Donnerstag, 3. Januar 2019
Seehofer heizt wieder einmal die rassistische Stimmung an
che2001, 12:32h
Von meinem Mitstreiter Sigmar Walbrecht
Zwei Ereignisse werden seit Silvester unter der sinngemäßen Überschrift „Gewalttaten in der Silvesternacht“ in einer Debatte verhandelt: Ein rassistisch motivierter Anschlag, bei dem ein Mann offensichtlich mit Tötungsabsichten seinen PKW in Fußgänger_innen hineingesteuert hat sowie prügelnde, alkoholisierte, männliche Jugendliche, die im bayerischen Amberg Passant_innen verletzt haben.
Da werden zwei Straftaten von vollkommen unterschiedlichem Gewicht und unterschiedlichem Hintergrund auf eine Ebene gestellt. Ohne die Gewalttaten, die von den Jugendlichen begangen worden sind, verharmlosen zu wollen, so haben sie doch ein vollkommen anderes Gewicht und sind leider häufig auftretende Formen von männlicher Gewalt, wie sie nicht zuletzt in der Silvesternacht an mehreren Orten zu beobachten war und die sonst in den Medien kaum Aufmerksamkeit bekommen, als eine Amokfahrt mit einem Auto, bei der der Täter offenbar versucht hat, Menschen zu töten oder zumindest schwer zu verletzten, weil er sie als minderwertig betrachtet.
Bundesinnenminister Seehofer scheint auf solch ein Ereignis wie die Prügelangriffe der jugendlichen Geflüchteten gewartet zu haben, um eine neue Runde einer rassistischen Debatte zu entfachen. Es ist ganz offensichtlich, dass er sich damit erhofft, dem Wunsch nach Autorität nachzukommen, um ein autoritär gesonnenes Klientel einzufangen und für sich zu gewinnen. Er handelt nach der Logik „wir müssen nur so rassistisch sein wie die AfD, dann gibt es auch keinen Grund für Rassist_innen die AfD zu wählen, weil sie das gleiche ja auch bei der CSU haben können“.
Letzten Endes befeuert Seehofer damit wieder einmal den Rassismus im Land und befördert so rassistische Angriffe, wie das Auto-Attentat von Bottrop. Er treibt die gesellschaftliche Spaltung weiter voran, um sein egoistisches Machtinteresse bzw. das seiner Partei zu bedienen. Naheliegend, dass es nicht allein Kalkül sondern auch ein Reflex ist, der seiner tief in ihm sitzenden rassistischen Haltung entspringt. Aber das spielt keine Rolle, da die Folgen die selben sind.
Die Vehemenz, mit der Seehofer ein härteres Vorgehen gegen gewalttätige Geflüchtete einfordert, lässt er bei rassistischer Gewalt regelmäßig vermissen. Durch rassistische Angriffe müssen sich Angehörige der Mehrheitsgesellschaft auch nicht bedroht fühlen. Die Empörung über die Taten der geflüchteten Jugendlichen kommen ob der Grausamkeiten, die die EU-Flüchtlingspolitik zu verantworten hat, bei Seehofer und Seinesgleichen selbstverständlich nicht auf. Da können zivile Seenotretter_innen über Tage und bei Sturm mit den geborgenen Schiffbrüchigen auf See um ihre Rettung bangen, dies wird alles nicht mal mehr beachtet, denn das ist Kalkül der tödlichen europäischen Abschottungspolitik und mittlerweile Routine, die weder durch zivilgesellschaftlichen Protest noch durch Intervention von Menschen in Regierungsverantwortung gestört werden soll.
Seehofer zieht die Repressionsschraube gegen Asylsuchende weiter an und schafft damit Bedingungen, die nicht zuletzt bei den geflüchteten Jugendlichen die Unzufriedenheit anwachsen lässt und – nicht wenig verwunderlich – gerade unter Alkoholeinfluss auch zu solchen Gewaltausbrüchen wie in Amberg führen können (so etwas erlebt man ja z.B. auch bei der Polizei, wie erst neulich die entglittene Weihnachtsfeier der hannoverschen Polizei gezeigt hat). So schafft man selber Bedingungen, die die Geflüchteten ausgrenzen und deren Unzufriedenheit steigern, womit wiederum Anlässe provoziert werden, die als Begründung für weitere Verschärfungen und Repression herhalten müssen, um so die Lust nach Erniedrigung und Demütigung bei den autoritär veranlagten Menschen zu befriedigen.
Zwei Ereignisse werden seit Silvester unter der sinngemäßen Überschrift „Gewalttaten in der Silvesternacht“ in einer Debatte verhandelt: Ein rassistisch motivierter Anschlag, bei dem ein Mann offensichtlich mit Tötungsabsichten seinen PKW in Fußgänger_innen hineingesteuert hat sowie prügelnde, alkoholisierte, männliche Jugendliche, die im bayerischen Amberg Passant_innen verletzt haben.
Da werden zwei Straftaten von vollkommen unterschiedlichem Gewicht und unterschiedlichem Hintergrund auf eine Ebene gestellt. Ohne die Gewalttaten, die von den Jugendlichen begangen worden sind, verharmlosen zu wollen, so haben sie doch ein vollkommen anderes Gewicht und sind leider häufig auftretende Formen von männlicher Gewalt, wie sie nicht zuletzt in der Silvesternacht an mehreren Orten zu beobachten war und die sonst in den Medien kaum Aufmerksamkeit bekommen, als eine Amokfahrt mit einem Auto, bei der der Täter offenbar versucht hat, Menschen zu töten oder zumindest schwer zu verletzten, weil er sie als minderwertig betrachtet.
Bundesinnenminister Seehofer scheint auf solch ein Ereignis wie die Prügelangriffe der jugendlichen Geflüchteten gewartet zu haben, um eine neue Runde einer rassistischen Debatte zu entfachen. Es ist ganz offensichtlich, dass er sich damit erhofft, dem Wunsch nach Autorität nachzukommen, um ein autoritär gesonnenes Klientel einzufangen und für sich zu gewinnen. Er handelt nach der Logik „wir müssen nur so rassistisch sein wie die AfD, dann gibt es auch keinen Grund für Rassist_innen die AfD zu wählen, weil sie das gleiche ja auch bei der CSU haben können“.
Letzten Endes befeuert Seehofer damit wieder einmal den Rassismus im Land und befördert so rassistische Angriffe, wie das Auto-Attentat von Bottrop. Er treibt die gesellschaftliche Spaltung weiter voran, um sein egoistisches Machtinteresse bzw. das seiner Partei zu bedienen. Naheliegend, dass es nicht allein Kalkül sondern auch ein Reflex ist, der seiner tief in ihm sitzenden rassistischen Haltung entspringt. Aber das spielt keine Rolle, da die Folgen die selben sind.
Die Vehemenz, mit der Seehofer ein härteres Vorgehen gegen gewalttätige Geflüchtete einfordert, lässt er bei rassistischer Gewalt regelmäßig vermissen. Durch rassistische Angriffe müssen sich Angehörige der Mehrheitsgesellschaft auch nicht bedroht fühlen. Die Empörung über die Taten der geflüchteten Jugendlichen kommen ob der Grausamkeiten, die die EU-Flüchtlingspolitik zu verantworten hat, bei Seehofer und Seinesgleichen selbstverständlich nicht auf. Da können zivile Seenotretter_innen über Tage und bei Sturm mit den geborgenen Schiffbrüchigen auf See um ihre Rettung bangen, dies wird alles nicht mal mehr beachtet, denn das ist Kalkül der tödlichen europäischen Abschottungspolitik und mittlerweile Routine, die weder durch zivilgesellschaftlichen Protest noch durch Intervention von Menschen in Regierungsverantwortung gestört werden soll.
Seehofer zieht die Repressionsschraube gegen Asylsuchende weiter an und schafft damit Bedingungen, die nicht zuletzt bei den geflüchteten Jugendlichen die Unzufriedenheit anwachsen lässt und – nicht wenig verwunderlich – gerade unter Alkoholeinfluss auch zu solchen Gewaltausbrüchen wie in Amberg führen können (so etwas erlebt man ja z.B. auch bei der Polizei, wie erst neulich die entglittene Weihnachtsfeier der hannoverschen Polizei gezeigt hat). So schafft man selber Bedingungen, die die Geflüchteten ausgrenzen und deren Unzufriedenheit steigern, womit wiederum Anlässe provoziert werden, die als Begründung für weitere Verschärfungen und Repression herhalten müssen, um so die Lust nach Erniedrigung und Demütigung bei den autoritär veranlagten Menschen zu befriedigen.
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Freitag, 28. Dezember 2018
Die vergessenen Menschen an der ungarischen Grenze
che2001, 01:06h
Während seitens der Bundesregierung stets betont wird, dass die Zahl der Asylanträge weiter sinkt und etwa die Kampagne für eine„freiwillige“ Rückkehr ausgebaut werden soll, wird das Leid der Flüchtenden an den Grenzen zur EU immer weniger beachtet. In diesem Bericht wird ein Blick auf die Situation von etwa 100 Flüchtenden gelegt, die in und um die serbische Stadt Subotica leben und auf ein Weiterkommen in die EU hoffen. Dort unterstützen derzeit drei Aktivist*innen aus Niedersachsen als Teil der spanischen Organisation escuela con alma die Menschen. Hier ihr Bericht:
Momentan gibt es, bis auf eine staatliche Unterbringung für Familien, vor allem zwei Orte in bzw. bei Subotica, in denen die Flüchtenden leben. Da beide Orte sehr unterschiedlich sind, müssen sie separat beschrieben werden.
Horgos
Der Ort ist 1,5km von der ungarischen Grenze entfernt und ca. eine Stunde Fußmarsch zur nächsten Einkaufmöglichkeit. Die ca. 40 überwiegend aus Afghanistan stammenden Menschen, darunter einige Minderjährige, wohnen hier in in einer selbstverwalteten Struktur in alten und kaputten Scheunen. Mit der Unterstützung von escuela con alma wurde eine Versorgung mit Strom (Autobatterien), Wasser, Waschdienst und Essen etabliert. Zudem wurden Öfen gebaut, sodass zumindest drei Räume beheizbar sind.
Da es keinen Wasseranschluss gibt ist der Hygienestandart eher schlecht und hängt von der Unterstützung ab. In den letzten Monaten fuhren die Unterstützer*innen regelmäßig mit einer mobilen Dusche zu dem Ort. Jedoch ist diese aktuell kaputt. Zudem können die Räumlichkeiten nicht zufriedenstellend gereinigt werden und eine medizinische Versorgung gibt es nicht. Einige leiden an Verletzungen durch die Strapazen der Flucht oder Polizeigewalt und Folgen der fehlenden Hygiene.
