Montag, 28. Januar 2019
Abschiebungen in Niedersachsen: Festnahmen ohne richterlichen Beschluss?
che2001, 14:56h
In Niedersachsen finden 69,5 % aller Rückführungsmaßnahmen zur Nachtzeit statt. Um dies zu ändern, „unterstützt die Landesregierung Bestrebungen, die auf eine Verhinderung bzw. eine Reduzierung von Nachtabschiebungen abzielen“ - und „begrüßt“ zu diesem Zweck, verfassungswidrige Regelungen, „die es […] ermöglichen würden“, Personen „im Rahmen eines sogenannten Festhalterechts zur Tageszeit abzuholen und zentral unterzubringen.“
Derzeit dürfen Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, nur auf Grundlage eines gerichtlichen Beschlusses und nur dann in Abschiebungshaft oder im Ausreisegewahrsam inhaftiert werden, wenn sie ein Verhalten gezeigt haben, dass auf Fluchtgefahr schließen lässt.
Das (geplante) „Festhalten“ von Abzuschiebenden allein auf Grundlage einer Behördenentscheidung und damit ohne gerichtlichen Beschluss ist verfassungswidrig, da sie gegen den Richtervorbehalt aus Art. 104 Abs. 2 S. 1 und 2 GG verstößt. Danach hat "über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung […] nur der Richter zu entscheiden", wobei den Festzunehmenden seitens des Gerichts stets rechtliches Gehör zu gewähren ist (Art. 103 Abs. 1 GG). Sofern die Freiheitsentziehung zunächst durch eine Behörde erfolgt, ist "unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen."
Die Abschaffung des Richtervorbehalts bei der Inhaftierung von Abzuschiebenden würde den (Ausländer)Behörden genau die "Machtvollkommenheit" verleihen, über die sie - infolge der leidvollen Erfahrungen während des Nationalsozialismus - gerade nicht verfügen sollen.
Daher fordert der Flüchtlingsrat Niedersachsen die Landesregierung auf, den verfassungswidrigen Plänen – vermutlich des Bundesinnenministeriums – entschieden zu widersprechen, anstatt sie wohlwollend zu „begrüßen.“
--
Muzaffer Öztürkyilmaz
Flüchtlingsrat Niedersachsen
Derzeit dürfen Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, nur auf Grundlage eines gerichtlichen Beschlusses und nur dann in Abschiebungshaft oder im Ausreisegewahrsam inhaftiert werden, wenn sie ein Verhalten gezeigt haben, dass auf Fluchtgefahr schließen lässt.
Das (geplante) „Festhalten“ von Abzuschiebenden allein auf Grundlage einer Behördenentscheidung und damit ohne gerichtlichen Beschluss ist verfassungswidrig, da sie gegen den Richtervorbehalt aus Art. 104 Abs. 2 S. 1 und 2 GG verstößt. Danach hat "über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung […] nur der Richter zu entscheiden", wobei den Festzunehmenden seitens des Gerichts stets rechtliches Gehör zu gewähren ist (Art. 103 Abs. 1 GG). Sofern die Freiheitsentziehung zunächst durch eine Behörde erfolgt, ist "unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen."
Die Abschaffung des Richtervorbehalts bei der Inhaftierung von Abzuschiebenden würde den (Ausländer)Behörden genau die "Machtvollkommenheit" verleihen, über die sie - infolge der leidvollen Erfahrungen während des Nationalsozialismus - gerade nicht verfügen sollen.
Daher fordert der Flüchtlingsrat Niedersachsen die Landesregierung auf, den verfassungswidrigen Plänen – vermutlich des Bundesinnenministeriums – entschieden zu widersprechen, anstatt sie wohlwollend zu „begrüßen.“
--
Muzaffer Öztürkyilmaz
Flüchtlingsrat Niedersachsen
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Freitag, 25. Januar 2019
Abschiebungshaft in Niedersachsen: Landesregierung missachtet eigene Vorgaben
che2001, 13:54h
Der sog. Rückführungserlass der Landesregierung verfolgt das Ziel, Abschiebungen „so zu organisieren“, dass die damit „verbundenen Belastungen“ für die Betroffenen „so gering wie möglich gehalten werden.“ Ob die rot-schwarze Koalition es hiermit ernst meint, ist zweifelhaft, wie ihre Antworten auf die kleine Anfrage der Grünen zur „Praxis der Abschiebungshaft in Niedersachsen seit 2015“ zeigen.
Obwohl sich die Landesregierung im Rückführungserlass verpflichtet, Schwangere nicht in Abschiebungshaft zu nehmen, wurde im Jahr 2018 eine Asylsuchende, die ein Kind erwartete, für ein anderes Bundesland im niedersächsischen Abschiebungshaftgefängnis Langenhagen inhaftiert (Frage 2). Die Landesregierung äußert zwar kein Bedauern, teilt jedoch mit, dass sie diesen Fall zum Anlass genommen habe, „die Aufnahmebedingungen in Langenhagen für die anderen Bundesländer um den Zusatz zu erweitern, dass unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien oder alleinerziehende Elternteile mit schulpflichtigen und minderjährigen Kindern in der Abteilung Langenhagen nicht angenommen werden“ - und sorgt so erst verspätet dafür, dass die nach Erlasslage ohnehin nicht zulässige Inhaftierung Schwangerer (siehe Punkt 7.6) jedenfalls zukünftig unterbleibt.
Auch in anderer Hinsicht erscheint die Einhaltung des Rückführungserlasses fragwürdig: Dem Flüchtlingsrat Niedersachsen sind mehrere Fälle bekannt, bei denen Familien zwar nicht inhaftiert, jedoch auseinandergerissen wurden, obgleich die Wahrung der Familieneinheit laut Rückführungserlass eine „hohe Bedeutung“ für die Landesregierung einnehme (siehe Punkt 5.4).
Die Landesregierung gibt ferner an, dass sich im Jahr 2017 zwei Personen über sechs Monate in Abschiebungshaft befanden. Zu den (Hinter)Gründen lägen ihr allerdings „keine näheren Erkenntnisse“ vor (Fragen 9 bis 11). Ebenfalls unbeantwortet bleibt daher, welche Maßnahmen (in diesen beiden Fällen) als mildere Mittel ergriffen wurden, um die Anordnung der Abschiebungshaft möglichst zu vermeiden (Frage 12). Dabei müsste die Landesregierung diese Fragen durchaus beantworten können, denn die Ausländerbehörden sollen gemäß Rückführungserlass alle Fälle, „in denen von ihnen Haftanträge gestellt bzw. in denen Haftbeschlüsse erlassen wurden“ erfassen und „den Ausgang des Abschiebungshaftverfahren[s] einschließlich der im Verfahren ergangenen richterlichen Beschlüsse in möglichen Beschwerdeverfahren“ dokumentieren (Punkt 9).
Die unterlassene Dokumentation erklärt, weshalb die Landesregierung im Bereich der Abschiebungshaft weder „strukturelle Mängel“ noch einen Bedarf an einer staatlich finanzierten Gefangenenberatung zu erkennen vermag, auch wenn sich ca. 50 % aller Haftanordnungen weiterhin als rechtswidrig erweisen. Da Abschiebungshaft keine Bestrafung für eine unterlassene Ausreise ist, sondern als „Ultima Ratio“ nur dazu dient, die Abschiebung der Gefangenen zu sichern und deshalb stets auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, ist die Erhebung valider Daten unverzichtbar, um fehlerhafte und falsche Inhaftierungen bestmöglich zu vermeiden bzw. die Inhaftierungsdauer auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren.
Auch an anderer Stelle zeigt sich, dass die Landesregierung den festgestellten Rechtsbrüchen im Bereich der Abschiebungshaft und den davon betroffenen Menschen weitgehend gleichgültig gegenübersteht. So sieht die Landesregierung spätestens seit Mai 2018 einen Bedarf für ein Abschiebungshaftvollzugsgesetz, das die Rechte und Pflichten der Gefangenen in der Haftanstalt – endlich - verbindlich regelt. Allein: Unternommen hat sie bislang nichts. Die Untätigkeit der Landesregierung hat zur Folge, dass Abschiebungshaft in Niedersachsen immer noch in einem rechtlichen Graubereich vollzogen wird, der sich fernab von rechtsstaatlichen Prinzipien bewegt.
Obwohl sich die Landesregierung im Rückführungserlass verpflichtet, Schwangere nicht in Abschiebungshaft zu nehmen, wurde im Jahr 2018 eine Asylsuchende, die ein Kind erwartete, für ein anderes Bundesland im niedersächsischen Abschiebungshaftgefängnis Langenhagen inhaftiert (Frage 2). Die Landesregierung äußert zwar kein Bedauern, teilt jedoch mit, dass sie diesen Fall zum Anlass genommen habe, „die Aufnahmebedingungen in Langenhagen für die anderen Bundesländer um den Zusatz zu erweitern, dass unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien oder alleinerziehende Elternteile mit schulpflichtigen und minderjährigen Kindern in der Abteilung Langenhagen nicht angenommen werden“ - und sorgt so erst verspätet dafür, dass die nach Erlasslage ohnehin nicht zulässige Inhaftierung Schwangerer (siehe Punkt 7.6) jedenfalls zukünftig unterbleibt.
Auch in anderer Hinsicht erscheint die Einhaltung des Rückführungserlasses fragwürdig: Dem Flüchtlingsrat Niedersachsen sind mehrere Fälle bekannt, bei denen Familien zwar nicht inhaftiert, jedoch auseinandergerissen wurden, obgleich die Wahrung der Familieneinheit laut Rückführungserlass eine „hohe Bedeutung“ für die Landesregierung einnehme (siehe Punkt 5.4).
