Samstag, 9. November 2019
Kein Warten auf Integration - Zugehörigkeit und Ansprüche im postmigrantischen Deutschland
che2001, 20:16h
Die Zusammensetzung der Bevölkerung auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland hat sich durch Einwanderung, Flucht und Arbeitsmigration verändert, die deutsche Gesellschaft ist heute so vielfältig wie wohl niemals davor. Daher ist die Zeit gekommen, das Verhältnis zwischen Migration, Gesellschaft und Vielfalt zu reflektieren und den Blick auf Lebenswirklichkeiten zu richten, in denen die Einwanderungsgesellschaft/Migration zum Ausgangspunkt des Denkens wird. Das bedeutet zunächst eine Blickverschiebung, um eine kritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Machtverhältnissen zu ermöglichen. Eine Verschiebung hin zu einer Sichtweise, die Migration nicht als historische Ausnahmesituation behandelt, in der nicht zwischen "einheimischer Normalität" und "eingewanderten Problemen" unterschieden wird.
Wir brauchen diversitätsorientierte Konzepte und eine Politk, die offen für Wandlungsprozesse ist. Hieraus muss sich eine neue Haltung entwickeln, die sich gegen Migrantisierung und Marginalisierung von Menschen wendet, die integraler Bestandteil der Gesellschaft ist. Eine Haltung die sich gegen einen öffentlichen Diskurs wendet, der Migrationsgeschichten weiterhin am Rande der Gesellschaft anzusiedeln versucht.
DIE GESCHICHTE DER MIGRATION SOLL NEU GESCHRIEBEN WERDEN.
Dr. Anwar Hadeed
Wir brauchen diversitätsorientierte Konzepte und eine Politk, die offen für Wandlungsprozesse ist. Hieraus muss sich eine neue Haltung entwickeln, die sich gegen Migrantisierung und Marginalisierung von Menschen wendet, die integraler Bestandteil der Gesellschaft ist. Eine Haltung die sich gegen einen öffentlichen Diskurs wendet, der Migrationsgeschichten weiterhin am Rande der Gesellschaft anzusiedeln versucht.
DIE GESCHICHTE DER MIGRATION SOLL NEU GESCHRIEBEN WERDEN.
Dr. Anwar Hadeed
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Lieber Ausländer als zweitklassiger Deutscher
che2001, 19:48h
Unter diesem Motto referierte mein Freund Dündar Kelloglu auf einem Treffen des Deutsch-Arabischen Freundschaftsvereins.
Unter anderem ging er der Frage nach wieso Integation nicht gelinge und warum MigrantInnen teilweise in der vierten Generation nicht in die deutsche Gesellschaft integriert sind. Dabei sah er nicht etwa irgendeine Form von gescheiterter Integration, sondern eben mangelnden Identifikationswillen als zentralen Aspekt.
„Zum Teil wird diese Einstellung stark durch Institutionen aus den Herkunftsländern der betroffenen Familien gelenkt. Manche Imame werden etwa aus der Türkei gesteuert und predigen zum Teil auch in diese Richtung – beispielsweise für den Sieg der türkischen Soldaten auf ihrer Syrien-Offensive.“
Dadurch werde ein „von Deutschland und dem Westen abgewandter“ Nationalismus gefördert. „Das Problem ist hier aber nicht der Islam als solcher, sondern die entsprechenden Institutionen.“
Womit, wenn das auch nur später im inner circle benannt wurde, vor allem DITIB gemeint war.
Ein weiteres Problem thematisierte Dündar auch, nämlich die mangelnde Betreitschaft vieler Deutscher, MigrantInnen als in Deutschland angekommen bzw. als inzwischen gewordene Deutsche wahrzunehmen.
Auf die Frage, wo er herkläme antwortete er: „Norddeutschland.“ Die Reaktion: „Naja, woher denn wirklich?“
"Lehrte." "Nee, so eigentlich. Was sind Sie für ein Landsmann?" "Deutscher. Ansonsten bin ich viele: Mein Urgroßvater war Armenier, meine Urgroßmutter Aserbeidjanerin, beide flohen vor der russischen und der türkischen Armee im Ersten Weltkrieg nach Van und wurden Kurden, mein Vater ging als Türke nach Deutschland, ich bin Deutscher. Und habe türkische, kurdische, armenische, aserbaidjanische und auch arabische Wurzeln."
Daran anknüpfend ging es darum, wie im europäisch-vorderasiatischen Gesamtkulturkreis trotz unterschiedlicher Sprachen diese doch miteinander verwoben sind. Zumindest besitzen indogermanische, semitische und Turksprachen eine vielfach gemeinsame innere Logik und unterliegen wechselseitigen Dependenzen, die sie mit ostasiatischen oder afrikanischen Sprachen nicht teilen. Sehr schön wahrnehmbar an Namen: Aus dem aramäischen Johannes wurde deutsch Hans, englisch John, französisch Jean, niederländisch und Polnisch Jan. Dorothea oder Theodor ist griechisch und bedeutet "Gabe Gottes" oder "von Gott gewollt" und findet sich wieder in Dietrich, Doris, Donatus, Donald, Gottlieb, Gottfried, Gotthold, Mithridates und Abdullah, alles Namen mit der gleichen Bedeutung.
Später, im privaten Gespräch im kleinen Kreise, ging es um Neuigkeiten aus Rojava, die von mir vertetene Position dass es sich hier um ein multiethnisches basisdemokratisches Projekt handelt das gerade aufgrund seiner Strahlkraft auf die Region jetzt von der türkischen Armee plattgemacht wird wurde massiv bestätigt. Interessant waren Überlegungen zur Rolle Trumps die in dem Gespräch aufkamen: Dass er gezielt von Russland an die Macht gebracht wurde um das Ansehen der USA in der Welt so unmöglich zu machen dass niemand vom Ami mehr ein Stück Brot nimmt und die Russen das entstehende Vakuum füllen können.
Denn eins ist sicher:
Der Iwan, der ist nicht ohne.
https://www.youtube.com/watch?v=3MnZpPAGQPE
Unter anderem ging er der Frage nach wieso Integation nicht gelinge und warum MigrantInnen teilweise in der vierten Generation nicht in die deutsche Gesellschaft integriert sind. Dabei sah er nicht etwa irgendeine Form von gescheiterter Integration, sondern eben mangelnden Identifikationswillen als zentralen Aspekt.
„Zum Teil wird diese Einstellung stark durch Institutionen aus den Herkunftsländern der betroffenen Familien gelenkt. Manche Imame werden etwa aus der Türkei gesteuert und predigen zum Teil auch in diese Richtung – beispielsweise für den Sieg der türkischen Soldaten auf ihrer Syrien-Offensive.“
Dadurch werde ein „von Deutschland und dem Westen abgewandter“ Nationalismus gefördert. „Das Problem ist hier aber nicht der Islam als solcher, sondern die entsprechenden Institutionen.“
Womit, wenn das auch nur später im inner circle benannt wurde, vor allem DITIB gemeint war.
Ein weiteres Problem thematisierte Dündar auch, nämlich die mangelnde Betreitschaft vieler Deutscher, MigrantInnen als in Deutschland angekommen bzw. als inzwischen gewordene Deutsche wahrzunehmen.
Auf die Frage, wo er herkläme antwortete er: „Norddeutschland.“ Die Reaktion: „Naja, woher denn wirklich?“
"Lehrte." "Nee, so eigentlich. Was sind Sie für ein Landsmann?" "Deutscher. Ansonsten bin ich viele: Mein Urgroßvater war Armenier, meine Urgroßmutter Aserbeidjanerin, beide flohen vor der russischen und der türkischen Armee im Ersten Weltkrieg nach Van und wurden Kurden, mein Vater ging als Türke nach Deutschland, ich bin Deutscher. Und habe türkische, kurdische, armenische, aserbaidjanische und auch arabische Wurzeln."
Daran anknüpfend ging es darum, wie im europäisch-vorderasiatischen Gesamtkulturkreis trotz unterschiedlicher Sprachen diese doch miteinander verwoben sind. Zumindest besitzen indogermanische, semitische und Turksprachen eine vielfach gemeinsame innere Logik und unterliegen wechselseitigen Dependenzen, die sie mit ostasiatischen oder afrikanischen Sprachen nicht teilen. Sehr schön wahrnehmbar an Namen: Aus dem aramäischen Johannes wurde deutsch Hans, englisch John, französisch Jean, niederländisch und Polnisch Jan. Dorothea oder Theodor ist griechisch und bedeutet "Gabe Gottes" oder "von Gott gewollt" und findet sich wieder in Dietrich, Doris, Donatus, Donald, Gottlieb, Gottfried, Gotthold, Mithridates und Abdullah, alles Namen mit der gleichen Bedeutung.
Später, im privaten Gespräch im kleinen Kreise, ging es um Neuigkeiten aus Rojava, die von mir vertetene Position dass es sich hier um ein multiethnisches basisdemokratisches Projekt handelt das gerade aufgrund seiner Strahlkraft auf die Region jetzt von der türkischen Armee plattgemacht wird wurde massiv bestätigt. Interessant waren Überlegungen zur Rolle Trumps die in dem Gespräch aufkamen: Dass er gezielt von Russland an die Macht gebracht wurde um das Ansehen der USA in der Welt so unmöglich zu machen dass niemand vom Ami mehr ein Stück Brot nimmt und die Russen das entstehende Vakuum füllen können.
Denn eins ist sicher:
Der Iwan, der ist nicht ohne.
https://www.youtube.com/watch?v=3MnZpPAGQPE
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Mittwoch, 30. Oktober 2019
Unhaltbare Zustände auf Lesbos - was ist zu tun?
che2001, 12:11h
Die Initiative für Internationalen Kulturaustausch IIK e.V. lädt im Rahmen der Programmreihe Menschenrechte grenzenlos zu einer Filmdiskussion am 4.Dezember 2019 um 18:30 Uhr in der Warenannahme im Kulturzentrum Faust in Hannover ein.
Fridoon Joinda dokumentiert in seinem Film „Moria 35“ die brutale Niederschlagung von Protesten gegen die menschenunwürdigen Zustände im Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos, in deren Folge 35 Geflüchtete inhaftiert und einem Gerichtsprozess unterworfen wurden. Der Fall „Moria 35“ steht paradigmatisch für die fortwährende Kriminalisierung von Geflüchteten auf den griechischen Inseln seit Inkrafttreten der EU-Türkei Erklärung. Der junge aus Afghanistan stammende Filmemacher Fridoon Joinda hat selbst als Geflüchteter auf Lesbos und in Moria gelebt.
Am Mittwoch, den 4. Dezember wollen wir uns mit dem Film informieren und gemeinsam kontrovers Lösungsmöglichkeiten diskutieren: Welche Forderungen und Ideen auf welchen politischen und praktischen Ebenen gibt es, um die unhaltbaren Zustände zu beenden? Was steht entgegen, wo ist anzusetzen?
Auf der anschließenden Podiumsdiskussion sind dabei:
Valeria Hänsel (Menschenrechtsaktivistin), Bruno Adam Wolf (Menschenrechtsaktivist, Piratenpartei) und MdEP Katrin Langensiepen (Die Grünen/EFA).
Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen wird unsere Filmdiskussion moderieren.
Was: Dokumentarfilm „Moria 35“ und Podiumsdiskussion
Wann: 4.12.2019, Einlass 18:00 Beginn 18:30 Uhr
Wo: Warenannahme (Kulturzentrum Faust), Zur Bettfedernfabrik 3, 30451 Hannover
(Linie 10 bis „Leinaustraße“; Linie 4 und 5 bis „Universität“)
Veranstalter: Initiative für Internationalen Kulturaustausch iik-hannover.de
Eintritt frei, um Spenden wird gebeten.
Die IIK e.V. lädt alle herzlich ein, gemeinsam zu diskutieren und neue Aktionsformen für den Schutz der Menschenrechte zu entwickeln. Im Anhang liegt der IIK-Flyer zur Veranstaltung.
Viele Grüße aus dem IIK Büro in Hannover
Fridoon Joinda dokumentiert in seinem Film „Moria 35“ die brutale Niederschlagung von Protesten gegen die menschenunwürdigen Zustände im Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos, in deren Folge 35 Geflüchtete inhaftiert und einem Gerichtsprozess unterworfen wurden. Der Fall „Moria 35“ steht paradigmatisch für die fortwährende Kriminalisierung von Geflüchteten auf den griechischen Inseln seit Inkrafttreten der EU-Türkei Erklärung. Der junge aus Afghanistan stammende Filmemacher Fridoon Joinda hat selbst als Geflüchteter auf Lesbos und in Moria gelebt.
Am Mittwoch, den 4. Dezember wollen wir uns mit dem Film informieren und gemeinsam kontrovers Lösungsmöglichkeiten diskutieren: Welche Forderungen und Ideen auf welchen politischen und praktischen Ebenen gibt es, um die unhaltbaren Zustände zu beenden? Was steht entgegen, wo ist anzusetzen?
Auf der anschließenden Podiumsdiskussion sind dabei:
Valeria Hänsel (Menschenrechtsaktivistin), Bruno Adam Wolf (Menschenrechtsaktivist, Piratenpartei) und MdEP Katrin Langensiepen (Die Grünen/EFA).
Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen wird unsere Filmdiskussion moderieren.
Was: Dokumentarfilm „Moria 35“ und Podiumsdiskussion
Wann: 4.12.2019, Einlass 18:00 Beginn 18:30 Uhr
Wo: Warenannahme (Kulturzentrum Faust), Zur Bettfedernfabrik 3, 30451 Hannover
(Linie 10 bis „Leinaustraße“; Linie 4 und 5 bis „Universität“)
Veranstalter: Initiative für Internationalen Kulturaustausch iik-hannover.de
Eintritt frei, um Spenden wird gebeten.
Die IIK e.V. lädt alle herzlich ein, gemeinsam zu diskutieren und neue Aktionsformen für den Schutz der Menschenrechte zu entwickeln. Im Anhang liegt der IIK-Flyer zur Veranstaltung.
Viele Grüße aus dem IIK Büro in Hannover
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Freitag, 25. Oktober 2019
Infos aus dem Bundestag
che2001, 17:42h
1) Geflüchtete aus Tschetschenien befinden sich in Deutschland in einer doppelt misslichen Lage:
Zum einen werden sie in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung oft mit terroristischer Gewalt und organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht - obwohl sie doch vor Gewalt, Willkür, Folter und Verfolgung in ihrer Herkunftsregion geflohen sind.