Hier leben die Menschen teilweise schon seit Monaten ohne eine wirkliche Perspektive auf ein Weiterkommen. Es ist beeindruckend wie sie es in einer solchen Umgebung schaffen sich gemeinsam zu organisieren und solidarisch miteinander umzugehen.
Train Station
Bei dem anderen Ort handelt es sich um leerstehende Häuser neben dem Bahnhof im Zentrum der Stadt, die seit einem 3⁄4 Jahr besetzt sind. Es sind offene, fensterlose Ruinen, ohne Heiz- und Kochmöglichkeiten, Strom oder anderer Infrastruktur. Hier ist eine höhere Fluktuation an Menschen, die meisten sind sehr jung und viele minderjährig. Ihre Situation muss insbesondere durch die extremen Temperaturen (bis -10Grad) als lebensbedrohlich beschrieben werden. Zwar werden sie mit Sachspenden (vor allem mit Decken und warmer Kleidung) unterstützt und so die physische Bedrohung minimiert, doch durch ihre Ausweglosigkeit sind sie zusätzlich psychisch extrem belastet. Hier wäre, durch die mangelnde Hygiene sowie die härteren Bedingungen, eine medizinische Versorgung noch dringlicher.
Auch die Polizei geht in der Stadt aggressiver gegen die Flüchtenden vor. So wird von gewalttätigen Übergriffen und 5-7 stündigen Ingewahrsamnahmen durch die serbische Polizei berichtet, welche versuchen die Menschen aus der Innenstadt zu vertreiben. Eine der Unterstützer*innen kommentiert ihre Eindrücke von vor Ort:
„Nach dem ersten Besuch in den alten Scheunen außerhalb waren wir schockiert. Doch als wir dann den Ort in der Stadt besuchten, konnten wir kaum fassen, wie Menschen in solchen prekären Bedingungen leben müssen.“
Keine Perspektive in Serbien und keine Weiterkommen
Serbien ist ein armes Land mit niedrigen Aufnahmequoten. Die Flüchtenden berichten von überfüllten Aufnahmelagern, die ihnen auch keine lebenswürdigen Bedingungen bieten. Der Weg in die EU ist gut gesichert: an der ungarischen Grenze gibt es zwei unter Strom stehende Zäune mit Stacheldraht, Wärmekameras mit 8km Reichweite, Wachhunde, Lautsprecher in vier Sprachen und schon beim Annähern an den Zaun gewalttätige Polizei. Sind solche Versuche dann doch einmal erfolgreich, berichteten Geflüchtete, dass es immer wieder zu illegalen und brutalen Push-Back-Aktionen kommt. Nach dem Dublin
III-Abkommen wäre Ungarn für das Asylverfahren verantwortlich, sobald ein Geflüchteter das Territorium betritt. Werden die Menschen nicht aufgenommen sondern ohne Verfahren zurückgeschickt, widerspricht dies dem geltenden Recht.
Die Fluchtgründe
Die Flüchtenden in Subotica stammen vorwiegend aus Afghanistan und einige aus dem Iran und Pakistan. Sie zeigen schreckliche Bilder aus ihre Heimat: Geköpfte Menschen, tote Kinder, blutüberströmte Mädchen und Bilder von Folterungen. Zudem sind einige von Narben gezeichnet, die Folge von Folterungen sind und die sie noch immer schmerzen. In Erzählungen wird berichtet, dass viele vor dem „Bürgerkrieg“ fliehen, in dem 41 weitere Staaten mitmischen. Diesen Einsatz beschreibt einer der Bewohner in Horgos als ein Kampf um Macht im Zusammenhang mit den afghanischen Bodenschätzen und wünscht sich, nicht in einem solchen Ölreichen Staat geboren zu sein. Sie erzählen also nicht nur vor den Taliban, sondern auch von Problemen in Folge des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Jetzt müssen sie in daran beteiligte Länder fliehen und wissen, dass es auch dort, wenn sie es schaffen sollten, nicht einfach werden wird.
Momentan gibt es, bis auf eine staatliche Unterbringung für Familien, vor allem zwei Orte in bzw. bei Subotica, in denen die Flüchtenden leben. Da beide Orte sehr unterschiedlich sind, müssen sie separat beschrieben werden.
Horgos
Der Ort ist 1,5km von der ungarischen Grenze entfernt und ca. eine Stunde Fußmarsch zur nächsten Einkaufmöglichkeit. Die ca. 40 überwiegend aus Afghanistan stammenden Menschen, darunter einige Minderjährige, wohnen hier in in einer selbstverwalteten Struktur in alten und kaputten Scheunen. Mit der Unterstützung von escuela con alma wurde eine Versorgung mit Strom (Autobatterien), Wasser, Waschdienst und Essen etabliert. Zudem wurden Öfen gebaut, sodass zumindest drei Räume beheizbar sind.
Da es keinen Wasseranschluss gibt ist der Hygienestandart eher schlecht und hängt von der Unterstützung ab. In den letzten Monaten fuhren die Unterstützer*innen regelmäßig mit einer mobilen Dusche zu dem Ort. Jedoch ist diese aktuell kaputt. Zudem können die Räumlichkeiten nicht zufriedenstellend gereinigt werden und eine medizinische Versorgung gibt es nicht. Einige leiden an Verletzungen durch die Strapazen der Flucht oder Polizeigewalt und Folgen der fehlenden Hygiene.
Hier leben die Menschen teilweise schon seit Monaten ohne eine wirkliche Perspektive auf ein Weiterkommen. Es ist beeindruckend wie sie es in einer solchen Umgebung schaffen sich gemeinsam zu organisieren und solidarisch miteinander umzugehen.
Train Station
Bei dem anderen Ort handelt es sich um leerstehende Häuser neben dem Bahnhof im Zentrum der Stadt, die seit einem 3⁄4 Jahr besetzt sind. Es sind offene, fensterlose Ruinen, ohne Heiz- und Kochmöglichkeiten, Strom oder anderer Infrastruktur. Hier ist eine höhere Fluktuation an Menschen, die meisten sind sehr jung und viele minderjährig. Ihre Situation muss insbesondere durch die extremen Temperaturen (bis -10Grad) als lebensbedrohlich beschrieben werden. Zwar werden sie mit Sachspenden (vor allem mit Decken und warmer Kleidung) unterstützt und so die physische Bedrohung minimiert, doch durch ihre Ausweglosigkeit sind sie zusätzlich psychisch extrem belastet. Hier wäre, durch die mangelnde Hygiene sowie die härteren Bedingungen, eine medizinische Versorgung noch dringlicher.
Auch die Polizei geht in der Stadt aggressiver gegen die Flüchtenden vor. So wird von gewalttätigen Übergriffen und 5-7 stündigen Ingewahrsamnahmen durch die serbische Polizei berichtet, welche versuchen die Menschen aus der Innenstadt zu vertreiben. Eine der Unterstützer*innen kommentiert ihre Eindrücke von vor Ort:
„Nach dem ersten Besuch in den alten Scheunen außerhalb waren wir schockiert. Doch als wir dann den Ort in der Stadt besuchten, konnten wir kaum fassen, wie Menschen in solchen prekären Bedingungen leben müssen.“
Keine Perspektive in Serbien und keine Weiterkommen
Serbien ist ein armes Land mit niedrigen Aufnahmequoten. Die Flüchtenden berichten von überfüllten Aufnahmelagern, die ihnen auch keine lebenswürdigen Bedingungen bieten. Der Weg in die EU ist gut gesichert: an der ungarischen Grenze gibt es zwei unter Strom stehende Zäune mit Stacheldraht, Wärmekameras mit 8km Reichweite, Wachhunde, Lautsprecher in vier Sprachen und schon beim Annähern an den Zaun gewalttätige Polizei. Sind solche Versuche dann doch einmal erfolgreich, berichteten Geflüchtete, dass es immer wieder zu illegalen und brutalen Push-Back-Aktionen kommt. Nach dem Dublin
III-Abkommen wäre Ungarn für das Asylverfahren verantwortlich, sobald ein Geflüchteter das Territorium betritt. Werden die Menschen nicht aufgenommen sondern ohne Verfahren zurückgeschickt, widerspricht dies dem geltenden Recht.
Die Fluchtgründe
Die Flüchtenden in Subotica stammen vorwiegend aus Afghanistan und einige aus dem Iran und Pakistan. Sie zeigen schreckliche Bilder aus ihre Heimat: Geköpfte Menschen, tote Kinder, blutüberströmte Mädchen und Bilder von Folterungen. Zudem sind einige von Narben gezeichnet, die Folge von Folterungen sind und die sie noch immer schmerzen. In Erzählungen wird berichtet, dass viele vor dem „Bürgerkrieg“ fliehen, in dem 41 weitere Staaten mitmischen. Diesen Einsatz beschreibt einer der Bewohner in Horgos als ein Kampf um Macht im Zusammenhang mit den afghanischen Bodenschätzen und wünscht sich, nicht in einem solchen Ölreichen Staat geboren zu sein. Sie erzählen also nicht nur vor den Taliban, sondern auch von Problemen in Folge des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Jetzt müssen sie in daran beteiligte Länder fliehen und wissen, dass es auch dort, wenn sie es schaffen sollten, nicht einfach werden wird.
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Donnerstag, 27. Dezember 2018
Pink Rose of Cairo oder der schwule Islam
che2001, 20:08h
Ständig ist in der Bloggosphäre von der Homophobie und dem Sexismus des Islam die Rede. Hier müsste allerdings eigentlich sehr zwischen Islam und Islamismus unterschieden werden. Denn der Islam an sich ist weit weniger homophob als das Christentum. In islamistischen Staaten wie dem Iran werden Schwule öffentlich an Baukränen aufgehängt, es ist aber noch nicht lange her dass Homoerotisches Auftreten unter Männern in islamischen Ländern zum guten Ton gehörte. Der politische Islamismus wiederum ist kaum älter als 40 Jahre, er ist ein Kind der sozialen Umbrüche der 1970er, des Niedergangs des arabischen Nationalismus und der Revolution im Iran sowie der Radikalisierung des Wahabismus in Saudi-Arabien.
Als ich 1989 zum ersten Mal nach Ägypten kam hatte ich das Gefühl das das Land ein Schwulenparadies sei: Überall die lächelnden Männer die eingehakt oder Hand in Hand gehen, die Anrede „Darling“ hatte ich auch sehr bald.