Die Landesregierung gibt ferner an, dass sich im Jahr 2017 zwei Personen über sechs Monate in Abschiebungshaft befanden. Zu den (Hinter)Gründen lägen ihr allerdings „keine näheren Erkenntnisse“ vor (Fragen 9 bis 11). Ebenfalls unbeantwortet bleibt daher, welche Maßnahmen (in diesen beiden Fällen) als mildere Mittel ergriffen wurden, um die Anordnung der Abschiebungshaft möglichst zu vermeiden (Frage 12). Dabei müsste die Landesregierung diese Fragen durchaus beantworten können, denn die Ausländerbehörden sollen gemäß Rückführungserlass alle Fälle, „in denen von ihnen Haftanträge gestellt bzw. in denen Haftbeschlüsse erlassen wurden“ erfassen und „den Ausgang des Abschiebungshaftverfahren[s] einschließlich der im Verfahren ergangenen richterlichen Beschlüsse in möglichen Beschwerdeverfahren“ dokumentieren (Punkt 9).
Die unterlassene Dokumentation erklärt, weshalb die Landesregierung im Bereich der Abschiebungshaft weder „strukturelle Mängel“ noch einen Bedarf an einer staatlich finanzierten Gefangenenberatung zu erkennen vermag, auch wenn sich ca. 50 % aller Haftanordnungen weiterhin als rechtswidrig erweisen. Da Abschiebungshaft keine Bestrafung für eine unterlassene Ausreise ist, sondern als „Ultima Ratio“ nur dazu dient, die Abschiebung der Gefangenen zu sichern und deshalb stets auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, ist die Erhebung valider Daten unverzichtbar, um fehlerhafte und falsche Inhaftierungen bestmöglich zu vermeiden bzw. die Inhaftierungsdauer auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren.
Auch an anderer Stelle zeigt sich, dass die Landesregierung den festgestellten Rechtsbrüchen im Bereich der Abschiebungshaft und den davon betroffenen Menschen weitgehend gleichgültig gegenübersteht. So sieht die Landesregierung spätestens seit Mai 2018 einen Bedarf für ein Abschiebungshaftvollzugsgesetz, das die Rechte und Pflichten der Gefangenen in der Haftanstalt – endlich - verbindlich regelt. Allein: Unternommen hat sie bislang nichts. Die Untätigkeit der Landesregierung hat zur Folge, dass Abschiebungshaft in Niedersachsen immer noch in einem rechtlichen Graubereich vollzogen wird, der sich fernab von rechtsstaatlichen Prinzipien bewegt.
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Donnerstag, 24. Januar 2019
Die "Erfolge" der Bundesregierung - Zynismus pur
che2001, 15:06h
Heute verkündete Bundesinnenminister Horst Seehofer zusammen mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Hans-Eckhard Sommer die Zahl der in 2018 nach Deutschland gekommenen Schutzsuchenden. „185.853 Asylanträge im Jahr 2018 - 16 Prozent weniger als im Vorjahr“ jubelt dazu die Überschrift der von der Pressestelle des BMI herausgegebenen Mitteilung. Die Tatsache, dass mit 185.853 förmlichen Asylanträgen (davon 161.931 Erst- und 23.922 Folgeanträge) im vergangenen Jahr 16,5% weniger Menschen in Deutschland Schutz gesucht haben als noch in 2016 macht der Bundesinnenminister zu einer Erfolgsmeldung. „Insbesondere liegt die Nettozuwanderung - d.h. unter Abzug der Rückführungen und freiwilligen Rückkehr - im Jahr 2018 deutlich unter dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Korridor für die Zuwanderung von 180.000 bis 220.000 Personen jährlich“, freut sich Seehofer und sieht die sinkenden Zahlen als Beleg dafür, dass „die vielen Maßnahmen, die wir eingeleitet haben, zunehmend und nachhaltig greifen“. Auch das BAMF würde besser arbeiten. Zugleich droht Seehofer mit weiteren Anstrengungen „beispielsweise auf den Gebieten der Schaffung eines Gemeinsames Europäisches Asylsystems oder einer effektiveren Rückführung“, die zur „Verstetigung dieser Erfolge“ unerlässlich seien.
Möglicherweise ist Horst Seehofer sein eigener Zynismus nicht bewusst. Aber wenn man genauer hinter diese „Erfolgszahlen“ guckt, entdeckt man Tod und Elend. Es gibt mittlerweile ein sehr abgestuftes, vielschichtiges System, um (Flucht-)Migration zu verhindern oder zumindest zu vermindern. Es besteht aus Push-Back-Aktionen, verelenden und sterben lassen.
Auch wenn Bundesregierung und EU absolute Migrationskontrolle zum Ziel haben, wird das selbstverständlich nie gelingen. Was aber faktisch gelingt, ist das Risiko und damit die Zahl der Opfer dieser zynischen Politik in die Höhe zu treiben. Das Risiko bei der Überfahrt von Libyen nach Europa ums Leben zu kommen steigt beständig, seit die EU libysche Mafia-Organisationen zur Küstenwache geadelt hat und diesen nicht nur Ausrüstung und Geld zukommen lässt, sondern ihnen mehr und mehr Seegebiete überlässt, in denen sie ungehindert agieren können. Die EU hilft sogar dabei, ihre rechtswidrigen Praktiken zu decken und sogar die Rettung von über das Meer fliehenden Menschen zu verhindern, wie z.B. jüngst die Forschungsgesellschaft Flucht & Migration (siehehier und hier) unter Bezugnahme auf italienische Medien berichtete. Dass Italien bei der Kriminalisierung von Seenotretter_innen und Flüchtlingen ganz vorne voran geht, ist hinlänglich bekannt. Aber unvergessen auch die verbalen Angriffe gegen zivile Seenotrettungsorganisationen von Bundesinnenminister Seehofer.
Das Resultat all der Maßnahmen zur Bekämpfung der Rettung von Menschenleben lässt sich an den Toten ablesen. Allein in diesem Jahr sind schon 185 Menschen als tot oder vermisst zu beklagen. Für 2018 hat das UNHCR 2.275 Tote geschätzt.
Wer von den Menschen, die den „KZ-ähnlichen Lagern“ (Auswärtiges Amt), Folter und Menschenhandel in Libyen entkommen wollen, nicht ertrinkt, läuft Gefahr von den EU-finanzierten als "Küstenwachen" bezeichneten libyschen Verbrecherbanden abgefangen und wieder seinen Peinigern zugeführt zu werden.
Wer es trotz EU-Türkei-Deal , verhinderter Seenotrettung und verschlossener Häfen bis nach Europa schafft, wird sich dort in Lagern wiederfinden – i.d.R. in den sog. Hotspots -, in denen unmenschliche Zustände herrschen und die dreifach überbelegt sind. Dort müssen die meisten von ihnen über etliche Monate in Ungewissheit ausharren, und sind einem rechtsstaatliche oftmals höchst zweifelhaftem Verfahren ausgeliefert. Anderen gelingt es, über die sog. Balkanroute weiter Richtung Mittel- und Nordeuropa zu kommen. Auf ihrem Weg sind sie dann wieder illegalen Push-Backs z.B. an den EU-Grenzen auf dem Balkan ausgeliefert. Welche Gewalt sie dort erfahren und wie elend die Bedingung für die Schutzsuchenden dort sind, berichten z.B. drei niedersächsische Aktivist_innen von der ungarisch-serbischen Grenze. Sollte es trotzdem jemanden schaffen, in die EU zu kommen, überbieten sich einige Mitgliedsstaaten darin, für die Asylsuchenden möglichst unmenschliche Zustände bereit zu halten und sie in ein System von Lagern zu sperren. Das Lagersystem möchte in Deutschland v.a. wiederum der Bundesinnenminister weiter ausbauen, um den Zugriff auf Menschen, die (noch) keinen Schutz erhalten, sicher zu stellen, um sie zügig abschieben zu können, auf dass die oben zitierte „Verstetigung dieser Erfolge“ tatsächlich stattfinde.
Während also einerseits vor der Festung Europa die Politik der Kriminalisierung Schutz suchender Menschen vorangetrieben und das System der Kontrolle und Überwachung ausgebaut wird, findet es seine Entsprechung auch innerhalb der EU. Gleichzeitig wird die Kontrolle und Abwehr migrierender oder fliehender Menschen immer tiefer auf den afrikanischen Kontinent verlegt. Bekanntlich schreckt die EU dabei auch nicht vor der Zusammenarbeit mit diktatorischen Regimen zurück, die mit Geld und Technik ausgestattet werden (als ein Beispiel wäre da Sudan zu nennen, von wo nicht wenige Geflüchtete in Niedersachsen kommen und wo derzeit das Regime von Omar al-Bashir brutal gegen friedlich protestierende Menschen vorgeht). Menschen, die durch die Sahara Richtung Mittelmeer wollen, müssen deshalb mittlerweile weite, deutlich gefährlichere Wege nehmen, um die Kontrollen zu umgehen. IOM schätzt, dass daher inzwischen in der Sahara drei Mal so viele Menschen sterben wie im Mittelmeer.
Das Fazit zu den vom BMI vorgestellten „Erfolgszahlen“: Menschen müssen sich auch weiterhin – und absehbar leider auch zunehmend - auf die Flucht begeben, um Kriegen, Verfolgung, Verelendung oder Umweltzerstörung zu entkommen. Sie werden aber einen immer höheren Preis dafür bezahlen. Und das ist kein Grund für Jubelmeldungen
Möglicherweise ist Horst Seehofer sein eigener Zynismus nicht bewusst. Aber wenn man genauer hinter diese „Erfolgszahlen“ guckt, entdeckt man Tod und Elend. Es gibt mittlerweile ein sehr abgestuftes, vielschichtiges System, um (Flucht-)Migration zu verhindern oder zumindest zu vermindern. Es besteht aus Push-Back-Aktionen, verelenden und sterben lassen.
