Sonntag, 15. März 2015
Der Ursprung meiner déjá-vu-Erlebnisse
So manches Mal, wenn Diskussionen bei Metalust,
https://metalust.wordpress.com

Mädchenmannschaft,
http://maedchenmannschaft.net
Shifting Reality

https://shiftingreality.wordpress.com

oder hier einen stark moralisierenden Drive bekamen mit Bekenntnisaufforderungen und Forderungen, bestimmte Sprachregelungen einzuhalten reagierte ich deshalb dünnhäutig, weil diese Debatten in meiner Wahnehmung Endlosschleifen darstellen, die jedes Jahrfünft von neuen Szenegenerationen geführt und dann vergessen werden. Die feministischen Debatten von heute etwa wurden auch schon von der Generation der Mütter der Mädchenmannschaft so ähnlich geführt, Entsprechendes gilt für Klassismusdiskussionen oder die Frage, wie alltagsrassistische Wahrnehmungsmuster einer/m selbst bewusst gemacht werden können. Neu sind jeweils die vereinbarten Sprachregelungen in ihrer konkreten Form, neu ist auch, dass die Diskussion für die DiskutantInnen selber neu ist. Ansonsten gilt die Wiederholung des Immergleichen.

Hinsichtlich des humorlosen Moralismus, der hierzu die Matrix liefert prägte mich hierbei ein Ereignis, das zwar schon etwa 25 Jahre her ist, für mich aber absolut archetypisch für bestimmte gruppendynamische Grundmuster dasteht.

Hierzu muss zunächst gesagt etwas zur historischen Situation gesagt werden, in der das Ganze sich abspielte. Für die westdeutsche Linke war Ausnahmezustand. Die DDR war gerade kollabiert, der Zweite Golfkrieg in der Vorbereitung, der letzte RAF-Hungerstreik gerade zu Ende, die Repression gegen deren Sympis noch auf dem Höhepunkt, die Symbolfigur des radikalen Feminismus in Deutschland und Österreich, Ingrid Strobl, saß in Beugehaft in Zusammenhang mit einem RAF-Attentat, und bundesweit wurden Frauen-Lesben-Zentren gerazzt, weil die Frauen sich mit Gentechnik und Reproduktionstechnologien kritisch auseinandersetzten und das damals als "anschlagsrelevante Themen" eingeordnet wurde. Feministinnen wurden in dieser Zeit von den Staatsanwaltschaften als "terroristisches Umfeld" verfolgt. Also alles Dinge, die heute wesentlich anders sind und einen einzigartigen Zeithorizont ausmachten. Die Frage ist nur, ob die kognitiven Dissonanzen, die durch diese Dinge verursacht wurden so anders waren als Reaktionsweisen, die wir von heute kennen.


1990 saßen in einem Funktionsraum eines linken Zentrums, der unserer Gruppe gehörte, in der Menschen aus dem KB, der MG, den Autonomen und auch versprengte JUSOS und Grüne zusammenarbeiteten drei Leute zusammen, zwei Männer und eine Frau. Die wollten gemeinsam eine NDR-Doku über Neonazi-Aktivitäten in Südniedersachsen gucken und aufzeichnen. Da kamen dann die Frauen vom autonomen Frauenreferat hinzu und wollten das auch gucken. Der Beitrag war aber kurzfristig aus dem Programm gekickt worden. Da meinte einer der beiden Männer, Bernward * alle Namen wurden verändert *, "Dann schauen wir uns doch stattdessen einen Spielfilm an, an dem sich sehr gut geschlechtsspezifische Verhaltensweisen studieren lassen." Als die Frauen den auch sehen wollten fragte er, ob sie nicht lieber gehen wollten, eigentlich säßen ja die drei Leute gruppenintern zusammen. Da kam der Spruch auf "Aha, die Herren wollen wohl Pornos gucken", dann fiel der Blick auf das Filmetikett: "Playboys und Abenteurer". Das ist ein Revolutionsschmachtfetzen, der in dem fiktiven südamerikanischen Staat Corteguay spielt, aber mit dem Wort Playboy erschien der Verdacht erhärtet. Laut lachend entfernten sich die Frauen.

Am nächsten Tag war es nicht mehr lustig. Auf die Tür des Raumes war "Bernwards Porno-Kino" gesprüht. Noch einen Tag später klebten überall in Göttingen, an Schwarzen Brettern und Litfasssäulen, Plakate mit den Fotos der beiden Männer mit vollständigen Namen, Adressen und Telefonnummern - die anwesende Sylvia wurde, weil als Frau nicht ins Weltbild passend, komplett unterschlagen - unter der Überschrift "Alle Wichser in den Mixer, alle Macker untern Acker!" mit der Darstellung, dass sie Frauen aus dem Frauen-Lesbenreferat aus dem Szenetreff rausgeschmissen hätten um dort in Ruhe einen Porno schauen zu können und der Forderung, sie aus allen linken Zusammenhängen auszuschließen. Ein Versuch der Betroffenen, die Angelegenheit zu klären indem gemeinsam dieser Film gesehen werden sollte um festzustellen, dass der nicht pornografisch ist scheiterte an dem wütenden Gegenargument "Was? Jetzt sollen wir diesen Scheißfilm auch noch selber sehen?".

Es fand dann unter dem Ausschluss der "Angeklagten" eine Sitzung über deren Ausschluss statt, bei der alle Leute, die etwas zu Gunsten der Beschuldigten sagten, durch Zwinkern und Zuruf von im Saal strategisch verteilten Leuten kollektiv ausgelacht oder niedergebuht wurden. (Zwischenbemerkung: In gleicher Weise spielte sich der Umgang mit KritikerInnen von Radikal-CW-Perspektiven auf dem Nobordercamp 2012 ab)

Abstruserweise brüstete sich da einer der Platzhirsche in der Pose Brust raus - Bauch rein - Muskeln zeigen mit der Bemerkung, das Verhalten vieler linker Männer würde ja von Frauenseite stark kritisiert, er könne das gar nicht verstehen, mit ihm hätten Frauen keine Schwierigkeiten.

