Ohne Ethnologie, insbesondere Levy Strauss kein Strukturalismus, ohne die Elementare Semantik Saussures kein Poststrukturalismus. Die Erkenntnis, dass Sprache selber Realität schafft, bzw. dass das, was der Mensch für Realität hält eine sprachliche Übereinkunft bzw. Definition ist, dass steht am Anfang des postmodernen Denkens. Vielleicht könnte man sogar sagen, der Satz "Am Anfang war das Wort" wird hier auf empirisch-erkenntnistheoretische Füße gestellt. Die Voraussetzungen, mit denen die Großtheoretiker des Poststrukturalismus zur Sache gingen waren überwiegend die innerlinker spezifisch französischer Diskurse, ohne die ansatzweise zu kennen man gar nichts versteht. So war Lyotards Abrechnung mit den Großen Erzählungen eine implizite Abrechnung mit dem Maoismus und dem in Traditionen der Französischen Revolution stehenden Nationalismus in Frankreich, Baudrillard versuchte, aus der Kritik der Politischen Ökonomie eine anthropologische Grundkonstante abnzuleiten, wobei er am stärksten den ethnologischen Ursprüngen verhaftet blieb (symbolischer Tausch als magisches Ritual, den Tod zu bannen ist demzufolge principum movens aller nachneolithischen Gesellschaften), Bourdieu knüpfte an an konkrete Arbeiterkämpfe der 70er und an den frühen Operaismus an, und Foucaults "Ordnung der Dinge" wurzelt zunächst einmal in einer Kritik der hegelmarxistischen teleologischen Geschichtsphilosophie Sartres. Für Foucault folgen unterschiedliche Arten des Wissens auch unterschiedlichen Arten von Rationalität, "DIE" Rationalität des Positivismus wird bei ihm aufgelöst, dekonstruiert. Sein sogenannter Antihumanismus ist nicht gegen Humanität gewandt, sondern gegen die Annahme eines anthropologisch vorgegebenen Wesens des Menschen - dies nicht im Sinne einer körperlichen Beschaffenheit, sondern im Sinne eines inneren Wesens. Wenn die soziale Position eines psychologischen Gutachters, die Geschichte des Überwachens und Strafens oder die Kulturgeschichte der Sexualität untersucht werden, so stets als exemplarische Fälle, um die historische Gewordenheit und gesellschaftliche Bedingtheit heutiger Strukturen und Denksysteme und die dahinterstehenden Machtinteressen aufzudecken. Genau daher kommt der ungeheure Wert und die prägende Bedeutung dieses Ansatzes für die Geschichtswissenschaft.
Und es macht auch klar, dass von "postmoderner Beliebigkeit" oder "modischer Dekadenz" bei diesem Philosophen nicht die Rede sein kann. Das ist eigentlich beinhart empirische Gesellschaftskritik.
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Die Schneewortaffäre ist in der Tat putzig, und was man damit belegt zu haben behauptet hat, würde mich im Einzelnen interessieren.
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http://de.wikipedia.org/wiki/Sapir-Whorf-Hypothese
Auf das Borges-Zitat bezieht sich Foucault, den zufälliger Weise? Momo gerade zu Wort kommen lässt: “Bei dem Erstaunen über diese Taxinomie erreicht man mit einem Sprung, was in dieser Aufzählung uns als der exotische Zauber eines anderen Denkens bezeichnet wird – die Grenze unseres Denkens:
die schiere Unmöglichkeit, das zu denken.“
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Hätte Borges vom "exotischen Zauber" barbusiger Weiber in Baströckchen gesprochen, wär's gleich aufgefallen.
Ist jedoch jene Taxonomie eine literarische Fiktion, dann ist die Nummer eh durch.
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Das Ulkige an der Schneesache ist, daß da wahlweise das Fehlen oder eine Unzahl von Worten für Schnee behauptet wird, und beides ist falsch.
Die These, alle Theoriewahrheit sei Illusion, bewahrheitet sich damit immerhin an den Theoretikern, die diese These vertreten.
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Wenn man noch die Sokal-Affäre dazu nimmt, kann man sich wirklich nur wundern, dass dieser philosophische Humbug immer noch nicht in Gänze diskreditiert ist. Muss wohl irgenein Bedürfnis ansprechen.
Grüße
R.K.
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Dass gerade Borges als Autor für Postmoderne, Poststrukturalisten und Dekonstruktivisten so inspirierend war, verweist doch auf ganz anderes, etwas, das man auch dann nicht los wird, wenn man die nächste Runde mit "Sprachidealismus" einläutet, was ja dann meistens kommt.
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"Imagine..."
"Rainy Day Woman"
"Another Brick in the Wall"
"Die Frage ist, haben wir eine Zukunft, können wir eine Zukunft erträumen? Denn wenn wir sie erträumen können, wird es sie auch geben! Also träumt von grünen Wiesen, Bäumen, Flüssen, Fischen...träumt!" (Jaz Coleman)
Es läßt sich nicht genau sagen, wo der Schlaf endet und das Wachen beginnt. Wie kann man von den Grenzen des Denkens sprechen, wenn es doch Träume gibt? Von bewußtseinserweiternden Drogen ganz zu schweigen. Die einzige Grenze des Denkens, so ist mein Eindruck, wird durch die Haarspalterei gesetzt.
Der Mensch denkt, Gott lenkt.
Der Mensch dachte, Gott lachte.
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"Das Ulkige an der Schneesache ist, daß da wahlweise das Fehlen oder eine Unzahl von Worten für Schnee behauptet wird, und beides ist falsch."
Das wird auch gerne kombiniert; demnach gibt es dann eine Unzahl von Wörtern für verschiedene Arten von Schnee, während ein verbindendender Oberbegriff, der 'einfach nur' Schnee bezeichnet, fehlt.
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Wenn es sich denn dabei um eine „Erkenntnis“ handelt und nicht um eine unbelegte und unplausible Behauptung. Mir stellt sich da immer die Frage, wo denn die Sprache her kommen soll, wenn sie die Realität schafft, ihr also vorangeht?
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Zitroneneis
Tischtennisbälle
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[edit:] Nicht-Sprache:
Karl-Theodor Guttenberg
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unbefleckte Empfängnis
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Dann schreib uns hier mal was über Realität, ohne Sprache zu verwenden. Und da das hier, was ich gerade schreibe, eine Handlungsaufforderung darstellt - worin besteht deren Realität und deren Gehalt im außersprachlichen Sinne?