In arabischen Cafes ist es völlig normal, wenn Männer auf dem Diwan miteinander schmusen (oder es war 1989-1996 normal, ich weiß nicht wie das heute ist), Händchen haltende Männer sind im Straßenbild Kairos oder Assuans eine Selbstverständlichkeit. Arthur Koestlers „Diebe in der Nacht“ vermittelt den Eindruck dass das auch schon zur Zeit der jüdischen Landnahme in Palästina so war. In der Generation meines Vaters gehörte „Fahren wir nach Kairo in den Männerpuff?!“ zu einer der Standard-Stammtischschweinereien, der arabische Orient und männliche Homosexualität waren eindeutig miteinander konnotiert.
So war ich dann überrascht, dass dieser homophile Umgang von arabischen Männern untereinander von eigentlicher Homosexualität zu unterscheiden sei. Homosexualität beginnt nach dortigem Befinden erst wenn Geschlechtsverkehr stattfindet. Offen Schwule würden, obwohl Homosexualität in Ägypten nicht strafbar ist, dort durchaus verfolgt. Männer umarmen, Männer küssen, mit Männern schmusen in der Öffentlichkeit hätten auch damit zu tun dass Frauen aus dem öffentlichen Raum weitgehend verdrängt sind und Intimitäten unter Männern eine Lücke füllen. Zu einem befreundeten heterosexuellen Paar, das ständig in der Öffentlichkeit, z.B. im Bus am Knutschen war meinte Mohammed es läge nur an der ägyptischen Gastfreundlichkeit dass man sie ließe, handele es sich um ein einheimisches Pärchen hätte der Bus schon angehalten, sie wären an die frische Luft gesetzt und schlimmstenfalls gesteinigt worden.
Im traditionellen Islam gibt es eine starke schwule Tradition, Homosexualität unter Männern ist erst seit dem Sichdurchsetzen westlich geprägter Ordnungen verpönt bzw. seit dem Erstarken des Islamismus in Folge erst recht.
Ich zitiere aus der Wikipedia: „Nach Aussage des Islamwissenschaftlers Thomas Bauer ist der Islam mehr als tausend Jahre tolerant mit homosexuellen Menschen umgegangen. Bauer betont, dass sich in der arabisch-islamischen Kulturgeschichte zwischen 800 und 1800 „keine Spur von Homophobie“ feststellen lasse.[1] Aus der islamischen Literatur sind zahlreiche homoerotische Gedichte überliefert. Laut Bauer habe erst im 19. Jahrhundert der Westen im Zuge der Kolonialisierung den „Kampf gegen den unordentlichen Sex“ im Nahen Osten eingeführt. Vor dem Jahr 1979 sei in tausend Jahren kein Fall im islamischen Nahen Osten und in Nordafrika bekannt, in dem ein Mann aufgrund einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs mit einem anderen Mann strafrechtlich angeklagt worden sei.[1] Die Auffassung Bauers wird im Wesentlichen von Mounir Baatour geteilt, dem Vorsitzenden von Shams, der ersten tunesischen Organisation, die sich für die Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen einsetzt: „In Tunesien ist Homosexualität erst seit 1913 unter Strafe gestellt: Es waren die Franzosen, die den entsprechenden Paragraphen 230 einführten. Als sie Tunesien kolonisierten, brachten sie ihre Homophobie mit. Dann sind sie wieder abgezogen, doch die Homophobie blieb... Im Islam gibt es keinen einzigen authentischen religiösen Text, der Homosexualität unter eine konkrete Strafe stellt.“
Es sollte allerdings vermieden werden, die Gesellschaften des Maghreb vor der Kolonisierung oder das Osmanische Reich in dieser Hinsicht zu romantisieren bzw. ihnen positive Aspekte gegenüber dem was dann kam abzugewinnen. Im Maghreb war das eine Sklavenhaltergesellschaft mit Haremshaltung, Piraterie und Sklavenhandel als ökonomischer Grundlage ganzer Staatswesen. Aber sie waren in moralischen, gerade auch sexualmoralischen Fragen wesentlich anders als heutige islamische Gesellschaften, eher antiken Auffassungen ähnlich, und das hat etwas damit zu tun wie Tradition und Moderne in diesen Ländern zusammenstießen. Eine gesetzliche Sanktionierung von Homosexualität in der Türkei gab es erst nach dem Ende des Osmanischen Reiches, weil das von Atatürk eingeführte neue Strafgesetzbuch das von Mussolini-Italien war. Damit behaupte ich nicht dass die Strafjustiz des Osmanischen Reiches besser gewesen wäre - sie war weitaus schlimmer als die Scharia und kannte Strafen wie Pfählung und Schinden, d.h. bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Nur ist die in Gesetze gefasste Homophobie ein Kind des Westens, etwas das in der Sattelzeit mit einer spezifischen Form von Bio-Macht, die den Typus des weißen heterosexuellen patriarchalen disziplinierten arbeitenden Mannes zu positiven Norm formte erst erfunden wurde – und in den muslimischen Gesellschaften in der Nachbarschaft heutzutage verfestigter auftritt als im Westen selbst.
https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t_im_Islam
http://lysis.blogsport.de/2008/07/15/coming-soon/
Elisabeth Décultot, Daniel Fulda (Hrsg.): Sattelzeit. Historiographiegeschichtliche Revisionen (= Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 52). Berlin: Oldenbourg Verlag 2016. ISBN 978-3-11-044968-6 Rezension auf hsozkult
Reinhart Koselleck: Einleitung, in: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, Klett Cotta, Stuttgart 1979, S. XV
Als ich 1989 zum ersten Mal nach Ägypten kam hatte ich das Gefühl das das Land ein Schwulenparadies sei: Überall die lächelnden Männer die eingehakt oder Hand in Hand gehen, die Anrede „Darling“ hatte ich auch sehr bald.
In arabischen Cafes ist es völlig normal, wenn Männer auf dem Diwan miteinander schmusen (oder es war 1989-1996 normal, ich weiß nicht wie das heute ist), Händchen haltende Männer sind im Straßenbild Kairos oder Assuans eine Selbstverständlichkeit. Arthur Koestlers „Diebe in der Nacht“ vermittelt den Eindruck dass das auch schon zur Zeit der jüdischen Landnahme in Palästina so war. In der Generation meines Vaters gehörte „Fahren wir nach Kairo in den Männerpuff?!“ zu einer der Standard-Stammtischschweinereien, der arabische Orient und männliche Homosexualität waren eindeutig miteinander konnotiert.
So war ich dann überrascht, dass dieser homophile Umgang von arabischen Männern untereinander von eigentlicher Homosexualität zu unterscheiden sei. Homosexualität beginnt nach dortigem Befinden erst wenn Geschlechtsverkehr stattfindet. Offen Schwule würden, obwohl Homosexualität in Ägypten nicht strafbar ist, dort durchaus verfolgt. Männer umarmen, Männer küssen, mit Männern schmusen in der Öffentlichkeit hätten auch damit zu tun dass Frauen aus dem öffentlichen Raum weitgehend verdrängt sind und Intimitäten unter Männern eine Lücke füllen. Zu einem befreundeten heterosexuellen Paar, das ständig in der Öffentlichkeit, z.B. im Bus am Knutschen war meinte Mohammed es läge nur an der ägyptischen Gastfreundlichkeit dass man sie ließe, handele es sich um ein einheimisches Pärchen hätte der Bus schon angehalten, sie wären an die frische Luft gesetzt und schlimmstenfalls gesteinigt worden.
Im traditionellen Islam gibt es eine starke schwule Tradition, Homosexualität unter Männern ist erst seit dem Sichdurchsetzen westlich geprägter Ordnungen verpönt bzw. seit dem Erstarken des Islamismus in Folge erst recht.
Ich zitiere aus der Wikipedia: „Nach Aussage des Islamwissenschaftlers Thomas Bauer ist der Islam mehr als tausend Jahre tolerant mit homosexuellen Menschen umgegangen. Bauer betont, dass sich in der arabisch-islamischen Kulturgeschichte zwischen 800 und 1800 „keine Spur von Homophobie“ feststellen lasse.[1] Aus der islamischen Literatur sind zahlreiche homoerotische Gedichte überliefert. Laut Bauer habe erst im 19. Jahrhundert der Westen im Zuge der Kolonialisierung den „Kampf gegen den unordentlichen Sex“ im Nahen Osten eingeführt. Vor dem Jahr 1979 sei in tausend Jahren kein Fall im islamischen Nahen Osten und in Nordafrika bekannt, in dem ein Mann aufgrund einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs mit einem anderen Mann strafrechtlich angeklagt worden sei.[1] Die Auffassung Bauers wird im Wesentlichen von Mounir Baatour geteilt, dem Vorsitzenden von Shams, der ersten tunesischen Organisation, die sich für die Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen einsetzt: „In Tunesien ist Homosexualität erst seit 1913 unter Strafe gestellt: Es waren die Franzosen, die den entsprechenden Paragraphen 230 einführten. Als sie Tunesien kolonisierten, brachten sie ihre Homophobie mit. Dann sind sie wieder abgezogen, doch die Homophobie blieb... Im Islam gibt es keinen einzigen authentischen religiösen Text, der Homosexualität unter eine konkrete Strafe stellt.“
Es sollte allerdings vermieden werden, die Gesellschaften des Maghreb vor der Kolonisierung oder das Osmanische Reich in dieser Hinsicht zu romantisieren bzw. ihnen positive Aspekte gegenüber dem was dann kam abzugewinnen. Im Maghreb war das eine Sklavenhaltergesellschaft mit Haremshaltung, Piraterie und Sklavenhandel als ökonomischer Grundlage ganzer Staatswesen. Aber sie waren in moralischen, gerade auch sexualmoralischen Fragen wesentlich anders als heutige islamische Gesellschaften, eher antiken Auffassungen ähnlich, und das hat etwas damit zu tun wie Tradition und Moderne in diesen Ländern zusammenstießen. Eine gesetzliche Sanktionierung von Homosexualität in der Türkei gab es erst nach dem Ende des Osmanischen Reiches, weil das von Atatürk eingeführte neue Strafgesetzbuch das von Mussolini-Italien war. Damit behaupte ich nicht dass die Strafjustiz des Osmanischen Reiches besser gewesen wäre - sie war weitaus schlimmer als die Scharia und kannte Strafen wie Pfählung und Schinden, d.h. bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Nur ist die in Gesetze gefasste Homophobie ein Kind des Westens, etwas das in der Sattelzeit mit einer spezifischen Form von Bio-Macht, die den Typus des weißen heterosexuellen patriarchalen disziplinierten arbeitenden Mannes zu positiven Norm formte erst erfunden wurde – und in den muslimischen Gesellschaften in der Nachbarschaft heutzutage verfestigter auftritt als im Westen selbst.
