Mittwoch, 2. Juni 2021
Lizenz zum Gelddrucken: Dem Abrechnungsbetrug mit Schnelltests soll ein Riegel vorgeschoben werden, doch wie?
Ute Eppinger, Medscape


Sind Stationen für Schnelltests auf COVID-19 ein Einfallstor für Abrechnungsbetrug? Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung Ende Mai zeigen, dass in Teststationen Schnelltests über die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) abgerechnet wurden, ohne dass diese Tests tatsächlich durchgeführt wurden. Das System, so der Rechercheverbund, lade zum Abrechnungsbetrug ein. Das es bessere Kontrollen braucht, darüber herrscht Einigkeit. Aber eine durchschlagende Idee zum Wer und Wie scheint noch nicht gefunden.


Das Managementversagen im Bundesgesundheitsministerium habe ?inakzeptable Ausmaße angenommen?, kritisiert Carsten Schneider, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Die Grünen verlangen, dass die Testverordnung nachgebessert wird. Die FDP drängt auf einen Sonderermittler.

?Dass Schnelltests kommen würden, war keine Überraschung. Deshalb ist es so erschreckend, dass die Bundesregierung sich offenbar keine Gedanken über die Abrechnungen gemacht hat?, konstatierte FDP-Gesundheitspolitiker Prof. Dr. Andrew Ullmann. Grünen-Gesundheitspolitiker Dr. Janosch Dahmen sieht die Verantwortung bei der Task-Force der Minister Spahn und Scheuer, die für den Aufbau der Testzentren zuständig war. ?Es war und ist richtig, dass wir sehr zügig und flächendeckend, kostenlose Schnelltests verfügbar gemacht haben. Aber es hätte nicht nur Schnelligkeit, sondern auch Sicherheit und Seriosität gebraucht?, sagt Dahmen.


Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sicherte zu, die Vorgänge sehr ernst zu nehmen und kündigte ?stichprobenartig mehr Kontrollen an?. In der Sendung Anne Will am Sonntagabend sagte er aber auch, dass man aus Berlin heraus die Testzentren nicht kontrollieren könne. ?Gerade bei den privaten Dienstleistern? brauche es offenkundig zusätzliche Kontrollen. Das sei nur durch die Gesundheitsämter vor Ort möglich.

Strengere Überwachung ? aber durch wen?
Sehr schnell sollen jetzt strengere Überwachungsvorgaben gemacht werden ? darauf haben sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Montag geeinigt. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kündigte nach der Konferenz der Gesundheitsminister an, dass mögliche Betrügereien in Teststationen ?mit aller Härte? bekämpft werden sollen. Bayern hat derzeit den Vorsitz in der Gesundheitsministerkonferenz. Die Länder sollen mit den Kommunalverbänden und den KVen als Test-Abrechnungsstellen über konkrete Maßnahmen sprechen.

Erwogen wird etwa, den KVen bei der Abrechnung von Schnelltests zu ermöglichen, geltend gemachte Sachkosten mit der Zahl der abgerechneten Tests zu vergleichen. Dabei würde dann beispielsweise auffallen, wenn nur 200 Testkits abgerechnet wurden und dann aber 400 angeblich vorgenommene Tests. Die Teststellen könnten den KVen zudem ihre Steuer-Identifikationsnummer angeben müssen, damit Finanzämter abgerechnete Tests mit angegebenen Umsätzen abgleichen können.

Außerdem könnten die Testzentren verpflichtet werden, eine schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes vorzulegen, dass sie Tests ordnungsgemäß vornehmen. Geplant ist laut Spahn auch, dass Testzentren künftig weniger abrechnen können, weil die Marktpreise gesunken seien. Der Zielwert liege bei unter 10 Euro. Auch eine nachträgliche Kontrolle sei vorgesehen: Die Unterlagen von Anbietern können dann bis Ende 2024 überprüft werden. Doch wer soll kontrollieren? Kommunen und ihre Gesundheitsdienste winken ab, die KVen ebenfalls.

KBV: Nur formale Aspekte können geprüft werden
Die KVen führen die Abrechnung nach der Testverordnung durch und prüfen dabei die Vollständigkeit der erforderlichen Abrechnungsangaben und die Einhaltung der Formvorgaben. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) stellt dazu klar, dass die KVen ?einzig gemäß der entsprechenden Verordnung des Bundes die monatlichen Meldungen der entstandenen Kosten der registrierten Testanbieter entgegen? nehmen.