Zum anderen sind sie mit einer sehr restriktiven Entscheidungspraxis des BAMF und vieler Gerichte konfrontiert, die Schutz selbst im Falle erlittener oder drohender Verfolgung oftmals verweigern mit der Begründung, die Betroffenen könnten außerhalb Tschetscheniens sonstwo in Russland wirksamen Schutz erhalten (inländische Fluchtalternative) - auch wenn es daran erhebliche Zweifel gibt. Die bereinigte Schutzquote tschetschenischer Volkszugehöriger lag deshalb zuletzt sogar unter 10 Prozent (7,9 %).
Festzustellen ist auch eine weit überdurchschnittliche Asylverfahrensdauer bei tschetschenischen Asylsuchenden, 2018 war diese sogar doppelt so lang wie im allgemeinen Durschnitt (15 gegenüber sonst 7,5 Monaten)!
Die Zahl der Abschiebungen nach Russland (vermutlich überwiegend tschetschenische Geflüchtete) ist zuletzt deutlich angestiegen (2017 waren es 184, in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres bereits 277). Und deutlich größer noch ist die Zahl der Überstellungen tschetschenischer Flüchtlinge, vor allem nach Polen, wozu es Bedenken unter anderem hinsichtlich der Unterbringungsbedingungen oder auch eines effektiven Zugangs zu psychologischer und medizinischer Betreuung der oft traumatisierten Menschen gibt.
Der "Tagesspiegel" berichtete über die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN (Ulla Jelpke u.a.) zu tschetschenischen Asylsuchenden, aus der diese (und andere) Informationen stammen: https://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlinge-mit-russischem-pass-zahl-der-abschiebungen-von-tschetschenen-steigt/25143314.html
Dem angehangenen Vermerk sind weitere Einzelheiten und Zusammenhänge zu entnehmen.
Die Antwort der Bundesregierung (5 MB) steht hier zum Download bereit - Ulla Jelpke forderte mit einer Pressemitteilung einen wirksamen Schutz für Geflüchtete aus Tschetschenien: https://www.ulla-jelpke.de/2019/10/gefluechtete-aus-tschetschenien-brauchen-schutz/
In Bälde wird die Antwort auch als Bundestagsdrucksache verfügbar sein (zur Info: die Bundestagsverwaltung braucht derzeit mehrere Wochen zur Bearbeitung Kleiner Anfragen, auch die Drucksachenlegung ist z.T. deutlich verzögert):
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/140/1914082.pdf
2) Einer Antwort der Bundesregierung auf eine mündliche Frage von Ulla Jelpke sind die Abschiebungszahlen für das bisherige Jahr 2019 (bis September) zu entnehmen, differenziert nach Zielstaaten und Charter- oder Linienflügen (siehe Anhang). Die Zahlen bewegen sich weiterhin auf hohem Niveau, Italien bleibt Zielland Nr. 1 der deutschen Abschiebungsbemühungen (hier geht es also vor allem um Überstellungen im Rahmen des Dublin-Systems).
Siehe dazu die folgende Nachricht auf MIGAZIN und eine Pressemitteilung von Ulla Jelpke:
https://www.migazin.de/2019/10/24/statistik-fast17-abschiebungen-ende-september/
https://www.ulla-jelpke.de/2019/10/bleiberecht-statt-abschiebung/
3) Am vergangen Montag gab es eine wirklich spannende und (rechtlich und historisch) lehrreiche Sachverständigen-Anhörung zum Thema Wiedereinbürgerung von Nachfahren von Verfolgten des NS-Regimes - großartig war insbesondere der Sachverständige Nicholas Robin Courtman, der mit seinen Initiativen maßgeblich dazu beigetragen hat, dass das Thema auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages gelangte!
Die Anhörung kann als Live-Stream hier nachgeschaut werden: https://dbtg.tv/cvid/7394260
Im Folgenden gebe ich die Zusammenfassung der hib-Redaktion hierzu wieder:
Einbürgerung von Nachfahren NS-Verfolgter
Berlin: (hib/WID) Das Anliegen von Liberalen, Linken und Grünen, den Nachfahren von Verfolgten des Naziregimes den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit unbegrenzt zu ermöglichen, findet unter Sachverständigen ein überwiegend positives Echo. In einer Anhörung des Innenausschusses war am Montag allerdings unter anderem noch umstritten, ob es dazu einer eigenen gesetzlichen Regelung bedürfe, und ob von den Antragstellern nicht doch der Nachweis einer gewissen Bindung an Deutschland zu verlangen sei.
Nach Artikel 116 Absatz 2 Grundgesetz haben frühere deutsche Staatsangehörige, die aus "politischen, rassischen oder religiösen Gründen" im Dritten Reich ausgebürgert wurden, sowie deren Nachfahren Anspruch auf Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft. Allerdings bleiben mehrere Personengruppen von dieser Regelung noch ausgenommen. Zwei Gesetzentwürfe der Linken (19/13505 <http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/135/1913505.pdf> ) und Grünen (19/12200 <http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/122/1912200.pdf> ) sowie ein Antrag der FDP (19/14063 <http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/140/1914063.pdf> ) haben zum Ziel, diese Ausschlusstatbestände zu beseitigen.
Als Vertreter eines in mehreren Ländern organisierten Betroffenenverbandes würdigte der an der Universität Cambridge tätige Germanist Nicholas Robin Courtman einen Erlass des Innenministeriums vom 30. September, der für viele Menschen eine "deutliche Verbesserung der Einbürgerungsmöglichkeiten" gebracht habe. Allerdings handele es sich hier noch nicht um einen "befriedigende abschließende Regelung", betonte Courtman, der sich als Enkel einer von den Nazis vertriebenen deutschen Jüdin vorstellte. Auch der Erlass berücksichtige nicht alle betroffenen Personengruppen. Überdies erfordere das "symbolische Gewicht" des Themas eine gesetzliche Regelung.
Dem widersprach der Konstanzer Völkerrechtler Kay Hailbronner, der eine Verwaltungsvorschrift für ausreichend erklärte, um noch bestehende Regelungsdefizite zu beseitigen. Der Begriff des "Wiedergutmachungsinteresses" im Gesetzentwurf der Linken sei eine "Quelle der Rechtsunsicherheit", warnte Hailbronner. Insbesondere wandte er sich gegen die Forderung, auch jenen Menschen einen Einbürgerungsanspruch zuzubilligen, deren Vorfahren in Deutschland vor 1933 die Staatsbürgerschaft hätten erwerben können, denen dies aber nach 1933 aus politischen oder "rassischen" Gründen verwehrt geblieben sei. Es sei unmöglich, "rechtsstaatlich handhabbare Kriterien für solche Fälle zu entwickeln", sagte Hailbronner.
Sein Hallenser Kollege Winfried Kluth sprach sich dagegen aus, auf den Nachweis einer "Verbundenheit" mit Deutschland durch die Antragsteller zu verzichten. Er sah auch keinen Grund, in Fällen mit Wiedergutmachungscharakter von dem im Zuge der Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts 2000 eingeführten "Generationenschnitt" abzusehen, der Regelung also, dass die Kinder von im Ausland geborenen und dort lebenden deutschen Bürgern die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern nicht mehr automatisch erben.
"Es muss zweifelsfrei klar sein, dass es zur Räson der Bundesrepublik Deutschland gehört, den Versuch zu unternehmen, nationalsozialistisches Unrecht wiedergutzumachen", sagte dagegen als Sprecher des Deutschen Anwaltsvereins und Heidelberger Jurist Berthold Münch. Nach seiner Ansicht sollen Antragsteller ihre Bindung an Deutschland nicht gesondert nachweisen müssen, das sie diese durch ihr Einbürgerungsbegehren schon deutlich gemacht hätten. Münch forderte eine gesetzliche Regelung: "Das Parlament begibt sich einer wesentlichen Steuerungsfunktion, wenn es in dieser sensiblen Frage nicht selbst entscheidet."
Der Berliner Professor für Öffentliches Recht, Tarik Tabbara, warnte vor der "Widerständigkeit" von Behörden, einen "scheinbaren Ermessensspielraum" zugunsten der Betroffenen auszuschöpfen. Wenn in einem Erlass von "Ermessensspielraum" die Rede sei, sei dies daher immer ein "schlechte Nachricht". Der Kölner Privatdozent Ulrich Vosgerau nannte die Gesetzentwürfe eine "juristische Revolution", die gerade deswegen "konservativ" angegangen werden sollen. Unzulässig sei, deutsche Staatsangehörigen mit jenen gleichzusetzen, die - hätte es die Nazis nicht gegeben -, die Staatsangehörigkeit vielleicht hätten erwerben können.
In dieser Zusammenfassung fehlt leider ein Hinweis auf die Sachverständige Frau Dr. Esther Weizsäcker, die ihre Ausführungen mit dem persönlichen Hinweis schloss, dass ihr als Kriegsverbrecher verurteilter Ur-Großvater Ernst von Weizsäcker als deutscher Gesandter in der Schweiz sich 1936 für die Ausbürgerung von Thomas Mann ausgesprochen hatte. Entsprechend froh sei sie, dass der Bundestag nun eine klare und großzügige gesetzliche Regelung zur Wiedereinbürgerung der Betroffenen schaffen könne.
Es zeichnet sich ab, dass es eine gemeinsame Initiative der drei genannten Oppositionsparteien zu diesem Thema geben könnte. Auch die SPD scheint für eine gesetzliche Regelung offen zu sein, wird jedoch offenbar von der Union gebremst, deren Vertreter sich bei der Anhörung geradezu flegelhaft desinteressiert zeigten oder störend miteinander sprachen, während der Vertreter der Betroffenen neben ihnen sitzend wichtige Ausführungen zur Sache machte. Die Union hatte auch Kay Hailbronner als Sachverständigen benannt, der dann allen Ernstes behauptete, dass man auf dem Erlasswege mehr Sicherheit für die Betroffenen schaffen könne als durch eine gesetzliche Regelung...
4) Die geplante Beratung des Gesetzes zur Überleitung von Freizügigkeitsrechten britischer Staatsangehöriger und ihrer Familienangehörigen ins Aufenthaltsrecht im Innenausschuss des Bundestages wurde verschoben.
Grund ist ein Änderungsantrag der LINKEN, mit dem auf zahlreiche gesetzgeberische Schwächen im Gesetzesvorschlag hingewiesen wurde und den ich zur Informationen beifüge. Die LINKE hatte darauf gedrängt, dass dieser Änderungsantrag inhaltlich im Detail beraten werden solle, weil es bei der Aufenthaltssicherung für britische Staatsangehörige im Falle eines ungeregelten Brexits um ein wichtiges Anliegen gehe, das alle Fraktionen im Bundestag teilten. Deshalb müssten die vorgeschlagenen Änderungen auch im Interesse der Koalitionsfraktionen sein, die daraufhin zusagten, die vorgeschlagenen Änderungen noch einmal zu prüfen.
Das wäre ein Fall mit hohem Seltenheitswert, wenn tatsächlich einmal inhaltliche Argumente bei Änderungen des Aufenthaltsrechts berücksichtigt und gewogen werden sollten...
5) In der Regierungsbefragung vom Mittwoch stand Bundesinnenminister Seehofer Rede und Antwort.
Mit folgender Ankündigung schaffte es der Innenminister in Agenturmeldungen: Er habe seinem Haus den Auftrag gegeben, bis zur nächsten Innenministerkonferenz Anfang Dezember detailliert aufzulisten, "in welchen Bundesländern wie viele Ausreisepflichtige sind, aus welchen Ländern sie kommen, in welche Länder sie zurückzuführen sind und ob es Hinderungsgründe gibt".
Da haben die BeamtInnen im BMI aber Glück gehabt, denn diese Auflistungen liegen längst vor: Auf Anfrage der LINKEN hat sie das Ministerium bereits erstellt, jedenfalls soweit es Zahlen dazu gibt!
Auf BT-Drs. 19/12240 gibt es zum Stand Mitte 2019 die Zahl der in Deutschland lebenden Ausreisepflichtigen, nach Bundesländern und wichtigsten Herkunftsländern differenziert (Frage 9).
Auf BT-Drs. 19/13303 gibt es die Informationen zu den im AZR vermerkten Duldungsgründen (Frage 18), die allerdings lückenhaft und zu hinterfragen sind, wie auch die Angaben zur Zahl (angeblich) ausreisepflichtiger Personen.
Dazu verweise ich auf meine Vermerke zu den Drucksachen, die ich regelmäßig verschicke. Zur IMK Anfang Dezember kann man die noch mal hervorholen, allerdings wird die Interpretation dieser Zahlen durch das BMI vermutlich grundlegend anders ausfallen als bei mir, soviel ist schon mal sicher... ;o)
Hans-Jürgen Irmer und Marian Wendt von der Union stellten dem Minister Fragen im Stile der AfD (Wendt: auf dem westlichen Balkan müsse für Ordnung gesorgt werden, "das sind wir unserer Bevölkerung gerade nach den Ereignissen von vor vier Jahren schuldig"), Irmer zündelte, indem er behauptete, dass in Berlin "20.000, 30.000 Personen abgeschoben werden" müssten. "Sie werden aber nicht abgeschoben, was zulasten des Berliner Steuerzahlers geht."
Wie so oft in der Asylpolitik waren diese Zahlen falsch - siehe die oben genannten Drucksachen! Mitte 2019 lebten genau 15.979 Ausreisepflichtige in Berlin - nicht, 20.000, nicht 30.000, in Bayern waren es übrigens 30.650. Und wie viele dieser Personen, die meisten Geduldete, abgeschoben werden müssen oder dürfen, ist schlicht nicht bekannt, weil diese Information dem AZR nicht zu entnehmen ist!
Natürlich richtete auch die "real AfD" Fragen an Seehofer zur Flüchtlingspolitik, und das ist durchaus lesenswert, wie da die einen Rechten den anderen Rechten vor sich oder vor ihm her zu treiben versuchen... (deshalb das Protokoll in Ausschnitten zur Information anbei).
Einerseits wiederholte Seehofer seine Aussage, dass angesichts von gerade einmal 225 aus Seenot Geretteten, die Deutschland in den letzten 14 Monaten aufgenommen habe, sich aufgeregte Diskussionen um die anteilige Aufnahme dieser Menschen eigentlich verböten. Aber zugleich erklärte er, dass er diese Aufnahme sofort stoppen würde, wenn die Zahl der Geretteten steigen würde: "Dann ist es nämlich keine Seenotrettung mehr, dann ist es ein Taxidienst zwischen Afrika und Europa" - Beifall eines AfD-Abgeordneten an dieser Stelle.