Ist jetzt zwar Austin und nicht Foucault, egal.
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Davon mal ab, bestehen bei einer Handlungsaufforderung deren Realität und Gehalt im Grad der Sanktionsbewehrung. 'Bei Nichtbefolgung standrechtliche Erschießung' ist sehr realitätshaltig, und aus den Gewehrläufen des Exekutionskommandos kommen keine Worte.
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Anders als Habermas, Austin und Searle haben sich die "Postmodernen" nur indirekt mit dem schlichten Sprechakt befasst, sondern mit komplexen Theoriegebäuden und auf diesen gründenden, funktional verzahnten Praxen, die freilich wieder zu schlichten Imperativen, "Onaniere nicht!", führen können. "Realität" im von Willy anvisierten Sinne ist der Baum, gegen den ich bei Glatteis fahren kann, was ich in der Regel nicht aus Erfahrung weiß, sondern weil es mir wer erzählt hat oder ich Bilder im Fernsehen sah.
Foucault hingegen bezieht sich auf die Architektur von Gefängnissen und deren Relation zu sprachlich manifestierten Wissensformationen, die als Legitimationsmodus für die Praxis der Inhaftierung dienten. Oder er vergleicht die innere Logik der Texte von Ricardo und Darwin. Derrida setzte sich mit jener der Texte Rousseaus auseinander. Da hilft der Baum, gegen den man fahren kann, nicht so wahnsinnig weiter.
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Zweite Frage geht an momorules.
Erklär mir doch mal bitte, wie der Borges-Bezug von Foucault wirklich gemeint ist, ich weiss es nämlich nicht besser. Als Beispiel für die Inkommensurabilität zweier Arten zu Denken taugt er jedenfalls für mich nicht.
Etwas Denunziatorisches kann ich bei meiner Kritik nicht erkennen, wohl aber bei Dir! Undzwar daran, dass Du mir die Worte "Wilde", "Primitive" und "Niedergang des Denkens" in den Mund legst, die ich sicher nicht benutzt habe.
Schlimmer finde ich aber, dass Du mir auch inhaltlich einfach irgendetwas in den Mund legst, was ich nie gesagt habe, nämlich dass ich in kolonialer Weise die Auseinandersetzung mit dem Denken anderer Menschen ablehne. Dabei habe ich lediglich gesagt, dass einige der prominentesten Beispiele für die Inkommensurabilität dieses Denkens sich als Humbug herausgestellt haben, und dass die Sokal-Affäre recht überzeugend deutlich gemacht haben müsste, dass PoMo mehr das Einüben eines Jargons als philosophisches Argumentieren bedeutet.
Bonusfrage: Warum muss man die Realtität ohne Sprache beschreiben können, nur weil man die Ansicht vertritt, dass die Realität der Sprache vorausgeht?!
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Microgod, ich bin da ganz bei Dir, und Hagbard Celine ist mit uns.
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Die Realität, roger kint, geht der Sprache voraus, und sie geht ihr nicht voraus. Die realitätserzeugende Kraft von Sprache ist ein Moment der Sprache ebenso, wie die spracherzeugende Kraft der Realität als Moment von Sprache ihr eingesenkt ist. Die Wirklichkeitsmächtigkeit von Sprache bedarf zwingend beider Momente.
Manch Postmodernes, nicht alles, klingt indes nach der Absolutsetzung des realitätskonstituierenden Moments von Sprache, möglicherweise darum, weil das schon zuviel "Dialektik" wäre: daß Sprache eigenständig und nicht eigenständig ist gegens Nichtsprachliche.
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Microgod schreibt: "Es läßt sich nicht genau sagen, wo der Schlaf endet und das Wachen beginnt."
Genau mein Problem – jeden verdammten Morgen!
;-)
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Die Frage, ob nun "die Realität" "der Sprache" voraus geht ist müßig, weil auch "die Realität" ein Begriff, also ein Konzept ist, das so oder so gefasst sein kann, und man dann, wenn man es diskutiert, das nun mal schon sprachlich tut. Und dies mit Begriffen, die man im Zuge des Spracherwerbs erlernte, die somit dem individuellen Sprechen vorgängig sind und durch deren Filter man erfährt, was als "real" gilt.
Viel wichtiger ist, dass die mir bekannten Postmodernen auf jegliche Totalisierung verzichten, sondern in ihrem Selbstverständnis als "spezifische Intellektuelle" sich bestimmten Sujets widmeten und nicht mehr wie ein Sartre als allgemeine Welterklärer auftraten. Inwiefern das ein Derrida bei der These der "Schriftvergessenheit" oder des "Logozentrismus" auch tat, mögen kompetentere als ich beantworten; bei Foucault erteile ich gerne Auskunft.
Der Text von Borges ist deshalb interessant, weil er für uns nicht-denkbare Verknüpfungsregel thematisiert in einer Weise, die den Text als Text reflektiert, wie das bei Borges ziemlich witzig ja oft durchgeführt wird. Das verweist auf die Frage der Modi, in Ordnungen des Wissens Einzelnes im Rahmen eines komplexeren Tableaus zu verknüpfen, zu sortieren. Im selben Vorwort beschreibt Foucault den Fall eines Aphasikers, dem man einen Haufen verschiedener Wollknäule, verschiedene Größen, Farben, Dicke der Fäden etc. hin legte und der daran verzweifelte, sie nicht sortieren zu können - weil ihm die Begriffe fehlten, Kriterien zu formulieren, die diese Sortierung anleiten könnten. So entwickekplt Foucault die Fragestellung und führt im Buch dann aus, wie unterschiedlich zu Zeiten der Renaissance, der Klassik und der Moderne das Tableau der Ordnung der Dinge und somit die Relation von "les mots" und "les choses" organisiert war. In der Renaissance unter dem Gesichtspunkt der Ähnlichkeit, Wallnüsse bei Kopfschmerzen, weil deren Inneres dem Gehrin glich, z.B.. Die Ordnungen im Zeitalter der Klassik folgten z.B. Taxomenien im Rahmen der Repräsentationsfunktion der Sprache, in der Moderne wurden sie dann auf den Menschen und seine Geschichte bezogen gedacht. Ganz grob.
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Soviel dazu.