https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t_im_Islam
http://lysis.blogsport.de/2008/07/15/coming-soon/
Elisabeth Décultot, Daniel Fulda (Hrsg.): Sattelzeit. Historiographiegeschichtliche Revisionen (= Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 52). Berlin: Oldenbourg Verlag 2016. ISBN 978-3-11-044968-6 Rezension auf hsozkult
Reinhart Koselleck: Einleitung, in: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, Klett Cotta, Stuttgart 1979, S. XV
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Freitag, 21. Dezember 2018
Wo jo@chim Recht hat hat er recht oder warum Dobrindt nicht zu Deutschland gehört
che2001, 14:01h
Die Welt weiß dass Jo@chim und ich keine Freunde sind. Trotzdem ist diesem Beitrag hier zuzustimmen, und es ist eine Polemik die ich gerne lese:
http://www.antibuerokratieteam.net/2018/03/21/dobrindt-gehoert-nicht-zu-deutschland/
http://www.antibuerokratieteam.net/2018/03/21/dobrindt-gehoert-nicht-zu-deutschland/
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Dienstag, 18. Dezember 2018
MdB Filiz Polat zum Thema Flucht und Migration im Bundestag
che2001, 18:28h
UN Pakte für Flüchtlinge und Migrant*innen
Der UN-Migrationspakt und der UN-Flüchtlingspakt standen in den letzten Wochen stark im Fokus der Öffentlichkeit. Die AfD nutzte jede Gelegenheit, um ihr verschwörungstheoretisches Narrativ zu verbreiten. Nicht zuletzt mit ihrer Massenpetition, die mittlerweile leider über 100.000 Mitzeichner*innen erhalten hat. In drei Reden verteidigten Agnieszka, Filiz und Luise den Multilateralismus und die Bedeutung des Pakets für die Rechte von Migrant*innen und geflüchtete Menschen.
Fachkräfte-Einwanderungsgesetz
Die große Koalition hat sich auf einen ersten Referentenentwurf für ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz verständigt, welches ein Formelkompromiss ist, wie er im Buche steht. Es werden Einwanderungswege gezeichnet, die so verbaut sind und so unbegehbar gemacht werden, dass kaum jemand darüber kommen kann. Wir Grünen im Bundestag fordern bereits seit Jahren ein unbürokratisches und transparentes Einwanderungsgesetz (mehr dazu auf der Fraktionsseite). Den „Spurwechsel“ sucht man sogar vergeblich. Im Gegenteil wird neben der Ausweitung von Arbeitsverboten die Ausbildungsduldung (3+2 Regelung) verschärft und eine Beschäftigungsduldung geschaffen, die eher Unsicherheiten produzieren wird, statt Perspektiven für Geduldete aufzuzeigen. Wir Grünen haben deshalb einen Vorschlag vorgelegt, der ein wirksames Bleiberecht für Geduldete ermöglicht. Jetzt ist es an der Bundesregierung und auch den Bundesländern zu zeigen, dass es hier tatsächlich um Lösungen geht (hier geht es zur PM).
Gründung einer Parlamentsgruppe Seenotrettung
Abgeordnete aller fünf demokratischer Fraktionen im Bundestag folgten Luises Einladung zur Gründung einer Parlamentsgruppe „Seenotrettung“. Angesichts der in jüngster Vergangenheit häufig unsachlich und destruktiv geführten Diskussion um das Thema, bei gleichzeitiger Relevanz aufgrund der anhaltenden Dramatik auf dem Mittelmeer, war dies der Versuch, diesem ernsten Thema ein Forum zu bieten. Luise leitet und koordiniert die Gruppe, die sich bei ihrer konstituierenden Sitzung zum Ziel gesetzt hat, abseits aller politischen Unterschiede, sich in regelmäßigen Abständen diesem wichtigen Thema zu widmen und dazu aktiv zu werden und alle relevanten Akteure auf dem Mittelmeer einen Gesprächsrahmen mit Abgeordneten zu bieten.
Änderung des Asylgesetzes
Am 09.11.2018 befassten wir uns in einer Sachverständigenanhörung und im Plenum erneut mit dem Gesetzesentwurf zur Änderung des Asylgesetzes der GroKo, mit der die Festschreibung von Mitwirkungspflichten in Widerrufs- und Rücknahmeverfahren eingeführt werden. Anlasslos sollen im Grunde alle Asylbescheide ab 2015 erneut überprüft werden. Dies ist europarechtswidrig wie der DAV und der UNHCR in der Anhörung deutlich machten. Eine solche Maßnahme dürfe nur erfolgen, wenn dem Staat konkrete Anhaltspunkte für einen Widerruf vorliegen oder sich die Lage im Herkunftsland geändert habe. Die Nachweispflicht liegt hier auf Seiten des Staates. Dies ignoriert die Bundesregierung. Die katastrophale Folge: alle Asylberechtigten werden demnächst Post vom BAMF bekommen und aufgefordert, an ihrem eigenen Widerrufsverfahren mitzuwirken. Tun sie dies nicht, droht ihnen Zwangsgeld oder gar eine Zwangshaft. Ein Skandal wie wir finden. So wird aus dem Behördenversagen einen Makel der Geflüchteten. Schaut euch hier die Rede von Filiz dazu an.
Sichere Herkunftsstaaten
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Einstufung Algeriens, Marokkos, Tunesiens und Georgiens als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten vorgelegt. Luise hat in ihrer Rede deutlich gemacht, dass die drei Maghreb-Staaten die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nach welcher „Verfolgungsfreiheit im ganzen Land für alle Gruppen herrschen müsse" nicht erfüllen. Absurd ist, dass die Bundesregierung selbst in der Begründung des Gesetzentwurfs zahlreiche Menschenrechtsverletzungen auflistet: Berichte über Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam und Haftanstalten, Straflosigkeit von Beamten in solchen Misshandlungsfällen und die gesetzlich angelegte Verfolgung von Homosexualität. Hinzu kommt nach Grüner Auffassung, dass das Mittel der Einstufung großen außenpolitischen Schaden anrichten kann wenn er einseitig innenpolitischen Interessen folgt. Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen.
Verpflichtungserklärung für syrische Geflüchtete
Die Bundesregierung verschleppt das Problem der Rückforderungen gegenüber Bürginnen und Bürgen, die sich im Rahmen einer Verpflichtungserklärung zur Übernahme von Kosten für die Aufnahme von syrischen Geflüchteten bereiterklärt hatten. Wir fordern Bund und Länder auf, endlich eine verträgliche Lösung im Sinne der Verpflichtungsgeber*innen zu finden. Es ist ein fatales Zeichen, dass Menschen, die geholfen haben, nun mit den Folgen allein gelassen werden (PM und Themenspecial).
BMI Rückführungskampagne
Im Zusammenhang mit der geschmacklosen bundesweiten Plakatkampagne des BMI „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt.“ haben wir nachgehakt (Fragen 85 und 86), wieviel sich das BMI diese befremdliche Kampagne hat kosten lassen: zum 23.11.2018 waren es 301.000 €, insgesamt stehen 500.000 € zur Verfügung. Statt verunsichernden Plakaten brauchen wir flächendeckend unabhängige Asylverfahrensberatungen, unabhängige und ergebnisoffene Rückkehrberatungen und eine Investition in tatsächliche Perspektiven für die Betroffenen.
Integrationskosten
Wir haben uns auch wieder mit der Unterstützung der Länder und Kommunen durch den Bund im Bereich der Flüchtlings- und Integrationskosten beschäftigt. Der Vorschlag der Bundesregierung ist enttäuschend, da die jetzige Regelung nur Stückwerk bleibt. Was wir brauchen ist eine auskömmliche und verlässliche Entlastung, gerade der Kommunen. Aber zu den hierfür notwendigen strukturellen Lösungen sind sie weder willens noch in der Lage. Stefan Schmidt macht in seiner Rede deutlich, warum die Fortschreibung der bisherigen Vereinbarungen eine verpasste Chance ist.
Afghanistan-Abschiebungen
Fast täglich gibt es Meldungen über neue Anschläge in Afghanistan. Die Sicherheitslage ist so fragil, wie seit Jahren nicht mehr. Allein in den letzten zwei Wochen sind Dutzende Menschen Anschlägen und gezielten Angriffen zum Opfer gefallen. Luise hat sich in ihrer Rede daher klar für einen Abschiebestopp nach Afghanistan ausgesprochen. Auch die Heinrich Böll Stiftung hat dazu eine Konferenz „Abschiebung in ein umkämpftes Land: Die politische Zukunft Afghanistans und die deutsche Asyl- und Abschiebepolitik“ veranstalten, zu der Luise neben Omid Nouripour als Vertreterin der Grünen Bundestagsfraktion gesprochen hat.
Geführte Gespräche
Zu aktuellen Fragen in der Flüchtlingspolitik hat Luise sich unter anderem mit Human Rights Watch zu Libyen, Gerald Knaus von der „European Stability Initiave“ zur europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik und auf Einladung der Konrad Adenauer Stiftung mit 20 jungen Politiker*innen aus der MENA Region getroffen.
In Filiz Kalender spielten der Austausch mit Vertreter*innen von Minderheiten (Beratender Ausschuss Sinti und Roma, Gesprächskreistreffen des Minderheitensekretariat, Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten), sowie Vertreter*innen von Migrantenselbstorganisationen (Dachverband der Migrantenorganisationen in Ostdeutschland, Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI)) eine wichtige Rolle."
!!! Spendenaufruf!!!
Luise hat zudem Dr. Sascha Schießl eingeladen, der von der derzeitigen flüchtlingspolitische Lage auf dem Westbalkan berichtet hat. Seit Anfang des Jahres stranden immer mehr Schutzsuchende auf ihrem Weg nach Europa in Bosnien, wo sie ohne angemessene Versorgung und Unterbringung sowie ohne Aussicht auf Schutz ausharren müssen. Angesichts der drohenden humanitären Katastrophe durch den Winter wird Luise hierzu die Bundesregierung befragen. Ihr könnt Euch für die in Bosnien festsitzenden Geflüchteten einsetzen, indem ihr spendet und den Spendenlink teilt: https://www.leetchi.com/c/yalla-yalla-europe-supporting-refugees-along-the-balkan-route
--
Filiz Polat MdB
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag
Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik und Obfrau im Innenausschuss
Der UN-Migrationspakt und der UN-Flüchtlingspakt standen in den letzten Wochen stark im Fokus der Öffentlichkeit. Die AfD nutzte jede Gelegenheit, um ihr verschwörungstheoretisches Narrativ zu verbreiten. Nicht zuletzt mit ihrer Massenpetition, die mittlerweile leider über 100.000 Mitzeichner*innen erhalten hat. In drei Reden verteidigten Agnieszka, Filiz und Luise den Multilateralismus und die Bedeutung des Pakets für die Rechte von Migrant*innen und geflüchtete Menschen.