Seehofer behauptete, über die "Landrouten" würde Deutschland "an einem Tag" die "doppelte Zahl von Flüchtlingen" aufnehmen (400). Auch diese Zahl ist falsch, denn eine zunehmende Zahl von Asylsuchenden - darauf habe ich oftmals hingewiesen - reist nicht (unerlaubt) nach Deutschland ein, sondern es handelt sich z.B. um Angehörige anerkannter Flüchtlinge, die im Rahmen des Familiennachzugs legal eingereist sind (sie kommen also in der Regel mit dem Flugzeug, nicht über die "Landrouten"), oder es handelt sich um hier geborene Kinder von Asylsuchenden, Flüchtlingen oder Geduldeten - und bemerkenswerterweise wies sogar Horst Seehofer ausdrücklich hierauf hin und bemerkte zutreffend, dass diese nicht "wirklich über die Grenze kamen"!. Auf Anfrage der LINKEN, ob diese Umstände nicht Auswirkungen auf die Berechnung des im Koalitionsvertrag vereinbarten "Zuwanderungskorridor" haben müssten, hatte die Bundesregierung vor Kurzem all
erdings
noch abgewiegelt... (siehe meine Rundmail vom 3.9.2019).
6) Bei der sich anschließenden mündliche Fragerunde fragte Heike Hänsel (DIE LINKE) unter anderem nach einer Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus den komplett überfüllten "Hotspots" der griechischen Inseln (siehe Protokoll anbei).
Die Antwort Michael Roths als Staatsminister des Auswärtigen Amtes war interessant: Zum einen behauptete er, dass die Bundesregierung "bei der Familienzusammenführung nach der Dublin-Verordnung ... ein ganz besonderes Augenmerk auf rasche Verfahren bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen" lege. Und dann, Zitat: "Die Dublin-III-Verordnung wird durch die Bundesregierung vollumfänglich umgesetzt" - was angesichts der komplett gegenteiligen Praxis natürlich ein Hohn ist!
Die Bundesregierung wird bald Gelegenheit haben, diesen Widerspruch aufzuklären, denn der Antrag der LINKEN zur Aufnahme von unbegleiteten Flüchtlingskindern aus den Hotspots, der sich auch mit dieser Aufnahmeverhinderungspraxis des BAMF bei Dublin-Überstellungen aus Griechenland befasst (vgl.: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/140/1914024.pdf), wird voraussichtlich in der nächsten Sitzung des Innenausschusses beraten werden.
Zum anderen erklärte Roth: "Wir sind selbstverständlich bereit, unbegleitete minderjährige Geflüchtete aufzunehmen. Das Bundesinnenministerium befindet sich dazu nicht nur in Gesprächen mit der griechischen Regierung, sondern auch im Gespräch mit den anderen nationalen Regierungen in der EU. Wir sind bereit, einen solidarischen Beitrag im Rahmen einer EU-Lösung zu finden."
Das ist doppelt bemerkenswert, weil nur kurz zuvor der zuständige Innen-Staatssekretär im Innenausschuss auf Anfrage der LINKEN erklärt hatte, dass die Bundesregierung keine Notwendigkeit sehe, über bisherige Maßnahmen hinaus (gemeint waren damit personelle Unterstützungen über EASO, BAMF usw.) Griechenland beizustehen - und er hielt daran auch auf ausdrücklichen Vorhalt und weitere Nachfrage fest, mit der darauf hingewiesen worden war, dass Regierungssprecher Seibert erklärte hatte, Deutschland sei zu einer solchen Aufnahme, zusammen mit anderen Ländern, "grundsätzlich" bereit.
Auch hierzu werden wir im Innenausschuss selbstverständlich nachhaken!
7) Die überraschend hohe Schutzquote bei von Deutschland aufgenommenen, aus Seenot Geretteten geht aus der angehangenen Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende schriftliche Frage von Ulla Jelpke hervor: Nach 142 Entscheidungen lag diese (bereinigt) bei 46 Prozent - während das allgemein gezeichnete Bild in der Öffentlichkeit oft unterstellt, es handele sich überwiegend um vermeintliche "Wirtschaftsflüchtlinge".
Ausnahmsweise füge ich noch die Antwort der Bundesregierung auf eine ähnlich gelagerte Anfrage aus den Reihen der AfD bei, deren Interesse aber vor allem dahin ging, wie viele der von Deutschland Aufgenommen denn schon wieder abgeschoben worden seien... (da findet sich also die zusätzliche Information, dass von den vollziehbar ausreisepflichtigen Personen, deren Zahl aber nicht genannt wird, neun nicht mehr im Bundesgebiet seien, Abschiebungen habe es diesbezüglich nach Kenntnis der Bundesregierung noch nicht gegeben).
8) Pro Asyl hat eine Halbjahresbilanz für den Asylbereich sehr übersichtlich und anschaulich dargestellt, mit wichtigen Kennziffern und Informationen, die vielfach auch Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der LINKEN entnommen sind - sehr hilfreich für aktuelle politische Debatten: https://www.proasyl.de/news/die-wichtigsten-zahlen-und-fakten-zur-asyldebatte/
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Dr. Thomas Hohlfeld
Referent für Migration und Integration
Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Zum einen werden sie in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung oft mit terroristischer Gewalt und organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht - obwohl sie doch vor Gewalt, Willkür, Folter und Verfolgung in ihrer Herkunftsregion geflohen sind.
Zum anderen sind sie mit einer sehr restriktiven Entscheidungspraxis des BAMF und vieler Gerichte konfrontiert, die Schutz selbst im Falle erlittener oder drohender Verfolgung oftmals verweigern mit der Begründung, die Betroffenen könnten außerhalb Tschetscheniens sonstwo in Russland wirksamen Schutz erhalten (inländische Fluchtalternative) - auch wenn es daran erhebliche Zweifel gibt. Die bereinigte Schutzquote tschetschenischer Volkszugehöriger lag deshalb zuletzt sogar unter 10 Prozent (7,9 %).
Festzustellen ist auch eine weit überdurchschnittliche Asylverfahrensdauer bei tschetschenischen Asylsuchenden, 2018 war diese sogar doppelt so lang wie im allgemeinen Durschnitt (15 gegenüber sonst 7,5 Monaten)!
Die Zahl der Abschiebungen nach Russland (vermutlich überwiegend tschetschenische Geflüchtete) ist zuletzt deutlich angestiegen (2017 waren es 184, in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres bereits 277). Und deutlich größer noch ist die Zahl der Überstellungen tschetschenischer Flüchtlinge, vor allem nach Polen, wozu es Bedenken unter anderem hinsichtlich der Unterbringungsbedingungen oder auch eines effektiven Zugangs zu psychologischer und medizinischer Betreuung der oft traumatisierten Menschen gibt.
Der "Tagesspiegel" berichtete über die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN (Ulla Jelpke u.a.) zu tschetschenischen Asylsuchenden, aus der diese (und andere) Informationen stammen: https://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlinge-mit-russischem-pass-zahl-der-abschiebungen-von-tschetschenen-steigt/25143314.html
Dem angehangenen Vermerk sind weitere Einzelheiten und Zusammenhänge zu entnehmen.
Die Antwort der Bundesregierung (5 MB) steht hier zum Download bereit - Ulla Jelpke forderte mit einer Pressemitteilung einen wirksamen Schutz für Geflüchtete aus Tschetschenien: https://www.ulla-jelpke.de/2019/10/gefluechtete-aus-tschetschenien-brauchen-schutz/
In Bälde wird die Antwort auch als Bundestagsdrucksache verfügbar sein (zur Info: die Bundestagsverwaltung braucht derzeit mehrere Wochen zur Bearbeitung Kleiner Anfragen, auch die Drucksachenlegung ist z.T. deutlich verzögert):
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/140/1914082.pdf
2) Einer Antwort der Bundesregierung auf eine mündliche Frage von Ulla Jelpke sind die Abschiebungszahlen für das bisherige Jahr 2019 (bis September) zu entnehmen, differenziert nach Zielstaaten und Charter- oder Linienflügen (siehe Anhang). Die Zahlen bewegen sich weiterhin auf hohem Niveau, Italien bleibt Zielland Nr. 1 der deutschen Abschiebungsbemühungen (hier geht es also vor allem um Überstellungen im Rahmen des Dublin-Systems).
Siehe dazu die folgende Nachricht auf MIGAZIN und eine Pressemitteilung von Ulla Jelpke:
https://www.migazin.de/2019/10/24/statistik-fast17-abschiebungen-ende-september/
https://www.ulla-jelpke.de/2019/10/bleiberecht-statt-abschiebung/
3) Am vergangen Montag gab es eine wirklich spannende und (rechtlich und historisch) lehrreiche Sachverständigen-Anhörung zum Thema Wiedereinbürgerung von Nachfahren von Verfolgten des NS-Regimes - großartig war insbesondere der Sachverständige Nicholas Robin Courtman, der mit seinen Initiativen maßgeblich dazu beigetragen hat, dass das Thema auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages gelangte!
Die Anhörung kann als Live-Stream hier nachgeschaut werden: https://dbtg.tv/cvid/7394260
Im Folgenden gebe ich die Zusammenfassung der hib-Redaktion hierzu wieder:
Einbürgerung von Nachfahren NS-Verfolgter
Berlin: (hib/WID) Das Anliegen von Liberalen, Linken und Grünen, den Nachfahren von Verfolgten des Naziregimes den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit unbegrenzt zu ermöglichen, findet unter Sachverständigen ein überwiegend positives Echo. In einer Anhörung des Innenausschusses war am Montag allerdings unter anderem noch umstritten, ob es dazu einer eigenen gesetzlichen Regelung bedürfe, und ob von den Antragstellern nicht doch der Nachweis einer gewissen Bindung an Deutschland zu verlangen sei.
Nach Artikel 116 Absatz 2 Grundgesetz haben frühere deutsche Staatsangehörige, die aus "politischen, rassischen oder religiösen Gründen" im Dritten Reich ausgebürgert wurden, sowie deren Nachfahren Anspruch auf Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft. Allerdings bleiben mehrere Personengruppen von dieser Regelung noch ausgenommen. Zwei Gesetzentwürfe der Linken (19/13505 <http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/135/1913505.pdf> ) und Grünen (19/12200 <http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/122/1912200.pdf> ) sowie ein Antrag der FDP (19/14063 <http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/140/1914063.pdf> ) haben zum Ziel, diese Ausschlusstatbestände zu beseitigen.
Als Vertreter eines in mehreren Ländern organisierten Betroffenenverbandes würdigte der an der Universität Cambridge tätige Germanist Nicholas Robin Courtman einen Erlass des Innenministeriums vom 30. September, der für viele Menschen eine "deutliche Verbesserung der Einbürgerungsmöglichkeiten" gebracht habe. Allerdings handele es sich hier noch nicht um einen "befriedigende abschließende Regelung", betonte Courtman, der sich als Enkel einer von den Nazis vertriebenen deutschen Jüdin vorstellte. Auch der Erlass berücksichtige nicht alle betroffenen Personengruppen. Überdies erfordere das "symbolische Gewicht" des Themas eine gesetzliche Regelung.
Dem widersprach der Konstanzer Völkerrechtler Kay Hailbronner, der eine Verwaltungsvorschrift für ausreichend erklärte, um noch bestehende Regelungsdefizite zu beseitigen. Der Begriff des "Wiedergutmachungsinteresses" im Gesetzentwurf der Linken sei eine "Quelle der Rechtsunsicherheit", warnte Hailbronner. Insbesondere wandte er sich gegen die Forderung, auch jenen Menschen einen Einbürgerungsanspruch zuzubilligen, deren Vorfahren in Deutschland vor 1933 die Staatsbürgerschaft hätten erwerben können, denen dies aber nach 1933 aus politischen oder "rassischen" Gründen verwehrt geblieben sei. Es sei unmöglich, "rechtsstaatlich handhabbare Kriterien für solche Fälle zu entwickeln", sagte Hailbronner.
Sein Hallenser Kollege Winfried Kluth sprach sich dagegen aus, auf den Nachweis einer "Verbundenheit" mit Deutschland durch die Antragsteller zu verzichten. Er sah auch keinen Grund, in Fällen mit Wiedergutmachungscharakter von dem im Zuge der Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts 2000 eingeführten "Generationenschnitt" abzusehen, der Regelung also, dass die Kinder von im Ausland geborenen und dort lebenden deutschen Bürgern die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern nicht mehr automatisch erben.
"Es muss zweifelsfrei klar sein, dass es zur Räson der Bundesrepublik Deutschland gehört, den Versuch zu unternehmen, nationalsozialistisches Unrecht wiedergutzumachen", sagte dagegen als Sprecher des Deutschen Anwaltsvereins und Heidelberger Jurist Berthold Münch. Nach seiner Ansicht sollen Antragsteller ihre Bindung an Deutschland nicht gesondert nachweisen müssen, das sie diese durch ihr Einbürgerungsbegehren schon deutlich gemacht hätten. Münch forderte eine gesetzliche Regelung: "Das Parlament begibt sich einer wesentlichen Steuerungsfunktion, wenn es in dieser sensiblen Frage nicht selbst entscheidet."
Der Berliner Professor für Öffentliches Recht, Tarik Tabbara, warnte vor der "Widerständigkeit" von Behörden, einen "scheinbaren Ermessensspielraum" zugunsten der Betroffenen auszuschöpfen. Wenn in einem Erlass von "Ermessensspielraum" die Rede sei, sei dies daher immer ein "schlechte Nachricht". Der Kölner Privatdozent Ulrich Vosgerau nannte die Gesetzentwürfe eine "juristische Revolution", die gerade deswegen "konservativ" angegangen werden sollen. Unzulässig sei, deutsche Staatsangehörigen mit jenen gleichzusetzen, die - hätte es die Nazis nicht gegeben -, die Staatsangehörigkeit vielleicht hätten erwerben können.
In dieser Zusammenfassung fehlt leider ein Hinweis auf die Sachverständige Frau Dr. Esther Weizsäcker, die ihre Ausführungen mit dem persönlichen Hinweis schloss, dass ihr als Kriegsverbrecher verurteilter Ur-Großvater Ernst von Weizsäcker als deutscher Gesandter in der Schweiz sich 1936 für die Ausbürgerung von Thomas Mann ausgesprochen hatte. Entsprechend froh sei sie, dass der Bundestag nun eine klare und großzügige gesetzliche Regelung zur Wiedereinbürgerung der Betroffenen schaffen könne.
