boeses-blut-vorwurf-transphobie-harry-potter-autorin-90045507.html

"Joanne K. Rowling hat unter ihrem Pseudonym „Robert Galbraith“ einen neuen Bestseller veröffentlicht."

[...]

"Rowling schrieb auf ihrer Webseite, dass ihr Kunstname sich aus dem Vornamen ihres politischen Idols, Robert Kennedy und ihrem Kindheits-Fantasienamen „Ella Galbraith“ zusammensetzt"

[...]

"Wirft man die Suchmaschine an und sucht dort nach dem vermeintlich unverfänglichen Namen Robert Galbraith, wirft die Websuche einen gewissen Psychiater namens Robert Galbraith Heath, geboren 1915, gestorben 1999, aus. Dieser Robert Galbraith war ein Pionier der Konversionstherapie. Heaths „medizinischer“ Ansatz bestand darin, Homosexuelle „heilen“ zu wollen von ihrer „Krankheit“."

[...]

"Ein erstaunlicher Zufall, bedenkt man die Vorwürfe der Transphopbie, die immer wieder gegen Rowling vorgebracht werden."

Und dann, in einer Mischung aus Mopsigkeit und Zynismus:

"Der Plot wäre also schon einmal gesetzt. Joanne K. Rowling schreibt Bücher unter dem Namen eines berüchtigten „Schwulenheilers“."

"Der Plot wäre also schon einmal gesetzt." Das ist ein schöner Meta-Kommentar, in etwa "Let the games begin." Post hoc ergo propter hoc, das geht inzwischen als journalistische Recherche durch. Ballaballa-Sozialkonstruktivismus wie von bekifften Sozialwissenschaftlern. Und immerhin bei der guten alten Frankfurter Rundschau.

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Post hoc non ergo propter hoc vs. ad hoc agitprop.

Kopfschüttel.

Es fehlt schmerzlich die VZWDHRPDAGDHV

(Vereinigung zur Wiederherstellung des rationalen politischen Diskurses angesichts der herrschenden Verwirrung).

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Heute tragen etablierte Medien Stammtisch- und Kaffeeklatsch-Diskurs mit und befeuern ihn. Klar sind die Leser überall weggebrochen, aber dieser aktivistische Journalismus auf Crack, der Feindbilder malt und zur Konfliktlösung Verdammung und Bücherverbrennung empfiehlt, ist zu inkongruent mit journalistischer Markenidentität, um damit zahlende Leser zu gewinnen. Eher verprellt man noch bestehende.

Es zeigt, wie dünn der Lack der Zivilisation innerhalb der "Vierten Gewalt" geworden ist: Ad hominem, Biografismus, Strohmänner - das sind alles Anfängerfehler, die einem in einer ordentlichen Debattenkultur ausgetrieben werden. Aber in Zeiten, wo der Geschäftsführer schon mal am Newsdesk durchklingelt und fragt, warum der Aufmacher nicht genug Klicks generiert, gilt schnell die umgekehrte Logik: Gut ist, was erregt. Disruptiv-Information. Die große Weltveränderung. Direkt nach dem Klick.

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Als ich 1996 für den SPIEGEL arbeitete lautete die erste Frage zu einer Story: "Hast Du die Recherche schon wasserdicht?". Ein Relotius wäre damals undenkbar gewesen.

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Dies ist ein Problem, das uns noch lange lange lange beschäftigen wird: Denunzieren, Lügen, Hermeneutik des Verdachts. Und ich fürchte, wir sind da erst noch am Anfang: Leute, die ich ansonsten eher einer autoritären Denkweise zuordnen würde - und zu solchem autoritären Charakter zählen in meinen Augen auch Leute wie der oben Erwähnte, um es einmal in deren Diktion genauso zu betreiben - finden in solchen Bezichtigungsgangs ein herrliches Betätigungsfeld. Andere Anscheißen, anschwärzen, denunzieren, und das am besten noch ohne große Konsequenzen, denn es kostet die vermeintliche "Haltung" ja nichts. Aus der Anonymität des Internet heraus werden Scheißestürme per Twitter entfacht und man mobilisiert hinreichend viele Leute der eigenen Gang, um zu supporten. (Ein Verfahren, das für rechts wie für links gilt, nebenbei.)

