Mittwoch, 17. März 2021
Unstatistik des Monats: Wie kommen die unterschiedlichen Zahlen zur Corona-Sterblichkeit zustande?
Maren Schenk, Medscape


Die publizierten Zahlen zur Corona-Sterblichkeit tragen mehr zur Verwirrung als zur Aufklärung des Pandemiegeschehens bei, schreibt das Unstatistik-Team des RWI ? Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung: Das Internetportal Statista etwa meldet am 23. Februar für Deutschland eine Mortalitätsrate von 3,02%. Das Deutsche Ärzteblatt dagegen konstatiert eine Rate von 1,4%, und der bekannte Statistiker Prof. Dr. John P. A. Ioannidis von der kalifornischen Stanford University beziffert die Corona-Mortalität ganz allgemein auf weniger als ein halbes Prozent.

In der ?Unstatistik? des vergangenen Monats erläutern die Autoren, wie solch unterschiedliche Zahlen zur Corona-Sterblichkeit zustande kommen, und zeigen, dass ein sinnvoller Vergleich der Zahlen verschiedener Länder aufgrund der unterschiedlichen Bevölkerungsstruktur nur schwer möglich ist [1].

Mit der ?Unstatistik des Monats? hinterfragen der Berliner Psychologe Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Prof. Dr. Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Prof. Dr. Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen.

Bei 7% der Corona-Verstorbenen lagen andere Ursachen zugrunde
Ein Teil der Konfusion um die Corona-Zahlen liegt in der Natur der Daten begründet. Zunächst gibt es bei Raten bzw. Quoten immer einen Zähler und einen Nenner, wobei im Falle der Corona-Pandemie beide Komponenten nicht einfach zu messen sind. Dass etwa der Zähler eigentlich die an COVID-19 und nicht die mit COVID-19 gestorbenen Menschen zählen sollte, ist zwar allgemein akzeptiert, aber nicht durchgehend implementiert.

So meldet der Spiegel, dass selbst bei hochbetagten Patienten rund 7% der mit COVID-19 Verstorbenen an anderen Ursachen als an COVID-19 gestorben sind. Trotzdem gehen auch sie in die Statistik der Corona-Todesfälle ein.

Deutlich weniger Erkrankte als Infizierte
Schwerer wiegt, dass der Zähler der Mortalitätsrate, wie die Statistiker sagen, eine ?Flussgröße?, der Nenner dagegen eine ?Bestandsgröße? ist. Dies bringt gewisse technische Probleme mit sich: Die innerhalb eines bestimmten Zeitraums ? aber welchen Zeitraums? ? Gestorbenen geteilt durch eine bestimmte Anzahl Menschen an einem bestimmen Tag. Aber welche Menschen und an welchem Tag? Alle Menschen eines Landes insgesamt, die mit SARS-CoV-2 Infizierten oder die an COVID-19 tatsächlich auch Erkrankten?

Nur im ersten Fall spricht man streng genommen von Mortalität, andernfalls von Letalität. Das Auseinanderhalten der beiden letzten Gruppen ist dabei nicht einfach. Nur etwa jeder 3. von dem Coronavirus befallene Mensch entwickelt auch einschlägige Symptome. Bei den anderen hält das körpereigene Immunsystem den Eindringling in Schach.


Das Robert Koch-Institut (RKI) dagegen wertet alle labordiagnostischen Nachweise von SARS-CoV-2 unabhängig von klinischen Symptomen als COVID-19-Fälle. So gehen dann auch Unfallopfer oder Gebärende, die beim Betreten des Krankenhauses standardmäßig auf SARS-CoV-2 getestet werden, auch ohne krank zu sein, in die Zahl der Corona-Kranken ein. Damit geben die RKI-Daten für keine der fallbasierten Definitionen des Zählers verlässliche Zahlen ab.

... comment