Sämtliche Männer, die den engen Bezugsgruppen der "Angeklagten" angehörten wurden mit der Ansage "rechtfertige Dich" namentlich aufgefordert, Stellung zu beziehen. Als die Reihe an mich kam sagte ich, dass eine in der Szene hochangesehene feministische Genossin gemeint hatte, den Initiatorinnen dieser Aktion gehöre in die Fresse geschlagen, den Umgang mit Emotionen und Stimmungen in diesem Plenum hielte ich für faschistoid. Ich legte auch noch ein Paper vor, das mit den Worten endete "Spielt weiter, Ihr Kindergarten. Als erwachsene Menschen kann ich Euch nicht mehr akzeptieren." Damit hatte ich meinen Ausschluss unter Androhung von Schlägen auch schon selber organisiert.


In der Folgezeit mied man mich, das ging so weit, dass Aktivisten am Aneinandervorbeigehen in Ladentüren bemüht waren, nicht meine Kleidung zu berühren, ich war ja aussätzig. Beim Vorbereitungsplenum zu Aktionen gegen den 1991er Golfkrieg weigerten sich die Feministinnen, mit mir, dem Männerschwein, auf einem Podium zu sitzen und hielten deshalb ihren Vortrag aus dem Publikum heraus.


Ja und dann wurde langsam klar, dass ich in der Kurdistan-Gruppe und dem Antirassismusplenum aktiv war, Flüchtlinge mit Guerrilla-Hintergrund mit mir befreundet waren, die unter Feministinnen extrem angesagte Wortführerin der Antira große Stücke auf mich hielt, ich eine Beziehung mit einer Feministin hatte, die PKK mich als Ehrengast zu Veranstaltungen einlud und ich den angeblichen - tatsächlich völlig unschuldigen - Mörder von Herrhausen persönlich kannte. Ich gehörte zum Vorbereitungskommittee der bundesweiten Demo gegen die Abschaffung des Asylrechts 1993, war da Mitglied der sehr exklusiv handverlesenen ersten Reihe des Schwarzen Blocks und hatte Zugang zur Redaktionsgruppe der Materialien für einen Neuen Antiimperialismus.

Und plötzlich durfte ich alles! Die Leute, die mich vorher als antifeministisches Arschloch verachtet hatten schauten zu mir auf, und ich erlaubte mir Scherze wie in der veganen Volksküche Putenschnitzel zuzubereiten. Mit Beifall!

Die Hauptaktivistin der ganzen Antipornoaktion, die, nachdem sie auch anderen Feministinnen wegen fehlender Linientreue den Rauswurf besorgt hatte, den Spitznamen "Danger-Woman" sich einfing, bezeichnenderweise eine Juristin, lebt heute als Sub in einer SM-Beziehung mit ihrem früheren Psychotherapeuthen auf Gomera.

- Wenn sich britische und französische linke Szenen in den 70ern Jahren ähnliche Binnenstrukturen geleistet haben kennen wir zumindest die Entstehungshintergründe einiger Filme der Monty Pythons und Comics von Lauzier;-)

Trotzdem bleiben die eigentlich dramatischen Fragen die sich hier stellen unbeantwortet. Warum bringen linke Szenen immer wieder solche menschenverachtenden Überreaktionen bei einer an sich richtigen kritischen Grundhaltung hervor? Wieso bringen Reizworte wie Sexismus, Rassismus, Faschismus kritisch-reflektierte, hochintelligente Menschen dazu, sich in angespannten Situationen wie ein nicht mehr reflexionsfähiger hypermoralischer Mob zu verhalten? Ich würde behaupten, das Mobverhalten gegen die angeblichen Sexisten unterscheidet sich in seiner Gruppendynamik nicht von dem des Lynchmobs, der Schwarze in den USA einstmals an den Baum hängte. Der Wunsch von marginalisierten, gesellschaftskritischen, oft charakterlich noch etwas unreifen Menschen, sich im Rahmen einer Szene als Teil eines Großen Ganzen zu fühlen führt dazu, sich gefolgschaftsmäßig den Opinionleadern anzuschließen. Selbstzweifel finden nicht mehr statt, sie werden mit Gebrüll übertönt. Somit wird die Struktur dieser "linkslibertären", "undogmatischen" Szene, die offiziell keine Hierarchien kennt de facto schweineautoritär. Und als ich mich selber als nunmehriger Szenehierarch mit allen möglichen Klamotten über die Szenemoral lustig machte wurde das zwar akzeptiert, die inhärente Kritik kapierte aber niemand. Das ging so weit, dass ein Genosse einmal erklärte, es müsste eine für alle verbindliche Szenemoral geben, insbesondere auf das Sexualverhalten bezogen, an die alle sich zu halten hätten. Das war sarkastisch gemeint, es wurde aber geschluckt. Als er einen draufsetzte und sagte "Wie im Iran!" kapierte das niemand. Erst der Satz, es müsse ein Witzbollah entscheiden, über was gelacht werden dürfe macht klar, dass hier ein Schabernakel gebaut wurde.


Die Leute von damals sind heute viel entspannter, die meisten haben Karriere gemacht und ihr einstiges linksradikales, feministisches, radikalökologisches oder sonstwieistisches Engagement ist eine folgenlose Episode ihrer Studienzeit geworden. Was ich ebenso schade finde wie den sinnlosen moralischen Rigorismus, mit der eigentlich fortschrittliche und emanzipatorische Bewegungen sich immer wieder selbst zerfleischen.