Fachkräfte-Einwanderungsgesetz
Die große Koalition hat sich auf einen ersten Referentenentwurf für ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz verständigt, welches ein Formelkompromiss ist, wie er im Buche steht. Es werden Einwanderungswege gezeichnet, die so verbaut sind und so unbegehbar gemacht werden, dass kaum jemand darüber kommen kann. Wir Grünen im Bundestag fordern bereits seit Jahren ein unbürokratisches und transparentes Einwanderungsgesetz (mehr dazu auf der Fraktionsseite). Den „Spurwechsel“ sucht man sogar vergeblich. Im Gegenteil wird neben der Ausweitung von Arbeitsverboten die Ausbildungsduldung (3+2 Regelung) verschärft und eine Beschäftigungsduldung geschaffen, die eher Unsicherheiten produzieren wird, statt Perspektiven für Geduldete aufzuzeigen. Wir Grünen haben deshalb einen Vorschlag vorgelegt, der ein wirksames Bleiberecht für Geduldete ermöglicht. Jetzt ist es an der Bundesregierung und auch den Bundesländern zu zeigen, dass es hier tatsächlich um Lösungen geht (hier geht es zur PM).
Gründung einer Parlamentsgruppe Seenotrettung
Abgeordnete aller fünf demokratischer Fraktionen im Bundestag folgten Luises Einladung zur Gründung einer Parlamentsgruppe „Seenotrettung“. Angesichts der in jüngster Vergangenheit häufig unsachlich und destruktiv geführten Diskussion um das Thema, bei gleichzeitiger Relevanz aufgrund der anhaltenden Dramatik auf dem Mittelmeer, war dies der Versuch, diesem ernsten Thema ein Forum zu bieten. Luise leitet und koordiniert die Gruppe, die sich bei ihrer konstituierenden Sitzung zum Ziel gesetzt hat, abseits aller politischen Unterschiede, sich in regelmäßigen Abständen diesem wichtigen Thema zu widmen und dazu aktiv zu werden und alle relevanten Akteure auf dem Mittelmeer einen Gesprächsrahmen mit Abgeordneten zu bieten.
Änderung des Asylgesetzes
Am 09.11.2018 befassten wir uns in einer Sachverständigenanhörung und im Plenum erneut mit dem Gesetzesentwurf zur Änderung des Asylgesetzes der GroKo, mit der die Festschreibung von Mitwirkungspflichten in Widerrufs- und Rücknahmeverfahren eingeführt werden. Anlasslos sollen im Grunde alle Asylbescheide ab 2015 erneut überprüft werden. Dies ist europarechtswidrig wie der DAV und der UNHCR in der Anhörung deutlich machten. Eine solche Maßnahme dürfe nur erfolgen, wenn dem Staat konkrete Anhaltspunkte für einen Widerruf vorliegen oder sich die Lage im Herkunftsland geändert habe. Die Nachweispflicht liegt hier auf Seiten des Staates. Dies ignoriert die Bundesregierung. Die katastrophale Folge: alle Asylberechtigten werden demnächst Post vom BAMF bekommen und aufgefordert, an ihrem eigenen Widerrufsverfahren mitzuwirken. Tun sie dies nicht, droht ihnen Zwangsgeld oder gar eine Zwangshaft. Ein Skandal wie wir finden. So wird aus dem Behördenversagen einen Makel der Geflüchteten. Schaut euch hier die Rede von Filiz dazu an.
Sichere Herkunftsstaaten
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Einstufung Algeriens, Marokkos, Tunesiens und Georgiens als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten vorgelegt. Luise hat in ihrer Rede deutlich gemacht, dass die drei Maghreb-Staaten die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nach welcher „Verfolgungsfreiheit im ganzen Land für alle Gruppen herrschen müsse" nicht erfüllen. Absurd ist, dass die Bundesregierung selbst in der Begründung des Gesetzentwurfs zahlreiche Menschenrechtsverletzungen auflistet: Berichte über Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam und Haftanstalten, Straflosigkeit von Beamten in solchen Misshandlungsfällen und die gesetzlich angelegte Verfolgung von Homosexualität. Hinzu kommt nach Grüner Auffassung, dass das Mittel der Einstufung großen außenpolitischen Schaden anrichten kann wenn er einseitig innenpolitischen Interessen folgt. Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen.
Verpflichtungserklärung für syrische Geflüchtete
Die Bundesregierung verschleppt das Problem der Rückforderungen gegenüber Bürginnen und Bürgen, die sich im Rahmen einer Verpflichtungserklärung zur Übernahme von Kosten für die Aufnahme von syrischen Geflüchteten bereiterklärt hatten. Wir fordern Bund und Länder auf, endlich eine verträgliche Lösung im Sinne der Verpflichtungsgeber*innen zu finden. Es ist ein fatales Zeichen, dass Menschen, die geholfen haben, nun mit den Folgen allein gelassen werden (PM und Themenspecial).
BMI Rückführungskampagne
Im Zusammenhang mit der geschmacklosen bundesweiten Plakatkampagne des BMI „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt.“ haben wir nachgehakt (Fragen 85 und 86), wieviel sich das BMI diese befremdliche Kampagne hat kosten lassen: zum 23.11.2018 waren es 301.000 €, insgesamt stehen 500.000 € zur Verfügung. Statt verunsichernden Plakaten brauchen wir flächendeckend unabhängige Asylverfahrensberatungen, unabhängige und ergebnisoffene Rückkehrberatungen und eine Investition in tatsächliche Perspektiven für die Betroffenen.
Integrationskosten
Wir haben uns auch wieder mit der Unterstützung der Länder und Kommunen durch den Bund im Bereich der Flüchtlings- und Integrationskosten beschäftigt. Der Vorschlag der Bundesregierung ist enttäuschend, da die jetzige Regelung nur Stückwerk bleibt. Was wir brauchen ist eine auskömmliche und verlässliche Entlastung, gerade der Kommunen. Aber zu den hierfür notwendigen strukturellen Lösungen sind sie weder willens noch in der Lage. Stefan Schmidt macht in seiner Rede deutlich, warum die Fortschreibung der bisherigen Vereinbarungen eine verpasste Chance ist.
Afghanistan-Abschiebungen
Fast täglich gibt es Meldungen über neue Anschläge in Afghanistan. Die Sicherheitslage ist so fragil, wie seit Jahren nicht mehr. Allein in den letzten zwei Wochen sind Dutzende Menschen Anschlägen und gezielten Angriffen zum Opfer gefallen. Luise hat sich in ihrer Rede daher klar für einen Abschiebestopp nach Afghanistan ausgesprochen. Auch die Heinrich Böll Stiftung hat dazu eine Konferenz „Abschiebung in ein umkämpftes Land: Die politische Zukunft Afghanistans und die deutsche Asyl- und Abschiebepolitik“ veranstalten, zu der Luise neben Omid Nouripour als Vertreterin der Grünen Bundestagsfraktion gesprochen hat.
Geführte Gespräche
Zu aktuellen Fragen in der Flüchtlingspolitik hat Luise sich unter anderem mit Human Rights Watch zu Libyen, Gerald Knaus von der „European Stability Initiave“ zur europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik und auf Einladung der Konrad Adenauer Stiftung mit 20 jungen Politiker*innen aus der MENA Region getroffen.
In Filiz Kalender spielten der Austausch mit Vertreter*innen von Minderheiten (Beratender Ausschuss Sinti und Roma, Gesprächskreistreffen des Minderheitensekretariat, Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten), sowie Vertreter*innen von Migrantenselbstorganisationen (Dachverband der Migrantenorganisationen in Ostdeutschland, Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI)) eine wichtige Rolle."
!!! Spendenaufruf!!!
Luise hat zudem Dr. Sascha Schießl eingeladen, der von der derzeitigen flüchtlingspolitische Lage auf dem Westbalkan berichtet hat. Seit Anfang des Jahres stranden immer mehr Schutzsuchende auf ihrem Weg nach Europa in Bosnien, wo sie ohne angemessene Versorgung und Unterbringung sowie ohne Aussicht auf Schutz ausharren müssen. Angesichts der drohenden humanitären Katastrophe durch den Winter wird Luise hierzu die Bundesregierung befragen. Ihr könnt Euch für die in Bosnien festsitzenden Geflüchteten einsetzen, indem ihr spendet und den Spendenlink teilt: https://www.leetchi.com/c/yalla-yalla-europe-supporting-refugees-along-the-balkan-route
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Filiz Polat MdB
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag
Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik und Obfrau im Innenausschuss
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Donnerstag, 22. November 2018
Pro Asyl stellt klar - Fakten zu Syrien
che2001, 11:07h
Presseerklärung
21. November 2018
Syrien ist nicht nur unsicher – es findet auch politische Verfolgung weiterhin statt
PRO ASYL: Lagebericht des Auswärtigen Amtes entzieht absurder Rechtsprechung die Grundlage
Nachdem Teile des Lageberichts des Auswärtigen Amtes zur Situation in Syrien in den Medien zitiert worden sind, ist deutlich: Syrien ist nicht nur vor dem Hintergrund immer noch stattfindender Kämpfe unsicher, es findet auch von Seiten des Regimes in großem Stil politische Verfolgung statt. Dieses Faktum festzuhalten ist wichtig, denn das Bundesamt und ein Teil der deutschen Verwaltungsgerichte haben längst begonnen, das Vorgehen des Assad-Regimes gegen alle, denen irgendeine oppositionelle Regung unterstellt wird, zu bagatellisieren. Syrische Asylsuchende in Deutschland erhalten immer häufiger nur noch den sogenannten subsidiären Schutz, wodurch ihnen beispielsweise ein Familiennachzug de facto verwehrt bleibt. Der Flüchtlingsschutz aus der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) wird ihnen vorenthalten.
Wenn aber der aktuelle Lagebericht darauf hinweist, dass Polizei, Justizvollzugsbeamte, Sicherheits- und Geheimdienste systematisch Folter anwenden, insbesondere gegen Oppositionelle oder Menschen, die vom Regime als oppositionell eingestuft werden, dann wird damit die Allgegenwart und Intensität politischer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention deutlich beschrieben. Sippenhaft – und damit verbunden auch die Folter an Kindern – »für vom Regime als feindlich angesehene Aktivitäten anderer Familienmitglieder«: Wie anders sollte dies anders einzuordnen sein als eine Form gezielter politischer Verfolgung?