Auch wenn Bundesregierung und EU absolute Migrationskontrolle zum Ziel haben, wird das selbstverständlich nie gelingen. Was aber faktisch gelingt, ist das Risiko und damit die Zahl der Opfer dieser zynischen Politik in die Höhe zu treiben. Das Risiko bei der Überfahrt von Libyen nach Europa ums Leben zu kommen steigt beständig, seit die EU libysche Mafia-Organisationen zur Küstenwache geadelt hat und diesen nicht nur Ausrüstung und Geld zukommen lässt, sondern ihnen mehr und mehr Seegebiete überlässt, in denen sie ungehindert agieren können. Die EU hilft sogar dabei, ihre rechtswidrigen Praktiken zu decken und sogar die Rettung von über das Meer fliehenden Menschen zu verhindern, wie z.B. jüngst die Forschungsgesellschaft Flucht & Migration (siehehier und hier) unter Bezugnahme auf italienische Medien berichtete. Dass Italien bei der Kriminalisierung von Seenotretter_innen und Flüchtlingen ganz vorne voran geht, ist hinlänglich bekannt. Aber unvergessen auch die verbalen Angriffe gegen zivile Seenotrettungsorganisationen von Bundesinnenminister Seehofer.
Das Resultat all der Maßnahmen zur Bekämpfung der Rettung von Menschenleben lässt sich an den Toten ablesen. Allein in diesem Jahr sind schon 185 Menschen als tot oder vermisst zu beklagen. Für 2018 hat das UNHCR 2.275 Tote geschätzt.
Wer von den Menschen, die den „KZ-ähnlichen Lagern“ (Auswärtiges Amt), Folter und Menschenhandel in Libyen entkommen wollen, nicht ertrinkt, läuft Gefahr von den EU-finanzierten als "Küstenwachen" bezeichneten libyschen Verbrecherbanden abgefangen und wieder seinen Peinigern zugeführt zu werden.
Wer es trotz EU-Türkei-Deal , verhinderter Seenotrettung und verschlossener Häfen bis nach Europa schafft, wird sich dort in Lagern wiederfinden – i.d.R. in den sog. Hotspots -, in denen unmenschliche Zustände herrschen und die dreifach überbelegt sind. Dort müssen die meisten von ihnen über etliche Monate in Ungewissheit ausharren, und sind einem rechtsstaatliche oftmals höchst zweifelhaftem Verfahren ausgeliefert. Anderen gelingt es, über die sog. Balkanroute weiter Richtung Mittel- und Nordeuropa zu kommen. Auf ihrem Weg sind sie dann wieder illegalen Push-Backs z.B. an den EU-Grenzen auf dem Balkan ausgeliefert. Welche Gewalt sie dort erfahren und wie elend die Bedingung für die Schutzsuchenden dort sind, berichten z.B. drei niedersächsische Aktivist_innen von der ungarisch-serbischen Grenze. Sollte es trotzdem jemanden schaffen, in die EU zu kommen, überbieten sich einige Mitgliedsstaaten darin, für die Asylsuchenden möglichst unmenschliche Zustände bereit zu halten und sie in ein System von Lagern zu sperren. Das Lagersystem möchte in Deutschland v.a. wiederum der Bundesinnenminister weiter ausbauen, um den Zugriff auf Menschen, die (noch) keinen Schutz erhalten, sicher zu stellen, um sie zügig abschieben zu können, auf dass die oben zitierte „Verstetigung dieser Erfolge“ tatsächlich stattfinde.
Während also einerseits vor der Festung Europa die Politik der Kriminalisierung Schutz suchender Menschen vorangetrieben und das System der Kontrolle und Überwachung ausgebaut wird, findet es seine Entsprechung auch innerhalb der EU. Gleichzeitig wird die Kontrolle und Abwehr migrierender oder fliehender Menschen immer tiefer auf den afrikanischen Kontinent verlegt. Bekanntlich schreckt die EU dabei auch nicht vor der Zusammenarbeit mit diktatorischen Regimen zurück, die mit Geld und Technik ausgestattet werden (als ein Beispiel wäre da Sudan zu nennen, von wo nicht wenige Geflüchtete in Niedersachsen kommen und wo derzeit das Regime von Omar al-Bashir brutal gegen friedlich protestierende Menschen vorgeht). Menschen, die durch die Sahara Richtung Mittelmeer wollen, müssen deshalb mittlerweile weite, deutlich gefährlichere Wege nehmen, um die Kontrollen zu umgehen. IOM schätzt, dass daher inzwischen in der Sahara drei Mal so viele Menschen sterben wie im Mittelmeer.
Das Fazit zu den vom BMI vorgestellten „Erfolgszahlen“: Menschen müssen sich auch weiterhin – und absehbar leider auch zunehmend - auf die Flucht begeben, um Kriegen, Verfolgung, Verelendung oder Umweltzerstörung zu entkommen. Sie werden aber einen immer höheren Preis dafür bezahlen. Und das ist kein Grund für Jubelmeldungen
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Mittwoch, 23. Januar 2019
Polizei randaliert bei Flüchtlingen
che2001, 11:36h
3 Hausdurchsuchungen bei Geflüchteten in Göttingen
Gestern morgen um 8 Uhr wurden drei Hausdurchsuchungen bei
pakistanischen Geflüchteten in Göttingen durchgeführt. Die
Ausländerbehörde ordnete diese an, um Pässe der betroffenen Personen zu
finden. Die Pässe konnten nicht sichergestellt werden. Stattdessen
hinterließ die Polizei die Wohnungen in vollkommenem Chaos. Dabei wurde
auch ein Bett zerstört und sämtliche Gegenstände in den Wohnungen
verteilt.
Mit den Hausdurchsuchungen eskaliert die Ausländerbehörde die Repression
gegen Göttinger Geflüchtete um eine weitere Stufe.
Wir berichteten schon im August 2018, dass Geflüchteten sogenannte
3-Tages-Duldungen ausgestellt werden. Als Anlass wurde genannt, dass die
Betroffenen ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkämen, Passpapiere bei
der jeweiligen Botschaft ihres Herkunftslandes zu beantragen. Ein
gültiger Pass ist eigentlich die Voraussetzung für die Durchführung
einer Abschiebung.
Die Ausländerbehörde fordert Menschen somit auf, aktiv an ihrer eigenen
Abschiebung in das Land, aus dem sie zuvor geflohen sind, mitzuwirken.
Viele Menschen verweigern den Weg zu den Behörden - aus gutem Grund.
Denn nicht selten stellen Botschaften auch falsche Passpapiere aus, mit
denen Geflüchtete dann abgeschoben werden.
Die Konsequenzen für die Geflüchteten scheinen den Göttinger
Verwaltungsangestellten aber völlig egal zu sein. Die Ausländerbehörde
reagiert mit 3-Tagesduldungen, die inzwischen teilweise durch Papiere
ersetzt wurden, auf denen nur noch zu lesen ist, dass die Abschiebung
auch ohne das Vorliegen eines gültigen Passes eingeleitet sei.
Dass die Behörde auch vor ganz offensichtlichen Rechtsbrüchen nicht
zurückschreckt, zeigt sich unter anderem an der Festnahme eines
Geflüchteten direkt vor dem Rathaus. Er sollte auch ohne das Vorliegen
eines Passes in Abschiebehaft genommen und bei der nächsten Gelegenheit
nach Pakistan abgeschoben werden. Die Intervention seiner Anwältin
konnte dies verhindern und das Verfahren der Behörde im Folgenden als
widerrechtlich herausgestellt werden.
Weitere Maßnahmen, zu denen regelmäßig gegriffen wird, wenn die
Geflüchteten nicht "parieren", sind die Streichungen von
Arbeitserlaubnissen, Geldmitteln und Wohnungen. Damit drängen sie die
Menschen in Armut, Perspektivlosigkeit, Illegalisierung und machen sie
quasi handlungsunfähig.
Mit den Hausdurchsuchungen dreht die Ausländerbehörde ihre
Daumenschrauben noch ein Stück enger.
Das Ziel ist klar: Sie wollen Angst und Druck aufbauen.
Wir verurteilen das Vorgehen der Ausländerbehörde und der Polizei aufs
schärfste und solidarisieren uns mit allen Betroffenen.
Wir fordern, dass Menschen eine Aufenthaltserlaubnis, sowie die
Möglichkeit, ihr Leben selbst zu gestalten, bekommen.
Wir fordern einen sofortigen Abschiebestopp gleiche Rechte für alle!
Bündnis gegen Abschiebung Göttingen, 23.01.2019
Gestern morgen um 8 Uhr wurden drei Hausdurchsuchungen bei
pakistanischen Geflüchteten in Göttingen durchgeführt. Die
Ausländerbehörde ordnete diese an, um Pässe der betroffenen Personen zu
finden. Die Pässe konnten nicht sichergestellt werden. Stattdessen
hinterließ die Polizei die Wohnungen in vollkommenem Chaos. Dabei wurde
auch ein Bett zerstört und sämtliche Gegenstände in den Wohnungen
verteilt.
Mit den Hausdurchsuchungen eskaliert die Ausländerbehörde die Repression
gegen Göttinger Geflüchtete um eine weitere Stufe.
Wir berichteten schon im August 2018, dass Geflüchteten sogenannte
3-Tages-Duldungen ausgestellt werden. Als Anlass wurde genannt, dass die
Betroffenen ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkämen, Passpapiere bei
der jeweiligen Botschaft ihres Herkunftslandes zu beantragen. Ein
gültiger Pass ist eigentlich die Voraussetzung für die Durchführung
einer Abschiebung.
Die Ausländerbehörde fordert Menschen somit auf, aktiv an ihrer eigenen
Abschiebung in das Land, aus dem sie zuvor geflohen sind, mitzuwirken.
Viele Menschen verweigern den Weg zu den Behörden - aus gutem Grund.
Denn nicht selten stellen Botschaften auch falsche Passpapiere aus, mit
denen Geflüchtete dann abgeschoben werden.
Die Konsequenzen für die Geflüchteten scheinen den Göttinger
Verwaltungsangestellten aber völlig egal zu sein. Die Ausländerbehörde
reagiert mit 3-Tagesduldungen, die inzwischen teilweise durch Papiere
ersetzt wurden, auf denen nur noch zu lesen ist, dass die Abschiebung
auch ohne das Vorliegen eines gültigen Passes eingeleitet sei.
Dass die Behörde auch vor ganz offensichtlichen Rechtsbrüchen nicht
zurückschreckt, zeigt sich unter anderem an der Festnahme eines
Geflüchteten direkt vor dem Rathaus. Er sollte auch ohne das Vorliegen
eines Passes in Abschiebehaft genommen und bei der nächsten Gelegenheit
nach Pakistan abgeschoben werden. Die Intervention seiner Anwältin
konnte dies verhindern und das Verfahren der Behörde im Folgenden als
widerrechtlich herausgestellt werden.