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Sonntag, 8. März 2015
Heute ist 8. März, Frauenkampftag
Als Nichtfrau verlinke ich mal zu den eindeutigen Seiten.

http://netbitch1.twoday.net/stories/1022404906/

http://www.frauenkampftag2015.de

https://www.demoplaner.de/details/1841-frauenkampftag-2015.html

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Sonntag, 1. März 2015
Arbeitslosigkeit, Perspektive auf Jobs und Erwartungshaltungen - eine getwitterte Story, oder auch: Generation Rabäh meldet sich zu Wort
(edit: aufgrund inhaltlich zutreffender Kritik überarbeitetes Posting)

Eigentlich ist es eine Frage des gesunden Menschenverstandes, ein radikales politisches Engagement nicht in den eigenen Bewerbungsunterlagen stehen zu haben, wenn eine Karriere angestrebt wird, die nicht durch persönliche Connections ins Rollen gebracht wird. Ich meine, es schreibt ja auch niemand in den Lebenslauf "1989 129a)-Verfahren im Zusammenhang mit dem letzten RAF-Hungerstreik gehabt" oder "redaktionelle Tätigkeiten beim Angehörigen-Info, radikal und der E.Colibri". Aus einem solchen Engagement aber eine besondere Eignung für einen Job abzuleiten finde ich absurd. Zu meinen Zeiten führte so etwas eher dazu, Ziel staatsanwaltlicher Ermittlungen zu werden, und es galt als eine Art Ethos, das in Kauf zu nehmen.


Nun ist ein Magisterstudium der Germanistik das nicht auf ein Lehramt abzielt ohnehin ein Studium direkt auf Hartz 4 hin, es sei denn, es wird bereits während des Studiums eine unbefristete journalistische Tätigkeit bei einem Medium aufgenommen, so dass nach Abschluss das Volontariat kommt und dann eine Übernahme als Redakteurin.

Ein Magister-Diplom- oder Masterstudium in einer Geistes- oder Sozialwissenschaft ist eine Zeit kreativer Muße, in der mensch Gelegenheit findet sich einen gesellschaftheoretischen Fundus anzulegen, die eigenen Gedanken zu ordnen und sich experimentell in neuen Lebenssituationen auszuprobieren, aber keine eigentliche Berufsausbildung. Und das ist so schon seit Jahrzehnten.

Dunnemals, in den Achtziger Jahren hatten wir als Fachschaft Geschichte den Erstsemestern in der Studienberatung geraten, einen Führerschein für einen Gabelstapler zu machen oder Ähnliches, und das war realistisch und nicht polemisch gemeint gewesen. Ich hatte GenossInnen, die sind nach dem Studium für ein oder zwei Jahre bei VW oder Bosch ans Band gegangen um sich so die ABM-Berechtigung zu erwerben und dann in dem von ihnen angestrebten Bereich, etwa linken Kulturzentren, Flüchtlingsberatungsstellen, Frauenhäusern oder Alternativredaktionen auf ABM-Basis zu arbeiten. Der allergrößte Teil der Non-Profit-Jobs im karitativen und soziokulturellen Bereich lebt von diesen ABMs. Da haben sich Leute schon zu Studienzeiten ABM-Karrieren zurechtgeplant, bei denen dann bis zu drei Jahre auf einer ABM gearbeitet wird, um sich dann arbeitslos zu melden und bis zum Wiedereintritt der ABM-Berechtigung zu warten. De facto wird da bei Bezug von Arbeitslosengeld weiter durchgearbeitet, ehrenamtlich halt, bis die Berechtigung wieder da ist. Der größere Teil der SozialarbeiterInnen, Campaigner und sonstigen Projektleute aus dem Caritas-AWO-Greenpeace-ai-Flüchtlingsratsumfeld die ich so kenne macht diese Art von Job.

Bei mir selbst war das so gelaufen dass ich nach dem Studium zunächst Sozialhilfe bezogen hatte, um dann über eine BSHG19-Stelle, eine spezielle ABM für Sozi-BezieherInnen in ein Projekt einzusteigen, mein weiterer Weg führte mich dann über einen Job als Reporter und ein Promotionsstipendium schließlich zu einer Pressesprechertätigkeit. Und da wurde ich aus dem Szenespektrum schon als "Karrierist" beschimpft und sogar moralisch kritisiert, als ich schließlich für ein Profit-Unternehmen arbeitete.

Keine entsprechenden Vorbereitungen zu treffen, von solchen Möglichkeiten offensichtlich nullkommanichts zu wissen und dann auch noch die Fußeisen in der eigenen Bio anzugeben um schließlich in etwas naiv anmutender Weise über die zugegeben beschissene eigene Lage zu klagen, da stellen sich mir einige Fragezeichen. Fragezeichen allerdings nicht unbedingt zu der betroffenen Person selber, sondern zu den Rahmenbedingungen. Offensichtlich ist in einer sozialen Situation, die angespannter ist als je zuvor in diesem Lande selbst bei politisch hochengagierten Menschen das Bewusstsein darüber, was mit dem eigenen Bildungsgrad zu gewinnen ist und wie mensch sich selbst organisiert viel geringer entwickelt als es in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Das System hat es leicht bei einer solchen Konstellation.

Nun ist dies beileibe kein Einzelfall. Vor Jahrzehnten meinte ein alter Freund mal, die Generation von Studierenden die nach uns kommt würde eine sein, die weder über persönliche Widerstandsfähigkeit noch über sonderliche soziale Selbstorganisationsfähigkeit verfügen wird. Könnte es sein, dass er leider Recht behalten hat?

http://rebellmarkt.blogger.de/stories/2481604/#comments

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Donnerstag, 26. Februar 2015
Identitäterä
Wohin Identitätspolitik führen kann: Zwischen Vorhölle und Tollhaus.