Es zeichnet sich ab, dass es eine gemeinsame Initiative der drei genannten Oppositionsparteien zu diesem Thema geben könnte. Auch die SPD scheint für eine gesetzliche Regelung offen zu sein, wird jedoch offenbar von der Union gebremst, deren Vertreter sich bei der Anhörung geradezu flegelhaft desinteressiert zeigten oder störend miteinander sprachen, während der Vertreter der Betroffenen neben ihnen sitzend wichtige Ausführungen zur Sache machte. Die Union hatte auch Kay Hailbronner als Sachverständigen benannt, der dann allen Ernstes behauptete, dass man auf dem Erlasswege mehr Sicherheit für die Betroffenen schaffen könne als durch eine gesetzliche Regelung...
4) Die geplante Beratung des Gesetzes zur Überleitung von Freizügigkeitsrechten britischer Staatsangehöriger und ihrer Familienangehörigen ins Aufenthaltsrecht im Innenausschuss des Bundestages wurde verschoben.
Grund ist ein Änderungsantrag der LINKEN, mit dem auf zahlreiche gesetzgeberische Schwächen im Gesetzesvorschlag hingewiesen wurde und den ich zur Informationen beifüge. Die LINKE hatte darauf gedrängt, dass dieser Änderungsantrag inhaltlich im Detail beraten werden solle, weil es bei der Aufenthaltssicherung für britische Staatsangehörige im Falle eines ungeregelten Brexits um ein wichtiges Anliegen gehe, das alle Fraktionen im Bundestag teilten. Deshalb müssten die vorgeschlagenen Änderungen auch im Interesse der Koalitionsfraktionen sein, die daraufhin zusagten, die vorgeschlagenen Änderungen noch einmal zu prüfen.
Das wäre ein Fall mit hohem Seltenheitswert, wenn tatsächlich einmal inhaltliche Argumente bei Änderungen des Aufenthaltsrechts berücksichtigt und gewogen werden sollten...
5) In der Regierungsbefragung vom Mittwoch stand Bundesinnenminister Seehofer Rede und Antwort.
Mit folgender Ankündigung schaffte es der Innenminister in Agenturmeldungen: Er habe seinem Haus den Auftrag gegeben, bis zur nächsten Innenministerkonferenz Anfang Dezember detailliert aufzulisten, "in welchen Bundesländern wie viele Ausreisepflichtige sind, aus welchen Ländern sie kommen, in welche Länder sie zurückzuführen sind und ob es Hinderungsgründe gibt".
Da haben die BeamtInnen im BMI aber Glück gehabt, denn diese Auflistungen liegen längst vor: Auf Anfrage der LINKEN hat sie das Ministerium bereits erstellt, jedenfalls soweit es Zahlen dazu gibt!
Auf BT-Drs. 19/12240 gibt es zum Stand Mitte 2019 die Zahl der in Deutschland lebenden Ausreisepflichtigen, nach Bundesländern und wichtigsten Herkunftsländern differenziert (Frage 9).
Auf BT-Drs. 19/13303 gibt es die Informationen zu den im AZR vermerkten Duldungsgründen (Frage 18), die allerdings lückenhaft und zu hinterfragen sind, wie auch die Angaben zur Zahl (angeblich) ausreisepflichtiger Personen.
Dazu verweise ich auf meine Vermerke zu den Drucksachen, die ich regelmäßig verschicke. Zur IMK Anfang Dezember kann man die noch mal hervorholen, allerdings wird die Interpretation dieser Zahlen durch das BMI vermutlich grundlegend anders ausfallen als bei mir, soviel ist schon mal sicher... ;o)
Hans-Jürgen Irmer und Marian Wendt von der Union stellten dem Minister Fragen im Stile der AfD (Wendt: auf dem westlichen Balkan müsse für Ordnung gesorgt werden, "das sind wir unserer Bevölkerung gerade nach den Ereignissen von vor vier Jahren schuldig"), Irmer zündelte, indem er behauptete, dass in Berlin "20.000, 30.000 Personen abgeschoben werden" müssten. "Sie werden aber nicht abgeschoben, was zulasten des Berliner Steuerzahlers geht."
Wie so oft in der Asylpolitik waren diese Zahlen falsch - siehe die oben genannten Drucksachen! Mitte 2019 lebten genau 15.979 Ausreisepflichtige in Berlin - nicht, 20.000, nicht 30.000, in Bayern waren es übrigens 30.650. Und wie viele dieser Personen, die meisten Geduldete, abgeschoben werden müssen oder dürfen, ist schlicht nicht bekannt, weil diese Information dem AZR nicht zu entnehmen ist!
Natürlich richtete auch die "real AfD" Fragen an Seehofer zur Flüchtlingspolitik, und das ist durchaus lesenswert, wie da die einen Rechten den anderen Rechten vor sich oder vor ihm her zu treiben versuchen... (deshalb das Protokoll in Ausschnitten zur Information anbei).
Einerseits wiederholte Seehofer seine Aussage, dass angesichts von gerade einmal 225 aus Seenot Geretteten, die Deutschland in den letzten 14 Monaten aufgenommen habe, sich aufgeregte Diskussionen um die anteilige Aufnahme dieser Menschen eigentlich verböten. Aber zugleich erklärte er, dass er diese Aufnahme sofort stoppen würde, wenn die Zahl der Geretteten steigen würde: "Dann ist es nämlich keine Seenotrettung mehr, dann ist es ein Taxidienst zwischen Afrika und Europa" - Beifall eines AfD-Abgeordneten an dieser Stelle.
Seehofer behauptete, über die "Landrouten" würde Deutschland "an einem Tag" die "doppelte Zahl von Flüchtlingen" aufnehmen (400). Auch diese Zahl ist falsch, denn eine zunehmende Zahl von Asylsuchenden - darauf habe ich oftmals hingewiesen - reist nicht (unerlaubt) nach Deutschland ein, sondern es handelt sich z.B. um Angehörige anerkannter Flüchtlinge, die im Rahmen des Familiennachzugs legal eingereist sind (sie kommen also in der Regel mit dem Flugzeug, nicht über die "Landrouten"), oder es handelt sich um hier geborene Kinder von Asylsuchenden, Flüchtlingen oder Geduldeten - und bemerkenswerterweise wies sogar Horst Seehofer ausdrücklich hierauf hin und bemerkte zutreffend, dass diese nicht "wirklich über die Grenze kamen"!. Auf Anfrage der LINKEN, ob diese Umstände nicht Auswirkungen auf die Berechnung des im Koalitionsvertrag vereinbarten "Zuwanderungskorridor" haben müssten, hatte die Bundesregierung vor Kurzem all
erdings
noch abgewiegelt... (siehe meine Rundmail vom 3.9.2019).
6) Bei der sich anschließenden mündliche Fragerunde fragte Heike Hänsel (DIE LINKE) unter anderem nach einer Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus den komplett überfüllten "Hotspots" der griechischen Inseln (siehe Protokoll anbei).
Die Antwort Michael Roths als Staatsminister des Auswärtigen Amtes war interessant: Zum einen behauptete er, dass die Bundesregierung "bei der Familienzusammenführung nach der Dublin-Verordnung ... ein ganz besonderes Augenmerk auf rasche Verfahren bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen" lege. Und dann, Zitat: "Die Dublin-III-Verordnung wird durch die Bundesregierung vollumfänglich umgesetzt" - was angesichts der komplett gegenteiligen Praxis natürlich ein Hohn ist!
Die Bundesregierung wird bald Gelegenheit haben, diesen Widerspruch aufzuklären, denn der Antrag der LINKEN zur Aufnahme von unbegleiteten Flüchtlingskindern aus den Hotspots, der sich auch mit dieser Aufnahmeverhinderungspraxis des BAMF bei Dublin-Überstellungen aus Griechenland befasst (vgl.: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/140/1914024.pdf), wird voraussichtlich in der nächsten Sitzung des Innenausschusses beraten werden.
Zum anderen erklärte Roth: "Wir sind selbstverständlich bereit, unbegleitete minderjährige Geflüchtete aufzunehmen. Das Bundesinnenministerium befindet sich dazu nicht nur in Gesprächen mit der griechischen Regierung, sondern auch im Gespräch mit den anderen nationalen Regierungen in der EU. Wir sind bereit, einen solidarischen Beitrag im Rahmen einer EU-Lösung zu finden."
Das ist doppelt bemerkenswert, weil nur kurz zuvor der zuständige Innen-Staatssekretär im Innenausschuss auf Anfrage der LINKEN erklärt hatte, dass die Bundesregierung keine Notwendigkeit sehe, über bisherige Maßnahmen hinaus (gemeint waren damit personelle Unterstützungen über EASO, BAMF usw.) Griechenland beizustehen - und er hielt daran auch auf ausdrücklichen Vorhalt und weitere Nachfrage fest, mit der darauf hingewiesen worden war, dass Regierungssprecher Seibert erklärte hatte, Deutschland sei zu einer solchen Aufnahme, zusammen mit anderen Ländern, "grundsätzlich" bereit.
Auch hierzu werden wir im Innenausschuss selbstverständlich nachhaken!
7) Die überraschend hohe Schutzquote bei von Deutschland aufgenommenen, aus Seenot Geretteten geht aus der angehangenen Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende schriftliche Frage von Ulla Jelpke hervor: Nach 142 Entscheidungen lag diese (bereinigt) bei 46 Prozent - während das allgemein gezeichnete Bild in der Öffentlichkeit oft unterstellt, es handele sich überwiegend um vermeintliche "Wirtschaftsflüchtlinge".
Ausnahmsweise füge ich noch die Antwort der Bundesregierung auf eine ähnlich gelagerte Anfrage aus den Reihen der AfD bei, deren Interesse aber vor allem dahin ging, wie viele der von Deutschland Aufgenommen denn schon wieder abgeschoben worden seien... (da findet sich also die zusätzliche Information, dass von den vollziehbar ausreisepflichtigen Personen, deren Zahl aber nicht genannt wird, neun nicht mehr im Bundesgebiet seien, Abschiebungen habe es diesbezüglich nach Kenntnis der Bundesregierung noch nicht gegeben).
8) Pro Asyl hat eine Halbjahresbilanz für den Asylbereich sehr übersichtlich und anschaulich dargestellt, mit wichtigen Kennziffern und Informationen, die vielfach auch Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der LINKEN entnommen sind - sehr hilfreich für aktuelle politische Debatten: https://www.proasyl.de/news/die-wichtigsten-zahlen-und-fakten-zur-asyldebatte/
-----------------------------------------------------------------
Dr. Thomas Hohlfeld
Referent für Migration und Integration
Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
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Türkei: Flüchtlinge rechtswidrig ins syrische Kriegsgebiet abgeschoben
che2001, 13:33h
Bereits Monate vor dem Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien schob die Türkei syrische Flüchtlinge in das vom Krieg zerrüttete Land ab – also noch vor dem Versuch der türkischen Regierung, auf der syrischen Seite der Grenze eine sogenannte „Sicherheitszone“ einzurichten. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Amnesty-Bericht „Sent to a war zone: Turkey’s illegal deportations of Syrian refugees“.
BERLIN, 24.10.2019 – Für den Bericht sprachen Amnesty-Experten mit Flüchtlingen, die sagten, dass sie von türkischen Polizeikräften geschlagen und bedroht worden seien. Sie seien dazu gezwungen worden, Dokumente zu unterschreiben, die belegen sollten, dass sie selbst ihre Rückkehr nach Syrien gefordert hätten. Doch tatsächlich waren sie von der Türkei zur Rückkehr in ein lebensgefährliches Kriegsgebiet gezwungen worden.
„Die Behauptung der Türkei, dass sich die syrischen Flüchtlinge selbst dazu entschieden hätten, direkt in den Konflikt zurückzukehren, ist gefährlich und unehrlich. Im Gegensatz dazu haben unsere Recherchen ergeben, dass die Menschen ausgetrickst und gezwungen wurden, zurückzugehen“, sagt Anna Shea, Expertin für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten bei Amnesty International.
„Die Türkei verdient Anerkennung dafür, dass sie in den vergangenen acht Jahren mehr als 3,6 Millionen Frauen, Männer und Kinder aus Syrien aufgenommen hat. Aber sie kann diese Großzügigkeit nicht als Vorwand dafür nehmen, Menschen in ein aktives Konfliktgebiet abzuschieben – entgegen nationaler und internationaler Rechtslage.“
Da keine offiziellen Statistiken vorliegen, ist die genaue Zahl der Abschiebungen unklar. Doch nachdem Amnesty International zwischen Juli und Oktober 2019 Dutzende Interviews geführt hatte, schätzt die Organisation, dass die Zahl der in den vergangenen Monaten Abgeschobenen in die Hunderte geht. Die türkischen Behörden behaupten, dass 315.000 Personen absolut freiwillig nach Syrien zurückgekehrt seien.
Abschiebungen nach Syrien sind rechtswidrig, da dort das Risiko extrem hoch ist, Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen zu werden.
„Es ist erschütternd, dass Russland diese Woche ein Abkommen mit der Türkei geschlossen hat, in dem der ‚sicheren und freiwilligen Rückkehr‘ von Flüchtlingen in eine ‚Sicherheitszone‘ zugestimmt wird, die erst noch geschaffen werden muss. Die Abschiebungen waren bisher alles andere als sicher und freiwillig – und Millionen weiterer Flüchtlinge aus Syrien sind nach wie vor in Gefahr“, sagt Anna Shea.
Abschiebungen getarnt als freiwillige Rückkehr
Einige der Abgeschobenen sagten, dass ihnen Gewalt angedroht wurde oder dass sie geschlagen wurden, um sie zu zwingen, Dokumente über ihre angeblich „freiwillige Rückkehr“ zu unterschreiben. Anderen wurde gesagt, sie würden ein Registrierungsdokument oder eine Empfangsbestätigung für eine in der Hafteinrichtung erhaltene Decke unterzeichnen beziehungsweise, dass sie mit dem Formular beantragten, in der Türkei zu bleiben.
Amnesty International hat 20 Fälle von Abschiebungen überprüft. In allen Fällen wurden die Menschen in Bussen über die Grenze gebracht, in denen Dutzende weitere Personen saßen, deren Hände mit Kabelbindern gefesselt waren und die offenbar ebenfalls abgeschoben wurden. Immer wenn Geflüchtete mit der türkischen Polizei oder den Migrationsbehörden in Kontakt sind – sei es, um ihre Dokumente verlängern zu lassen oder wenn sie auf der Straße angehalten werden, um sich auszuweisen –, besteht die Gefahr, dass sie inhaftiert oder abgeschoben werden. Den Betroffenen wurde oft gesagt, sie würden abgeschoben, weil sie nicht registriert seien oder sich nicht in der türkischen Provinz befänden, in der sie registriert sind. Allerdings sind auch schon Personen abgeschoben worden, die über einen gültigen Ausweis der Provinz verfügen, in der sie sich aufhielten.