Weitere Maßnahmen, zu denen regelmäßig gegriffen wird, wenn die
Geflüchteten nicht "parieren", sind die Streichungen von
Arbeitserlaubnissen, Geldmitteln und Wohnungen. Damit drängen sie die
Menschen in Armut, Perspektivlosigkeit, Illegalisierung und machen sie
quasi handlungsunfähig.
Mit den Hausdurchsuchungen dreht die Ausländerbehörde ihre
Daumenschrauben noch ein Stück enger.
Das Ziel ist klar: Sie wollen Angst und Druck aufbauen.
Wir verurteilen das Vorgehen der Ausländerbehörde und der Polizei aufs
schärfste und solidarisieren uns mit allen Betroffenen.
Wir fordern, dass Menschen eine Aufenthaltserlaubnis, sowie die
Möglichkeit, ihr Leben selbst zu gestalten, bekommen.
Wir fordern einen sofortigen Abschiebestopp gleiche Rechte für alle!
Bündnis gegen Abschiebung Göttingen, 23.01.2019
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Montag, 21. Januar 2019
Aus dem Bundestag - Überstellungen, Abschiebungen, Flüchtlingspolitik
che2001, 18:20h
Die Süddeutsche Zeitung - und im Anschluss daran auch weitere Medien - berichten heute über die aktuelle Antwort der Bundesregierung auf die Regel-Anfrage der LINKEN (Ulla Jelpke u.a.) zum Dublin-System:
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-deutschland-schiebt-so-viel-in-andere-eu-staaten-ab-wie-nie-zuvor-1.4295346
https://www.tagesschau.de/inland/fluechtlinge-ausweisungen-101.html
Noch nie gab es so viele Überstellungen wie im Jahr 2018, auch die sog. Überstellungsquote konnte deutlich von 15,1% (2017) auf 24,5% gesteigert werden (bis 2012 war der Wert allerdings noch höher).
Viele Überstellungen scheitern daran, dass die formal eigentlich zuständigen EU-Mitgliedstaaten mit der Aufnahme und Asylprüfung überfordert sind (Griechenland) oder schlicht keine Flüchtlinge aufnehmen wollen (Ungarn, Bulgarien) - für Italien dürften beide Erklärungen zutreffen. Auch Gerichte entscheiden in Bezug auf diese Länder deshalb häufig (in Bezug auf Bulgarien z.B. zu 64,3%), dass eine Überstellung unzulässig ist, weil den Asylsuchenden dort eine unmenschliche Behandlung droht, d.h. entweder keine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung gewährleistet sind und / oder kein faires Asylverfahren gesichert erscheint.
Die Fragestellerin Ulla Jelpke betont, dass die Steigerung der Effizienz des Dublin-Systems durchaus keine gute Nachricht ist!
Denn es häufen sich die Berichte aus der Praxis, dass Überstellungen zunehmend unter rechtsstaatlich und humanitär inakzeptablen Umständen vollzogen werden, um die Abschiebequote um nahezu jeden Preis zu erhöhen. DIE LINKE hat hierzu bereits zwei Anfragen an die Bundesregierung gerichtet (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/049/1904960.pdf und http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/067/1906743.pdf).
Letzte Woche berichtete das Nachrichtenmagazin MONITOR ("Schwangere und Kranke abschieben: Wie Behörden die Rückführungsquote steigern") anschaulich über eine neue unfassbare Brutalität zur Durchsetzung von Überstellungen - auch vor Festnahmen in Krankenhäusern und Abschiebungen von Schwangeren wird immer häufiger nicht mehr zurückgeschreckt: https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/abschiebung-144.html, auch Familientrennungen werden häufiger in Kauf genommen.
All das zeigt: Das Bundesinnenministerium muss den politischen Druck zu Effizienzsteigerungen bei Abschiebungen und Dublin-Überstellungen dringend herausnehmen! Das ständige Rufen nach immer mehr Abschiebungen führt zu in der Praxis zu unerträglichen Folgen.
Es macht vor allem keinen Sinn, das längst gescheiterte Dublin-System mit aller Gewalt durchsetzen zu wollen. Die Dublin-Regelungen belasten wenige EU-Länder mit relevanten Außengrenzen in besonderem Maße, dieses System ist im Kern zutiefst ungerecht. Es ist aber auch menschenfeindlich, denn Schutzsuchende werden nach den Dublin-Regeln gegen ihren Willen in Europa hin- und hergeschoben, sie können häufig nirgendwo mehr an- und zur Ruhe kommen. Statt ihre Schutzbedürftigkeit zu prüfen, geht es immer häufiger nur noch um Fragen des konkreten Reisewegs und formelle Aspekte. Flüchtlingsschicksale werden so rechtlich und tatsächlich zum Verschwinden gebracht. Das muss aufhören!
Statt die Schutzsuchenden dafür zu sanktionieren, dass sie in Deutschland um Hilfe nachsuchen, muss das ungerechte Dublin-System geändert werden. Das Europäische Parlament hat parteienübergreifend und mit großer Mehrheit Vorschläge hierzu gemacht, in denen die berechtigen Wünsche und Interessen der Geflüchteten zentral berücksichtigt werden.
Daran müssen die Regierenden Europas anknüpfen, statt gescheiterte flüchtlingsfeindliche Regelungen mit aller Macht durchsetzen zu wollen.
2) Ebenso interessant: Im 3. Quartal 2018 standen türkische Asylsuchende erstmals an erster Stelle, wenn es um Dublin-Ersuchen an andere EU-Mitgliedstaaten geht. Nach dem gescheiterten Putsch-Versuch und der sich anschließenden Verfolgungswelle in der Türkei hatte das Auswärtige Amt Verfolgten aus der Türkei noch vollmundig Schutz in Deutschland in Aussicht gestellt - dieser Zusage entledigt man sich nun immer häufiger unter Zuhilfenahme der Dublin-Regeln...
Dabei erhalten türkische Asylsuchende in Deutschland immer häufiger Schutz - wenn das BAMF denn inhaltlich entscheidet und nicht auf andere EU-Mitgliedstaaten verweist.
Das ergibt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Sevim Dagdelen, die ich zur Kenntnis beifüge und über die bereits Tagesschau.de berichtete:
https://www.tagesschau.de/inland/asyl-deutschland-101.html
54,9 Prozent betrug im November 2018 die bereinigte Schutzquote bei türkischen Asylsuchenden! Für ein Land, das vor nicht allzu langer Zeit von der EU-Kommission und der Bundesregierung aus politischen Gründen als "sicherer Herkunftsstaat" eingestuft werden sollte, ist das ein überaus stattlicher Wert...
3) Ebenfalls aus politischen Gründen wurden am letzten Freitag vom Bundestag als sichere Herkunftsländer eingestuft die Maghreb-Staaten und Georgien. Die dazugehörige Debatte kann hier nachgelesen werden: http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19075.pdf (Seiten 5 bis 19; das Ergebnis der namentlichen Abstimmung ab Seite 21).
Es fiel auf, wie sehr es in einzelnen Reden um parteitaktische Auseinandersetzungen und wie wenig es um die tatsächliche Menschenrechtslage in den jeweiligen Herkunftsländern ging.
4) Zu der geschmacklosen öffentlichen Rückkehrkampagne der Bundesregierung ("Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!") liegt ebenfalls eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der LINKEN vor. Ulla Jelpke kritisierte in einer Pressemitteilung vor allem die verunsichernde Wirkung der Plakat-Kampagne auf Migrantinnen und Migranten, deren zynische Erfolgsbilanz mit gut 600 bewilligten Förderanträgen überdies reichlich dürftig ausfiel:
https://www.ulla-jelpke.de/2019/01/schluss-mit-geschmacklosen-rueckkehrkampagnen/
Auf ihrer homepage steht die Antwort zum Download zur Verfügung. Als Bundestagsdrucksache wird sie in Kürze hier verfügbar sein: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/070/1907048.pdf
Die taz berichtete: http://www.taz.de/Posterkampagne-des-Heimatministeriums/!5563575/
5) Das online-Portal "motherboard" berichtete bereits Ende letzten Jahres sehr ausführlich und anschaulich über den Einsatz von Software-Assistenzsystemen im BAMF (Handy-Auswertung, Spracherkennung usw.): https://motherboard.vice.com/de/article/kzv5v3/sprachanalyse-handyauswertung-bamf-it-fluechtlinge-herkunft
Auch diese Informationen beruhen auf eine Anfrage der LINKEN, die hier verfügbar ist: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/066/1906647.pdf
Entgegen der offiziellen Bilanz erweisen sich die oft hoch gelobten IT-Tools demnach als vor allem "teuer und nutzlos" - zu den Handy-Durchsuchungen durch das BAMF hatte DIE LINKE. diese Feststellung auf der Grundlage der Zahlen der Bundesregierung bereits vor längerem getroffen...
Eine kleine, aber feine Meldung noch zum Abschluss: Thüringen hat seine Aufnahmeregelung für Verwandte syrischer Flüchtlinge noch einmal verlängert!
https://www.thueringen24.de/thueringen/article216224607/fluechtlinge-syrien-familien-in-thueringen.html
https://thueringer-fluechtlingspaten.de/
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-deutschland-schiebt-so-viel-in-andere-eu-staaten-ab-wie-nie-zuvor-1.4295346
https://www.tagesschau.de/inland/fluechtlinge-ausweisungen-101.html
Noch nie gab es so viele Überstellungen wie im Jahr 2018, auch die sog. Überstellungsquote konnte deutlich von 15,1% (2017) auf 24,5% gesteigert werden (bis 2012 war der Wert allerdings noch höher).