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Die These der Irreduktibilität sprachlicher Ordnungssysteme, die sich wenn schon nicht bei Foucault so doch in jedem Fall in seinem Gefolge (das von Che angesprochene Milieu) finden lässt, wird mir trotz der Ausführungen nicht plausibler. Klar, es ist ein schönes Gedankenexperiment: Was wäre, wenn es inkommensurable Ordnungssysteme gäbe, über deren Wahrheitsgehalt wir uns nicht ("kolonialistisch") erheben dürfen? Ein überzeugendes Beispiel sind für mich aber weder Borges, noch die Eskimos oder der Aphasiker.
Die Forderung, ich solle mich klarer ausdrücken, wirkt etwas absurd, wo Du mich doch so unklar wiedergibst ("Niedergang des Denkens" habe ich genauso wenig geschrieben wie "Wilde" etc.). Was ich damit sagen will, dass Völkerkunde und die aus ihr hervorgegangene Ethnologie keine guten Kronzeugen für das Denken sind, habe ich bereits erläutert - ganz gewiss habe ich an keiner Stelle auch nur angedeutet, dass Beschäftigen mit dem Denken anderer Menschen, wo auch immer sie leb(t)en, etwas schlechtes sei.
Bleibt die Frage, wo bei den "Ausführungen zu Sokal" ich denunziatorisch werde. Bitte erläutern!
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Borges fungiert ja nicht als Beleg, sondern als Anlass, ebenso wie der Aphasiker (über den übrigens auch Merleau-Ponty schrub). Das führt Foucault im Vorwort aus. Da ich die im Urlaub bin und das Buch gar nicht dabei habe, müsste ich z.B. hinsichtlich der Lacanschen Psychoanalyse und der Ethnologie als Gegendiskurs noch mal nach schauen, wenn ich es wieder vor mir habe, darüber führt er einiges aus, der Foucault.
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Natürlich hat der Blick in's außereuropäische im wahrsten Sinne den Horizont des Denkens in Europa (und vice versa) erweitert. Die Kritik am Eurozentrismus wäre das naheliegenste Beispiel. Aber dass der systamitisierende, kulturalistische Blick (der witzigerweise, so würde ich behaupten, dem spezifisch europäisch-aufklärerischen Denken entstammt), der Ethnologie und Völkerkunde geprägt hat, und auf Sapir-Whorf-Manier in der Philosophie Eingang gefunden hat, mit dazu beigetragen hat, statt zu mystifizieren und zu verklären, DAS bestreite ich. (fuck, in Zukunft: kürzere Sätze.)
@ momorules
Ich verstehe Dein Problem nicht: Wenn ich einfach behaupten würde, dass PoMo nichts weiter als Jargon ist, dann wäre das eine steile Hypothese, die sicher etwas Diffamierendes hat.
Dann könntest Du mit einigem Recht fordern, dass ich ja mal einen Text, der aus reinem Jargon besteht, bei einer, am besten der bekanntesten und etabliertesten!, Zeitschrift postmoderner Ausrichtung einreiche und wir dann gucken, ob er abgedruckt wird. Genau das ist aber nachweislich passiert. Deshalb behaupte ich hier nichts weiter, als dass die Postmoderne einen Wicht wie mich gar nicht nötig hat, um als Jargon denunziert zu werden. Das hat sie ja offenbar schon selbst ganz gut hinbekommen.
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Diese Verknüpfung des postmodernen Denkens mit den linken Bewegungen 68ff ist aber nicht nur ein Segen, sondern auch ein Fluch. Ein Segen, weil es tatsächlich so etwas wie Theorie für die Revolte produzierte - während in Deutschland ein Rudi Dutschke den anachronistischen Versuch unternahm, Lenin auf die Füße zu stellen. '68 in Deutschland hat, im Gegensatz zu Frankreich, nichts intellektuell bleibendes hervorgebracht.
Der Fluch dieser Theorien liegt aber darin, daß sie die Schwächen der Bewegung reproduzierten - ihre Zersplitterung, Diskontinuität, Kurzatmigkeit. Indem sie die große Erzählung der Arbeiterbewegung verwarfen und das Lob der disparaten Vielen sangen, die unberechenbar und ohne vereinheitlichendes Moment die Phantasie an die Macht bringen sollten, hinterließen sie, als die auslaufende Welle der 68er-Bewegungen von den Thatchers, Reagans und Kohls gebrochen wurde, politische Ratlosigkeit. Das Allgemeine und intersubjektiv Verbindliche, das Bedingung der Möglichkeit eines Zusammenschlusses der zersplitterten Teilbewegungen gewesen wäre, war nietzscheanisch in Bausch und Bogen als perfide Strategie der Macht entlarvt worden, als ausgeklügelter Mechanimus, der es der Mehrheitsgesellschaft erlaubte, Minderheiten zu unterdrücken.
Politisch stellen die vereinzelten Einzelnen aber nicht den Gegensatz zur falschen Allgemeinheit von Kapital und Staat dar; diese sind einander vielmehr komplementär. Nur eine wahre Allgemeinheit, ein Zusammenschluß der vielen Vereinzelten zu einer klar strukturierten Form kollektiver Gegenmacht hätte die Chance, der falschen Allgemeinheit die Stirn zu bieten.
Dazu aber kann das postmoderne Denken keine gedankliche Grundlage liefern. Diese Beschränktheit macht es allerdings nicht obsolet. Sollte sich tatsächlich noch einmal eine organisierte Kraft herausbilden, die die bestehenden Machtverhältnisse in Frage stellen könnte (ganz schön viele Konjunktive), dann könnte die postmoderne Kritik subtiler Machtstrategien dazu beitragen, einen zukünftigen Stalinismus bereits im Keim zu ersticken. Das wäre nicht wenig.
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BtW was die andere Seite angeht, nämlich die Rezeption der Postmodernen und der Nouveaux Philosophes als Modephilosophen haben Franquin und Lauzier einige herrlich zynische Erwachsenencomics zu dem Thema gemacht. Etwa mit de Plot, dass die extreme Linke nichts erreichen, sondern ein allzu rigides Durchregieren der Linksliberalen nur blockieren will und dass Neue Philosophen besser im Bett sind als Neue-Sinnlichkeit-Machos.