Es scheint ja so, dass ich mit jenem Jakobinervergleich, der den Bruch eines langjährigen Mitdiskutanten nicht nur mit mir sondern praktisch der ganzen hier kommentierenden Gemeinde auslöste tiefer und besser traf als mir das selbst damals bewusst war. Zumindest, wenn ich das hier lese:

http://blogs.spectator.co.uk/brendan-oneill/2015/02/identity-politics-has-created-an-army-of-vicious-narcissists/

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Mittwoch, 25. Februar 2015
Frauenkämpfe und Prioritätensetzungen
Manche Dinge sind einfach sehr wahr. Netbitch bringt da einige grundlegende Tatsachen sehr unprätentiös aufgespießt auf den Punkt.


http://netbitch1.twoday.net/stories/1022401563/


Beim Don gibt es sozusagen dass Gleiche genau umgekehrt: Eine Story, die sich mit etwas anderem beschäftigt, aber in diesem Punkt die gleiche Kernaussage hat.


http://rebellmarkt.blogger.de/stories/2480674/#comments

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Dienstag, 24. Februar 2015
Aus der Welt der Stiftungsdiskurse, oder: Grün und bunt heißt nicht plausibel
Im Kontext von Diskussionen der Böll-Stiftung habe ich sehr viele ergiebige und sinnvolle Debatten erlebt, aber nicht nur Solche, sondern auch solche, die nahelegen, inwieweit das grüne Umfeld halt auch ein Feld ist, in dem es darum geht, bestimmte Lebensstile zu wahren. Neben der Aufarbeitung linker Vergangenheiten und Theoriekontexte - KB, FAU, Verhältnis westlicher Linker zur PLO usw. - spielten da immer auch die Bereiche alternativer Gegenkultur eine Rolle, die eher dem lebensreformerischen Bereich verpflichtet sind, den es seit den Zwanzigern gibt - sozusagen die Fortsetzung von Wandervogel und Bündischer Jugend. Ob Veganismus, Astrologie, Hexen, Freigeldwirtschaft, das Alles wurde dort angesprochen. Besonders drastisch erinnere ich eine Diskussion zum Thema "Friedensdividende". Da erklärte ein Alternativökonom - Namen weiß ich nicht mehr, der knüpfte aber an Hazel Henderson an und wurde als bedeutender Theoretiker gefeiert - dass nach dem Ende der Blockkonfrontation und dem "Asylkompromiss" eine neue Wachstumsphase bevorstehen würde, in der alternative Technologien zu einem Wirtschaftsaufschwung führen würden.

Er führte als Begründung dafür an, dass die Einwanderung nach Deutschland nach 1993 massivst abgenommen hätte und daher hierzulande Arbeitskräftemangel herrsche und außerdem der Nachfragerückgang in der Rüstungs-und Atomindustrie zwangsläufig zu Nachfrageaufschwung bei alternativen Energien und im Handwerk führen würde.

Ich rechnete gegen, dass nicht weniger Flüchtlinge kommen würden, sondern gleich viele, nur nicht über Asylverfahren, sondern illegal, dass es empirische Zahlen dafür gäbe und diese Leute halt in der Ilegalität arbeiten würden: Prostitution, Schwarzarbeit, Billigstjobs (Pizzaproduktion und - Zustellung für unter 5 Euro Stundenlohn heißt bei Kurden und Arabern "Tamilentarif"). Er musste mir da zustimmen.
Ich hatte gerade einem gefeierten Volkswirt die gesamte Grundlage seiner Argumentation empirisch entzogen.
Als ich damit kam, dass das Wirtschaftswachstum der Zeit des Kalten Krieges an die Rüstungsproduktion gekoppelt war -garantierte Preise, garantierte Abnahme und garantierter Verschleiß von High-Tech-Produkten kommen nicht von ungefähr - wurde mir das Wort entzogen. Über so etwas wolle man nicht diskutieren.

Na dann. Auch hier gilt wieder: Das Brett vorm Kopf zur Waffe machen.

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Montag, 23. Februar 2015
Stiller Backlash
Eine alte Freundin teilte mir mit, dass zur Zeit feministische Journalistinnen massivst durch Anrufe mit Morddrohungen und übelsten Beschimpfungen sowie Beleidigungen die ich hier nicht widergeben möchte angegangen würden und Einige schon deswegen ihr gesellschaftspolitisches Engagement geschmissen hätten. Was ja auch Ziel der Sache ist. Brrrrrrr.


Solchen Schweinen auf die Fresse. Telefon scannen und Adresse ermittteln (geht mit Neo Trace) und dann Hausbesuch, Möbel geraderücken.

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Donnerstag, 8. Januar 2015
Seht auf Kobane!
Wo der Kampf tobt zwischen purer Reaktion und sozialer Revolution.

https://www.youtube.com/watch?v=43hZxSdrDAM

https://www.youtube.com/watch?v=624P60-TD24

https://www.youtube.com/watch?v=Wxhbj9LVAx8

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Lehrstück bis heute: Das Ende einer Diktatur
https://www.youtube.com/watch?v=AEIPkal6848