?Überprüfen können sie ausschließlich formale Aspekte. Mehr ist nicht möglich, da die übermittelten Angaben der Anbieter keinen Bezug zu getesteten Personen aufweisen dürfen?, heißt es in der KBV-Stellungnahme weiter.

Bessere Kontrollen fordert auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB): Die Kontrollpraxis solle auf jeden Fall geändert werden. Allerdings sei die Vereinigung ?ein Organ der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen und keine staatliche Kontroll- oder gar Ermittlungsbehörde?. Sie könne daher Prüfungen nur ?in einem sehr begrenzten Rahmen durchführen?.

Und die Gesundheitsämter?
Die fachliche Kontrolle, wer solche Bürgertests durchführen kann und über die korrekte Durchführung, obliege den Gesundheitsämtern, schreibt die KBV. Die allerdings sind mit der Kontaktnachverfolgung nach wie vor ausgelastet, wie kommunale Vertreter deutlich machen.

?Wir als Kommunen können flächendeckende Überprüfungen jedenfalls nicht leisten, zumal die Gesundheitsämter in die Abrechnungsfragen nicht eingebunden sind?, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, in der Saarbrücker Zeitung . ?Der Bund ist als Auftraggeber gefordert, bei den kostenlosen Bürgertests für eine angemessene Kontrolle zu sorgen. Die Gesundheitsämter der Kommunen können das nicht auch noch tun, die sind schon völlig überlastet?, sagt auch Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund (DStGB). Und Landkreistag-Präsident Reinhard Sager stellt klar: ?Gesundheitsämter sind keine Buchprüfer.?

Der Bund ist als Auftraggeber gefordert, bei den kostenlosen Bürgertests für eine angemessene Kontrolle zu sorgen.
Die Gesundheitsämter prüfen bei den Testzentren die per Verordnung festgelegten strukturellen und personellen Vorgaben und stellen die Eignung fest. Wirtschaftlich überprüfen können die Gesundheitsämter die Zentren aber nicht: ?Das ist gemäß Testverordnung nicht Aufgabe der Gesundheitsämter, d.h. sie dürfen das gar nicht, denn es gibt keine Rechtsgrundlage dafür?, betont auch Dr. Elke Bruns-Philipps, Leiterin der Abteilung 4 des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes und Stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V. (BVÖGD), im Gespräch mit Medscape.

Werden nicht geleistete Tests abgerechnet, liegt Abrechnungsbetrug und damit ein Fall von Wirtschaftskriminalität vor. ?Gesundheitsämter sind keine Ermittlungsbehörden für Wirtschaftskriminalität?, stellt Bruns-Philipps klar.

?Wenn ich Bundesgesundheitsminister Spahn richtig verstehe, sollen die KVen künftig die Abrechnungen stärker auf Plausibilität prüfen. Das heißt beispielsweise: Wie viele Tests wurden angeschafft, wie viele abgerechnet, wie viele Mitarbeiter arbeiten in einem Testzentrum, wie viele Tests können sie an einem Tag/ in einer Woche durchgeführt haben. Arbeiten im Testzentrum z.B. 5 Mitarbeiter 8 Stunden lang, es wird aber angegeben, dass am Tag 1.000 Leute getestet wurden, dann kann das nicht stimmen.?



Stichproben hätten etwa an einer Teststelle in Köln ergeben, dass anstatt 70 wirklich vorgenommener Tests fast 1.000 abgerechnet worden seien. Ähnliches hätten Stichproben unter anderem in Essen und in Münster gezeigt.

Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität in Bochum ermittelt laut Münsterlandzeitung gegen ein Bochumer Unternehmen, das an mehreren Standorten Teststellen betreibt und durchsuchte deren Geschäftsräume und Privatwohnungen.

Im oberbayerischen Miesbach ermittelt die Polizei wegen des Verdachts auf Betrug bei Schnelltests. Auch in Hessen sind nach Angaben des Landeskriminalamts (LKA) 2 mögliche Betrugsfälle registriert worden. Ist das womöglich nur die Spitze des Eisbergs? Johannes Nießen, der das Kölner Gesundheitsamt leitet, fürchtet jedenfalls, dass ?noch weitere Fälle uns in Zukunft beschäftigen werden?.