Vor diesem Hintergrund ist es skandalös, dass in den letzten Jahren immer mehr syrische Flüchtlinge nur noch den subsidiären Schutz aufgrund allgemeiner Unsicherheit und des militärischen Konfliktes erhalten. Während 2015 der Anteil des subsidiären Schutzes unter den Anerkennungen (bereinigt) noch bei 0,1 Prozent lag, stieg er seither stark an. Im ersten Halbjahr 2018 hieß die Mehrzahl der positiven Entscheidungen für Syrerinnen und Syrer »subsidiärer Schutz«, nämlich 55 Prozent.
PRO ASYL hat den Innenministerien des Bundes und der Länder im Vorfeld der Innenministerkonferenz bereits vor Bekanntwerden des aktuellen Lageberichtes seine Auffassung übermittelt, dass Flüchtlingen aus Syrien GFK-Flüchtlingsschutz zusteht, weil das Assad-Regime brutal vorgeht wie eh und je.
Mit welcher Wortklauberei bis in die Verwaltungsgerichte hinein das Gegenteil vertreten wird zeigt eine Entscheidung des OVG NRW vom 3. September 2018. Dort sieht man offenbar Syriens Regime bereits auf dem Weg in die Normalität. In der Urteilsbegründung heißt es, die Herkunft aus oppositionellen Gebieten in Syrien begründe ohne Hinzutreten individueller Umstände keine beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung. Dies ergebe »sich im Übrigen aus der Tatsache, dass die syrische Regierung weite Teile ehemaliger Rebellengebiete zurückerobert hat (etwa in und um Aleppo und Daraa), ohne dass von politischer Verfolgung der Bevölkerung in diesen Gebieten über das Maß hinaus berichtet wird, das in allen von der Regierung beherrschten Teilen Syriens vorzufinden ist.« Die ganze Ignoranz der Realität in Syrien auf Papier gebracht, denn erstens: Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes müsste die Argumentation mit ihrem Hinweis auf angeblich fehlende Quellen vom Tisch sein. Zweitens: Wenn überall brutale, politische Verfolgung in Syrien an der Tagesordnung ist – welches „Mehr“ braucht das OVG, damit sein Maß voll ist?
Doch es kommt noch schlimmer: Das OVG NRW ist der Auffassung, das syrische Regime unterstelle der Bevölkerung oppositionell beherrschter Gebiete nicht pauschal eine ihm feindliche Gesinnung. Das zeige auch die Tatsache, dass es bei Kapitulationsverhandlungen nur verlange, die jungen Männer der Region sollten in die syrische Armee eintreten: »Würde man diese Personen als Gegner betrachten, würde man sie nicht in den eigenen Reihen kämpfen lassen, sondern zumindest inhaftieren, um nicht die eigenen Soldaten zu gefährden« behauptet das Oberverwaltungsgericht. Im Gegensatz zu den Aussagen des OVG NRW schätzt das Auswärtige Amt Berichte über Verhaftungen und Zwangsrekrutierungen in zuletzt zurückeroberten Gebieten wie Daraa und Ost-Ghouta als glaubhaft ein. Laut Lagebericht werden junge Männer häufig vor die Wahl gestellt, an vorderster Front zu kämpfen oder sich den – für Menschenrechtsverletzungen berüchtigten – Milizen des Regimes anzuschließen. Der Missbrauch der Anti-Terror-Gesetze zur politischen Repression treffe auch zurückkehrende Wehrpflichtige, was drakonische Straften nach sich ziehe.
In Abweichungen von einigen anderen Oberverwaltungsgerichten, hält das OVG NRW trotzköpfig daran fest, dass die mögliche Bestrafung von Wehrdienstentziehern nicht an eine ihnen unterstellte regimefeindliche Gesinnung anknüpfe. Was die Richterkollegen etwa vom Sächsischen OVG als Quellen für die politische Verfolgung von Wehrdienstentziehern anführen, wischt das OVG NRW vom Tisch. Die vom Sächsischen OVG genannten Quellen würden »alleine die scharfe Bekämpfung von Wehrdienstentziehern durch den syrischen Staat« belegen, »was sich ohne Bezug zur politischen Verfolgungsgründen aus der militärischen Situation und dem sich daraus ergebenden Anreiz erklärt, die Disziplin durch gewaltsam-brutales Vorgehen aufrecht zu erhalten. Das Sächsische OVG bleibt daher ebenso wie auch die anderen abweichenden Obergerichte hinsichtlich der Frage der Verknüpfung von Verfolgungshandlung mit Verfolgungsgründen dem vordergründigen der Diktatur- und Gewaltorientiertheit des Regimes verhaftet, ohne dessen Interessenlage in den Blick zu nehmen.« Die rohe Gewalt des Assad-Regimes diene demnach also der bloßen Erhaltung militärischer Disziplin. Sie stellt für die Münsteraner Richter, wenn sie Wehrdienstentzieher trifft, keine politische Verfolgung dar – und das angesichts der allgegenwärtigen politischen Verfolgung durch die syrische Diktatur. Man würde gerne wissen, wie der 14. Senat des OVG NRW das brutale Vorgehen des Naziregimes gegen Wehrdienstentzieher und Deserteure beurteilt hätte. Diesen Vergleich haben auch nach Beginn dieser Linie in der OVG-Rechtsprechung im Jahr 2017 Politiker bis hinein in die CDU gezogen.
Nach dem jüngsten Lageberichts des AA müsste eigentlich Schluss sein mit solchen abwegigen Argumentationsfiguren. Sicher kann man sich dessen nicht sein, denn das Assad-Regime hatte bereits vor dem syrischen Bürgerkrieg Freunde und Unterstützer in der deutschen Politik und Justiz.
21. November 2018
Syrien ist nicht nur unsicher – es findet auch politische Verfolgung weiterhin statt
PRO ASYL: Lagebericht des Auswärtigen Amtes entzieht absurder Rechtsprechung die Grundlage
Nachdem Teile des Lageberichts des Auswärtigen Amtes zur Situation in Syrien in den Medien zitiert worden sind, ist deutlich: Syrien ist nicht nur vor dem Hintergrund immer noch stattfindender Kämpfe unsicher, es findet auch von Seiten des Regimes in großem Stil politische Verfolgung statt. Dieses Faktum festzuhalten ist wichtig, denn das Bundesamt und ein Teil der deutschen Verwaltungsgerichte haben längst begonnen, das Vorgehen des Assad-Regimes gegen alle, denen irgendeine oppositionelle Regung unterstellt wird, zu bagatellisieren. Syrische Asylsuchende in Deutschland erhalten immer häufiger nur noch den sogenannten subsidiären Schutz, wodurch ihnen beispielsweise ein Familiennachzug de facto verwehrt bleibt. Der Flüchtlingsschutz aus der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) wird ihnen vorenthalten.
Wenn aber der aktuelle Lagebericht darauf hinweist, dass Polizei, Justizvollzugsbeamte, Sicherheits- und Geheimdienste systematisch Folter anwenden, insbesondere gegen Oppositionelle oder Menschen, die vom Regime als oppositionell eingestuft werden, dann wird damit die Allgegenwart und Intensität politischer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention deutlich beschrieben. Sippenhaft – und damit verbunden auch die Folter an Kindern – »für vom Regime als feindlich angesehene Aktivitäten anderer Familienmitglieder«: Wie anders sollte dies anders einzuordnen sein als eine Form gezielter politischer Verfolgung?
Vor diesem Hintergrund ist es skandalös, dass in den letzten Jahren immer mehr syrische Flüchtlinge nur noch den subsidiären Schutz aufgrund allgemeiner Unsicherheit und des militärischen Konfliktes erhalten. Während 2015 der Anteil des subsidiären Schutzes unter den Anerkennungen (bereinigt) noch bei 0,1 Prozent lag, stieg er seither stark an. Im ersten Halbjahr 2018 hieß die Mehrzahl der positiven Entscheidungen für Syrerinnen und Syrer »subsidiärer Schutz«, nämlich 55 Prozent.
PRO ASYL hat den Innenministerien des Bundes und der Länder im Vorfeld der Innenministerkonferenz bereits vor Bekanntwerden des aktuellen Lageberichtes seine Auffassung übermittelt, dass Flüchtlingen aus Syrien GFK-Flüchtlingsschutz zusteht, weil das Assad-Regime brutal vorgeht wie eh und je.
Mit welcher Wortklauberei bis in die Verwaltungsgerichte hinein das Gegenteil vertreten wird zeigt eine Entscheidung des OVG NRW vom 3. September 2018. Dort sieht man offenbar Syriens Regime bereits auf dem Weg in die Normalität. In der Urteilsbegründung heißt es, die Herkunft aus oppositionellen Gebieten in Syrien begründe ohne Hinzutreten individueller Umstände keine beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung. Dies ergebe »sich im Übrigen aus der Tatsache, dass die syrische Regierung weite Teile ehemaliger Rebellengebiete zurückerobert hat (etwa in und um Aleppo und Daraa), ohne dass von politischer Verfolgung der Bevölkerung in diesen Gebieten über das Maß hinaus berichtet wird, das in allen von der Regierung beherrschten Teilen Syriens vorzufinden ist.« Die ganze Ignoranz der Realität in Syrien auf Papier gebracht, denn erstens: Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes müsste die Argumentation mit ihrem Hinweis auf angeblich fehlende Quellen vom Tisch sein. Zweitens: Wenn überall brutale, politische Verfolgung in Syrien an der Tagesordnung ist – welches „Mehr“ braucht das OVG, damit sein Maß voll ist?
Doch es kommt noch schlimmer: Das OVG NRW ist der Auffassung, das syrische Regime unterstelle der Bevölkerung oppositionell beherrschter Gebiete nicht pauschal eine ihm feindliche Gesinnung. Das zeige auch die Tatsache, dass es bei Kapitulationsverhandlungen nur verlange, die jungen Männer der Region sollten in die syrische Armee eintreten: »Würde man diese Personen als Gegner betrachten, würde man sie nicht in den eigenen Reihen kämpfen lassen, sondern zumindest inhaftieren, um nicht die eigenen Soldaten zu gefährden« behauptet das Oberverwaltungsgericht. Im Gegensatz zu den Aussagen des OVG NRW schätzt das Auswärtige Amt Berichte über Verhaftungen und Zwangsrekrutierungen in zuletzt zurückeroberten Gebieten wie Daraa und Ost-Ghouta als glaubhaft ein. Laut Lagebericht werden junge Männer häufig vor die Wahl gestellt, an vorderster Front zu kämpfen oder sich den – für Menschenrechtsverletzungen berüchtigten – Milizen des Regimes anzuschließen. Der Missbrauch der Anti-Terror-Gesetze zur politischen Repression treffe auch zurückkehrende Wehrpflichtige, was drakonische Straften nach sich ziehe.