https://www.youtube.com/watch?v=ci76cKwFLDs

https://www.youtube.com/watch?v=i6UTvqkygmw

https://www.youtube.com/watch?v=yBGH7CWCHow

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Sonntag, 28. Dezember 2014
Revisited - neue Gedanken zu alten Auseinandersetzungen
Mein, soweit ich weiß inzwischen leider verstorbener Freund Medvech hatte das Motto „The Next revolution will be blogged!“, und wenn wir twittern und simsen mit dazu nehmen, lässt sich das zum Beispiel auf den Arabischen Frühling wirklich anwenden. Mit freilich ganz anderer politischer Stoßrichtung meinten das ab 2004 auch ganz andere politische Kräfte, nämlich ein Sammelsurium (oder gar ein Summelsarium, so dispers gemischt waren die) von Liberalen, Antideutschen, Anarchos und Neuen Rechten, die ein Blogbündnis gründeten. Global ging es der Hauptrichtung in diesem Bündnis gegen links, für einen beinharten Wirtschaftsliberalismus und um einen als Islamkritik getarnten Wohlstandsrassismus. Im Jahr 2005 trafen sich die Hauptvertreter auf dem Münchner Nockherberg, und zur vorgerückter Stunde waren dann Henryk M.Broder und Stefan Herre von Political Incorrect (heute PI News, das Blog featurerte damals noch mit Stetson tragenden Cowboys auf der Startseite und brachte die eigene Verwurzelung im rechtsevangelikalen Milieu viel offener zum Ausdruck als das heute der Fall ist) Arm in Arm zu sehen und wiederum in Gesellschaft der Springer-Journalisten Miersch und Maxeiner. Der Schulterschluss etablierter konservativer Medienmacher mit teils rechtsradikalen, teils wirtschaftsliberalen und teils rechtslibertären Sektierern war damals offenkundig. Umgekehrt bildete sich ein Bündnis linker, liberaler und feministischer Blogs als Gegenströmung, und es begann die Zeit der großen politischen Kommentarschlachten. Die intelligenteren unter den wirtschaftsliberalen BloggerInnen, allen voran Statler&Waldorf, zwei Wirtschaftswissenschaftler, deren Niveau von ihrer eigenen Kommentarkurve nicht verstanden wurde gingen mehr und mehr auf Distanz zu den offen rechtspopulistischen Blogs, und aus polemischen Auseinandersetzungen wurden zeitweise ernsthafte und in durchaus freundlichem Klima ausgetragene politische Diskussionen zwischen unterschiedlichen Lagern. Bemerkenswert war allerdings, auf welche politischen Theoretiker sich einige dieser Blogliberalen bezogen und wie sie argumentierten. Dass es libertäre Linke gibt und links nicht automatisch das Gegenteil von liberal bedeutet war ebensowenig in die meisten Köpfe dort zu kriegen, wie das Verständnis von Liberalismus eines war, dass eigentlich nur im Umfeld britischer Konservativer Sinn macht und weder mit der deutschen noch der US-amerikanischen Auffassung von Liberalismus kompatibel war. Bemerkenswert ist auch, wen die da als wesentliche Theoretiker behandelten – nämlich nicht etwa die wichtigsten Klassiker liberaler politischer Theorie wie etwa Mill, Dahrendorf oder Popper, sondern die etwas randständigeren Hayek und von Mises und Fréderic Bastiat, einen längst vergessenen Markttheoretiker des 19. Jahrhunderts. Das ist etwa so, als würde auf der Linken heutzutage Pierre Joseph Proudhon oder ein Wilhelm Weitling als relevant behandelt werden. Verschiedene Bekannte, denen ich Links zu Blogs wie Antibürokratieteam und Bissige Liberale ohne Gnade gesandt hatte waren damals schwer zu überzeugen gewesen dass das keine Satire sei und die Betreffenden sich selbst ernstnehmen würden. Dementsprechend stellte sich mir immer die Frage, wie relevant das Ganze ist und ob sich reale politische Kräfte dahinter verbergen würden. Hierzu hatte seinerzeit Momorulez gemeint, meine Kontakte seien zu traditionell links orientiert um das wahrzunehmen, aber es gäbe durchaus, und zwar nicht zu knapp Leute, die zwar nicht genauso ticken würden wie die wirtschaftsliberale Bloggosphäre, aber die doch mit denen einen gemeinsamen Nenner hätten, und dieses Gedankengut sei erschreckend gesellschaftsfähig.


Nun, betrachten wir die Bloggosphäre als eine Art Avantgarde für etwas, das erst später gesellschaftsmächtige Formen annimmt, so scheint die Saat jetzt aufzugehen, in Form von AfD, Pegida, HoGeSa und der schon etwas älteren rechtspopulistischen Pro-Bewegung.


Es ist jetzt nicht ganz drei Jahre her, als es zum Bruch mit dem für mich für viele Jahre wichtigsten Blogdiskussionspartner, nämlich Momorulez kam.

https://metalust.wordpress.com/

Ich hatte an diesem Bruch ziemlich lange geknappst – für mich war der, obwohl ich ihn nur ein Mal im realen Leben getroffen hatte und dieses Treffen eindeutig seltsame Züge hatte jemand, den ich als Freund betrachtet hatte, und zwar als realen, nicht in dem Sinne, wie etwa Facebook „Freunde“ schafft.

Schließlich, da die alte Nähe ja eh nicht mehr herzustellen war habe ich mich längere Zeit mit dem Thema nicht mehr beschäftigt, um dann im zeitlichen Abstand von zwei Jahren die alten Diskussionen mir noch einmal reinzuziehen und auch wieder auf seinem Blog vorbeizuschauen. Und erst jetzt meine ich die Mechanismen die da wirkten begriffen zu haben.