Bei der überwältigenden Mehrheit der Abgeschobenen handelt es sich offenbar um erwachsene Männer, die in Bussen durch die Provinz Hatay zum Grenzübergang Bab al-Hawa in der syrischen Provinz Idlib gebracht werden.
Ein junger Mann namens Nabil (Name aus Sicherheitsgründen geändert) gab an, mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn im Juni 2019 in Ankara festgenommen und mit mehr als 100 weiteren Menschen inhaftiert worden zu sein, unter ihnen Familien und auch drei Männer ohne Angehörige. Nabil erzählte, nach drei Tagen habe man ihnen gesagt, man würde sie in ein Lager in der Provinz Hatay bringen, aber tatsächlich wurden sie nach Idlib abgeschoben.
„Die türkischen Behörden müssen die Abschiebungen nach Syrien stoppen und sicherstellen, dass alle, die bereits abgeschoben worden sind, sicher in die Türkei zurückkehren können und dort Zugang zu grundlegender Versorgung erhalten“, so Anna Shea. „Die EU und die übrige internationale Gemeinschaft sollten mit Resettlement-Programmen die Aufnahme syrischer Flüchtlinge aus der Türkei drastisch erhöhen, anstatt ihre Energie darauf zu verwenden, möglichst viele Menschen davon abzuhalten, in ihren Ländern Asyl zu suchen.“
Den vollständigen Bericht schicken wir Ihnen auf Nachfrage nach Ablauf der Sperrfrist gerne zu. Für Interviewanfragen wenden Sie sich bitte an die Pressestelle.
BITTE BEACHTEN SIE DIE SPERRFRIST: FREITAG, 25.10.2019, 01:01 UHR MESZ – FREI FÜR FREITAGSAUSGABEN
Kontakt:
AMNESTY INTERNATIONAL DEUTSCHLAND e. V.
Pressestelle . Zinnowitzer Straße 8 . 10115 Berlin
T: +49 (0) 30 42 02 48 - 306 . F: +49 (0) 30 42 02 48 - 630
mailto: presse@amnesty.de
follow us: www.twitter.com/amnesty_de
BERLIN, 24.10.2019 – Für den Bericht sprachen Amnesty-Experten mit Flüchtlingen, die sagten, dass sie von türkischen Polizeikräften geschlagen und bedroht worden seien. Sie seien dazu gezwungen worden, Dokumente zu unterschreiben, die belegen sollten, dass sie selbst ihre Rückkehr nach Syrien gefordert hätten. Doch tatsächlich waren sie von der Türkei zur Rückkehr in ein lebensgefährliches Kriegsgebiet gezwungen worden.
„Die Behauptung der Türkei, dass sich die syrischen Flüchtlinge selbst dazu entschieden hätten, direkt in den Konflikt zurückzukehren, ist gefährlich und unehrlich. Im Gegensatz dazu haben unsere Recherchen ergeben, dass die Menschen ausgetrickst und gezwungen wurden, zurückzugehen“, sagt Anna Shea, Expertin für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten bei Amnesty International.
„Die Türkei verdient Anerkennung dafür, dass sie in den vergangenen acht Jahren mehr als 3,6 Millionen Frauen, Männer und Kinder aus Syrien aufgenommen hat. Aber sie kann diese Großzügigkeit nicht als Vorwand dafür nehmen, Menschen in ein aktives Konfliktgebiet abzuschieben – entgegen nationaler und internationaler Rechtslage.“
Da keine offiziellen Statistiken vorliegen, ist die genaue Zahl der Abschiebungen unklar. Doch nachdem Amnesty International zwischen Juli und Oktober 2019 Dutzende Interviews geführt hatte, schätzt die Organisation, dass die Zahl der in den vergangenen Monaten Abgeschobenen in die Hunderte geht. Die türkischen Behörden behaupten, dass 315.000 Personen absolut freiwillig nach Syrien zurückgekehrt seien.
Abschiebungen nach Syrien sind rechtswidrig, da dort das Risiko extrem hoch ist, Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen zu werden.
„Es ist erschütternd, dass Russland diese Woche ein Abkommen mit der Türkei geschlossen hat, in dem der ‚sicheren und freiwilligen Rückkehr‘ von Flüchtlingen in eine ‚Sicherheitszone‘ zugestimmt wird, die erst noch geschaffen werden muss. Die Abschiebungen waren bisher alles andere als sicher und freiwillig – und Millionen weiterer Flüchtlinge aus Syrien sind nach wie vor in Gefahr“, sagt Anna Shea.
Abschiebungen getarnt als freiwillige Rückkehr
Einige der Abgeschobenen sagten, dass ihnen Gewalt angedroht wurde oder dass sie geschlagen wurden, um sie zu zwingen, Dokumente über ihre angeblich „freiwillige Rückkehr“ zu unterschreiben. Anderen wurde gesagt, sie würden ein Registrierungsdokument oder eine Empfangsbestätigung für eine in der Hafteinrichtung erhaltene Decke unterzeichnen beziehungsweise, dass sie mit dem Formular beantragten, in der Türkei zu bleiben.
Amnesty International hat 20 Fälle von Abschiebungen überprüft. In allen Fällen wurden die Menschen in Bussen über die Grenze gebracht, in denen Dutzende weitere Personen saßen, deren Hände mit Kabelbindern gefesselt waren und die offenbar ebenfalls abgeschoben wurden. Immer wenn Geflüchtete mit der türkischen Polizei oder den Migrationsbehörden in Kontakt sind – sei es, um ihre Dokumente verlängern zu lassen oder wenn sie auf der Straße angehalten werden, um sich auszuweisen –, besteht die Gefahr, dass sie inhaftiert oder abgeschoben werden. Den Betroffenen wurde oft gesagt, sie würden abgeschoben, weil sie nicht registriert seien oder sich nicht in der türkischen Provinz befänden, in der sie registriert sind. Allerdings sind auch schon Personen abgeschoben worden, die über einen gültigen Ausweis der Provinz verfügen, in der sie sich aufhielten.
Bei der überwältigenden Mehrheit der Abgeschobenen handelt es sich offenbar um erwachsene Männer, die in Bussen durch die Provinz Hatay zum Grenzübergang Bab al-Hawa in der syrischen Provinz Idlib gebracht werden.
Ein junger Mann namens Nabil (Name aus Sicherheitsgründen geändert) gab an, mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn im Juni 2019 in Ankara festgenommen und mit mehr als 100 weiteren Menschen inhaftiert worden zu sein, unter ihnen Familien und auch drei Männer ohne Angehörige. Nabil erzählte, nach drei Tagen habe man ihnen gesagt, man würde sie in ein Lager in der Provinz Hatay bringen, aber tatsächlich wurden sie nach Idlib abgeschoben.
„Die türkischen Behörden müssen die Abschiebungen nach Syrien stoppen und sicherstellen, dass alle, die bereits abgeschoben worden sind, sicher in die Türkei zurückkehren können und dort Zugang zu grundlegender Versorgung erhalten“, so Anna Shea. „Die EU und die übrige internationale Gemeinschaft sollten mit Resettlement-Programmen die Aufnahme syrischer Flüchtlinge aus der Türkei drastisch erhöhen, anstatt ihre Energie darauf zu verwenden, möglichst viele Menschen davon abzuhalten, in ihren Ländern Asyl zu suchen.“
Den vollständigen Bericht schicken wir Ihnen auf Nachfrage nach Ablauf der Sperrfrist gerne zu. Für Interviewanfragen wenden Sie sich bitte an die Pressestelle.
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Aufruf zur Teilnahme am Dezentralen Aktionstag „Bleiberecht und Sichere Häfen statt Abschiebungen und ZAB“
che2001, 12:12h
Aufruf zur Teilnahme am Dezentralen Aktionstag „Bleiberecht und Sichere Häfen statt Abschiebungen und ZAB“ am 26. Oktober 2019 mit Aktionen in Braunschweig, Göttingen, Lingen, Oldenburg, Osnabrück und Vechta
„Bleiberecht und Sichere Häfen statt Abschiebungen und ZAB“ – unter diesem Motto ruft der Flüchtlingsrat Niedersachsen gemeinsam mit zahlreichen landesweiten, regionalen und lokalen Organisationen zur Teilnahme am Dezentralen Aktionstag am morgigen Samstag, 26. Oktober 2019 auf.
Sebastian Rose, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.:
„Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert die Landesregierung auf, die Pläne für die Zentrale Ausländerbehörde endgültig aufzugeben. Kluge und glaubwürdige Politik zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie falsch gesetzte Wegmarken zeitnah korrigiert. Dies ist hier jetzt erforderlich.“
Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben acht landesweite und über 30 regionale und lokale Organisationen und Initiativen gemeinsam in dieser Woche ein Positionspapier veröffentlicht.
Rose:
„Angesichts einer auf Abschottung und Abschiebung fokussierten Bundes- und Europapolitik fordern wir die Landesregierung auf, die Bereiche Teilhabe und Zusammenleben aller Menschen deutlich zu stärken. Wir fordern ein Bleiberecht für alle Menschen, die in Niedersachsen ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben.“
Kontakt
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Sebastian Rose, Referent der Geschäftsführung
Tel.: 0511 – 98 24 60 34
Email: sr@nds-fluerat.org, nds@nds-fluerat.org
Stefan Klingbeil, sk@nds-fluerat.org (Stefan Klingbeil ist bei der Aktion am 26. Oktober 2019 in Göttingen vor Ort für Pressevertreter_innen ansprechbar.)
Anhang
1. „Bleiberecht und Sichere Häfen statt Abschiebungen und ZAB“. Gemeinsames Positionspapier von Organisationen und Initiativen in Niedersachsen
2. Hintergrundpapier zur Zentralen Ausländerbehörde des Flüchtlingsrats Niedersachsen
3. Aktionsseite des Flüchtlingsrats Niedersachsen zur Zentralen Ausländerbehörde
Zeiten und Orte des dezentralen Aktionstages
Braunschweig: Verteilen von Flyern
ab 11 Uhr an zentralen Orten im Stadtgebiet
Verteilen von Flyern und Positionspapier. Treffpunkt für Interessierte ist um 11 Uhr im Refugium (Steinweg 5, Braunschweig).
mit: Refugium Braunschweig, Seebrücke Braunschweig
Göttingen: Aktionsstand
11 – 14 Uhr, Fußgängerzone
Aktionsstand mit Redebeiträgen, virtuellem Abschiebeknast, „Spiel des Lebens“ und antirassistischem Dosenwerfen
mit: AK Asyl, Amnesty International Göttingen, Antifaschistische Linke Göttingen, Caritasstelle Friedland/DiCV Hildesheim, Flüchtlingsrat Niedersachsen, Migrationszentrum Göttingen, Seebrücke Göttingen
Lingen: Aktionsstand
13 – 16 Uhr, Marktplatz Lingen
Verteilen von Flyern und Infostand im Rahmen der Demonstration „Atom und Kohle die rote Karte zeigen“ von AgiEL
mit: Seebrücke Lingen
Oldenburg: Kundgebung
11 Uhr, Julius-Mosen-Platz, Oldenburg
Kundgebung
mit: Seebrücke Oldenburg
Osnabrück: Infostand und Theater-Performances
ab 12 Uhr, Nikolaiort
Infostand
13.30 – 14.30 Uhr Theater-Performances
mit: Bündnis gegen Abschiebungen Osnabrück
Vechta: Demonstration
14- 16 Uhr, Kreishaus Vechta (Ravensberger Straße 20, Vechta)
Demonstration
mit: Seebrücke Vechta
„Bleiberecht und Sichere Häfen statt Abschiebungen und ZAB“ – unter diesem Motto ruft der Flüchtlingsrat Niedersachsen gemeinsam mit zahlreichen landesweiten, regionalen und lokalen Organisationen zur Teilnahme am Dezentralen Aktionstag am morgigen Samstag, 26. Oktober 2019 auf.
Sebastian Rose, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.:
„Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert die Landesregierung auf, die Pläne für die Zentrale Ausländerbehörde endgültig aufzugeben. Kluge und glaubwürdige Politik zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie falsch gesetzte Wegmarken zeitnah korrigiert. Dies ist hier jetzt erforderlich.“
Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben acht landesweite und über 30 regionale und lokale Organisationen und Initiativen gemeinsam in dieser Woche ein Positionspapier veröffentlicht.
Rose:
„Angesichts einer auf Abschottung und Abschiebung fokussierten Bundes- und Europapolitik fordern wir die Landesregierung auf, die Bereiche Teilhabe und Zusammenleben aller Menschen deutlich zu stärken. Wir fordern ein Bleiberecht für alle Menschen, die in Niedersachsen ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben.“
Kontakt
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Sebastian Rose, Referent der Geschäftsführung
Tel.: 0511 – 98 24 60 34
Email: sr@nds-fluerat.org, nds@nds-fluerat.org
Stefan Klingbeil, sk@nds-fluerat.org (Stefan Klingbeil ist bei der Aktion am 26. Oktober 2019 in Göttingen vor Ort für Pressevertreter_innen ansprechbar.)