Viele Überstellungen scheitern daran, dass die formal eigentlich zuständigen EU-Mitgliedstaaten mit der Aufnahme und Asylprüfung überfordert sind (Griechenland) oder schlicht keine Flüchtlinge aufnehmen wollen (Ungarn, Bulgarien) - für Italien dürften beide Erklärungen zutreffen. Auch Gerichte entscheiden in Bezug auf diese Länder deshalb häufig (in Bezug auf Bulgarien z.B. zu 64,3%), dass eine Überstellung unzulässig ist, weil den Asylsuchenden dort eine unmenschliche Behandlung droht, d.h. entweder keine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung gewährleistet sind und / oder kein faires Asylverfahren gesichert erscheint.
Die Fragestellerin Ulla Jelpke betont, dass die Steigerung der Effizienz des Dublin-Systems durchaus keine gute Nachricht ist!
Denn es häufen sich die Berichte aus der Praxis, dass Überstellungen zunehmend unter rechtsstaatlich und humanitär inakzeptablen Umständen vollzogen werden, um die Abschiebequote um nahezu jeden Preis zu erhöhen. DIE LINKE hat hierzu bereits zwei Anfragen an die Bundesregierung gerichtet (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/049/1904960.pdf und http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/067/1906743.pdf).
Letzte Woche berichtete das Nachrichtenmagazin MONITOR ("Schwangere und Kranke abschieben: Wie Behörden die Rückführungsquote steigern") anschaulich über eine neue unfassbare Brutalität zur Durchsetzung von Überstellungen - auch vor Festnahmen in Krankenhäusern und Abschiebungen von Schwangeren wird immer häufiger nicht mehr zurückgeschreckt: https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/abschiebung-144.html, auch Familientrennungen werden häufiger in Kauf genommen.
All das zeigt: Das Bundesinnenministerium muss den politischen Druck zu Effizienzsteigerungen bei Abschiebungen und Dublin-Überstellungen dringend herausnehmen! Das ständige Rufen nach immer mehr Abschiebungen führt zu in der Praxis zu unerträglichen Folgen.
Es macht vor allem keinen Sinn, das längst gescheiterte Dublin-System mit aller Gewalt durchsetzen zu wollen. Die Dublin-Regelungen belasten wenige EU-Länder mit relevanten Außengrenzen in besonderem Maße, dieses System ist im Kern zutiefst ungerecht. Es ist aber auch menschenfeindlich, denn Schutzsuchende werden nach den Dublin-Regeln gegen ihren Willen in Europa hin- und hergeschoben, sie können häufig nirgendwo mehr an- und zur Ruhe kommen. Statt ihre Schutzbedürftigkeit zu prüfen, geht es immer häufiger nur noch um Fragen des konkreten Reisewegs und formelle Aspekte. Flüchtlingsschicksale werden so rechtlich und tatsächlich zum Verschwinden gebracht. Das muss aufhören!
Statt die Schutzsuchenden dafür zu sanktionieren, dass sie in Deutschland um Hilfe nachsuchen, muss das ungerechte Dublin-System geändert werden. Das Europäische Parlament hat parteienübergreifend und mit großer Mehrheit Vorschläge hierzu gemacht, in denen die berechtigen Wünsche und Interessen der Geflüchteten zentral berücksichtigt werden.
Daran müssen die Regierenden Europas anknüpfen, statt gescheiterte flüchtlingsfeindliche Regelungen mit aller Macht durchsetzen zu wollen.
2) Ebenso interessant: Im 3. Quartal 2018 standen türkische Asylsuchende erstmals an erster Stelle, wenn es um Dublin-Ersuchen an andere EU-Mitgliedstaaten geht. Nach dem gescheiterten Putsch-Versuch und der sich anschließenden Verfolgungswelle in der Türkei hatte das Auswärtige Amt Verfolgten aus der Türkei noch vollmundig Schutz in Deutschland in Aussicht gestellt - dieser Zusage entledigt man sich nun immer häufiger unter Zuhilfenahme der Dublin-Regeln...
Dabei erhalten türkische Asylsuchende in Deutschland immer häufiger Schutz - wenn das BAMF denn inhaltlich entscheidet und nicht auf andere EU-Mitgliedstaaten verweist.
Das ergibt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Sevim Dagdelen, die ich zur Kenntnis beifüge und über die bereits Tagesschau.de berichtete:
https://www.tagesschau.de/inland/asyl-deutschland-101.html
54,9 Prozent betrug im November 2018 die bereinigte Schutzquote bei türkischen Asylsuchenden! Für ein Land, das vor nicht allzu langer Zeit von der EU-Kommission und der Bundesregierung aus politischen Gründen als "sicherer Herkunftsstaat" eingestuft werden sollte, ist das ein überaus stattlicher Wert...
3) Ebenfalls aus politischen Gründen wurden am letzten Freitag vom Bundestag als sichere Herkunftsländer eingestuft die Maghreb-Staaten und Georgien. Die dazugehörige Debatte kann hier nachgelesen werden: http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19075.pdf (Seiten 5 bis 19; das Ergebnis der namentlichen Abstimmung ab Seite 21).
Es fiel auf, wie sehr es in einzelnen Reden um parteitaktische Auseinandersetzungen und wie wenig es um die tatsächliche Menschenrechtslage in den jeweiligen Herkunftsländern ging.
4) Zu der geschmacklosen öffentlichen Rückkehrkampagne der Bundesregierung ("Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!") liegt ebenfalls eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der LINKEN vor. Ulla Jelpke kritisierte in einer Pressemitteilung vor allem die verunsichernde Wirkung der Plakat-Kampagne auf Migrantinnen und Migranten, deren zynische Erfolgsbilanz mit gut 600 bewilligten Förderanträgen überdies reichlich dürftig ausfiel:
https://www.ulla-jelpke.de/2019/01/schluss-mit-geschmacklosen-rueckkehrkampagnen/
Auf ihrer homepage steht die Antwort zum Download zur Verfügung. Als Bundestagsdrucksache wird sie in Kürze hier verfügbar sein: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/070/1907048.pdf
Die taz berichtete: http://www.taz.de/Posterkampagne-des-Heimatministeriums/!5563575/
5) Das online-Portal "motherboard" berichtete bereits Ende letzten Jahres sehr ausführlich und anschaulich über den Einsatz von Software-Assistenzsystemen im BAMF (Handy-Auswertung, Spracherkennung usw.): https://motherboard.vice.com/de/article/kzv5v3/sprachanalyse-handyauswertung-bamf-it-fluechtlinge-herkunft
Auch diese Informationen beruhen auf eine Anfrage der LINKEN, die hier verfügbar ist: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/066/1906647.pdf
Entgegen der offiziellen Bilanz erweisen sich die oft hoch gelobten IT-Tools demnach als vor allem "teuer und nutzlos" - zu den Handy-Durchsuchungen durch das BAMF hatte DIE LINKE. diese Feststellung auf der Grundlage der Zahlen der Bundesregierung bereits vor längerem getroffen...
Eine kleine, aber feine Meldung noch zum Abschluss: Thüringen hat seine Aufnahmeregelung für Verwandte syrischer Flüchtlinge noch einmal verlängert!
https://www.thueringen24.de/thueringen/article216224607/fluechtlinge-syrien-familien-in-thueringen.html
https://thueringer-fluechtlingspaten.de/
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Freitag, 18. Januar 2019
Anrührend: Die Geschichte der Familie Klepper/Stein
che2001, 13:53h
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Dienstag, 15. Januar 2019
Ist der Intelligenzquotient ein Schwindel?
che2001, 17:47h
Der Meinung bin ich, regelmäßige LeserInnen wissen das, schon immer gewesen. Wer diese Meinung massiv vertritt ist Nessim Taleb.
https://www.nzz.ch/feuilleton/ist-der-intelligenzquotient-ein-pseudowissenschaftlicher-schwindel-nassim-taleb-geht-auf-konfrontation-mit-steven-pinker-und-anderen-helden-des-dark-web-ld.1450747
https://www.nzz.ch/feuilleton/ist-der-intelligenzquotient-ein-pseudowissenschaftlicher-schwindel-nassim-taleb-geht-auf-konfrontation-mit-steven-pinker-und-anderen-helden-des-dark-web-ld.1450747
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Donnerstag, 10. Januar 2019
Das Asylbewerberleistungsgesetz - Rassismus im Sozialstaat
che2001, 17:35h
Von Dr. Thomas Hohlfeld, Die Linke
"Ein unerhörter Skandal - der kaum jemanden aufregt: Mit Wissen, Billigung und aktiv-untätiger Unterstützung der Bundesregierung wird alltäglich die Menschenwürde von Asylsuchenden und Geduldeten verletzt - ein eklatanter Verstoß gegen die Schutzverpflichtung des Staates nach Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes!
Worum geht es?
Die Leistungen des AsylbLG sind unstrittig zu niedrig, um das - ohnehin zu knapp bemessene - unmittelbare menschenwürdige Existenzminimum abzudecken, denn sie wurden seit Jahren nicht den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst, wie das gesetzlich eigentlich zwingend vorgesehen ist. Die vormalige Bundesregierung wollte die Leistungssätze zwar in der vergangenen Wahlperiode anheben, doch sie verband dies mit weiteren Verschärfungen und verfassungswidrigen Kürzungsvorschlägen, so dass der Bundesrat dieses Gesetz ( BT-Drs. 18/9985) völlig zu Recht nicht passieren ließ...
... und so erhalten Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG seit Jahren unzureichende Hilfen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums, die auch nach Ansicht der Bundesregierung zu gering bemessen sind (von weiteren Kürzungen in der Praxis und indirekten Kürzungen durch Sachleistungen hier ganz zu schweigen...). Wir schreiben das Jahr 2019. Auf Anfrage von Ulla Jelpke (DIE LINKE.) zu den Verantwortlichen für diese skandalöse Untätigkeit antwortete die Bundesregierung (federführend ist das SPD-geführte Arbeits- und Sozialministerium), dass "derzeit" ein neuer Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung erarbeitet werde. Im Ministerium hatte man seit der vergangenen Bundestagswahl offenbar Wichtigeres zu tun, als dem Art. 1 des Grundgesetzes und § 3 Abs. 4 AsylbLG Folge zu leisten...