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Dann lass Dir einfach mal auf der Zunge zergehen, was der Alte Bolschewik schreibt, das halte ich nämlich in groben Zügen für richtig, wenn auch nicht in jedem Detail. Diese Sokal-Nummer sagt nichts aus über den Kontext, indem "die Postmodernen" los legten, nichts darüber, worauf sie warum wie reagierten und hat einfach keine Relevanz - ihre Fragestellungen haben das sehr wohl, was im Zuge ihrer "Verzeitgeistigung" in der zweiten Hälfte der 80er spätestens dann zu Bolz und solchen Deppen umkippte. Und genau die Möglichkeit dieses Umkippens kann dann wieder Kritik an den zentralen Denkern und ihren Werken ermöglichen, bin ich gerne mit dabei, aber nicht dieser Sokal-BlaBla. Werde hier ja immer in die Rolle des Postmodernen gedrängt und spiel sie manchmal gern, aber natürlich gibt es da auch viel zu kritisieren. Aber "Jargon" findest Du in jeder "Fachsprache" und auch jene, die unreflektiert nachplappern, z.B. diese Sokal-Geschichte.
@Che:
Mix da mal nicht die Nouvelles Philosophes mit rein, das ist noch mal was anderes.
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Abgesehen davon vertritt Roger ja wohl Finkielkraut, wenn er von der Niederlage des Denkens spricht (zumindest ist das, lol, dessen Jargon), insofern sind die metamäßig in dieser Diskussion schon mit drin.
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Ist das ein Vertipper, und Du meinst Engels' Schrift "Anti-Dühring"?
"die Feuerbachthesen von Marx/Engels (...) enthalten m.E. vieles, was dann als Dekonstruktivismus neu erfunden wurde"
Insbesondere wichtig die 11. These, das Credo der Salonmarxologie:
Die Marxisten haben die Welt nur verschieden verändert; es kommt aber darauf an, sie zu interpretieren.
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Für Derrida muß hierbei ergänzt werden: „Am Anfang war die Schrift“, die in eine Geschichte der beständigen Verdrängung und Austreibung eingebettet ist. Das gesprochene Wort gilt der Philosophie im Sinne einer Präsenz, im Sinne der unmittelbaren Anwesenheit (fälschlicherweise) als das Ursprüngliche, so Derrida. Paradigmatisch zeigt Derrida dies am Verhältnis von Sokrates und Platon. „Am Anfang war die Schrift“. Dies muß aber zugleich umgeschrieben werden wie in dem Versuch des Faust, den Beginn des Johannes-Evangeliums in die Übersetzung – „in mein geliebtes Deutsch“ – zu bringen:
„Geschrieben steht: ‚Im Anfang war das Wort!‘
Hier stock' ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muß es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Daß deine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh' ich Rat
Und schreib' getrost: Im Anfang war die Tat!“
Im Grunde läßt sich dieser Faustische Monolog, in einem Derridaschen Sinne zumindest, nicht stillstellen. Er führt sich gespensterhaft weiter. Der Ursprung ist der ursprünglich geteilte. Derrida gebraucht hier die Begriffe der Spur und des Supplements. Und etwas komplexer noch im Modus einer Zeit/Raum-Konzeption des Aufschubs den Neologismus der Différance. Es geht Derrida – auch als Politik der Dekonstruktion gedacht – um diese Durchstreichung von Identitäten und um die Aufbrechung von Fixierungen.
Von der Derridaschen Dekonstruktion muß man noch einmal die der Amerikaner (insbesondere aus den Literaturwissenschaften) unterscheiden – das was man so als Yale-Schule bezeichnet: Harold Bloom, Geoffrey Hartman, Paul de Man. Wichtig für Derrida war es jedoch, die Dekonstruktion nicht zu einer regelgeleiteten, einfach nur handhabbaren Methode zu machen. Denn dies widerspräche eben Derridas Ansatz, Fixierungen aufzubrechen. Das politisch-ethische Moment Derridas (als Praktik) kann man gar nicht oft genug herausstellen. Auch wenn immer dieser Rest und diese Skepsis bleiben, die sich explizit an der Figur der Gabe zeigt, die es nicht gibt. Die unmögliche Gabe eben (hier auch wieder auf die Ethnologie sich beziehend wie schon in der „Grammatologie“). Das Geben ohne Tauschäquivalenz, welches die zirkuläre Logik bricht, entwickelt etwa in seinem Buch „Falschgeld. Zeit geben I“, das ich dringend an das schuldige oder unschuldige Herz lege.
„Die Gabe darf nicht zirkulieren, sie darf nicht getauscht werden, auf gar keinen Fall darf sie sich, als Gabe, verschleißen lassen im Prozeß des Tausches, in der kreisförmigen Zirkulationsbewegung einer Rückkehr zum Ausgangspunkt, Wenn die Figur des Kreises für die Ökonomie wesentlich ist, muß die Gabe anökonomisch bleiben. Nicht daß sie dem Kreis völlig fremd bliebe, aber sie muß dem Kreis gegenüber einen Bezug von Fremdheit bewahren, einen bezuglosen Bezug vertrauter Fremdheit. Und in diesem Sinne vielleicht ist die Gabe das Unmögliche“ (Derrida, Falschgeld, S. 17, München 1993)
Ich halte dieses Buch für eines der stärksten Bücher Derridas. Und für alle Raucher hier im Blog: es gibt dort zudem eine Poetik des Tabaks. (Der ja auch mit einer Form von Verausgabung zu tun hat.)
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Da stellt sich die Sache schon anders und komplexer dar, denn "Logos" ist nicht reduzierbar auf "Wort".
Der goethesche Text ist der Versuch, die innere Komplexität von "Logos" aufzufalten.
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(Die Identität der mythischen Göttergestalten ist verschwommen, noch nicht hinreichend bestimmt. Pallas Athene hat rund 200 Beinamen, die ihre unterschiedlichen Funktionen bezeichnen.)
Angesichts der gelegentlich gegen das Subjekt gerichteten Polemikversuche ist das immer mal wieder glattzuziehen.
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Ich hau gerade extra auf die Kacke, um hoffentlich das Gegenteil zu erfahren ;-) ...
Das mit der Spur und dem Supplement habe ich auch nie verstanden. Was meint das?