Anhang
1. „Bleiberecht und Sichere Häfen statt Abschiebungen und ZAB“. Gemeinsames Positionspapier von Organisationen und Initiativen in Niedersachsen
2. Hintergrundpapier zur Zentralen Ausländerbehörde des Flüchtlingsrats Niedersachsen
3. Aktionsseite des Flüchtlingsrats Niedersachsen zur Zentralen Ausländerbehörde
Zeiten und Orte des dezentralen Aktionstages
Braunschweig: Verteilen von Flyern
ab 11 Uhr an zentralen Orten im Stadtgebiet
Verteilen von Flyern und Positionspapier. Treffpunkt für Interessierte ist um 11 Uhr im Refugium (Steinweg 5, Braunschweig).
mit: Refugium Braunschweig, Seebrücke Braunschweig
Göttingen: Aktionsstand
11 – 14 Uhr, Fußgängerzone
Aktionsstand mit Redebeiträgen, virtuellem Abschiebeknast, „Spiel des Lebens“ und antirassistischem Dosenwerfen
mit: AK Asyl, Amnesty International Göttingen, Antifaschistische Linke Göttingen, Caritasstelle Friedland/DiCV Hildesheim, Flüchtlingsrat Niedersachsen, Migrationszentrum Göttingen, Seebrücke Göttingen
Lingen: Aktionsstand
13 – 16 Uhr, Marktplatz Lingen
Verteilen von Flyern und Infostand im Rahmen der Demonstration „Atom und Kohle die rote Karte zeigen“ von AgiEL
mit: Seebrücke Lingen
Oldenburg: Kundgebung
11 Uhr, Julius-Mosen-Platz, Oldenburg
Kundgebung
mit: Seebrücke Oldenburg
Osnabrück: Infostand und Theater-Performances
ab 12 Uhr, Nikolaiort
Infostand
13.30 – 14.30 Uhr Theater-Performances
mit: Bündnis gegen Abschiebungen Osnabrück
Vechta: Demonstration
14- 16 Uhr, Kreishaus Vechta (Ravensberger Straße 20, Vechta)
Demonstration
mit: Seebrücke Vechta
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Freitag, 18. Oktober 2019
Das neue Wir – warum Migration dazugehört
che2001, 20:05h
22.10.2019, 19 Uhr
Vortrag Prof. Dr. Jan Plamper
Hannover-Döhren, Auferstehungskirche, Helmstedter Straße 59
Professor Jan Plamper von der University of London spricht im Rahmenprogramm der Ausstellung „Fluchtgeschichten“ am 22. Oktober um 19 Uhr zum Thema „Das neue Wir – warum Migration dazugehört“ in der Auferstehungskirche Hannover-Döhren. Die Moderation übernimmt Professor Wolfgang Reinbold, Beauftragter für Kirche und Islam im Haus kirchlicher Dienste der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
Der Historiker Plamper hat vor kurzem ein neues Buch zu der Geschichte der Einwanderung nach Deutschland veröffentlicht. Nach seiner Auffassung hat Deutschland kein Migrationsproblem, sondern ein Problem damit, wie es Migration erzählt. In seinem Buch verwebt Plamper die Geschichten der schlesischen Vertriebenen, der „Gastarbeiter“ aus Italien und der Türkei, der DDR-„Vertragsarbeiter“ aus Mosambik und Vietnam, der Aussiedler aus der Sowjetunion und der Flüchtlinge aus vielen weiteren Ländern zu einer anderen Geschichte der Migration. Er erzählt von den Menschen, die Deutschland seit 1945 wesentlich mitgeprägt haben und öffnet eine neue Perspektive in der Debatte über das Verständnis von Nation, über eine lebendige Kultur und gemeinsame Werte. Er zeigt: Migration war und ist immer eine Herausforderung, und doch ist sie in Deutschland eine erstaunliche Erfolgsgeschichte.
Plamper lebte viele Jahre in den USA und Russland und pendelt heute zwischen Berlin und London, wo er als Professor für Geschichte am Goldsmiths College lehrt. Derzeit ist er Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald. Seine Bücher „Geschichte und Gefühl: Grundlagen der Emotionsgeschichte“ und „The Stalin Cult: A Study in the Alchemy of Power“ wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
Wanderausstellung „Fluchtgeschichten“ in Hannover-Döhren
Die Wanderausstellung „Fluchtgeschichten“ in der Auferstehungskirche Hannover-Döhren zeigt die Biografien von vier Frauen und Männern mit unterschiedlichen religiösen Traditionen aus acht Herkunftsländern. Sie sind Christin, Alevit, Buddhistin, Bahai, Hindu, Muslima, Jude und Ezide. Alle kamen nach dem Jahr 1945 nach Deutschland. Die Ausstellung will ihre Fluchtgründe und Erlebnisse bei der Integration in ihrer neuen Heimat verdeutlichen.
Die Ausstellung wurde vom Haus der Religionen Hannover und dem Evangelischen Flüchtlingsnetzwerk Hannover-Garbsen-Seelze in Kooperation mit dem Arbeitsfeld Migration und Integration des Hauses kirchlicher Dienste entwickelt. Sie ist täglich von 10 bis 18 Uhr bis zum 30. Oktober geöffnet. Die Auferstehungskirche liegt an der Helmstedter Straße 59 in Hannover-Döhren.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Vortrag Prof. Dr. Jan Plamper
Hannover-Döhren, Auferstehungskirche, Helmstedter Straße 59
Professor Jan Plamper von der University of London spricht im Rahmenprogramm der Ausstellung „Fluchtgeschichten“ am 22. Oktober um 19 Uhr zum Thema „Das neue Wir – warum Migration dazugehört“ in der Auferstehungskirche Hannover-Döhren. Die Moderation übernimmt Professor Wolfgang Reinbold, Beauftragter für Kirche und Islam im Haus kirchlicher Dienste der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
Der Historiker Plamper hat vor kurzem ein neues Buch zu der Geschichte der Einwanderung nach Deutschland veröffentlicht. Nach seiner Auffassung hat Deutschland kein Migrationsproblem, sondern ein Problem damit, wie es Migration erzählt. In seinem Buch verwebt Plamper die Geschichten der schlesischen Vertriebenen, der „Gastarbeiter“ aus Italien und der Türkei, der DDR-„Vertragsarbeiter“ aus Mosambik und Vietnam, der Aussiedler aus der Sowjetunion und der Flüchtlinge aus vielen weiteren Ländern zu einer anderen Geschichte der Migration. Er erzählt von den Menschen, die Deutschland seit 1945 wesentlich mitgeprägt haben und öffnet eine neue Perspektive in der Debatte über das Verständnis von Nation, über eine lebendige Kultur und gemeinsame Werte. Er zeigt: Migration war und ist immer eine Herausforderung, und doch ist sie in Deutschland eine erstaunliche Erfolgsgeschichte.
Plamper lebte viele Jahre in den USA und Russland und pendelt heute zwischen Berlin und London, wo er als Professor für Geschichte am Goldsmiths College lehrt. Derzeit ist er Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald. Seine Bücher „Geschichte und Gefühl: Grundlagen der Emotionsgeschichte“ und „The Stalin Cult: A Study in the Alchemy of Power“ wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
Wanderausstellung „Fluchtgeschichten“ in Hannover-Döhren
Die Wanderausstellung „Fluchtgeschichten“ in der Auferstehungskirche Hannover-Döhren zeigt die Biografien von vier Frauen und Männern mit unterschiedlichen religiösen Traditionen aus acht Herkunftsländern. Sie sind Christin, Alevit, Buddhistin, Bahai, Hindu, Muslima, Jude und Ezide. Alle kamen nach dem Jahr 1945 nach Deutschland. Die Ausstellung will ihre Fluchtgründe und Erlebnisse bei der Integration in ihrer neuen Heimat verdeutlichen.
Die Ausstellung wurde vom Haus der Religionen Hannover und dem Evangelischen Flüchtlingsnetzwerk Hannover-Garbsen-Seelze in Kooperation mit dem Arbeitsfeld Migration und Integration des Hauses kirchlicher Dienste entwickelt. Sie ist täglich von 10 bis 18 Uhr bis zum 30. Oktober geöffnet. Die Auferstehungskirche liegt an der Helmstedter Straße 59 in Hannover-Döhren.
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Weitere Verschärfungen beim Kirchenasyl und neue obergerichtliche Entscheidungen
che2001, 18:08h
Das jahrzehntelang weitgehend tolerierte Kirchenasyl wird durch verschärftes behördliches Vorgehen immer mehr erschwert. In einigen Fällen wurde strafrechtlich gegen das Kirchenasyl vorgegangen. Das BAMF nimmt zudem bei den im Kirchenasyl überwiegenden "Dublin-Fällen" kaum noch Härtefälle an und betrachtet Betroffene als "flüchtig". Dies widerspricht allerdings aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung, die wir nachfolgend zusammenfassen.
Durch das Kirchenasyl werden Schutzsuchende für einen befristeten Zeitraum in kirchlichen Räumen aufgenommen, um eine drohende Abschiebung zu verhindern. Ziel ist es, als oftmals letztes Mittel, in Härtefällen eine sorgfältige Überprüfung zu ermöglichen. Das Kirchenasyl entstand aus einer jahrhundertealten Tradition, wurde ab den 1980ern zu einer Praxis entwickelt und wird in der Regel von Behörden respektiert, indem auf die Durchsetzung der Abschiebung verzichtet wird. In jüngster Vergangenheit aber zeichnet sich ein verschärftes staatliches Vorgehen gegen dieses Schutzinstrument ab.
Bei einem Großteil der Kirchenasyle handelt es sich um sogenannte Dublin-Fälle, also Fälle, in denen das BAMF festgestellt hat, dass ein anderer europäischer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. So handelte es sich nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche Ende September 2019 in 410 von 431 laufenden Kirchenasylen um Dublin-Fälle. Die betroffenen Asylsuchenden machen geltend, dass ihnen in dem anderen europäischen Staat eine menschenrechtswidrige Behandlung droht. Daher wird mit dem Kirchenasyl in diesen Fällen das Ziel verfolgt, eine erneute Überprüfung der Dublin-Entscheidung zu erreichen. Hierfür können die Kirchen beim BAMF ein sogenanntes Härtefalldossier vorlegen.
Aktuell vorliegende Zahlen zum Kirchenasyl zeigen, dass Entscheidungen des BAMF über die eingereichten Härtefalldossiers nur noch in seltensten Fällen positiv ausfallen. Bleiben Betroffene trotz Ablehnung des Dossiers in kirchlicher Obhut, geht das BAMF regelmäßig davon aus, dass sie „flüchtig“ sind und verlängert die Überstellungsfrist auf 18 Monate.
Bereits im August 2018 wurden die Verfahrensregeln zum Kirchenasyl durch einen Beschluss der Innenministerkonferenz erheblich verschärft und somit die Gewährung von Kirchenasyl erschwert. Hierbei wurde es dem BAMF vereinfacht, die Überstellungsfrist bei Verstoß gegen die Verfahrensregeln zu verlängern. Dies soll unter anderem dann geschehen, wenn über das eingereichte Härtefalldossier negativ entschieden wird und die Betroffenen das Kirchenasyl dann nicht innerhalb von drei Tagen verlassen (vgl. asyl.net-Meldung vom 13.08.2018).
BAMF lehnt Kirchenasyl-Fälle weitestgehend ab
Nunmehr geht auch aus einer Antwort der Bundesregierung vom 27. September 2019 auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei (BT-Drs. 19/12800) hervor, dass von Januar bis August 2019 lediglich in fünf von knapp 300 entschiedenen Kirchenasyl-Fällen vom BAMF eine positive Entscheidung getroffen wurde. In den Jahren 2015 und 2016 bewertete das BAMF laut BAG Asyl in der Kirche noch 80% der Dossiers positiv und übernahm Betroffene in das Asylverfahren. Ab Mai 2016 sei diese Quote nach einem Zuständigkeitswechsel im BAMF auf 20% gefallen, 2018 lag die Quote bei etwa 12 % (BT-Drs. 19/10737).
Zugleich ist die Zahl der Fälle, in denen das BAMF sein in der Dublin-Verordnung vorgesehenes Selbsteintrittsrecht ausübt, ab April 2019 drastisch eingebrochen: Gegenüber dem ersten Quartal 2019 ging die Zahl der Selbsteintritte um mehr als zwei Drittel zurück, wobei auch schon vorher ein steter Rückgang zu verzeichnen war. Diese Entwicklung stellt die Rechtfertigung des BAMF für vermehrte Kirchenasyl-Ablehnungen in Frage, wonach es von Amts wegen alle humanitären Fälle erkennen und vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen würde.
Die BAG Asyl in der Kirche bemängelt die verschärfte Entscheidungspraxis des BAMF in einem Offenen Brief an Bundesinnenminister Seehofer. Selbst Personen, die hoch suizidal oder Opfer von Menschenhandel seien oder demente ältere Menschen mit nahen Angehörigen in Deutschland würden nicht mehr als Härtefälle anerkannt.
Rechtsprechung: Personen im Kirchenasyl sind nicht „flüchtig“
Die einschneidend verschärfte BAMF-Entscheidungspraxis führt dazu, dass das BAMF Betroffene zum Großteil als „flüchtig“ betrachtet, wenn sie nach Dossier-Ablehnung in kirchlicher Obhut bleiben. Dieses Vorgehen widerspricht sowohl der Rechtsprechung der meisten Verwaltungsgerichte (vgl. asyl.net-Meldung vom 27.02.2019) als auch den uns vorliegenden obergerichtlichen Entscheidungen. Bereits vor der Verschärfung der Verfahrensregeln hatte der VGH Bayern (M26421) entschieden, dass Personen im Kirchenasyl nicht als "flüchtig" i.S.d. Dublin-Verordnung eingestuft werden können, wenn ihr Aufenthaltsort dem BAMF bekannt ist (vgl. asyl.net-Meldung vom 30.08.2019). Dieser Ansicht schließen sich nunmehr auch das OVG Niedersachsen (M27450), der VGH Baden-Württemberg (M27496), das OVG Nordrhein-Westfalen (M27574), der VGH Hessen (M27649) sowie das OVG Bremen (M27665) an.
Das Hauptargument der Gerichte ist dabei, dass Personen nicht als „flüchtig“ gelten können, wenn sie, wie im "offenen" Kirchenasyl üblich, den zuständigen Behörden ihre Adresse mitgeteilt haben. Es könne nicht allein auf die Absicht der Betroffenen, sich der Dublin-Überstellung zu entziehen, abgestellt werden, denn in diesen Fällen fehle es an der erforderlichen Kausalität zwischen der „Entziehung“ und der Nichtdurchführbarkeit der Überstellung. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass die betroffenen Personen sich wissentlich einer Überstellung entziehen würden, scheitere der Überstellungsversuch daran, dass die Behörden das rechtlich nicht normierte Kirchenasyl respektierten. Das OVG Schleswig-Holstein (M27677) hatte dazu bereits im März 2018 angemerkt, dass die Behörden weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert seien, sich im Kirchenasyl befindende Personen zu überstellen und dazu gegebenenfalls auch unmittelbaren Zwang anzuwenden, da weder der Kirchenraum hiervon ausgenommen sei noch ein dahingehendes Sonderrecht der Kirchen existiere.
Neuerdings strafrechtliche Verfolgung bei Kirchenasyl
Über die geänderte BAMF-Praxis hinaus macht auch das neuerliche strafrechtliche Vorgehen von Ermittlungsbehörden in Kirchenasyl-Fällen deutlich, dass das jahrzehntelang tolerierte Instrument des humanitären Schutzes nunmehr staatlicherseits infrage gestellt wird. Diese Entscheidungen dürften auch relevant sein hinsichtlich der strafrechtlichen Verfolgung von Geistlichen, die das Kirchenasyl gewähren. So wurden neuerdings Fälle aus Rheinland-Pfalz und Bayern bekannt, in denen Geistliche wegen der Gewährung von Kirchenasyl strafrechtlich verfolgt wurden. Es wurden etwa ihre Diensträume durchsucht oder Strafbefehle verhängt (vgl. Zeit-Artikel vom 31.7.2019).