Jetzt erst wieder die Ausladung von Lisa Eckhart vor einem Monat, um nur ein prominentes Beispiel zu nennen.

Aber diese Auswüchse des Moralspackotums sind ja Dinge, die hier im Blog und von Dir immer schon in die Kritik genommen wurden. Und es ist gut, daß das auch innerhalb der Linken heftig kritisiert wird.

Hier zu empfehlen auch von Bernd Stegemann das Buch "Die Moralfalle" oder auch von Robert Pfaller "Erwachsenensprache" und Guillaume Paoli "Die lange Nacht der Metamorphosen", darin es um eine grundsätzliche Transformation geht, womit auch der Wandel in der Kultur zusammenhängt.

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Murray sehe ich nun ausdrücklich als politischen Gegner an, so eine Art englischer Sarrazin, aber dennoch sind nicht alle seine Folgerungen und Annahmen zu Genderpolitics der Junglinken von der Hand zu weisen. Ich ziehe daraus nur andere Rückschlüsse, so in die Richtung dass die Linke den Fehler gemacht hat den Klassenkampf aus dem Auge zu verlieren. Bei denen, die ihn noch im Auge haben, so die Richtung Wildcat/Neuer Antiimperialismus, also mein Lager habe ich leider öfter den Eindruck dass für die 1989 noch nicht stattgefunden hat.

Letzlich beschäftigt sich Stegemann genau damit: Wie die Linke die Folgen von 1989 verarbeiten kann, und dazu muss zunächst der Moralfundamentalismus überwunden werden.

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Aus dem Klappentext von Pfaller: "Überall wird im öffentlichen Diskurs heute auf Befindlichkeiten Rücksicht genommen: Es werden vor Gefahren wie »expliziter Sprache« gewarnt, Schreibweisen mit Binnen-I empfohlen, dritte Klotüren installiert. Es scheint, als habe der Kampf um die korrekte Bezeichnung und die Rücksicht auf Fragen der Identität alle anderen Kämpfe überlagert." ---- Ich erinnere mich noch daran, wie radikale Linke die "Überwindung des Kloschismas" und die Einführung gemischtgeschlechtlicher Toiletten als Ausdruck von Frauenemanzipation verlangten. Langs ist´s her.

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Zum Thema expliziter Sprache hatten wir ja schon mal einen Zusammenprall mit der jungen Generation in Form von lacommune, der diesen Wandel sehr offensichtlich demonstrierte. A propos: Hast Du mit der Dame aus der Sauna denn was am Laufen?

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Murray hat da Recht wo er sagt, die political justice warriors würden lautstark beklagen dass diese Gesellschaft heutzutage besonders homophob und besonders transphob sei. Ich würde mal sagen, zumindest die deutsche Gesellschaft, und das lässt sich von der englischen, niederländischen, dänischen, französischen mit unterschiedlichen Abstufungen auch sagen, war dies in ihrer Geschichte noch nie so wenig wie jetzt. Im Zeitalter von Homoehe und massenmedialen Diskursen zum Thema Diversität lautstark darüber zu jammern wie unterdrückt diese Menschen seien (im Fall der Trans-Menschen eine Referenzgruppe von vielleicht 0,2 % der Bevölkerung) ist absurd.

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@Netbitch: Nein, habe ich nicht. Oder doch, im Wortsinn: Wir trainieren zusammen.

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Zum identitär-kulturalen Reduktionismus der Altmeister:
"Man wagt das Ganze nicht zu denken, weil man daran verzweifeln muß, es zu verändern."

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