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Der Logos (als Anfang) ist wichtig insbesondere im Rahmen von Derridas Kritik des Logozentrismus als Phonozentrismus. Beim Gegensatz Logos – Mythos will Derrida keinesfalls einen Mythos als Gegeninstanz à la Klages oder im Sinne einer Neuen Mythologie etablieren, und Derrida ergeht sich schon gar nicht in die regressive Tendenz des Prä-Rationalen als (verborgenem) Hort des Besseren. Dies ist für seinen Text unbedingt festzuhalten. Die Konzeption des Logos ist notwendig, um dem Mythos zu entwachsen, daran läßt Derrida keinen Zweifel. Freilich ist dieser Logos im Feld der Metaphysik gebunden an die Stimme, an das Sprechen, so Derrida. In ihm läßt sich eine Fixierung auf die stimmliche Verlautbarung ausmachen, welche an Präsenz, Anwesenheit gekoppelt ist. Das emanzipatorische Potential des Logos gegenüber dem Mythos leugnet Derrida nicht. Zugleich klingt aber in der Konzeption diese abendländischen Logos so etwas wie eine grundsätzliche Gewalt. Ein wenig bewegt sich Derrida hier im Rahmen der „Dialektik der Aufklärung“, wenn es um den Aspekt geht, daß Aufklärung wieder in Mythos umschlägt.
Diese Parallele gilt sicherlich auch für Derridas Grundannahmen: seine Konzeption von Schrift. Die „Grammatologie“ etwa operiert ähnlich der „Dialektik der Aufklärung“ mit gewissen theoretischen Generalisierungen. Die Aufklärung mit Odysseus, sogar schon mit dem Mythos beginnen zu lassen, wie in der DA, mag einen eng an die Epoche ausgelegten Begriff von Aufklärung konterkarieren. Und so befremdet womöglich auch die These Derridas von der Verdrängung der Schrift angesichts einer durch und durch schriftlich geprägten Tradition der abendländischen, europäischen bzw. arabischen Philosophie zunächst. Wir lesen in Büchern, wir schreiben Bücher, die Texte von Platon bis zur Gegenwart stammen aus Büchern. Philosophie ist wesentlich Auseinandersetzung mit Text bzw. mit Schrift. Derrida geht darauf im Beginn der Grammatologie ein und zeigt verschiedenen Weisen von Schrift.
In der Entwicklung dieses Logos im Rahmen der Metaphysik registriert Derrida nun so etwas wie eine Schriftvergessenheit. Diese Bewegung Derridas evoziert sicherlich und gewollt die Philosophie Heideggers, der den dazu analogen Terminus der „Seinsvergessenheit“ prägte. (Heideggers verfehltes Konzept von Geschichte lassen wir mal beiseite.)
Derrida spricht mehrfach von der Verdrängung der Schrift aus dem gesprochenen Wort als Prius und Modus einer scheinbar „eigentlichen“ Weise, die in Form des „Sich-im-Sprechen-Vernehmens“ geschieht. Schrift kommt eine zweitrangige, instrumentelle Funktion zu, nämlich die Übersetzung „eines erfüllten und in seiner ganzen Fülle präsenten Wortes“ (Grammatologie, S. 19) Sprache, Denken und damit Schrift wird als Bei-sich-Sein, Anwesenheit konzipiert. „Die Schrift im geläufigen Sinne ist toter Buchstabe, sie trägt den Tod in sich. Sie benimmt dem Leben den Atem. Auf der anderen Seite aber wird die Schrift im metaphorischen Sinne, die natürliche, göttliche und lebendige Schrift verehrt; (...) Die natürliche Schrift ist unmittelbar an die Stimme und dem Atem gebunden. Ihr Wesen ist nicht grammatologisch, es ist pneumologisch.“ (S. 33) Derrida greift in diesem Zusammenhang Metaphern wie „Buch der Natur“, die Welt als ein Buch, in dem zu lesen sei, die Seele und das Herz, in die die göttliche Schrift eingeschrieben ist, als Momente der natürlichen Schrift auf, denen im abendländischen Denken eine höhere Wertigkeit zukommt.
Mit diesem Aspekt, daß die Schriftlichkeit der Schrift im Verborgenen blieb bzw. ihr Zeichencharakter als sekundär zum Sprachcharakter steht, ist die Kritik des abendländischen Denkens verbunden, welches die Oppositionsbildungen zu einer Seite hin auflöst und nicht mehr die Mechanismen in den Blick bekommt, die solche Oppositionen überhaupt erst ermöglichen. Logozentrismus ist für Derrida die Metaphysik der phonetischen Schrift, bspw. der Buchstabenschrift. (Grammatologie S. 11)
Die Verdrängung der Schrift bedeutet zudem, und damit sind wir dann bei der Kritik an Lévi-Strauss, einem reduzierten, abendländischen Modell von Schrift zu folgen. In der „Grammatologie“ heißt es, daß der Logozentrismus zugleich ein Ethnozentrismus sei. Das Absprechen von Schriftlichkeit für bestimmte Gruppen, so wie Lévi-Strauss das für die Nambikwara im Amazonasgebiet macht, bedeutet – bei Lévi-Strauss sozusagen contre coeur, gegen die eigenen „Intention“ – einem reduzierten (europäischen) Modell von Schrift zu folgen. Es gibt jedoch Zeichnungen, Inschriften, Gravuren, denen genauso der Modus von Schrift zukommt.
„Wenn man aber die Schrift nicht mehr nur in ihrer strengen Bedeutung linear und als phonetische Aufzeichnung begreift, dann muß es erlaubt sein, jede Gesellschaft, die in einer Lage ist, ihre Eigennamen hervorzubringen, das heißt auszulöschen und mit klassifikatorischen Differenzen zu spielen, als Gesellschaft zu bezeichnen, die die Schrift im allgemeinen praktiziert. Dem Ausdruck ‚schriftlose Gesellschaft‘ würde also weder realiter noch auf der Ebene des Begrifflichen etwas entsprechen. Dieser Ausdruck stellt vielmehr, indem er den vulgären, das heißt ethnozentrischen Begriff der Schrift mißbraucht, den ethnozentrischen Onirismus wieder her. Die Geringschätzung der Schrift, das sei am Rande bemerkt, paßt sich sehr wohl diesem Ethnozentrismus an. Wir bewegen uns in einem nur scheinbaren Paradox, in einem jener Widersprüche, in denen ein vollkommen kohärenter Wunsch geäußert wird und in Erfüllung geht. Mit ein und derselben Geste verachtet man die alphabetische Schrift, serviles Instrument eines gesprochenen Wortes, das seine Fülle und Selbstpräsenz erträumt, und verweigert den nicht-alphabetischen Zeichen die Ehre, überhaupt Schrift zu sein. Diese Geste können wir bereits bei Rousseau und Saussure feststellen.“ (Gramm. S. 192 f.)