Die Gründe, weswegen er mit mir brach hingen zum Einen mit Auseinandersetzungen mit anderen Blogmenschen zusammen, bei denen ich nicht bereit war, seinen Standpunkt komplett zu teilen und ihm bedingungslos beizuspringen, was er erwartet und verlangt hatte. Bei seinen Konflikten mit Don Alphonso und Cassandra hatte ich jeweils meinen eigenen Standpunkt und versuchte, den Konfliktparteien gegenseitig den Standpunkt der je anderen Seite zu vermitteln, was zumindest bei den zwei Cassandra-Momo-Konflikten dazu führte, dass meine Vermittlungsversuche nicht etwa zu einem Verständnis der jeweils anderen Seite führten, sondern mir Aversionen von beiden Seiten einbrachten. Und zum Anderen war unsere gesamte über Jahre stattfindende Kommunikation auf eine spezifische Weise gestört. Das hatte etwas mit Othering zu tun, dem er sich von meiner Seite ausgesetzt sah. Das Abstruse hierbei war, dass ich gerade wegen Otheringserfahrungen lange Zeit ein intensives Verbundenheitsgefühl für ihn hatte, weil wir da einen teils ähnlichen Erfahrungshintergrund hatten: Er fühlte sich primär geothert, weil er wegen seines Schwulseins angefeindet, nicht ernstgenommen, diskriminiert worden war, bei mir waren es Erfahrungen wie zeitweise tägliche Prügel auf dem Schulhof, die dem Kleinen, Schwachen, Wehrlosen galten, der zugleich ein Besserwisser, Schreihals und Hochbegabter war, später, eigentlich bis heute, das ständige Gemeckere und Angemache wegen aus meiner Sicht belanglosen Äußerlichkeiten wie unaufgeräumter Wohnung, unpassender Kleidung, der Tatsache, dass ich meine Bergausrüstung ganzjährig im Kofferraum meines Autos lagere statt sie auf dem Boden aufzubewahren etc. Das mag sich sehr banal anhören, auf einer zentralen Ebene der Wirklichkeitserfahrung ist es das nicht, wenn man nämlich überhaupt nicht nachvollziehen kann, was andere Menschen an solchen Dingen nervt und man selber keinerlei Gefühl dafür hat,wieso etwa helle Hosen im Oktober unpassend wirken oder weiße Socken ummodisch sind und es einem ein Rätsel ist, woher andere Menschen so etwas wissen. Ich bin nun beileibe kein Nerd und im beruflichen Alltag sogar sehr chic, aber tief in mir drin steckt eine Person, die möglicherweise ein ADS oder eine andere neuromotorische Anomalie hat, und ich weiß, dass es Menschen gibt, die so jemanden am liebsten liquidieren, zumindest aber zwangstherapieren würden. Genau so etwas schien MR aber auch irgendwann von mir ihm gegenüber anzunehmen, obwohl nichts mir ferner läge. Wenn ich an ihm Kritik übte ging es mir da zumeist um Sachthemen, wobei zwei diametral unterschiedliche Menschen aufeinanderstießen: Der Historiker, für den Fakten einen Wert an sich darstellen und für den nur wirklich ist, was mit Quellen belegbar ist, so exakt wie gerichtsfeste Beweise, und der Assoziationskünstler, der permanent völlig ungenau ist.

Und dann stellte ich stets neben seine subjektiven Wahrnehmungen die ebenso subjektiven Meinigen, was von mir als ein Ergänzen zu einer Multi-Fluchtpunkte-Perspektive, nicht als ein Angriff auf seine Sichtweise gemeint war, von ihm aber als Wegbeißen oder gar als Umerziehungsversuche wahrgenommen wurde. So diskutierten wir wohl jahrelang aneinander vorbei, wobei ich die Diskussionen bis sie jeweils entgleisten als gemütliche Sofaplaudereien wahrnahm und er wohl als existenzielle Kämpfe um die Dominanz. Eines der extremsten Beispiele hatte sich schon sehr früh gezeigt: Da hatte er gepostet dass er Willy Brandt bewundere und ich dazu kommentiert dass ich Brandt eher als zweischneidiges Schwert wahrnähme, als den, der mit Mehr Demokratie wagen und Neuer Ostpolitik richtige Schritte eingeleitet hätte und zum Anderen der Berufsverbote-Willy und in der Sozialistischen Internationale der Internationale-Solidaritätsverhinderer, der Blockierer der Unterstützung für Nelkenrevolution und Sandinistas. Monate nach diesem kurzen Gedankenaustausch beschwerte er sich gegenüber der Bloggerin Somlu darüber, wie übel ich ihm da mitgespielt hätte. Das wäre Vereinnahmung und Ausgrenzung zugleich gewesen. Denn es wäre ja nicht um Willy Brandt gegangen, sondern ich hätte eine Hierarchie zwischen uns aufgebaut, da ja die radikalen Linken sich immer als purer und reiner als gemäßigte Linke wie er einer sei sehen würden und ich zudem durch eine linke Szene, also eine Kaderschmiede sozialisiert worden sei und er nicht. Daher sei es auch legitime Gegenwehr des Erniedrigten, wenn er mit Aggro reagiere.

Ich hatte einfach nur gesagt was ich von Willy Brandt hielt. Wie man in eine reine Faktenaussage oder Meinungsbekundung solche Beziehungsebenen hineinzuverlegen vermag ist mir nicht nachvollziehbar. Sein früherer Hauptvorwurf, ich höre ihm nicht zu bewegt sich auf der gleichen Ebene. Ich hatte ihm sehr gut zugehört, aber eben nicht immer zugestimmt, (wobei er anderen Leuten nur sehr bedingt zuhört und permanent subjektive Assoziationen, die mit dem Gesagten unmittelbar nichts zu tun haben als das eigentlich Gesagte interpretiert) und selbst Verständnisbekundungen meinerseits wurden regelmäßig in das glatte Gegenteil umgedreht. Zum Beispiel sagte ich früher zu seinen Schilderungen von Wahrnehmungen seiner Diskriminierung als Schwuler regelmäßig, ich könne da nur als Hetero drauf antworten, der diese spezifische Diskriminierungserfahrung nicht von innen her kennt. Das war im besten Foucault´schen Sinne als Bestimmung der Sprecherperspektive gemeint gewesen, so etwa „Du bist da qualifizierter als ich, ich kann dazu nicht so viel sagen, also ist das hier mein beschränkter Standpunkt“ und hatte ihm das auch so erklärt, aber regelmäßig war die Antwort gekommen, dass ich mich aus der angeblichen Angst, für schwul gehalten werden zu können von ihm distanziere und nicht solidarisch sei. Was er selbst bezogen auf Schwarze oder Lesben ständig macht, nämlich deren Perspektive in eigener Sache vorrangig zu behandeln und sich selbst da zurückzunehmen machte ich bei ihm auch, aber es wurde komplett umgebogen zu der Aussage „Ich bin doch nicht schwul“, nicht nur bei mir, auch beim Nörgler oder dem doch eigentlich sehr behutsamen und zurückhaltenden Mark oder Netbitch, die als Feministin mit BDSM-Praktiken zwischen allen Stühlen sitzt und von ihm als „Normalisiererin“ (im Sinne von ihn zum Hetero umerziehen Wollende) eingestuft wurde.