So leicht ist der Betrug möglich
Seit Anfang März sieht die Corona-Testverordnung des Bundes Bürgertests vor. Der Bund übernimmt die Kosten für mindestens einen Test pro Woche und die Zentren erhalten 18 Euro pro Test. Überwacht wird das Procedere aus Datenschutzgründen allerdings kaum ? in der Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vom 8. März heißt es: ?Die zu übermittelnden Angaben dürfen keinen Bezug zu der getesteten Person aufweisen.?

Die Testzentren müssen auch nicht nachweisen, dass sie überhaupt Antigentests eingekauft haben. Es reicht, wenn sie den KVen die Zahl der Getesteten ohne Beleg übermitteln. In den Monaten April und Mai wurden insgesamt 660 Millionen Euro überwiesen, so der Rechercheverbund.

Woge der Kritik
Die Wogen über zu Unrecht abgerechnete Schnelltests schlagen hoch: ?Herr Minister Jens Spahn, wir Hausärzte bekommen ca. 40 Euro/Quartal und Patient und müssen Regresse fürchten. Private Testzentren, die wie Pilze aus dem Boden schießen, scheinen offensichtlich zu betrügen und erhalten 18 Euro/Test, ohne Prüfung. Irgendwas läuft extrem schief?, twittert etwa Hausarzt DocHollywood.

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Donnerstag, 27. Mai 2021
Impfmisere Update - Liebling, lass uns impfen!
Bersarin hat schon Recht in seiner Bestandsaufnahme der Covid19-Situation in Berlin:

https://bersarin.wordpress.com/2021/05/26/baby-las-uns-impfen

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Mittwoch, 26. Mai 2021
Der Fluch des Bauxits
Der Fluch des Bauxits

(Eigener Bericht) - Maßnahmen der Bundesregierung zur Sicherung der deutschen Bauxitversorgung begünstigen Menschenrechtsverletzungen und schwere Schädigungen der Umwelt in Guinea. Das westafrikanische Land verfügt über die größten Bauxitlagerstätten der Welt und ist aktuell drittgrößter Bauxitproduzent; es deckt mehr als 90 Prozent des deutschen Bedarfs. Bauxit ist als Grundstoff für die Aluminiumgewinnung insbesondere für die deutsche Kfz-Produktion von erheblicher Bedeutung. Um die langfristige Bauxitversorgung eines deutschen Unternehmens zu sichern, hat Berlin eine Kreditgarantie in Höhe von 293 Millionen US-Dollar für den Ausbau einer Mine in Guinea vergeben, die schon seit Jahren die Wasserversorgung und den Ackerbau in der Region gravierend schädigt und damit den Bewohnern zahlreicher Ortschaften die Lebensgrundlage nimmt. Der Protest der Betroffenen verhallt bislang wirkungslos. Sämtlicher Perspektiven im eigenen Land beraubt, fliehen immer wieder Menschen aus Guinea über hochgefährliche Routen in Richtung Europa.

Weiterlesen
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8608/

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Kein Schwein impft mich an
Ich stehe nun gleich zweimal auf einer Priorisierungsliste: Einmal als Kundenbetreuer im Außendienst und einmal als Krebspatient. Völlig egal, nach meinem Wartelistenplatz kann ich damit rechnen im Oktober geimpft zu werden.

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Mittwoch, 12. Mai 2021
Erschreckendes Treiben der Hörnerirren
https://www.sueddeutsche.de/kultur/querdenken-attilla-hildmann-alles-dicht-machen-hate-speecxh-verschwoerungstheorien-corona-hass-im-netz-1.5289254

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Dienstag, 11. Mai 2021
Drohungen gegen Lehrkräfte wegen Corona-Maßnahmen
Viele Lehrerinnen und Lehrer berichten wegen der Umsetzung von Corona-Maßnahmen an Schulen von Beschimpfungen, Beleidigungen und Bedrohungen.

In einer repräsentativen Forsa-Befragung unter 1.500 Lehrkräften im Auftrag der Bildungsgewerkschaft VBE gaben 22 Prozent an, dass ihnen an der eigenen Schule entsprechende direkte Angriffe auf Lehrkräfte im "Zusammenhang mit der Durchsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen" bekannt sind. Von Beschimpfungen und Bedrohungen über E-Mail oder Chats berichteten 25 Prozent.

Zum allergrößten Teil gingen die Angriffe demnach von Eltern aus - zum Teil kämen sie aber auch von Erwachsenen, die gar keine Kinder an der Schule hätten oder von Organisationen, die sich gegen die Corona-Maßnahmen aussprechen. Am häufigsten betroffen sind der Umfrage zufolge Grundschulen, am wenigsten Gymnasien.