Lévi-Strauss bewegt sich in den „Traurigen Tropen“ als Europäer und begeht, wie Rousseau in seiner Verklärung des edlen Wilden, eine Form von Oppositionsumkehrung. Natürlichkeit/Schriftlosigkeit gegen Kultur/Schriftlichkeit. (Von der Struktur ähnlich, aber sehr viel polemischer kritisiert Hubert Fichte in seiner Aufsatzsammlung „Homosexualität und Literatur 1“ Lévi-Strauss.) In der Umkehrung dieser Opposition verbleibt man jedoch in derselben. In der Unterscheidung schriftlose und schriftkundige Kultur, wie etwa Lévi-Strauss das macht, steckt bereits ein Moment der Diskriminierung. Ich fasse das jetzt mal sehr grob zusammen, müßte das alles noch einmal genauer in der „Grammatologie“ nachlesen.
Ich selber bin mir nicht ganz sicher, inwieweit Derridas Konzept von Schrift zutrifft und ob es nicht vielmehr zu eng gefaßt ist. Hilfreich mag hier sein – ohne Derrida darauf jedoch reduzieren und damit entschärften zu wollen – mit dem Begriff von Schrift im Judentum gegenzulesen – zumal noch einmal mit Kafka und Benjamin, sozusagen auf die Moderne hin sich kaprizierend. Als erste Assoziation beim ersten Lesen Derridas fiel mir sofort der Gefangenen „In der Strafkolonie“ ein.
Ich schreibe womöglich und demnächst zu Derrida etwas bei mir und greife das eine oder andere von hier auf. Geplant ist ein Text zu Derrida schon lange. Momentan erwischt mich jedoch eine Krankheit und das Ermatten geht vom Körper in den Kopf über. Ich hoffe dennoch, man merkt es dem Text nur wenig an.
@ Momorulez
Als Du „Gutenberg“ schriebst, dachte ich heute morgen zunächst: „Was hat denn der Verteidigungsminister mit Derrida zu tun?“ So schlimm ist das Denken bereits von der Scheiße durchsetzt.
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Aber ich warte gerne auf weitere Texte in Deinem Blog! Mir geht es trotz der mir bekannten Heidegger-Bezüge und auch jenen zur jüdischen Auslegungspraxis heiliger Schriften - auch durch Habermas bekannt, gebe ich gerne zu - nur immer so, dass, je allgemeiner die Texte die "großen Thesen" Derrida wieder gegeben, desto weniger kann ich da eine "Trefferquote" hinsichtlich der mir bekannten Philosophiegeschichte entdecken. Während ich schon was damit anfangen kann, wenn er in "Die Struktr, das Zeichen" etc. z.B. das Inzesttabu bei Lėvy-Straus zerlegt, das ist doch in dem Text? Ist ja nun auch fast 20 Jahre her, dass ich den gelesen habe, gebe ich zu. Will sagen: Kann man sich ihm nicht vielleicht sogar besser nähern, wenn man an konkreten Beispielen seine Lektürepraxis nachvollzieht, als sich an den "großen Thesen" zuborientieren? Das ist doch bei Adorno auch oft so.
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"Kann man sich ihm nicht vielleicht sogar besser nähern, wenn man an konkreten Beispielen seine Lektürepraxis nachvollzieht, als sich an den "großen Thesen" zuborientieren?"
Ja, das ist absolut richtig. Ich wollte diese Dinge auch nur in groben Zügen darstellen, deshalb die großen Thesen. Ich versuche und mache aber gerne beides: die generalisierende These (sozusagen als Makroperspektive oder Adlerblick) und dann auch ganz konkret den Text, das Detail und die einzelnen Passagen. Und ich möchte das zu Derrida auch gerne an einem konkreten Text durchführen. Die Grammatologie ist auf ihren Anfangsseiten in der Tat sehr generalisierend; ganz anders als andere Texte Derridas schon eine Art Vorbemerkung, was untypisch für ihn ist. Ein solch fulminantes Werk wie die Grammatologie schrieb Derrida dann auch nicht wieder.
Die Kritik am Bei-sich-sein geht bei Derrida nicht primär gegen Sartre.
Aber Deine Anregung greife ich, wie gesagt, gerne auf. Ich wollte hier zunächst nur zeigen, daß die Dekonstruktion Derridas kein Unfug und daß sie (implizit) politisch ist.
So, ich muß schlafen gehen. Rien ne va plus.
@ che
Solches Lob macht mich sehr verlegen. Aber da mir dieser Blog manches gibt, möchte ich hier gerne auch zurückgeben.
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„Dann schreib uns hier mal was über Realität, ohne Sprache zu verwenden.“
Wenn ich was über Realität schreiben will, muss die Realität zunächst mal existieren, und zwar bevor ich mich sprachlich über sie äußere. Entweder es gibt die Realität, und man nähert sich ihr mit Hilfe der Sprache an (was voraussetzt, dass die Sprache ein Teil der Realität ist bzw. von der Realität hervorgebracht wird. Und nicht umgekehrt.) Oder es gibt die Sprache, und sie bringt die Realität hervor (wie das auch immer konkret vor sich gehen soll). Dann ergibt sich die Frage, wer denn der Sprecher dieser weltkonstituierenden Sprache sein soll? Ich sehe hier nur zwei Möglichkeiten: entweder Gott, der ewig, unentstanden und allmächtig ist, oder das absolute ich, das sich selber setzt als bestimmt durch das Nicht-Ich. Beides sind für mich keine ernst zu nehmenden Hypothesen, und deshalb ist dieser Sprachkosntruktivismus Unsinn.
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Ich leugne mit all dem freilich weder den Baum, gegen den man ggf. laufen kann, auch ohne ihn zu bezeichnen und würde meinerseits auch davon ausgehen, dass es Bäume gab, bevor man sie "Baum" nannte. Es gab aber keine Lohnsteuerkarten, bevor sie jemand erfand und mit ihnen komplexe, soziale Prozesse lenkte, womit wir schon mal bei einer für die meisten "Postmodernen" ziemlich wichtigen Unterscheidung gelandet wären, nämlich der zwischen Kultur und Natur (und ggf. Gesellschaft, ein insbesondere hinsichtlich des von Alter Bolschewik Geschriebenen wichtiger Punkt).
