Dienstag, 9. Februar 2021
Die DGHO drängt auf eine raschere Schutzimpfung gegen COVID-19 für Krebspatienten
Ute Eppinger, Medscape



Die Infektionsdynamik von COVID-19 ist ungebrochen. Geht es nach der derzeitigen Impfstrategie warten Patienten mit Krebserkrankung wohl noch eine Weile auf die COVID-19-Schutzimpfung. Doch für Menschen mit aktiver Krebserkrankung ist das Risiko erhöht, schwer an COVID-19 zu erkranken.

Deshalb drängen jetzt die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs und das Haus der Krebs Selbsthilfe Bundesverband e.V. darauf, diese vulnerable Gruppe möglichst schnell zu impfen. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme heben sie die Notwendigkeit eines priorisierten Zugangs zur Schutzimpfung hervor [1].

In einem Positionspapier ist festgehalten, welche Patienten besonders gefährdet sind. „Auf Basis der aktuellen Daten sehen wir eine hohe Priorität für die COVID-19-Schutzimpfung von Patientinnen und Patienten mit hämatologischen Erkrankungen und solchen mit soliden Tumoren und aktiver Krebserkrankung, die sich unter systemischer Therapie befinden“, betont Prof. Dr. Hermann Einsele, Vorsitzender der DGHO und Direktor der II. Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg, die Dringlichkeit der Schutzimpfung.

DGHO drängt auf differenziertere Betrachtung
Bereits Ende 2020 hatte die DGHO mit Blick auf die derzeitige Einordnung von Menschen mit Krebs erst in der 3. Stufe (also mit „erhöhter Priorität“) Änderungen vorgeschlagen und eine differenzierte Bewertung gefordert. Prof. Dr. Lorenz Trümper, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Göttingen, betont, dass die aktuelle Einordung auf Studien beruhe, in denen die Gesamtheit der Menschen mit Krebserkrankung betrachtet wurde.

„Diese übergreifende Einteilung wird den sehr unterschiedlichen Krankheitssituationen unserer Patientinnen und Patienten nicht gerecht, so dass wir als wissenschaftliche medizinische Fachgesellschaft für eine differenziertere Betrachtung plädieren“, betont Trümper. Mehrere Studien belegten die besondere Vulnerabilität und erhöhte Mortalität von Krebspatienten.

Sterbe-Risiko durch COVID-19 bei aktiver Krebserkrankung erhöht
Menschen mit Krebserkrankungen machen einen relevanten Anteil der Patienten aus, die an COVID-19 erkrankt sind. Darüber hinaus ist Krebs eine der Prognose-relevanten Komorbiditäten, insbesondere bei aktiver Erkrankung. In Registeranalysen wurde eine signifikant höhere Mortalität bei Menschen mit einer Krebserkrankung im Vergleich zu Menschen ohne Krebserkrankungen beschrieben.

„In diesem Zusammenhang müssen wir die Aktivität der Krebserkrankungen berücksichtigen“, so Trümper. „Eine aktuelle Analyse aus den USA mit Daten von fast 30.000 Patientinnen und Patienten bestätigt die ungünstige Prognose bei aktiver Krebserkrankung.“ So zeigt die Studie, dass die Sterblichkeit mit 24,7% am höchsten bei Menschen mit aktiver, progredienter Krebserkrankung ist, während Patientinnen und Patienten in Remission „nur“ eine Sterblichkeitsrate von 11,6% aufwiesen.


Junge Krebspatienten sind besonders gefährdet
Der Risikofaktor Krebs wirkt sich besonders in den jüngeren Altersgruppen negativ auf die Prognose aus. Die relative Steigerung der Sterblichkeit durch COVID-19 ist in der Patientengruppe unter 50 Jahren am höchsten. „Für Menschen mit einer Krebserkrankung in dieser Altersgruppe ist das Risiko, an COVID-19 zu sterben, 4-mal höher als bei Menschen ohne Krebserkrankungen.

Deshalb plädiert die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ebenfalls für einen priorisierten Zugang von Krebspatientinnen und -patienten zur COVID-19-Schutzimpfung“, betont Prof. Dr. Mathias Freund, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung.

Für die Entscheidung über die Impfung an sich, den optimalen Zeitpunkt und die am besten geeignete Vakzine liegen bisher fast keine Daten aus klinischen Studien vor, denn in den Zulassungsstudien waren nur sehr wenige Krebspatienten eingeschlossen. Trümper plädiert deshalb für eine Shared Decision zwischen Arzt und Patient. „Unsere Grundhaltung ist: Lassen Sie sich jetzt impfen, außer wenn triftige Gründe dagegensprechen.“

Antikörper bei aktiver Krebserkrankung sinnvoll?
Trotz vieler experimenteller Ansätze und rasch initiierter klinischer Studien ist die aktuelle Therapie der COVID-19-Erkrankung weitestgehend supportiv. Wenn neue antiviral wirksame Medikamente verfügbar sind, stellt sich auch die Frage, ob ein früher Einsatz von monoklonalen Antikörpern, Kinase-Inhibitoren und/oder Rekonvaleszentenplasma bei an COVID-19 erkrankten Menschen mit aktiver Krebserkrankung sinnvoll ist. Eine solche Therapie könnte auch die derzeit steigende Zahl von Patienten mit prolongierter Ausscheidung von SARS-CoV-2 (die auch mit dem Risiko der Bildung von Mutationen verbunden ist) nach einer COVID-19-Infektion senken.

Der potenzielle klinische Nutzen der Antikörper ist derzeit noch schwer zu beurteilen. Prof. Dr. Lorenz Trümper
Neutralisierende monoklonale Anti-SARS-CoV-2-Antikörper können die Viruslast verringern. Die Kombination von Bamlanivimab mit Etesevimab war dabei besonders effektiv. Daten zur Kombination von Casivirimab und Imdevimab bestätigen das, heißt es in der Stellungnahme.

„Der potenzielle klinische Nutzen der Antikörper ist derzeit noch schwer zu beurteilen, da die bisher vorliegenden Daten zur klinischen Wirksamkeit wenig belastbar sind. Die klinische Wirksamkeit ist insbesondere in der frühen, a- oder oligosymptomatischen Erkrankungsphase anzunehmen, in der die Virusreplikation eine dominierende Rolle spielt. In jedem Fall aber benötigen wir rasch klinische Studien zur Wirksamkeit der neuen Arzneimittel“, erklärt Trümper.

Auch Hedy Kerek-Bodden und Werner Kubitza, Geschäftsführender Vorstand des Hauses der Krebs-Selbsthilfe tragen die Forderung nach einer möglichst frühen Impfung mit: „Aus Sicht der Organisationen der Krebsselbsthilfe unterstützen wir den gemeinsamen Vorschlag. Von unseren Mitgliedern wissen wir, dass bei ihnen eine große Unsicherheit besteht, was den raschen Zugang zur COVID-19-Schutzimpfung angeht. Viele müssen neben der großen Unsicherheit, was den Verlauf ihrer Krebserkrankung betrifft, nun noch mit einer zweiten großen Unsicherheit leben, nämlich: ‚Wann erhalte ich die COVID-19-Schutzimpfung?‘“

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