In den uns vorliegenden Entscheidungen gehen Gerichte davon aus, dass die sich im Kirchenasyl befindlichen Personen sich wegen „unerlaubten Aufenthalts“ nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar machen. So befand das rheinland-pfälzische LG Bad Kreuznach (M27335), dass die Handlung einer vollziehbar ausreisepflichtigen Person im Kirchenasyl diesen Straftatbestand erfülle, jedenfalls nach Abschluss des zwischen BAMF und Kirche durchgeführten Dossierverfahrens und unterbliebener "Selbstgestellung". Schon 2018 entschied das OLG München (M26320), dass die Strafbarkeit nicht durch den Eintritt in das Kirchenasyl entfalle und der behördliche Verzicht auf eine Abschiebung keine Duldung begründe.
Bezüglich der Gewährung des Kirchenasyl sei aber keine strafbare Beihilfehandlung gegeben, so das LG Bad Kreuznach. Die Beherbergung einer ausreisepflichtigen Person in den Räumen der Kirchengemeinde sei keine strafrechtlich relevante Handlung, denn auch in diesem Fall scheitere eine Überstellung nicht am Verhalten der das Kirchenasyl gewährenden Person, sondern an der staatlichen Entscheidung, keine Abschiebung durchzuführen – auch nach einer Ablehnung des Härtefalldossiers. Das OLG München hatte demgegenüber die Gewährung von Kirchenasyl als tatbestandsmäßig und rechtswidrig begangene Beihilfehandlung bezeichnet, seine Auffassung aber nicht näher begründet, da diese Rechtsfrage in dem Fall nicht entscheidungserheblich war.
Laut Medienberichten wurde in einem weiteren Fall ein Verfahren gegen einen evangelischen Pfarrer wegen der Gewährung von Kirchenasyl vom Amtsgericht Sonthofen eingestellt (vgl. domradio-Artikel vom 18.9.2019). Es begründete dies mit dem Vorliegen lediglich geringer Schuld, der Pfarrer musste eine Geldbuße an eine gemeinnützige Organisation zahlen. Auch das Verfahren gegen die sich im Kirchenasyl befindliche Person wurde wegen geringer Schuld unter der Auflage eingestellt, dass die Person gemeinnützige Arbeit leistete. In beiden Fällen waren den Betroffenen zuvor Strafbefehle zugegangen, gegen die sie aber Einspruch einlegten. Dem Strafbefehl des Pfarrers war bereits 2017 ein Ermittlungsverfahren wegen einer vorigen Gewährung von Kirchenasyl vorausgegangen, das aber von der Staatsanwaltschaft Kempten wegen geringer Schuld eingestellt wurde.
Den Einstellungen kann allerdings keine gerichtliche Entscheidung über die Schuld der Betroffenen oder über die Begehung einer Straftat entnommen werden. Denn Sinn und Zweck der Vorschriften zur Einstellung eines Strafverfahrens wegen geringer Schuld nach §§ 153 und 153a StPO ist die Entlastung der Strafverfolgungsbehörden. Einer solchen Einstellung liegt aber kein Schuldbekenntnis zugrunde, vielmehr verlangt das Gesetz lediglich eine „hypothetische Schuldbeurteilung“. Wird ein Strafverfahren also nach diesen Vorschriften eingestellt, gilt die Unschuldsvermutung fort (vgl. BVerfGE 82, 106).
Dass einerseits Personen im Kirchenasyl wegen der tatsächlichen Vollstreckungsmöglichkeit des Staates von den Gerichten nicht als „flüchtig“ betrachtet werden, andererseits der Kirchenaufenthalt aber strafrechtlich angelastet wird, erscheint widersprüchlich (vgl. Wu, InfAuslR 2018, 249). Der Straftatbestand des "unerlaubten Aufenthalts" liegt nicht vor, wenn eine ausreisepflichtige Person geduldet wird. Die Duldung verleiht Personen, deren Aufenthalt weder legalisiert noch beendet werden soll, einen rechtlichen Status (vgl. BeckOK MigR/Röder, 1. Ed. 1.3.2019, AufenthG § 60a Rn. 3). Es wird teilweise vertreten, dass Personen im Kirchenasyl, von deren Abschiebung abgesehen wird, einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung haben (vgl. NK-AuslR/Peter Fahlbusch, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 95 Rn. 64). Das Bundesverfassungsgericht entschied bereits 2003, dass eine Duldung zu erteilen ist, wenn sich herausstellt, dass die Abschiebung nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden kann oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss bleibt. Dies gelte unabhängig davon, ob die Betroffenen die Unmöglichkeit der Abschiebung zu verantworten haben oder nicht. Bei einem Anspruch auf eine Duldung liege dann auch kein strafrechtlich sanktionierbarer „unerlaubter Aufenthalt“ vor (M3339). Auch das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die tatsächliche Hinnahme eines Aufenthalts außerhalb der förmlichen Duldung, ohne dass die Vollstreckung der Ausreisepflicht betrieben wird, gesetzlich nicht vorgesehen ist (R4845). Wenn die Behörden beim Kirchenasyl also bewusst davon absehen, Betroffene abzuschieben, obwohl sie ihren Aufenthaltsort kennen und auch rechtlich eine Zugriffsmöglichkeit haben, kann dies als faktische Duldung gewertet werden. Hiernach würden weder für Personen im Kirchenasyl noch für Personen, die dieses gewähren, strafrechtliche Sanktionen in Frage kommen.
Fazit
Das sich immer weiter verschärfende behördliche Vorgehen gegenüber dem Kirchenasyl droht dieses jahrzehntelang tolerierte Schutzinstrument auszuhöhlen. Zwar scheint in der Rechtsprechung weitgehende Einigkeit darüber zu bestehen, dass Schutzsuchende im "offenen" Kirchenasyl nicht „flüchtig“ sind und daher auch die Verlängerung der Überstellungsfrist unrechtmäßig ist. Dennoch hält das BAMF an dieser Praxis fest. Hiergegen müssen Betroffene erst Rechtsmittel einlegen. Wenn Betroffene sich gegen die BAMF-Entscheidung zunächst nicht zur Wehr setzen, bedeutet dies, dass sie faktisch länger im Kirchenasyl ausharren müssen oder dieses vorzeitig verlassen und sich somit dem Risiko einer Abschiebung aussetzen.
Diese Vermutung wird durch aktuelle Zahlen bestätigt. So geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf Schriftliche Fragen der Abgeordneten Luise Amtsberg vom 20. Februar 2019 hervor, dass noch im Juli 2018 die Anzahl der gemeldeten Kirchenasylfällen in Dublin-Verfahren 204 betrug, während sie nach dem Beschluss der Innenministerkonferenz zu den verschärften Verfahrensregelungen im August 2018 abrupt auf 57 Fälle sank und danach fortlaufend viel niedriger als vorher blieb (vgl.: Migazin-Artikel vom 6. März 2019). Auch die Praxis der Strafverfolgungsbehörden kann dazu führen, dass Kirchengemeinden aus Sorge vor strafrechtlichen Konsequenzen davon absehen, Kirchenasyl zu gewähren, selbst wenn Gerichte entscheiden, dass es es sich dabei nicht um strafrechtlich sanktionierbares Verhalten der Geistlichen handelt. Das Verhalten der Behörden kann somit als Tendenz gewertet werden, den Gang ins Kirchenasyl zukünftig für alle Beteiligten zu erschweren.
Durch das Kirchenasyl werden Schutzsuchende für einen befristeten Zeitraum in kirchlichen Räumen aufgenommen, um eine drohende Abschiebung zu verhindern. Ziel ist es, als oftmals letztes Mittel, in Härtefällen eine sorgfältige Überprüfung zu ermöglichen. Das Kirchenasyl entstand aus einer jahrhundertealten Tradition, wurde ab den 1980ern zu einer Praxis entwickelt und wird in der Regel von Behörden respektiert, indem auf die Durchsetzung der Abschiebung verzichtet wird. In jüngster Vergangenheit aber zeichnet sich ein verschärftes staatliches Vorgehen gegen dieses Schutzinstrument ab.
Bei einem Großteil der Kirchenasyle handelt es sich um sogenannte Dublin-Fälle, also Fälle, in denen das BAMF festgestellt hat, dass ein anderer europäischer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. So handelte es sich nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche Ende September 2019 in 410 von 431 laufenden Kirchenasylen um Dublin-Fälle. Die betroffenen Asylsuchenden machen geltend, dass ihnen in dem anderen europäischen Staat eine menschenrechtswidrige Behandlung droht. Daher wird mit dem Kirchenasyl in diesen Fällen das Ziel verfolgt, eine erneute Überprüfung der Dublin-Entscheidung zu erreichen. Hierfür können die Kirchen beim BAMF ein sogenanntes Härtefalldossier vorlegen.
Aktuell vorliegende Zahlen zum Kirchenasyl zeigen, dass Entscheidungen des BAMF über die eingereichten Härtefalldossiers nur noch in seltensten Fällen positiv ausfallen. Bleiben Betroffene trotz Ablehnung des Dossiers in kirchlicher Obhut, geht das BAMF regelmäßig davon aus, dass sie „flüchtig“ sind und verlängert die Überstellungsfrist auf 18 Monate.
Bereits im August 2018 wurden die Verfahrensregeln zum Kirchenasyl durch einen Beschluss der Innenministerkonferenz erheblich verschärft und somit die Gewährung von Kirchenasyl erschwert. Hierbei wurde es dem BAMF vereinfacht, die Überstellungsfrist bei Verstoß gegen die Verfahrensregeln zu verlängern. Dies soll unter anderem dann geschehen, wenn über das eingereichte Härtefalldossier negativ entschieden wird und die Betroffenen das Kirchenasyl dann nicht innerhalb von drei Tagen verlassen (vgl. asyl.net-Meldung vom 13.08.2018).
BAMF lehnt Kirchenasyl-Fälle weitestgehend ab
Nunmehr geht auch aus einer Antwort der Bundesregierung vom 27. September 2019 auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei (BT-Drs. 19/12800) hervor, dass von Januar bis August 2019 lediglich in fünf von knapp 300 entschiedenen Kirchenasyl-Fällen vom BAMF eine positive Entscheidung getroffen wurde. In den Jahren 2015 und 2016 bewertete das BAMF laut BAG Asyl in der Kirche noch 80% der Dossiers positiv und übernahm Betroffene in das Asylverfahren. Ab Mai 2016 sei diese Quote nach einem Zuständigkeitswechsel im BAMF auf 20% gefallen, 2018 lag die Quote bei etwa 12 % (BT-Drs. 19/10737).
Zugleich ist die Zahl der Fälle, in denen das BAMF sein in der Dublin-Verordnung vorgesehenes Selbsteintrittsrecht ausübt, ab April 2019 drastisch eingebrochen: Gegenüber dem ersten Quartal 2019 ging die Zahl der Selbsteintritte um mehr als zwei Drittel zurück, wobei auch schon vorher ein steter Rückgang zu verzeichnen war. Diese Entwicklung stellt die Rechtfertigung des BAMF für vermehrte Kirchenasyl-Ablehnungen in Frage, wonach es von Amts wegen alle humanitären Fälle erkennen und vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen würde.
Die BAG Asyl in der Kirche bemängelt die verschärfte Entscheidungspraxis des BAMF in einem Offenen Brief an Bundesinnenminister Seehofer. Selbst Personen, die hoch suizidal oder Opfer von Menschenhandel seien oder demente ältere Menschen mit nahen Angehörigen in Deutschland würden nicht mehr als Härtefälle anerkannt.
Rechtsprechung: Personen im Kirchenasyl sind nicht „flüchtig“
Die einschneidend verschärfte BAMF-Entscheidungspraxis führt dazu, dass das BAMF Betroffene zum Großteil als „flüchtig“ betrachtet, wenn sie nach Dossier-Ablehnung in kirchlicher Obhut bleiben. Dieses Vorgehen widerspricht sowohl der Rechtsprechung der meisten Verwaltungsgerichte (vgl. asyl.net-Meldung vom 27.02.2019) als auch den uns vorliegenden obergerichtlichen Entscheidungen. Bereits vor der Verschärfung der Verfahrensregeln hatte der VGH Bayern (M26421) entschieden, dass Personen im Kirchenasyl nicht als "flüchtig" i.S.d. Dublin-Verordnung eingestuft werden können, wenn ihr Aufenthaltsort dem BAMF bekannt ist (vgl. asyl.net-Meldung vom 30.08.2019). Dieser Ansicht schließen sich nunmehr auch das OVG Niedersachsen (M27450), der VGH Baden-Württemberg (M27496), das OVG Nordrhein-Westfalen (M27574), der VGH Hessen (M27649) sowie das OVG Bremen (M27665) an.
Das Hauptargument der Gerichte ist dabei, dass Personen nicht als „flüchtig“ gelten können, wenn sie, wie im "offenen" Kirchenasyl üblich, den zuständigen Behörden ihre Adresse mitgeteilt haben. Es könne nicht allein auf die Absicht der Betroffenen, sich der Dublin-Überstellung zu entziehen, abgestellt werden, denn in diesen Fällen fehle es an der erforderlichen Kausalität zwischen der „Entziehung“ und der Nichtdurchführbarkeit der Überstellung. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass die betroffenen Personen sich wissentlich einer Überstellung entziehen würden, scheitere der Überstellungsversuch daran, dass die Behörden das rechtlich nicht normierte Kirchenasyl respektierten. Das OVG Schleswig-Holstein (M27677) hatte dazu bereits im März 2018 angemerkt, dass die Behörden weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert seien, sich im Kirchenasyl befindende Personen zu überstellen und dazu gegebenenfalls auch unmittelbaren Zwang anzuwenden, da weder der Kirchenraum hiervon ausgenommen sei noch ein dahingehendes Sonderrecht der Kirchen existiere.
Neuerdings strafrechtliche Verfolgung bei Kirchenasyl
Über die geänderte BAMF-Praxis hinaus macht auch das neuerliche strafrechtliche Vorgehen von Ermittlungsbehörden in Kirchenasyl-Fällen deutlich, dass das jahrzehntelang tolerierte Instrument des humanitären Schutzes nunmehr staatlicherseits infrage gestellt wird. Diese Entscheidungen dürften auch relevant sein hinsichtlich der strafrechtlichen Verfolgung von Geistlichen, die das Kirchenasyl gewähren. So wurden neuerdings Fälle aus Rheinland-Pfalz und Bayern bekannt, in denen Geistliche wegen der Gewährung von Kirchenasyl strafrechtlich verfolgt wurden. Es wurden etwa ihre Diensträume durchsucht oder Strafbefehle verhängt (vgl. Zeit-Artikel vom 31.7.2019).