In Abweichungen von einigen anderen Oberverwaltungsgerichten, hält das OVG NRW trotzköpfig daran fest, dass die mögliche Bestrafung von Wehrdienstentziehern nicht an eine ihnen unterstellte regimefeindliche Gesinnung anknüpfe. Was die Richterkollegen etwa vom Sächsischen OVG als Quellen für die politische Verfolgung von Wehrdienstentziehern anführen, wischt das OVG NRW vom Tisch. Die vom Sächsischen OVG genannten Quellen würden »alleine die scharfe Bekämpfung von Wehrdienstentziehern durch den syrischen Staat« belegen, »was sich ohne Bezug zur politischen Verfolgungsgründen aus der militärischen Situation und dem sich daraus ergebenden Anreiz erklärt, die Disziplin durch gewaltsam-brutales Vorgehen aufrecht zu erhalten. Das Sächsische OVG bleibt daher ebenso wie auch die anderen abweichenden Obergerichte hinsichtlich der Frage der Verknüpfung von Verfolgungshandlung mit Verfolgungsgründen dem vordergründigen der Diktatur- und Gewaltorientiertheit des Regimes verhaftet, ohne dessen Interessenlage in den Blick zu nehmen.« Die rohe Gewalt des Assad-Regimes diene demnach also der bloßen Erhaltung militärischer Disziplin. Sie stellt für die Münsteraner Richter, wenn sie Wehrdienstentzieher trifft, keine politische Verfolgung dar – und das angesichts der allgegenwärtigen politischen Verfolgung durch die syrische Diktatur. Man würde gerne wissen, wie der 14. Senat des OVG NRW das brutale Vorgehen des Naziregimes gegen Wehrdienstentzieher und Deserteure beurteilt hätte. Diesen Vergleich haben auch nach Beginn dieser Linie in der OVG-Rechtsprechung im Jahr 2017 Politiker bis hinein in die CDU gezogen.
Nach dem jüngsten Lageberichts des AA müsste eigentlich Schluss sein mit solchen abwegigen Argumentationsfiguren. Sicher kann man sich dessen nicht sein, denn das Assad-Regime hatte bereits vor dem syrischen Bürgerkrieg Freunde und Unterstützer in der deutschen Politik und Justiz.
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Mittwoch, 21. November 2018
Kundgebung "Wir gedenken der Toten an den europäischen Außengrenzen"
che2001, 15:53h
Lampedusa-Bündnis Göttingen und Seebrücke Göttingen
Samstag, 24. November 2018 um 12 Uhr
Auditorium (Weender Landstraße 2, Göttingen)
Anlässlich des Totensonntags gedenkt die Seebrücke-Bewegung am 24. und 25.
November der Menschen, die in Folge der europäischen Abschottungspolitik
gestorben sind – seit 1993 34.361 Menschen. Allein in diesem Jahr sind
mindestens 2.000 Menschen auf dem Mittelmeer gestorben. Und das sind nur
diejenigen, die dokumentiert sind.
Wir senden damit eine klare Forderung an die
Innenminister*innen-Konferenz: Stoppt die tödliche Abschottungspolitik!
In Göttingen treffen wir uns am Samstag, den 24. November, um 12 Uhr vor
dem Auditorium (Weender Landstraße 2). Die Kundgebung wird vom
Lampedusa-Bündnis Göttingen in Kooperation mit der Seebrücke Göttingen
organisiert.
Wir fordern ein offenes, humanitäres Europa, solidarische Städte, und
sichere Häfen. Seenotrettung ist gelebte Menschlichkeit!
Aktuelle Infos zur Kudngebung in Göttingen auch hier:
https://www.facebook.com/events/2120896561263938
Für Aktionen an anderen Orten in Niedersachsen und darüber hinaus siehe:
https://seebruecke.org/startseite/gedenken-an-die-toten-der-europaischen-ausengrenzen
https://seebruecke.org/#upcoming
***
Die SEEBRÜCKE ist eine internationale Bewegung, getragen von verschiedenen
Bündnissen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Wir solidarisieren uns
mit allen Menschen auf der Flucht und erwarten von der deutschen und
europäischen Politik sofort sichere Fluchtwege, eine Entkriminalisierung
der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Menschen, die
fliehen mussten oder noch auf der Flucht sind – kurz: Weg von Abschiebung
und Abschottung und hin zu Bewegungsfreiheit für alle Menschen
Samstag, 24. November 2018 um 12 Uhr
Auditorium (Weender Landstraße 2, Göttingen)
Anlässlich des Totensonntags gedenkt die Seebrücke-Bewegung am 24. und 25.
November der Menschen, die in Folge der europäischen Abschottungspolitik
gestorben sind – seit 1993 34.361 Menschen. Allein in diesem Jahr sind
mindestens 2.000 Menschen auf dem Mittelmeer gestorben. Und das sind nur
diejenigen, die dokumentiert sind.
Wir senden damit eine klare Forderung an die
Innenminister*innen-Konferenz: Stoppt die tödliche Abschottungspolitik!
In Göttingen treffen wir uns am Samstag, den 24. November, um 12 Uhr vor
dem Auditorium (Weender Landstraße 2). Die Kundgebung wird vom
Lampedusa-Bündnis Göttingen in Kooperation mit der Seebrücke Göttingen
organisiert.
Wir fordern ein offenes, humanitäres Europa, solidarische Städte, und
sichere Häfen. Seenotrettung ist gelebte Menschlichkeit!
Aktuelle Infos zur Kudngebung in Göttingen auch hier:
https://www.facebook.com/events/2120896561263938
Für Aktionen an anderen Orten in Niedersachsen und darüber hinaus siehe:
https://seebruecke.org/startseite/gedenken-an-die-toten-der-europaischen-ausengrenzen
https://seebruecke.org/#upcoming
***
Die SEEBRÜCKE ist eine internationale Bewegung, getragen von verschiedenen
Bündnissen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Wir solidarisieren uns
mit allen Menschen auf der Flucht und erwarten von der deutschen und
europäischen Politik sofort sichere Fluchtwege, eine Entkriminalisierung
der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Menschen, die
fliehen mussten oder noch auf der Flucht sind – kurz: Weg von Abschiebung
und Abschottung und hin zu Bewegungsfreiheit für alle Menschen
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Montag, 19. November 2018
Streifzüge des Bizarrologen, heute: Dekolonisierung durch Yoga, featuring Noah Sow
che2001, 19:21h
In hohem Maße verstehe ich mich als Antirassist. Nicht in dem Sinne dass ich eben gegen Rassismus bin sondern im Sinne eines konkreten politischen Engagements und auch einer Zugehörigkeit zu einer politischen Bewegung. So wie es Antifas gibt gibt es halt auch Antiras, was die auszeichnet ist der Anspruch gemeinsam mit Menschen die rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind und insbesondere Geflüchteten zu agieren. Initiativgruppen aus dem bürgerlichen und kirchlichen Spektrum handeln oftmals paternalistisch mit so einer Art wohlwollender Bevormundung, typische Antifas agieren als "Retter und Beschützer", die zur Stelle sind wenn Wohnheime angegriffen werden, entwickeln aber keine gemeinsame Perspektive mit Geflüchteten. Da sind unsere Ansprüche anders. Wir sind tief eingebunden in Netzwerke aus Geflüchteten, MigrantInnenselbstorganisationen und deutschen oder auch gemischten Soligruppen.
Insgesamt bin ich seit 23 Jahren Mitglied im Flüchtlingsrat und war insgesamt 8 Jahre in einer autonomen Antirassismusgruppe aktiv, habe also schon etwas auf dem Buckel.
Unser Antirassismus ist ein interventionistischer Antirassismus, das heißt es geht darum Abschiebungen zu verhindern, Geflüchteten Jobs oder Unterkünfte oder Sprachkurse zu vermitteln, Sport- und Schwimmkurse mit Flüchtlingskindern zu veranstalten und gewalttätigen Rassisten auf die Glocke zu geben.
Zu vielen von den Diskursen und Aktivitäten die im queerfeministischen Spektrum zum Thema Antirassismus laufen besteht hingegen eine ziemliche Distanz. Distanz insofern als dass es dort viel weniger um Flüchtlingssolidarität und um konkrete Interventionen im Alltag geht als um Theorie- und Awarenessarbeit der ein teilweise geradezu moraltheologischer Aspekt zukommt. Die Ansätze in unserem Spektrum sind hingegen eher pragfmatisch, zugleich aber immer noch, wenn auch eher theoretisch, in eine Klassenkampfperspektive eingebunden.
Die meisten mir bekannten bloggenden jüngeren (Queer) Feministinnen ihrerseits befassen sich nicht mit den Themen die im Feminismusdiskurs des Spektrums in das ich so gehöre wichtig sind, nämlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gegen sexuelle Diskriminierung am Arbeitsplatz, gegen Gewalt gegen Frauen und gegen Zuhälterei und Frauenhandel, sondern beschäftigen sich mit den Problemen von Queer- und Transmenschen, ästhetischen Fragen, neu vorzunehmenden Sprachregelungen und eher philosophischen Fragestellungen im Genderkontext. Etwa, inwieweit die Gleichsetzung der Frau mit der Natur für Frauenunterdrückung verantwortlich ist, ein Thema das ich in historisch-anthropologischer Hinsicht sehr spannend finde, von dem ich allerdings sagen würde dass es von seiner Wirkungsmacht her zwischen dem 18. Jahrhundert und der Lebzeit von Siegmund Freud relevant war, heute aber nur noch Geschichte ist. Auffällig ist dass in Bezug auf sexualisierte Gewalt Frauen in diesem Spektrum immer nur als Opfer auftauchen, Empowerment im Sinne von "Frauen schlagt zurück" scheinbar schon undenkbar ist.
Eine Aktivistin aus dem Spektrum der kulturalistischen Linken ist Noah Sow, die ich vor etlichen Jahren persönlich kennenlernen durfte und deren Buch "Deutschland Schwarzweiß" und deren gemeinsam mit Mutlu aka Sesparado veranstaltete Edutainmentattacke mein Bewustsein bereicherten. Noah hat es nun unternommen, ein Yoga-Training zu entwickeln das es People of Colour und BewegungsaktivistInnen ermöglichen soll neue Kraft zu schöpfen, Burn Out vorzubeugen und somatisierte Folgen von Kolonisierungserfahrungen (ein Problem das es bei Menschen die oder deren Vorfahren Opfer traumatischer Erfahrungen im Zusammenhang mit Kolonialismus geworden sind verbreitet gibt) zu überwinden. Alles erst mal sehr positiv.