Schlimmer noch: Die Formulierung, dass ein neuer Gesetzentwurf erarbeitet werde, lässt vermuten, dass erneut die zwingend gebotene Leistungsanhebung mit (unzulässigen) Kürzungen und Einschränkungen an anderer Stelle verbunden werden soll. Dabei ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 3 Abs. 4 Satz 3 AsylbLG eigentlich dazu verpflichtet, jeweils bis spätestens 1. November eines Jahres die aktualisierten Regelbedarfssätze im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben!
Die Rechtsauffassung des Sozialgerichts Stade, wonach die Leistungen auch ohne Bekanntgabe der aktuellen Leistungssätze durch das BMAS angepasst werden müssten (das ergibt sich aus Satz 1 des Absatzes 4 in §3 AsylbLG), "deckt sich nicht mit der Auffassung der Bundesregierung", heißt es in der Antwort der Bundesregierung lapidar.
Warum ist ein SPD-geführtes Ministerium eigentlich über Jahre hinweg nicht dazu imstande, eine geltende Gesetzesvorschrift umzusetzen und realistische Bedarfssätze im Bundesgesetzblatt zu verkünden, um einem Grundrecht zur Geltung zu verschaffen!? Ich habe da so eine Vermutung, weil es um Geflüchtete geht, aber nicht zuletzt vor dem Hintergrund des jahre- und jahrzehntelangen verfassungswidrigen Umgangs mit Schutzsuchenden und dem klaren Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 zum AsylbLG finde ich diesen Vorgang unfassbar skandalös - das sagte ich ja bereits...
Wir bleiben da dran, eine entsprechende Nachfrage wurde eingereicht.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete hierzu bereits zwischen den Jahren:
https://www.sueddeutsche.de/politik/regelsatz-fluechtlingen-stuende-mehr-geld-zu-1.4266883
Die allgemeine Empörung lässt aber noch auf sich warten"
"Ein unerhörter Skandal - der kaum jemanden aufregt: Mit Wissen, Billigung und aktiv-untätiger Unterstützung der Bundesregierung wird alltäglich die Menschenwürde von Asylsuchenden und Geduldeten verletzt - ein eklatanter Verstoß gegen die Schutzverpflichtung des Staates nach Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes!
Worum geht es?
Die Leistungen des AsylbLG sind unstrittig zu niedrig, um das - ohnehin zu knapp bemessene - unmittelbare menschenwürdige Existenzminimum abzudecken, denn sie wurden seit Jahren nicht den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst, wie das gesetzlich eigentlich zwingend vorgesehen ist. Die vormalige Bundesregierung wollte die Leistungssätze zwar in der vergangenen Wahlperiode anheben, doch sie verband dies mit weiteren Verschärfungen und verfassungswidrigen Kürzungsvorschlägen, so dass der Bundesrat dieses Gesetz ( BT-Drs. 18/9985) völlig zu Recht nicht passieren ließ...
... und so erhalten Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG seit Jahren unzureichende Hilfen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums, die auch nach Ansicht der Bundesregierung zu gering bemessen sind (von weiteren Kürzungen in der Praxis und indirekten Kürzungen durch Sachleistungen hier ganz zu schweigen...). Wir schreiben das Jahr 2019. Auf Anfrage von Ulla Jelpke (DIE LINKE.) zu den Verantwortlichen für diese skandalöse Untätigkeit antwortete die Bundesregierung (federführend ist das SPD-geführte Arbeits- und Sozialministerium), dass "derzeit" ein neuer Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung erarbeitet werde. Im Ministerium hatte man seit der vergangenen Bundestagswahl offenbar Wichtigeres zu tun, als dem Art. 1 des Grundgesetzes und § 3 Abs. 4 AsylbLG Folge zu leisten...
Schlimmer noch: Die Formulierung, dass ein neuer Gesetzentwurf erarbeitet werde, lässt vermuten, dass erneut die zwingend gebotene Leistungsanhebung mit (unzulässigen) Kürzungen und Einschränkungen an anderer Stelle verbunden werden soll. Dabei ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 3 Abs. 4 Satz 3 AsylbLG eigentlich dazu verpflichtet, jeweils bis spätestens 1. November eines Jahres die aktualisierten Regelbedarfssätze im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben!
Die Rechtsauffassung des Sozialgerichts Stade, wonach die Leistungen auch ohne Bekanntgabe der aktuellen Leistungssätze durch das BMAS angepasst werden müssten (das ergibt sich aus Satz 1 des Absatzes 4 in §3 AsylbLG), "deckt sich nicht mit der Auffassung der Bundesregierung", heißt es in der Antwort der Bundesregierung lapidar.
Warum ist ein SPD-geführtes Ministerium eigentlich über Jahre hinweg nicht dazu imstande, eine geltende Gesetzesvorschrift umzusetzen und realistische Bedarfssätze im Bundesgesetzblatt zu verkünden, um einem Grundrecht zur Geltung zu verschaffen!? Ich habe da so eine Vermutung, weil es um Geflüchtete geht, aber nicht zuletzt vor dem Hintergrund des jahre- und jahrzehntelangen verfassungswidrigen Umgangs mit Schutzsuchenden und dem klaren Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 zum AsylbLG finde ich diesen Vorgang unfassbar skandalös - das sagte ich ja bereits...
Wir bleiben da dran, eine entsprechende Nachfrage wurde eingereicht.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete hierzu bereits zwischen den Jahren:
https://www.sueddeutsche.de/politik/regelsatz-fluechtlingen-stuende-mehr-geld-zu-1.4266883
Die allgemeine Empörung lässt aber noch auf sich warten"
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Dienstag, 8. Januar 2019
Flüchtlingshelfern wird das Leben schwer gemacht - Solidarität ist eine Waffe
che2001, 13:57h
Über den folgenden Link gelangt man zu einem Beitrag von Alexander Budde, der im Deutschlandfunk gesendet wurde. In diesem Beitrag wird der aktuelle Stand zusammengefasst.
https://www.deutschlandfunk.de/asylpolitik-ringen-um-loesung-bei-nachforderungen-von.1769.de.html?dram:article_id=437642
Alexander Budde, NOZ:
Flüchtlingshelfer sollen Millionen zahlen
Allein in Niedersachsen wurden fast 1000 Bescheide an Bürgen verschickt
Sie wollten Flüchtlingen helfen – und bekamen dafür eine saftige Rechnung vom Staat präsentiert. Sogenannte Flüchtlingsbürgen sehen sich mit teils horrenden Forderungen der Jobcenter konfrontiert. Einigen droht der Ruin, wenn die Politik keine Lösung findet.
Osnabrück Auf mindestens 13 Millionen Euro belaufen sich die Bescheide, die Jobcenter allein in Norddeutschland an etwa 1300 Flüchtlingsbürgen verschickt haben. Flüchtlingshelfer oder Verwandte ermöglichten mit ihrer Unterschrift auf sogenannten Verpflichtungserklärungen den Syrern eine sichere Einreise nach Deutschland. Nicht per Boot übers Mittelmeer, sondern per Flugzeug und mit gültigem Visum. Die Erklärungen waren dafür Voraussetzung.
Mit ihnen verpflichteten sich die Bürgen, für sämtliche Unterhaltskosten der Flüchtlinge aufzukommen. Womit damals wohl keiner der Unterzeichner rechnete: Genau dieses Geld will der Staat in Form der Jobcenter jetzt zurück. Im ganzen Land sind entsprechende Bescheide verschickt worden. Die regionale Verteilung fällt unterschiedlich aus, zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten René Springer. Berücksichtigt sind dabei 303 Jobcenter, die Bundesagentur für Arbeit und Kommunen gemeinsam betreiben.
So ergingen beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern bislang gerade einmal 22 Bescheide in Höhe von etwa 210 000 Euro und damit etwas mehr als in Bremen, wo es 15 Bescheide in Höhe von 140 000 Euro waren. Deutschlandweit unübertroffen ist aber Niedersachsen. Hier wurde besonders offensiv für Bürgschaften geworben. Laut Bundesregierung ergingen in Niedersachsen 764 Bescheide in Höhe von 7,2 Millionen Euro. Hinzu kommen noch die Jobcenter in kommunaler Trägerschaft, die nicht dem Bundesarbeitsministerium unterstehen. Auf Anfrage teilt das Sozialministerium in Hannover unserer Redaktion mit: Diese Jobcenter haben zusätzlich 226 Bescheide verschickt und fordern insgesamt 2,4 Millionen Euro. Fast zehn Millionen Euro sollen also allein die Bürgen in Niedersachsen zahlen.
Vollstreckt werden die Forderungen bis auf Weiteres nicht. Bundesregierung und Länder suchen seit Monaten nach einer Lösung, wie die Bürgen um die Zahlung herumkommen können. Schließlich ging seinerzeit in den Ländern niemand davon aus, dass die Rechnung irgendwann präsentiert wird . Allgemeine Annahme war, dass der Staat einspringt, sobald der Flüchtlingsstatus geklärt ist.
Was damals klar schien, ist es heute keineswegs mehr. Verwaltungsgerichte in Deutschland entscheiden in erster Instanz mal für Bürgen, mal gegen sie. Allein in Niedersachsen sind mehrere Hundert Verfahren anhängig.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius zeigte sich zuletzt noch „vorsichtig optimistisch, dass wir vor Weihnachten eine Lösung hinbekommen“. Das hat offenbar nicht geklappt. „Eine Einigung mit dem Bund zeichnet sich bereits ab, lediglich die Details müssen noch geklärt werden“, heißt es aber aus dem Innenministerium. Angestrebt werde, dass Bund und Länder sich die Kosten teilen. Die Bürgen wären damit aus dem Schneider.
Kommentar
Staat hat Gutgläubigkeit ausgenutzt
In Deutschland herrschen Recht und Ordnung. Zumindest weitgehend. Das bekommen jetzt auch die Flüchtlingsbürgen zu spüren. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass Jobcenter sich an die aus ihrer Sicht geltenden Gesetze halten und Bescheide erlassen. Selbst wenn das im Einzelfall mit der Privatinsolvenz des Bürgen gleichzusetzen ist. Das ist nun einmal das Wesen einer Bürgschaft.