Als Beispiele nannte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann am Dienstag Drohungen beim Elternabend, eskalierende Gespräche, Briefe und Drohungen mit Strafanzeigen und Berufsverboten. Lehrer und Schulleitungen würden dafür angegriffen, ihrer Arbeit nachzukommen und die verordneten Infektionsschutzmaßnahmen umzusetzen. "Das darf so nicht hingenommen werden." Die Kultusministerien seien in der Verantwortung, die Beschäftigten an Schulen zu schützen.

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Klassenhass
Gestern bei Plasberg wurde eine Frau präsentiert, Lageristin in einem Logistikcenter (wahrscheinlich Amazon) die als alleinerziehende Mutter zum Mindestlohn arbeitet und von einigen der Anwesenden Ratschläge bekam, die vor allem die völlige Ferne dieser Leute zur realen sozialen Lage enthüllten. Ein Arbeitgeber-Multifunktionär war dabei und eine FDP-Tante, die eine Firma geerbt hat, mit 33 ihre Anteile verkauft hat und so viel Schotter hat dass sie nicht mehr arbeiten müsste. Ich sehne die Zeiten zurück, als der Arbeitgeberverband tendenziell auch der Geiselgeberverband war.

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Freitag, 9. April 2021
Typenkunde
Die Leute, die sagen "Wir sitzen alle in einem Boot" unterlassen es tunlichst, den Bootstyp zu benennen.
Es handelt sich um eine Galeere.

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Freitag, 2. April 2021
Zeichen der Zeit
In Norddeutschland machen die Bullen Jagd auf einsam parkende Wohnmobile. Es soll halt keine touristischen Übernachtungen geben. Was zum Teufel hat das alleine irgendwo in der Botanik campen mit Virusausbreitung zu tun? Es sieht mal wieder so aus dass einfach verboten wird was Spaß macht. Das hat durchaus Parallelen zur Pest, wo man ja auch der Krankheit mit rituellen Bußübungen begegnete (Geißlerzüge).

Untersuchungen, die sich mit der Verbreitumg von Covid 19 in Büros und Fabriken beschäftigen werden hingegen wohlweislich nicht veröffentlicht. Könnten ja die Produktivität gefährden. Zumindest nicht hierzulande: Meines Wissens hatte Ioannidis in den USA eine Studie durchgeführt, derzufolge beengte und unhygienische Arbeitsbedingungen und ganz besonders die Wohnverhältnisse in schwarzen Townships der Ausbreitung des Virus förderlich sind. Da derselbe Autor insgesamt von einer weit geringeren Letalität des Virus ausgeht als der wissenschaftliche Mainstream, Gegner ihm deshalb eine apologetische Forschung zugunsten des Wahlkampfs von Trump vorwarfen und gleichzeitig Black Life matters gerade hohe Wellen schlug blieben diese Ergebnisse allerdings in der Öffentlichkeit unterbelichtet.

Btw: Weltwirtschaftsforums-Positionen zum Big Reset und die Neuausrichtung der Vergabepolitik der Weltbank lassen m.E. ein Umsteuern weg vom reinen Wirtschaftsliberalismus und hin zu mehr Nachhaltigkeit erahnen, und Bidens angekündigte Wirtschaftsprogramme erscheinen als größte keynesianische Reformpolitik seit dem New Deal - weit größer als der New Deal selber.

Insofern stellt sich durchaus die Frage, ob die Corona-Krise den Anfang vom Ende der neoliberalen Epoche einleitet.

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Sonntag, 28. März 2021
Business als usual
Ich war kürzlich bei meinem Arzt, dessen Praxis sich im Rotlichtviertel befindet. In der Nähe der Praxis und direkt vorm Puff standen die Wagen zweier Zuhälter, ein G-Klasse-Mercedes und ein Porsche Panamera mit Gewerbeparkschein auf dem Fußweg, und ihre Besitzer schwadronierten über ihre Fahrzeuge: "Rasen kann man mit dem nicht, der wird ja bei 245 abgeregelt." Ah ja. Die Geschäfte scheinen zu laufen, obwohl Puff und Spielsalon zu sind. Na ja, bleiben ja noch der Essenlieferservice, das Glücksspiel im Hinterzimmer und der Kokainhandel. Man muss nur breit aufgestellt sein, dann klappt´s auch trotz Lockdown.

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