Die Umsetzung allerdings nimmt Formen an die eher ans Sektiererische erinnern und eine überhaupt nicht mehr emanzipatorische Selbstethnisierung betreiben. Es wird ein gewillkürtes Kollektiv geschaffen aus PoC die dazugehören und deren ebenfalls durch willkürliche Einladung befugten Adlaten. Die Fachschaft Philosophie der Uni Oldenburg hat hierzu eine Kritik verfasst der ich vollinhaltlich zustimme - wobei ich sagen muss dass ich beim ersten Lesen vor Lachen vom Stuhl purzelte.
https://uol.de/fileadmin/user_upload/fachschaften/fsphilo/Hochschulpolitik/_Postmoderne_Rassentrennung_an_der_Uni__-_Stellungnahme_FS_Philo.pdf
Insgesamt bin ich seit 23 Jahren Mitglied im Flüchtlingsrat und war insgesamt 8 Jahre in einer autonomen Antirassismusgruppe aktiv, habe also schon etwas auf dem Buckel.
Unser Antirassismus ist ein interventionistischer Antirassismus, das heißt es geht darum Abschiebungen zu verhindern, Geflüchteten Jobs oder Unterkünfte oder Sprachkurse zu vermitteln, Sport- und Schwimmkurse mit Flüchtlingskindern zu veranstalten und gewalttätigen Rassisten auf die Glocke zu geben.
Zu vielen von den Diskursen und Aktivitäten die im queerfeministischen Spektrum zum Thema Antirassismus laufen besteht hingegen eine ziemliche Distanz. Distanz insofern als dass es dort viel weniger um Flüchtlingssolidarität und um konkrete Interventionen im Alltag geht als um Theorie- und Awarenessarbeit der ein teilweise geradezu moraltheologischer Aspekt zukommt. Die Ansätze in unserem Spektrum sind hingegen eher pragfmatisch, zugleich aber immer noch, wenn auch eher theoretisch, in eine Klassenkampfperspektive eingebunden.
Die meisten mir bekannten bloggenden jüngeren (Queer) Feministinnen ihrerseits befassen sich nicht mit den Themen die im Feminismusdiskurs des Spektrums in das ich so gehöre wichtig sind, nämlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gegen sexuelle Diskriminierung am Arbeitsplatz, gegen Gewalt gegen Frauen und gegen Zuhälterei und Frauenhandel, sondern beschäftigen sich mit den Problemen von Queer- und Transmenschen, ästhetischen Fragen, neu vorzunehmenden Sprachregelungen und eher philosophischen Fragestellungen im Genderkontext. Etwa, inwieweit die Gleichsetzung der Frau mit der Natur für Frauenunterdrückung verantwortlich ist, ein Thema das ich in historisch-anthropologischer Hinsicht sehr spannend finde, von dem ich allerdings sagen würde dass es von seiner Wirkungsmacht her zwischen dem 18. Jahrhundert und der Lebzeit von Siegmund Freud relevant war, heute aber nur noch Geschichte ist. Auffällig ist dass in Bezug auf sexualisierte Gewalt Frauen in diesem Spektrum immer nur als Opfer auftauchen, Empowerment im Sinne von "Frauen schlagt zurück" scheinbar schon undenkbar ist.
Eine Aktivistin aus dem Spektrum der kulturalistischen Linken ist Noah Sow, die ich vor etlichen Jahren persönlich kennenlernen durfte und deren Buch "Deutschland Schwarzweiß" und deren gemeinsam mit Mutlu aka Sesparado veranstaltete Edutainmentattacke mein Bewustsein bereicherten. Noah hat es nun unternommen, ein Yoga-Training zu entwickeln das es People of Colour und BewegungsaktivistInnen ermöglichen soll neue Kraft zu schöpfen, Burn Out vorzubeugen und somatisierte Folgen von Kolonisierungserfahrungen (ein Problem das es bei Menschen die oder deren Vorfahren Opfer traumatischer Erfahrungen im Zusammenhang mit Kolonialismus geworden sind verbreitet gibt) zu überwinden. Alles erst mal sehr positiv.
Die Umsetzung allerdings nimmt Formen an die eher ans Sektiererische erinnern und eine überhaupt nicht mehr emanzipatorische Selbstethnisierung betreiben. Es wird ein gewillkürtes Kollektiv geschaffen aus PoC die dazugehören und deren ebenfalls durch willkürliche Einladung befugten Adlaten. Die Fachschaft Philosophie der Uni Oldenburg hat hierzu eine Kritik verfasst der ich vollinhaltlich zustimme - wobei ich sagen muss dass ich beim ersten Lesen vor Lachen vom Stuhl purzelte.
https://uol.de/fileadmin/user_upload/fachschaften/fsphilo/Hochschulpolitik/_Postmoderne_Rassentrennung_an_der_Uni__-_Stellungnahme_FS_Philo.pdf
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Bleiberecht vs. Abschiebung und die Absurditäten des Asylrechts
che2001, 16:24h
wieder ein Beispiel für die Fragwürdigkeit der Dublin III-Verordnung:
https://www.nds-fluerat.org/35451/aktuelles/abraham-sohou-darf-bleiben/
Abraham Sohou war ursprünglich über Italien nach Deutschland eingereist. Er lernte in kürzester Zeit Deutsch. Nach einem Praktikum in einem Kindergarten und einer Seniorenwohnanlage hat Herr Sohou eine Ausbildung in der Pflege, einem Mangelberuf, begonnen. Außerdem hat er sich sehr in der Kirchengemeinde Wendthagen engagiert und viele Freundinnen und Freunde gewonnen. Herr Sohou ist ein Beispiel für gelungene Integration, der sich laut Dublin III-Verordnung aber gar nicht in Deutschland aufhalten dürfe. Ihm drohte seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Abschiebung nach Italien. Die Bitte des Flüchtlingsrats Niedersachsen e.V. den sogenannten Selbsteintritt freiwillig wahrzunehmen lehnte das Bundesamt ab. Es drohte weiterhin die Abschiebung in die Perspektivlosigkeit. Nach Intervention durch den CDU-Bundestagsabgeordneten Beermann, den SPD-Innenminister Pistorius und die Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe Schröder-Köpf, konnte das Bundesamt schließlich doch noch dazu bewegt werden ein öffentliches Interesse für den Verbleib von Abraham Sohou in Deutschland zu erkennen (siehe Schaumburger Nachrichten).
Es erscheint absurd, dass gut integrierte Geflüchtete in Arbeit und Ausbildung in ein anderes europäisches Land zurückkehren müssen.
https://www.nds-fluerat.org/35451/aktuelles/abraham-sohou-darf-bleiben/
Abraham Sohou war ursprünglich über Italien nach Deutschland eingereist. Er lernte in kürzester Zeit Deutsch. Nach einem Praktikum in einem Kindergarten und einer Seniorenwohnanlage hat Herr Sohou eine Ausbildung in der Pflege, einem Mangelberuf, begonnen. Außerdem hat er sich sehr in der Kirchengemeinde Wendthagen engagiert und viele Freundinnen und Freunde gewonnen. Herr Sohou ist ein Beispiel für gelungene Integration, der sich laut Dublin III-Verordnung aber gar nicht in Deutschland aufhalten dürfe. Ihm drohte seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Abschiebung nach Italien. Die Bitte des Flüchtlingsrats Niedersachsen e.V. den sogenannten Selbsteintritt freiwillig wahrzunehmen lehnte das Bundesamt ab. Es drohte weiterhin die Abschiebung in die Perspektivlosigkeit. Nach Intervention durch den CDU-Bundestagsabgeordneten Beermann, den SPD-Innenminister Pistorius und die Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe Schröder-Köpf, konnte das Bundesamt schließlich doch noch dazu bewegt werden ein öffentliches Interesse für den Verbleib von Abraham Sohou in Deutschland zu erkennen (siehe Schaumburger Nachrichten).
Es erscheint absurd, dass gut integrierte Geflüchtete in Arbeit und Ausbildung in ein anderes europäisches Land zurückkehren müssen.
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Dienstag, 13. November 2018
Schikane des Landkreises Lüchow-Dannenberg gegen Flüchtlinge
che2001, 14:01h
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg ist in jüngster Zeit dazu übergegangen, an Flüchtlinge, denen im Rahmen der sog. Dublin III – Verordnung eine Überstellung in andere Vertragsstaaten droht, wieder Gutscheine auszugeben. Diese Praxis hat es aus gutem Grund und nach langen Protesten ab 2013 in Niedersachsen nicht mehr gegeben und erfüllt uns mit Sorge.
Die Ausgabe von „Berechtigungsscheinen“, wie sie der Landkreis Lüchow-Dannenberg praktiziert, erscheint uns nicht nur wegen der damit verbundenen Diskriminierung der Betroffenen, sondern auch aus rechtlichen Gründen zweifelhaft: Die Gutscheine müssen vom „Lieferanten“ wie vom „Empfänger“ persönlich unterschrieben werden, was schon datenschutzrechtlich nicht zulässig sein dürfte. Auch dürfen nur Hygieneartikel und Lebensmittel eingekauft werden, also z.B. auch keine Socken, keine Mütze, kein Handy-Guthaben, keine Busfahrkarten. Ein Taschengeld wird den Betroffenen nach den uns vorliegenden Informationen gänzlich verweigert.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert das niedersächsische Innenministerium dringend auf, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und diese willkürliche Strafaktion des Landkreis Lüchow-Dannenberg zu unterbinden.
Die Ausgabe von „Berechtigungsscheinen“, wie sie der Landkreis Lüchow-Dannenberg praktiziert, erscheint uns nicht nur wegen der damit verbundenen Diskriminierung der Betroffenen, sondern auch aus rechtlichen Gründen zweifelhaft: Die Gutscheine müssen vom „Lieferanten“ wie vom „Empfänger“ persönlich unterschrieben werden, was schon datenschutzrechtlich nicht zulässig sein dürfte. Auch dürfen nur Hygieneartikel und Lebensmittel eingekauft werden, also z.B. auch keine Socken, keine Mütze, kein Handy-Guthaben, keine Busfahrkarten. Ein Taschengeld wird den Betroffenen nach den uns vorliegenden Informationen gänzlich verweigert.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert das niedersächsische Innenministerium dringend auf, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und diese willkürliche Strafaktion des Landkreis Lüchow-Dannenberg zu unterbinden.
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