Die auf sinnliche Wahrnehmung bezogenen Begriffe sind in der Regel nicht Gegenstand dessen, worüber die "Postmodernen" etc. schruben, das sind viel komplexere Texte und Wissensformationen, teils aus der Wissenschafts-, teils aus der Philosophiegeschichte, jedoch ebenso aus der der politischen Theorie (z.B. bei Lyotards Analyse der "Legitimationserzählungen", zu denen z.B. auch ein Konstrukt wie "Nation" zu zählen ist, dass Du nicht im selben Sinne als Unfallursache bei der Versicherung angeben kannst wie "schwarzer Mercedes mit dem Kennzeichen HH - SP 1910, der mir hinten drauf gefahren ist").
Dein Einwand ist also in etwa so, als habe Derrida nicht etwa über die Texte Rousseaus und Lévy-Strauss geschrieben, sondern die Existenz "des Buches da vorne".
Schon, dass es eines von Rousseau ist, wirst Du in der Regel auf dem Klappentext LESEN, und dann kannst Du Dich z.B. fragen, warum nur das Sprechen, nicht jedoch, dass da was auf dem Buch geschrieben steht, philosophiegeschichtlich sowichtig war, ebenso, wie erstaunlich ist, dass Du das verstehst, dass das ein Name ist, der da steht, und nicht etwa der Oberbegriff der Klasse aller unmotorisierten Fahrzeuge usw.
Mit anderen Worten: Die Kritik, die Du formulierst und die sich auch in anderen Blogs findet, verfehlt den Gegenstand völlig, auf den sie sich zu beziehen vorgibt.
Man kann zwar immer einwenden, dass Aristoteles und Hegel zu solchen Fragen sowieso immer schon alles Relevante geschrieben haben, man sollte aber schon die je spezifische Fragestellung auch zur Kenntnis nehmen.
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Is´nt that a little bit disgusting?
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Komischerweise setzen die aber nicht bei der Kantischen Unterscheidung zwischen "Ding an sich" und "Erscheinung" an, die Kritiken, sondern rennen mit Alltagsmetaphysik für Blöde gegen Betonmauern. Das sind dann Leuten, die Praxis auch nicht von deren Begründung unterscheiden können und Argumente und Methoden nicht von Personen.
Ich finde ja Quines Kohärenztheorie immer ganz hilfreich, auch wenn die aus der analytischen Philosophie stammt, sehe ich da schon Bezüge z.B. zu Foucaults "Ordnung des Diskurses" - und Derridas Methodik habe ich immer so verstanden, dass er die jeweiligen unbefragten Zentren dieser Quineschen "Wolke" aufspürt und dann angreift und zerlegt.
Finde gerade keinen brauchbaren Link, aber er geht ungefähr davon aus, dass die innere Kohärenz und Widerspruchsfreiheit einer Theorie deren Geltung bedingte und "Beobachtungssätze" sich gewissermaße am Rande einer in sich konsistenten "Begriffswolke" ansiedeln ließen, das Ergebnis der Beobachtung als Überprüfung aber nur in gravierenden Fällen das Zentrum dieses aufeinander verweisenden Begriffskomglomerats zum Einsturz bringen würde (z.B., wenn fest gestellt wird, dass die Erde sich um die Sonne dreht). Jetzt sehr grobschlächtig wieder gegeben.
Was damit freilich noch nicht berührt wird, ist die Frage nach der Praxis - Absichten, Befehle, Wünsche etc. können zwar gehört/gelesen und dem folgende Handlungen auch beobachtet werden, das erklärt jedoch die Perspektive der 1. und 2. Person nicht.
Foucault z.B. hat in "Überwachen und Strafen" vor allem die die Organisation von realen Praktiken in Fabirken und Gefängnissen beschrieben, da wird der Vorwurf des "Sprachkonstruktivismus" schon abstrus.
Da, wo intersubjektive und allgemein soziale Verhältnisse von Menschen sprachlich erfasst oder auch gesteuert werden, greift die klassische Wahrheitsfrage eben anders als im Falle von "Der Baum ist grün".
Was mit einer Konsequenz missachtet wird in diesen ganzen in theoretischer Philosophie herum spukenden Schlaumeierei, dass einem an sich schon ganz schwindleig wird.
Wenn Habermas Foucault "Kryptonormativismus" vorwirft, dann ja, weil dieser angeblich die Gründe nicht angeben können, warum z.-B. Demokratie und Menschenrechte als vernünftig angesehen wurden im Zuge der historischen Entwicklung und sich teilweise durchsetzten.
Foucault entgegnet dann: "Das mag ja die offizielle Meinung sein, dass das als vernünftig gilt; faktisch durchgesetzt hat sich historisch ein in Human- und Sozialwissenschaften gründende Disziplinar- und Normalsierungspraxis, die Rechtsgrundsätze schlicht unterläuft, permanent Delinquenz nicht etwa nur sprachlich, sondern tatsächlich produziert und noch die Gerichtsbarkeit an den psychologischen Gutachter deligiert."
Solche ja brandaktuellen Fragestellungen geraten bei all den Feld-, Wald- und Wiesen-Philosophemen völlig aus dem Blick, dabei liegt z.B. der Bezug zu Hartz IV und dem Umgang mit den Leistungsempfängern auf der Hand.
Da hilft einem das gegen die Betonmauer rennen oder die Synonymisierung von "Dekonstruktion" und "Denunziation" nun aber kein bißchen weiter.
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Du glaubst ja gar nicht, wie buchstäblich lustvoll es sein kann, sich in der starken Brustbehaarung z.B eines Kellners zu verkrallen ;-) ...
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Siehste mal, und wenn ich jetzt antworte "Bei Frauen hängt doch immer alles", wird mir das als frauenfeindlich ausgelegt, Dir aber kurioserweise nicht als männerfeindlich ....
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Linksklave: Brauchbarer Link, oder ist er nicht brauchbar? http://www.ditext.com/quine/quine.html
(Exit Linksklave)
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Deshalb eskaliert es bei Fragen wie jenen nach dem "Poststrukturalismus" dann völlig, weil da die Wahrheitsfragen, um die es ja eigentlich geht, nicht um Moral, Thema sind. Das halten die nicht aus.