So weit, so einfach. Tatsächlich ist es komplizierter, und genau deswegen stellt sich die Frage, ob die Bürgen mit den Kosten alleingelassen werden dürfen. Wohl nicht. Schließlich waren es auch Vertreter des Staates, die Bürgen ermunterten, Menschen per Unterschrift auf einer Verpflichtungserklärung aus dem Bürgerkriegsgebiet zu retten. Beispielsweise in Form von Landesaufnahmeprogrammen und ungeachtet der unklaren Rechtslage. Vertreter desselben Staates präsentieren jenen Helfern nun die Rechnung. Was für ein Chaos – und geradezu bezeichnend für das Gesamtdurcheinander in der Bewältigung der Flüchtlingskrise.
Jenseits des Einzelfalls stellt sich die Frage nach der Verantwortung von Fürsprechern aus Politik und Gesellschaft. Was ist das für ein Signal, wenn für eine vermeintlich risikofreie Lösung geworben wird, die dies aber keinesfalls ist? Hier wurde Gutgläubigkeit ausgenutzt und dadurch letztlich Vertrauen und Glaubwürdigkeit zerstört. Wer künftig um Hilfe gebeten wird, der wird es sich zweimal überlegen.
Quelle: "noz Premium" : http://www.noz.de/nozpremium
https://www.deutschlandfunk.de/asylpolitik-ringen-um-loesung-bei-nachforderungen-von.1769.de.html?dram:article_id=437642
Alexander Budde, NOZ:
Flüchtlingshelfer sollen Millionen zahlen
Allein in Niedersachsen wurden fast 1000 Bescheide an Bürgen verschickt
Sie wollten Flüchtlingen helfen – und bekamen dafür eine saftige Rechnung vom Staat präsentiert. Sogenannte Flüchtlingsbürgen sehen sich mit teils horrenden Forderungen der Jobcenter konfrontiert. Einigen droht der Ruin, wenn die Politik keine Lösung findet.
Osnabrück Auf mindestens 13 Millionen Euro belaufen sich die Bescheide, die Jobcenter allein in Norddeutschland an etwa 1300 Flüchtlingsbürgen verschickt haben. Flüchtlingshelfer oder Verwandte ermöglichten mit ihrer Unterschrift auf sogenannten Verpflichtungserklärungen den Syrern eine sichere Einreise nach Deutschland. Nicht per Boot übers Mittelmeer, sondern per Flugzeug und mit gültigem Visum. Die Erklärungen waren dafür Voraussetzung.
Mit ihnen verpflichteten sich die Bürgen, für sämtliche Unterhaltskosten der Flüchtlinge aufzukommen. Womit damals wohl keiner der Unterzeichner rechnete: Genau dieses Geld will der Staat in Form der Jobcenter jetzt zurück. Im ganzen Land sind entsprechende Bescheide verschickt worden. Die regionale Verteilung fällt unterschiedlich aus, zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten René Springer. Berücksichtigt sind dabei 303 Jobcenter, die Bundesagentur für Arbeit und Kommunen gemeinsam betreiben.
So ergingen beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern bislang gerade einmal 22 Bescheide in Höhe von etwa 210 000 Euro und damit etwas mehr als in Bremen, wo es 15 Bescheide in Höhe von 140 000 Euro waren. Deutschlandweit unübertroffen ist aber Niedersachsen. Hier wurde besonders offensiv für Bürgschaften geworben. Laut Bundesregierung ergingen in Niedersachsen 764 Bescheide in Höhe von 7,2 Millionen Euro. Hinzu kommen noch die Jobcenter in kommunaler Trägerschaft, die nicht dem Bundesarbeitsministerium unterstehen. Auf Anfrage teilt das Sozialministerium in Hannover unserer Redaktion mit: Diese Jobcenter haben zusätzlich 226 Bescheide verschickt und fordern insgesamt 2,4 Millionen Euro. Fast zehn Millionen Euro sollen also allein die Bürgen in Niedersachsen zahlen.
Vollstreckt werden die Forderungen bis auf Weiteres nicht. Bundesregierung und Länder suchen seit Monaten nach einer Lösung, wie die Bürgen um die Zahlung herumkommen können. Schließlich ging seinerzeit in den Ländern niemand davon aus, dass die Rechnung irgendwann präsentiert wird . Allgemeine Annahme war, dass der Staat einspringt, sobald der Flüchtlingsstatus geklärt ist.
Was damals klar schien, ist es heute keineswegs mehr. Verwaltungsgerichte in Deutschland entscheiden in erster Instanz mal für Bürgen, mal gegen sie. Allein in Niedersachsen sind mehrere Hundert Verfahren anhängig.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius zeigte sich zuletzt noch „vorsichtig optimistisch, dass wir vor Weihnachten eine Lösung hinbekommen“. Das hat offenbar nicht geklappt. „Eine Einigung mit dem Bund zeichnet sich bereits ab, lediglich die Details müssen noch geklärt werden“, heißt es aber aus dem Innenministerium. Angestrebt werde, dass Bund und Länder sich die Kosten teilen. Die Bürgen wären damit aus dem Schneider.
Kommentar
Staat hat Gutgläubigkeit ausgenutzt
In Deutschland herrschen Recht und Ordnung. Zumindest weitgehend. Das bekommen jetzt auch die Flüchtlingsbürgen zu spüren. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass Jobcenter sich an die aus ihrer Sicht geltenden Gesetze halten und Bescheide erlassen. Selbst wenn das im Einzelfall mit der Privatinsolvenz des Bürgen gleichzusetzen ist. Das ist nun einmal das Wesen einer Bürgschaft.
So weit, so einfach. Tatsächlich ist es komplizierter, und genau deswegen stellt sich die Frage, ob die Bürgen mit den Kosten alleingelassen werden dürfen. Wohl nicht. Schließlich waren es auch Vertreter des Staates, die Bürgen ermunterten, Menschen per Unterschrift auf einer Verpflichtungserklärung aus dem Bürgerkriegsgebiet zu retten. Beispielsweise in Form von Landesaufnahmeprogrammen und ungeachtet der unklaren Rechtslage. Vertreter desselben Staates präsentieren jenen Helfern nun die Rechnung. Was für ein Chaos – und geradezu bezeichnend für das Gesamtdurcheinander in der Bewältigung der Flüchtlingskrise.
Jenseits des Einzelfalls stellt sich die Frage nach der Verantwortung von Fürsprechern aus Politik und Gesellschaft. Was ist das für ein Signal, wenn für eine vermeintlich risikofreie Lösung geworben wird, die dies aber keinesfalls ist? Hier wurde Gutgläubigkeit ausgenutzt und dadurch letztlich Vertrauen und Glaubwürdigkeit zerstört. Wer künftig um Hilfe gebeten wird, der wird es sich zweimal überlegen.
Quelle: "noz Premium" : http://www.noz.de/nozpremium
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Sonntag, 6. Januar 2019
Oury Jalloh - das war Mord!
che2001, 23:42h
Obwohl längst bewiesen, werden Fakten ignoriert und die Wahrheit ein weiteres Mal ermordet.
14 Jahre Kampf für Aufklärung und Gerechtigkeit ist nicht genug,
solange weiterhin Menschen ermordet und sterben müssen und Hass permanent geschürt wird.
Am Morgen des 7. Januar 2005 wird Oury Jalloh in Dessau von der Polizei festgenommen und auf die Wache gebracht. Dort wird er misshandelt und später dann in einer Zelle im Keller gebracht. In der gefliesten Zelle Nr. 5 wird er auf eine feuerfesten Matratze gelegt und an Händen und Füßen angekettet. Gegen Mittag wird er mit Brandbeschleuniger mit samt der feuerfesten Matratze verbrannt. Seine Leiche ist fast verkohlt. Das Feuer ist so stark, dass die Finger der rechten Hand völlig wegbrennen.
Der Familie und den Freunde von Oury Jalloh und solidarischen Initiativen ist es zu verdanken, dass die Wahrheit öffentlich wurde. Wäre die Gemeinschaft der afrikanischen Freunde in Dessau nicht beharrlich der Wahrheit nachgegangen, hätte sie die Familie nicht tagtäglich informiert und Kontakt zu den Flüchtlings- und MigrantInnengemeinschaften aufgenommen, wäre der Tod Oury Jallohs wahrscheinlich nie aufgeklärt worden.
Die Polizei, die beteiligten Staatsanwaltschaften und die Gerichte haben seit dem Tod Oury Jallohs im Gegenzug alles daran gesetzt, Beweise zu vernichten und zu manipulieren. In den 14 Jahren wurden Aktivistinnen und Aktivisten bedroht, verfolgt und unter Druck gesetzt. Die Familie, Freunde, Unterstützerinnen und Unterstützer wurden und werden von der Polizei in Dessau verhöhnt. Mit Feuerzeugen verabschieden sie wiederholt Demonstrationsteilnehmerinnnen und –teilnehmer. Sie werden geknüppelt. Doch die Wahrheit können sie weder unterdrücken, noch töten.
Nach zwei Gerichtsverfahren kam nun Ende 2018 die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg in einem Prüfbericht erneut zum Schluss, dass sich Oury Jalloh selbst angezündet haben muss. Obwohl längst bewiesen ist, dass das von der Staatsanwaltschaft erst 3 Tage nach dem Brandmord präsentierte Feuerzeug gar nicht in der Zelle hätte sein können … obwohl wiederholt bewiesen wurde, dass Oury Jalloh ohne Brandbeschleuniger nicht hätte so verbrennen können, wie er vorgefunden wurde … wird immer wieder diee Lüge vom angeblichen Selbstmord wiederholt. Er habe sich nur selbst anzünden können, weil Motive für einen Mord für die Staatsjuristen „nicht denkbar“ sind.