Das alles würde mit Jahren Abstand keine Rolle mehr spielen, wenn nicht aus diesen persönlichen, intersubjektiven Missverständnissen (ich meine das wortwörtlich: Es wurden Dinge anders verstanden, als sie gemeint waren) ein falsches Allgemeines abgeleitet würde – Da wurden nicht nur mir Haltungen unterstellt, die ich für falsch und bekämpfenswert halte, sondern einer ganzen Szene und im antirassistischen Kontext relevanten Zusammenhängen wie Flüchtlingsräten, Antiragruppen und Flüchtlingsselbstorganisationen antifeministische, latent-rassistische und paternalistische Grundpositionen unterstellt, die es dort nicht gibt.

Bezogen auf mich selbst läuft das bei bloggenden oder bloglesenden Menschen auf Rufschädigung hinaus, auf einer größeren politischen Ebene auf Spaltung. Ein von Meister MR erhobener Vorwurf in meine Richtung, der sehr schnell auf das „Stammkommentariat“ auf meinem Blog, dann auf die Antirazusammenhänge generell erhoben wurde, wenn sie sich nicht im Kontext Mädchenmannschaft-Brauner Mob- Surroundings bewegen, war es, hier fände Antirassismus ohne PoC statt und weiße heterosexuelle Männer würden sich nur selbst reproduzieren. Wie lächerlich!

Mir wurde unterstellt, ich könnte PoC nicht ertragen, wenn sie mir auf Augenhöhe begegneten, ich würde zwar Flüchtlingen helfen, aber nur, wenn sie hilfsbedürftige Opfer wären, als gleichwertige Menschen würde ich sie nicht akzeptieren. Wenn sie schutzlos auf mich angewiesen seien würde ich mich als hilfsbereiter Mensch erweisen, aber auch nur dann, um mich heroisch als Retter reproduzieren zu können, was wenig später auf alle möglichen antirassistischen Initiativen übertragen wurde. Abgesehen davon, dass mir hier ein geradezu dämonischer Charakter angedichtet wurde – ein narzisstischer, geradezu sadistischer Mensch, der sich daran aufgeilt, ausgelieferten Menschen zu helfen und sonst nichteuropäisch Aussehende nicht akzeptiert – frappierte mich der Zeitpunkt, zu dem er diesen Vorwurf erhob. Da standen wir nämlich noch in Kontakt zueinander. Das Allermindeste, was ich erwartet hätte wäre es gewesen, mich mal zu fragen, wie es denn da tatsächlich bei mir aussieht, statt das als Tatsachenbehauptungen ins Internet hinauszuposaunen.

Tatsache ist, dass ich mich seit nunmehr 32 Jahren in politischen Zusammenhängen bewege, in denen linke PoC eine maßgebliche Rolle spielen, zeitweise Identifikationsfiguren für mich waren und die eigenen antirassistischen Positionen im engen Kontakt mit denen entwickelt wurden. Von
Nilüfer Koc, Ambivalaner Sivanandan, Jean René Kwaka Mbangu, Semira Kücükaplan, Kenan Araz, Mbolo Yufanyi, Djalal Ali, Dana Mahmoud, Fouad Sayed Ali , Jasna Causevic habe ich sehr viel gelernt in der Hinsicht. Ich weiß nicht genau, wieso dieser Vorwurf zustande kam, kann mich allerdings daran erinnern, dass er in der Zeit, in der wir noch gut miteinander waren meinte, ich sollte mich am Konzept der Critical Whiteness orientieren und dabei die Erfahrungen, die die Sängerin, Polit-Aktivistin und PoC-Frau Noah Sow so gemacht habe wichtig nehmen. Darauf hatte ich seinerzeit sinngemäß erwidert, dass ich das CW-Konzept teilweise richtig finden würde, die Antira-Positionen im Umfeld der Materialien für einen Neuen Antiimperialismus aber für aussagekräftiger und weiterführender halten würde. In einem späteren Gespräch mit Noah hatte diese gemeint, dass das überhaupt kein Gegensatz sei, da es in einem Fall um eine kritische Selbstpositionierung im Kontext alltäglicher Rassismus, im anderen hingegen um eine theoretische Herleitung von Herrschaftsmustern ginge. Kann ich so akzeptieren. Momo leitete daraus aber wohl eine Ablehnung der von ihm geradezu kultisch verehrten Noah Sow (deren gemeinsames Blog mit Sesperado bei mir aus wirklich guten Gründen verlinkt ist, es geht tatsächlich in keinster Weise gegen sie) und einen Kontakte zu PoC vermeidenden „weißen“ Antirassismus ab, den es bloß in meinem ganzen Umfeld nicht gibt.

Nächster Schritt: Das Ganze wurde zunächst mal auf mein komplettes Blog- und KommentatorInnenumfeld übertragen, wir alle würden „ausrasten“, wenn von uns verlangt würde, PoC auf Augenhöhe wahrzunehmen (ausgerastet ist bei diesen Diskussionen im Wesentlichen er, die Übrigen waren doch eher gelassen), eine Weile später erfolgte dann der Übertrag auf ein viel weiteres Spektrum. Da wurde dann verdiente Antira-Aktivisten wie Olaf Bernau oder Vassily Tsianos bezichtigt, mit ihrer Kritik an dem postpubertär-durchgeknallten Auftritt der Politsekte RS auf dem Norbordercamp am Niederrhein, dessen konkretes Anliegen, Abschiebungen zu verhindern durch eine aufgezwungene Selbstkritik-Performance sabotiert wurde eine Durchsetzung weiß-männlicher-heteronormativer Perspektiven gegen alle anderen zu betreiben. Wer weiß, mit was sich Tsianos als Theoretiker so beschäftigt wird diesen Vorwurf sehr lustig finden.


http://queereinsteigen.wordpress.com/terminplan/ws-201213/tsianos/

Entscheidend ist, dass sehr persönliche, individuelle Erfahrungen aus Blogdiskussionen auf ganz andere, weit gefasste politische Debatten übertragen wurden mit dem Resultat einer Gleichsetzung. So nach dem Prinzip, die Kritiken an ihm und seinen Ansichten, die in unseren Blogdebatten geäußert wurden seien auch die Kritiken von Tsianos et al an Reclaim Society. Eine höchst interpersönliche, mit vielen Missverständnissen zwischen Einzelpersonen geführte Debatte wurde zum allgemeinen Politikum erhoben. Wobei das, was er inzwischen so vertritt, wie eine Art Lackmustest für ein hochmoralisches queerfeministisches Critical-Whiteness-Bloggerspektrum wirkt, so als die maximale Zuspitzung und zugleich holzschnittartige Vereinfachung von dem, was da so geschrieben wird, gewissermaßen Komplexitätsreduktion mit der Stichsäge.