In den uns vorliegenden Entscheidungen gehen Gerichte davon aus, dass die sich im Kirchenasyl befindlichen Personen sich wegen „unerlaubten Aufenthalts“ nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar machen. So befand das rheinland-pfälzische LG Bad Kreuznach (M27335), dass die Handlung einer vollziehbar ausreisepflichtigen Person im Kirchenasyl diesen Straftatbestand erfülle, jedenfalls nach Abschluss des zwischen BAMF und Kirche durchgeführten Dossierverfahrens und unterbliebener "Selbstgestellung". Schon 2018 entschied das OLG München (M26320), dass die Strafbarkeit nicht durch den Eintritt in das Kirchenasyl entfalle und der behördliche Verzicht auf eine Abschiebung keine Duldung begründe.
Bezüglich der Gewährung des Kirchenasyl sei aber keine strafbare Beihilfehandlung gegeben, so das LG Bad Kreuznach. Die Beherbergung einer ausreisepflichtigen Person in den Räumen der Kirchengemeinde sei keine strafrechtlich relevante Handlung, denn auch in diesem Fall scheitere eine Überstellung nicht am Verhalten der das Kirchenasyl gewährenden Person, sondern an der staatlichen Entscheidung, keine Abschiebung durchzuführen – auch nach einer Ablehnung des Härtefalldossiers. Das OLG München hatte demgegenüber die Gewährung von Kirchenasyl als tatbestandsmäßig und rechtswidrig begangene Beihilfehandlung bezeichnet, seine Auffassung aber nicht näher begründet, da diese Rechtsfrage in dem Fall nicht entscheidungserheblich war.
Laut Medienberichten wurde in einem weiteren Fall ein Verfahren gegen einen evangelischen Pfarrer wegen der Gewährung von Kirchenasyl vom Amtsgericht Sonthofen eingestellt (vgl. domradio-Artikel vom 18.9.2019). Es begründete dies mit dem Vorliegen lediglich geringer Schuld, der Pfarrer musste eine Geldbuße an eine gemeinnützige Organisation zahlen. Auch das Verfahren gegen die sich im Kirchenasyl befindliche Person wurde wegen geringer Schuld unter der Auflage eingestellt, dass die Person gemeinnützige Arbeit leistete. In beiden Fällen waren den Betroffenen zuvor Strafbefehle zugegangen, gegen die sie aber Einspruch einlegten. Dem Strafbefehl des Pfarrers war bereits 2017 ein Ermittlungsverfahren wegen einer vorigen Gewährung von Kirchenasyl vorausgegangen, das aber von der Staatsanwaltschaft Kempten wegen geringer Schuld eingestellt wurde.
Den Einstellungen kann allerdings keine gerichtliche Entscheidung über die Schuld der Betroffenen oder über die Begehung einer Straftat entnommen werden. Denn Sinn und Zweck der Vorschriften zur Einstellung eines Strafverfahrens wegen geringer Schuld nach §§ 153 und 153a StPO ist die Entlastung der Strafverfolgungsbehörden. Einer solchen Einstellung liegt aber kein Schuldbekenntnis zugrunde, vielmehr verlangt das Gesetz lediglich eine „hypothetische Schuldbeurteilung“. Wird ein Strafverfahren also nach diesen Vorschriften eingestellt, gilt die Unschuldsvermutung fort (vgl. BVerfGE 82, 106).
Dass einerseits Personen im Kirchenasyl wegen der tatsächlichen Vollstreckungsmöglichkeit des Staates von den Gerichten nicht als „flüchtig“ betrachtet werden, andererseits der Kirchenaufenthalt aber strafrechtlich angelastet wird, erscheint widersprüchlich (vgl. Wu, InfAuslR 2018, 249). Der Straftatbestand des "unerlaubten Aufenthalts" liegt nicht vor, wenn eine ausreisepflichtige Person geduldet wird. Die Duldung verleiht Personen, deren Aufenthalt weder legalisiert noch beendet werden soll, einen rechtlichen Status (vgl. BeckOK MigR/Röder, 1. Ed. 1.3.2019, AufenthG § 60a Rn. 3). Es wird teilweise vertreten, dass Personen im Kirchenasyl, von deren Abschiebung abgesehen wird, einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung haben (vgl. NK-AuslR/Peter Fahlbusch, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 95 Rn. 64). Das Bundesverfassungsgericht entschied bereits 2003, dass eine Duldung zu erteilen ist, wenn sich herausstellt, dass die Abschiebung nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden kann oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss bleibt. Dies gelte unabhängig davon, ob die Betroffenen die Unmöglichkeit der Abschiebung zu verantworten haben oder nicht. Bei einem Anspruch auf eine Duldung liege dann auch kein strafrechtlich sanktionierbarer „unerlaubter Aufenthalt“ vor (M3339). Auch das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die tatsächliche Hinnahme eines Aufenthalts außerhalb der förmlichen Duldung, ohne dass die Vollstreckung der Ausreisepflicht betrieben wird, gesetzlich nicht vorgesehen ist (R4845). Wenn die Behörden beim Kirchenasyl also bewusst davon absehen, Betroffene abzuschieben, obwohl sie ihren Aufenthaltsort kennen und auch rechtlich eine Zugriffsmöglichkeit haben, kann dies als faktische Duldung gewertet werden. Hiernach würden weder für Personen im Kirchenasyl noch für Personen, die dieses gewähren, strafrechtliche Sanktionen in Frage kommen.
Fazit
Das sich immer weiter verschärfende behördliche Vorgehen gegenüber dem Kirchenasyl droht dieses jahrzehntelang tolerierte Schutzinstrument auszuhöhlen. Zwar scheint in der Rechtsprechung weitgehende Einigkeit darüber zu bestehen, dass Schutzsuchende im "offenen" Kirchenasyl nicht „flüchtig“ sind und daher auch die Verlängerung der Überstellungsfrist unrechtmäßig ist. Dennoch hält das BAMF an dieser Praxis fest. Hiergegen müssen Betroffene erst Rechtsmittel einlegen. Wenn Betroffene sich gegen die BAMF-Entscheidung zunächst nicht zur Wehr setzen, bedeutet dies, dass sie faktisch länger im Kirchenasyl ausharren müssen oder dieses vorzeitig verlassen und sich somit dem Risiko einer Abschiebung aussetzen.
Diese Vermutung wird durch aktuelle Zahlen bestätigt. So geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf Schriftliche Fragen der Abgeordneten Luise Amtsberg vom 20. Februar 2019 hervor, dass noch im Juli 2018 die Anzahl der gemeldeten Kirchenasylfällen in Dublin-Verfahren 204 betrug, während sie nach dem Beschluss der Innenministerkonferenz zu den verschärften Verfahrensregelungen im August 2018 abrupt auf 57 Fälle sank und danach fortlaufend viel niedriger als vorher blieb (vgl.: Migazin-Artikel vom 6. März 2019). Auch die Praxis der Strafverfolgungsbehörden kann dazu führen, dass Kirchengemeinden aus Sorge vor strafrechtlichen Konsequenzen davon absehen, Kirchenasyl zu gewähren, selbst wenn Gerichte entscheiden, dass es es sich dabei nicht um strafrechtlich sanktionierbares Verhalten der Geistlichen handelt. Das Verhalten der Behörden kann somit als Tendenz gewertet werden, den Gang ins Kirchenasyl zukünftig für alle Beteiligten zu erschweren.
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Donnerstag, 17. Oktober 2019
Solidarität mit Rojava - Aktionen in Hannover
che2001, 17:59h
Liebe Freund*innen,
die sich weltweit zuspitzenden Verhältnisse halten uns in Atem. Der Angriff des AKP-Regimes und seiner radikalislamischen Verbündeten auf Nordsyrien ist ein Punkt der Kristallisation, an dem die Staaten einmal mehr unter Beweis stellen, auf welcher Seite sie stehen und wie viel Wert sie ihrem eigenen Gerede von Demokratie, Menschenrechten und Frieden beimessen. Es sind die Menschen und Gesellschaften, die gegen diesen Krieg auf die Straßen gehen, nicht die Regierungen. In diesem Sinne ist die Solidarität der Gesellschaften und demokratischen Kräfte wichtiger denn je.
*Proteste gegen den Krieg gegen Rojava*
Wie seit dem Angriff werden auch in den kommenden Tagen täglich Protest-Aktionen stattfinden. Da wir selbst nicht immer hinterherkommen, die aktuellen Infos zu erhalten, seid ihr selbst eingeladen euch untereinander zu informieren und bei den jeweiligen Aktionen die Termine der nächsten Tage zu erfragen.
Für die kommenden Tage stehen fest:
17.10.19 (Do), 18.00 Uhr, Ernst-August-Platz: Kundgebung und ggf. Demo
19.10.19 (Sa), 14.00 Uhr, Ernst-August-Platz: Demonstration
*Live Stream der Veranstaltung „Existenz unter Beschuss“* Das Kulturzentrum Pavillon überträgt eine Informationsveranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin zum Angriff auf die Autonome Verwaltung in Nord- und Ostsyrien. Vier Teilnehmerinnen aus Zivilgesellschaft und Medien sind eingeladen, um gemeinsam über die Fragen informieren und zu diskutieren: Was bedeuten die Entwicklungen für die Zukunft der autonomen Selbstverwaltung in Rojava? Was passiert, wenn als vermeintliche Bündnispartner für die syrischen Kurd*innen nur noch Assad und Putin in Frage kommen? Wie sind die Strategien Erdoğan und Trumps einzuschätzen? Wie kann es sein, dass die Türkei, die ihren eigenen Anteil am Erstarken des IS hat, nun für die Strafverfolgung der sich in kurdischer Haft befindenden (internationalen) IS-Straftäter*innen zuständig gemacht wird?
17.10.2019, Donnerstag, 19.00 Uhr, Pavillon (Lister Meile 4, Hannover) Der Live Stream wird online ausgestrahlt unter:
https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/K4PBZ/existenz-unter-beschuss/
*Handy-Kontakt für Erreichbarkeit*
Weil unser telefonischer Kontakt als NAV-DEM Hannover aktuelle nicht durchgängig erreichbar ist, verweisen wir auch auf den (Handy-) Kontakt des Frauenrats Ronahî, der für Auskünfte zu Aktionen, Informationen, Anfragen etc. zur Verfügung steht: 017652900645, ronahi-hannover@gmx.de
Solidarische Grüße,
NAV-DEM
--
NAV-DEM Hannover e.V.
Königsworther Str. 2
30167 Hannover
NAV-DEM_Hannover [at] posteo.de
https://navdemhannover.blackblogs.org/
015213381093
die sich weltweit zuspitzenden Verhältnisse halten uns in Atem. Der Angriff des AKP-Regimes und seiner radikalislamischen Verbündeten auf Nordsyrien ist ein Punkt der Kristallisation, an dem die Staaten einmal mehr unter Beweis stellen, auf welcher Seite sie stehen und wie viel Wert sie ihrem eigenen Gerede von Demokratie, Menschenrechten und Frieden beimessen. Es sind die Menschen und Gesellschaften, die gegen diesen Krieg auf die Straßen gehen, nicht die Regierungen. In diesem Sinne ist die Solidarität der Gesellschaften und demokratischen Kräfte wichtiger denn je.
*Proteste gegen den Krieg gegen Rojava*
Wie seit dem Angriff werden auch in den kommenden Tagen täglich Protest-Aktionen stattfinden. Da wir selbst nicht immer hinterherkommen, die aktuellen Infos zu erhalten, seid ihr selbst eingeladen euch untereinander zu informieren und bei den jeweiligen Aktionen die Termine der nächsten Tage zu erfragen.
Für die kommenden Tage stehen fest:
17.10.19 (Do), 18.00 Uhr, Ernst-August-Platz: Kundgebung und ggf. Demo
19.10.19 (Sa), 14.00 Uhr, Ernst-August-Platz: Demonstration
*Live Stream der Veranstaltung „Existenz unter Beschuss“* Das Kulturzentrum Pavillon überträgt eine Informationsveranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin zum Angriff auf die Autonome Verwaltung in Nord- und Ostsyrien. Vier Teilnehmerinnen aus Zivilgesellschaft und Medien sind eingeladen, um gemeinsam über die Fragen informieren und zu diskutieren: Was bedeuten die Entwicklungen für die Zukunft der autonomen Selbstverwaltung in Rojava? Was passiert, wenn als vermeintliche Bündnispartner für die syrischen Kurd*innen nur noch Assad und Putin in Frage kommen? Wie sind die Strategien Erdoğan und Trumps einzuschätzen? Wie kann es sein, dass die Türkei, die ihren eigenen Anteil am Erstarken des IS hat, nun für die Strafverfolgung der sich in kurdischer Haft befindenden (internationalen) IS-Straftäter*innen zuständig gemacht wird?
17.10.2019, Donnerstag, 19.00 Uhr, Pavillon (Lister Meile 4, Hannover) Der Live Stream wird online ausgestrahlt unter:
https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/K4PBZ/existenz-unter-beschuss/
*Handy-Kontakt für Erreichbarkeit*
Weil unser telefonischer Kontakt als NAV-DEM Hannover aktuelle nicht durchgängig erreichbar ist, verweisen wir auch auf den (Handy-) Kontakt des Frauenrats Ronahî, der für Auskünfte zu Aktionen, Informationen, Anfragen etc. zur Verfügung steht: 017652900645, ronahi-hannover@gmx.de
Solidarische Grüße,
NAV-DEM
--
NAV-DEM Hannover e.V.
Königsworther Str. 2
30167 Hannover
NAV-DEM_Hannover [at] posteo.de
https://navdemhannover.blackblogs.org/
015213381093
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Donnerstag, 19. September 2019
Insulaner
che2001, 01:55h
Im Golf von Mexiko nähert sich ein Flüchtlingsboot aus Haiti der Küste der USA, als sich eine Fregatte (aus seerechtlichen Gründen als Kutter klassifiziert) der US-Küstenwache querstellt. Der Kapitän befiehlt: "O´Brian, O´Ryan, O´Kelly, O´Malley, McDonnagan, McFlannagan, McFinnagan, sagen Sie diesen Wirtschaftsflüchtlingen, sie sollen auf ihre Insel zurückkehren!".
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