Liest man den Prüfbericht der Naumburger Staatsanwälte, so findet man weder die rassistischen Äußerungen der Polizeibeamten, z.B. im Gespräch mit dem Arzt, noch deren Verwicklungen in die rechte Szene erwähnt. Diese Tatsachen sowie die zahlreichen Beweise verschiedener Gutachten werden ignoriert und stattdessen versucht, die Wahrheit unter unbelegbaren Unterstellungen gegen den Toten selbst zu vergraben. Angeblich übersahen die Beamten das Feuerzeug, das laut Gutachten gar nicht in der Zelle gewesen sein kann. Und sie haben auch den erwiesen notwendigen Brandbeschleuniger ignoriert, mit dem Oury Jalloh verbrannt worden sein muss?
Oury Jalloh ist nicht das einzige Opfer. Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtermann starben ebenfalls in den Jahren 1997 und 2002 durch Folgen von im Polizeigewahrsam erlittenen Verletzungen. Werden diese Morde nicht als solche gesehen und verfolgt, müssen wir damit rechnen, dass weitere Opfer zu beklagen sein werden. Der zuletzt in NRW verstorbene Amad Ahmad hätte nicht sterben müssen, wenn er nicht zu Unrecht mehrere Monate festgehalten worden wäre. Vielleicht hätte er seinen Eltern erzählen können, was passiert ist, als er nach dem Brand in seiner Zelle im Krankenhaus lag. Sie wurden jedoch nicht informiert und erfuhren erst durch die Medien vom Tod ihres jungen Sohnes.Durch die uns fortgesetzten Lügen werden weitere Menschenleben aufs Spiel gesetzt, weil Herrenmenschen sich in einer Gesellschaft der Straflosigkeit sicher fühlen sollen. Genauso wie durch die Lügen über die angeblich sichere Lage in Afghanistan immer wieder Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden. Ebenso die Waffenlieferungen in Kriegsgebiete und Diktaturen nach Saudi-Arabien, Türkei, … Menschen werden geopfert für Profit und für viel weniger.
Im Falle Oury Jallohs haben die Hunderten von Beamten 14 Jahre lang Lügen durch Lügen, durch Korpsgeist und Staatsraison ihre Stellen gesichert und somit vom seinem Tod profitiert. Profitiert haben ebenfalls die hohen Polizeibeamten und Richter des Landes Sachsen-Anhalts, die alle befördert worden sind, weil sie die Wahrheit vertuschten und das Opfer kriminalisierten.
So schmerzhaft der Tod Oury Jallohs auch für uns alle ist, er hat uns zusammengebracht und gezeigt, dass wir die Wahrheit ergründen, verteidigen und am Leben halten können und dass uns die erfahrenen physischen Schläge und Bedrohungen nichts anhaben können. Wir haben gelernt, dass die Verbreitung der Wahrheit dazu dienen kann, das Unrecht einzudämmen. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass diese Arbeit nur ein kleiner Schritt ist, um eine friedliche und solidarische Welt zu gestalten.
Daher werden wir auch dieses Jahr wieder in Dessau sein, um zu demonstrieren, dass wir fortwährend durch unsere Präsenz für eine gerechte Gesellschaft hier und überall eintreten werden … dass wir kontinuierlich daran arbeiten werden, diejenigen zu entlarven, die durch Manipulation und Lügen Menschen spalten und gegeneinander hetzen, auf dass sie so weiterhin in der Lage bleiben, uns die Früchte unserer Arbeit und unsere Lebensgrundlagen zu nehmen und zu zerstören.
Durch unsere Teilnahme an den Gedenkveranstaltungen in Dessau wollen wir die Familie Oury Jalloh und die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh stärken, die durch ein Klageerzwingungsverfahren weiterhin versuchen, Aufklärung zu erlangen. Zugleich gedenken wir auch allen anderen Opfern rassistischer Polizeigewalt und -willkür.
14 Jahre Kampf für Aufklärung und Gerechtigkeit ist nicht genug,
solange weiterhin Menschen ermordet und sterben müssen und Hass permanent geschürt wird.
Am Morgen des 7. Januar 2005 wird Oury Jalloh in Dessau von der Polizei festgenommen und auf die Wache gebracht. Dort wird er misshandelt und später dann in einer Zelle im Keller gebracht. In der gefliesten Zelle Nr. 5 wird er auf eine feuerfesten Matratze gelegt und an Händen und Füßen angekettet. Gegen Mittag wird er mit Brandbeschleuniger mit samt der feuerfesten Matratze verbrannt. Seine Leiche ist fast verkohlt. Das Feuer ist so stark, dass die Finger der rechten Hand völlig wegbrennen.
Der Familie und den Freunde von Oury Jalloh und solidarischen Initiativen ist es zu verdanken, dass die Wahrheit öffentlich wurde. Wäre die Gemeinschaft der afrikanischen Freunde in Dessau nicht beharrlich der Wahrheit nachgegangen, hätte sie die Familie nicht tagtäglich informiert und Kontakt zu den Flüchtlings- und MigrantInnengemeinschaften aufgenommen, wäre der Tod Oury Jallohs wahrscheinlich nie aufgeklärt worden.
Die Polizei, die beteiligten Staatsanwaltschaften und die Gerichte haben seit dem Tod Oury Jallohs im Gegenzug alles daran gesetzt, Beweise zu vernichten und zu manipulieren. In den 14 Jahren wurden Aktivistinnen und Aktivisten bedroht, verfolgt und unter Druck gesetzt. Die Familie, Freunde, Unterstützerinnen und Unterstützer wurden und werden von der Polizei in Dessau verhöhnt. Mit Feuerzeugen verabschieden sie wiederholt Demonstrationsteilnehmerinnnen und –teilnehmer. Sie werden geknüppelt. Doch die Wahrheit können sie weder unterdrücken, noch töten.
Nach zwei Gerichtsverfahren kam nun Ende 2018 die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg in einem Prüfbericht erneut zum Schluss, dass sich Oury Jalloh selbst angezündet haben muss. Obwohl längst bewiesen ist, dass das von der Staatsanwaltschaft erst 3 Tage nach dem Brandmord präsentierte Feuerzeug gar nicht in der Zelle hätte sein können … obwohl wiederholt bewiesen wurde, dass Oury Jalloh ohne Brandbeschleuniger nicht hätte so verbrennen können, wie er vorgefunden wurde … wird immer wieder diee Lüge vom angeblichen Selbstmord wiederholt. Er habe sich nur selbst anzünden können, weil Motive für einen Mord für die Staatsjuristen „nicht denkbar“ sind.
Liest man den Prüfbericht der Naumburger Staatsanwälte, so findet man weder die rassistischen Äußerungen der Polizeibeamten, z.B. im Gespräch mit dem Arzt, noch deren Verwicklungen in die rechte Szene erwähnt. Diese Tatsachen sowie die zahlreichen Beweise verschiedener Gutachten werden ignoriert und stattdessen versucht, die Wahrheit unter unbelegbaren Unterstellungen gegen den Toten selbst zu vergraben. Angeblich übersahen die Beamten das Feuerzeug, das laut Gutachten gar nicht in der Zelle gewesen sein kann. Und sie haben auch den erwiesen notwendigen Brandbeschleuniger ignoriert, mit dem Oury Jalloh verbrannt worden sein muss?
Oury Jalloh ist nicht das einzige Opfer. Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtermann starben ebenfalls in den Jahren 1997 und 2002 durch Folgen von im Polizeigewahrsam erlittenen Verletzungen. Werden diese Morde nicht als solche gesehen und verfolgt, müssen wir damit rechnen, dass weitere Opfer zu beklagen sein werden. Der zuletzt in NRW verstorbene Amad Ahmad hätte nicht sterben müssen, wenn er nicht zu Unrecht mehrere Monate festgehalten worden wäre. Vielleicht hätte er seinen Eltern erzählen können, was passiert ist, als er nach dem Brand in seiner Zelle im Krankenhaus lag. Sie wurden jedoch nicht informiert und erfuhren erst durch die Medien vom Tod ihres jungen Sohnes.Durch die uns fortgesetzten Lügen werden weitere Menschenleben aufs Spiel gesetzt, weil Herrenmenschen sich in einer Gesellschaft der Straflosigkeit sicher fühlen sollen. Genauso wie durch die Lügen über die angeblich sichere Lage in Afghanistan immer wieder Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden. Ebenso die Waffenlieferungen in Kriegsgebiete und Diktaturen nach Saudi-Arabien, Türkei, … Menschen werden geopfert für Profit und für viel weniger.
Im Falle Oury Jallohs haben die Hunderten von Beamten 14 Jahre lang Lügen durch Lügen, durch Korpsgeist und Staatsraison ihre Stellen gesichert und somit vom seinem Tod profitiert. Profitiert haben ebenfalls die hohen Polizeibeamten und Richter des Landes Sachsen-Anhalts, die alle befördert worden sind, weil sie die Wahrheit vertuschten und das Opfer kriminalisierten.
So schmerzhaft der Tod Oury Jallohs auch für uns alle ist, er hat uns zusammengebracht und gezeigt, dass wir die Wahrheit ergründen, verteidigen und am Leben halten können und dass uns die erfahrenen physischen Schläge und Bedrohungen nichts anhaben können. Wir haben gelernt, dass die Verbreitung der Wahrheit dazu dienen kann, das Unrecht einzudämmen. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass diese Arbeit nur ein kleiner Schritt ist, um eine friedliche und solidarische Welt zu gestalten.
Daher werden wir auch dieses Jahr wieder in Dessau sein, um zu demonstrieren, dass wir fortwährend durch unsere Präsenz für eine gerechte Gesellschaft hier und überall eintreten werden … dass wir kontinuierlich daran arbeiten werden, diejenigen zu entlarven, die durch Manipulation und Lügen Menschen spalten und gegeneinander hetzen, auf dass sie so weiterhin in der Lage bleiben, uns die Früchte unserer Arbeit und unsere Lebensgrundlagen zu nehmen und zu zerstören.
Durch unsere Teilnahme an den Gedenkveranstaltungen in Dessau wollen wir die Familie Oury Jalloh und die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh stärken, die durch ein Klageerzwingungsverfahren weiterhin versuchen, Aufklärung zu erlangen. Zugleich gedenken wir auch allen anderen Opfern rassistischer Polizeigewalt und -willkür.
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