Wirklich schreiend komisch fand ich es, als ich nach längerer Abwesenheit im letzten Sommer mal wieder auf seinem Blog las und er da äußerte, der Gaucho-Tanz eines Teils der deutschen Fußballnationalmannschaft sei Verächtlichmachung der indigenen UreinwohnerInnen Argentiniens gewesen. Ein Kommentator schrieb dann dazu, da sei er im Irrtum, denn die Gauchos seien keine Indigenen, sondern Nachkommen von aus Spanien eingewanderten Menschen. Binnen Kürzestem brachte er es fertig, die Auseinandersetzung dahin zu eskalieren, dass der Kommentator ihm eine weiße heteromännliche Perspektive aufzwingen und die eigene vernichten wolle. Das hat so viel Logik wie zu sagen, wer Momorulez wiederspricht handelt homophob da Momorulez schwul ist - auch wenn es thematisch um die Zusammensetzung der argentinischen Landbevölkerung geht. Hätte Loriot auch nicht besser hinbekommen.

Sowieso gehen mit diese ganzen Triggerwarnungen und diese Safer Space-Ideologie mächtig auf den Geist: Als ob da lauter Folteropfer säßen, oder Frauen, die vergewaltigt wurden und Selbsthilfeportale betreiben würden. In solchen Fällen würde ich die Berechtigung ihrer Anliegen rückhaltlos anerkennen. Ich habe allerdings eher den Eindruck, dass das in einer bestimmten Szene so eine Art radical chic ist. Dabei dann ebenso Mode wie diverse andere Äußerungsformen eigener hoher Moralität, die ich im Lauf meine Biografie in bestimmten Subkulturen entstehen und vergehen sah. Und dazu kommt eben mein völlig konträres Erfahrungsspektrum mit Geflüchteten bzw. meinem migrantischen Umfeld, wo die ganzen CW-PC-Verhaltensweisen lediglich als uncool angesehen werden und stattdessen ein abgründiger und sehr sarkastischer Humor gepflegt wird: Die deutschtürkische Kollegin, die eine Mitfahrgelegenheit anbietet und dazu sagt: „Pass auf, ich fahre nicht nur Auto wie ein Mädchen, sondern auch noch wie ein Türke“. Die Afrodeutsche, die ständig mit Sprüchen wie „Die Negerin will immer nur das Eine“ um sich schmeißt, der Inder, der jeden Vortrag mit „Ich möchte jetzt etwas Farbe in die Sache bringen“ einleitet usw. Noch heftiger war der Humor meiner kurdischen Freunde, die tanzten, als Bullen sie schikaniert hatten, um den Streifenwagen herum, klatschten rhytmisch in die Hände und skandierten "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!". Ich habe einige Zeit als einziger Deutscher in einem kurdischen Restaurant gearbeitet, und da bekam ich mit, wie ein Kollege auf dem Fußboden liegenden Döner zusammenkratzte und auf einen Teller tat. Ich fragte ihn, was er da tun würde, und er antwortete: "Der ist für einen Gast bei mir zu Hause. Er ist Kurde, und man sagt, die Kurden lassen alles mit sich machen, das will ich jetzt ausprobieren. Außerdem sagt man, die Kurden seien die Juden von heute, da muss man ja Menschenversuche machen!"(Tatsächlich war der Döner für seinen Hund).


Die antirassistischen Umfelder die ich so kenne gehen mit Alltagsrassismus mit beißendem Humor und nicht larmoyant-moralisierend um. Das fängt schon so an dass man in meinem Umfeld "Wir sind in Geflüchteten- und PoC-Zusammenhänge gut verdrahtet" eher nicht sagen würde sondern "Wir sind mit der Rasse befreundet", wo dann schon gleich mehrere ironische Brechungen mit drinstecken. Freilich kenne ich diese völlig spaßbefreite, ultraernste und stets extrem auf möglichst korrekte Sprachformen fixierte Sprech- und Umgangsweise aus meiner langen linken Szenebiografie zur Genüge. Nur halte ich das nicht etwa für notwendige Essentials emanzipativer Politik, sondern eher für so eine Art lästige Begleitumstände. Ob nun Schreibweisen mit Asteriten, das Proklamieren von Safe Places und Löschen unbequemer Blogkommentare (was für mich nichts Anderes ist als Zensur und mit meiner Vorstellung von freier Meinungsäußerung und dem Internet als freiem Medium unvereinbar ist) oder früher einmal Antideutschtum, Veganismus oder noch früher eine Hasssprache von links, in der Bonzen, Bullen und Yuppies „Pigs“ genannt wurden: Alles Formen von Kämpfen um die Lufthoheit über das Zwanghafte, geführt überwiegend von Bürgerkindern, die aus moralproduzierenden Haushalten (Lehrer- Pastoren-Psychologen-Juristenfamilien) stammen. Und herzlich irrelevant. Charakteristisch ist allerdings die Tatsache, dass Leute, die an diesem Sprachmoralismus Kritik üben, auch wenn sie politisch Verbündete sind bereits als "Hater" wahrgenommen werden. Vielleicht ist allerdings die sine ira et studio geführte Debatte um geprüfte Argumente etwas, zu dem Menschen mit Twitter-like-und -not- like-Hintergrund schon gar nicht mehr in der Lage sind.

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