Habe mit meinem Kumpel vom "Braunen Mob" da heute kurz drüber gequatscht, der hat sich weg geschmissen vor Lachen, weil die mit diesem Mist in weit aggressiverer Form alltäglich konfrontiert sind. Ich bin ja immer noch weißer Mann, also einer von denen. Wenn dann noch schwarzer Mann oder schwarze Frau gar auftaucht, geht der koloniale Blick völlig mit denen durch. Freue mich deswegen sehr über Bersarins Derrida-Auslegung, die zielt ja mitten ins Zentrum der Debatte.
In den USA gibt es wohl mittlerweile Studien zu der Stufenfolge dieser Auseinandersetzungen, die ja nicht zufällig immer gleich ausfallen. Deshalb ist es schon ziemlich lustig, dass die nun gerade bei dem Thema auf ihre "Individualität" pochen, wo ihr Verhalten klar voraussagbar ist, was es in anderen Kontexten ja nicht ist.
Eine schwarze Freundin hat sich mal einen Spaß daraus gemacht, das Stufendiagramm mitten in einer solchen Diskussion zu zücken und zu verlesen, da sind ihre Gegenüber schlicht ausgerastet. Das traut die sich seitdem nicht mehr, das ist gefährlich für Leib und Leben.
Ich muss mir das endlich mal besorgen.
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Das ist sein berühmtester Text, aber geht es da auch um die Kohärenztheorie der Wahrheit?
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Dort vertritt er allerdings nicht explizit eine "Wahrheitstheorie", soweit ich mich erinnere.
ein paar schöne Links
http://plato.stanford.edu/entries/quine/#EpiPro
Quine "holds that all of our attempts at knowledge are subject to those standards of evidence and justification which are most explicitly displayed, and most successfully implemented, in the natural sciences. This applies to philosophy as well as to other branches of knowledge. The epistemologist, therefore, reflects on science from within science; there is no theory of knowledge distinct from science."
hier ein nettes Projekt (wordpress als CMS verwendet)
http://www.iep.utm.edu/quine-sc/
lustig der dortige Artikel über die Analytische Philosophie, die als irgendwie gescheitert angesehen wird. Es wird bereits an einer Geshichte derselben geschrieben, wie untypisch für die Analytiker!
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In jedem Fall bin ich der Überzeugung, dass die Analytische Philosophie und die postrukturalistischen Ansätze sich durchaus wechselseitig erhellen können, wenn man sich darauf einlässt.
Zur Verabschiedung der Analytischen Philosophie gubt es die Aufsatzsammlung von dem für mich wohl wichtigsten Lehrer, Herbert Schnädelbach, unter den hier Diskutierenden nicht unumstritten, "Analytische und Postanalytische Philosophie", in der insbesondere die "Elementarsatzlehre", also den Versuch, alles auf Beobachtungssätze zurück zu führen, als gescheitert betrachtet, wenn ich recht entsinne - weil eben immer ein übergreifender Bezugsrahmen die Verwendung der einzelnen Begriffe erst ermöglicht. Und das ist ja Quines Thema auch, wenn ich es richtjg verstehe, und auch nix Neues oder Dolles; komischerweise muss man in solchen Diskussionen immer wieder darauf hinweisen.
Danke für die Links!
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Workingclasshero ist übrigens stark brustbehaart, verstehe aber gut, wenn er das bezogen auf meine Brüste nicht so toll fände. Ich selber auch nicht. Che ist auch brustbehaart, aber knapper. Das bei uns was hängt, aber bei Euch stehen sollte ist gut so, und dagegen hilft auch kein Dekonstruktivismus, selbst wenn Transen beides zugleich hinkriegten (aber bitte in der richtigen Kombi).
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Mag jetzt alles noch ein queerer Blick sein, egal, ich versteh diese demonstrative Abwertung von Männerkörpern, mal ab vom Phallus, durch heterosexuelle Männer nicht. Dass sie dann Deine unbehaarte Brust begehren sei ihnen ja völlig unbenommen.
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"Ein haariger Butler?Is´nt that a little bit disgusting?"
Z.B.. Und damit das nicht wieder irgendwer in den falschen Hals bekommt: Ich meine das weder böse noch als Unterstellung noch sonst irgendwas, das fällt einfach auf.
Wenn man auf schöne Männerbeine in Real-Life-Gesprächen kommt, setzt bei Männer zumeist doofes Geknicker ein. Wenn das Gespräch auf die Option, sich schwul betätigen wollen zu können, kommt fast immer der behaarte Arsch in penetrationorientierten Heten-Welten - als hätten die meisten nicht selbst so einen, als könne man mit dem Ausrasieren nicht auch nette Spiele spielen, als könne man sich nicht auch ficken lassen, sich wechselseitig einen runter holen, blasen oder sich irgendwo festbinden lassen und nix von dem tun, was ja auch seinen Reiz haben kann.
Was ja nun niemand zu präferieren braucht, schon gar nicht angesichts der sehr schönen Bilder von netbitches Brüsten auf ihrer Seite - ich finde lediglich auffällig wie häufig sich Heten fast angeekelt angesichts ihrer eigenen Bauweise äußern. Da stimmt doch was nicht.
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Nur: "ich finde lediglich auffällig wie häufig sich Heten fast angeekelt angesichts ihrer eigenen Bauweise äußern" ist etwas, wozu ich nichts sagen kann, da es mir nicht so geht und es mir an meinen heterosexuellen männlichen Bekannten auch noch nicht auffiel. Aber da sind wiederum viele Bodybuilder, Kletterer und Stammsaunagänger (Sauna, die durchaus als Flirtforum genutzt wird) dabei, also Männer mit einem ohnehin überdurchschnittlich hedonistischen Verhältnis zum eigenen Körper.
Was Anderes wären entsprechende Diskurse in der Kunst oder den Medien, wenn Du da etwas hast, wo Du drauf hinweisen könntest.
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Die Frage, ob Heteros mit größerer Wahrscheinlichkeit ein unharmonisches Verhältnis zu ihrem Körper haben, mag aber dennoch ihre Berechtigung haben. Ich halte das für durchaus denkbar.
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@Che:
Das mit dem "den Trieb in sich entdecken und befreien" war zu freudomarxistischen Zeiten auch gewichtiger als Thema ...
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Aber wenn wir schon beim Komplimente-Drechseln sind, muss ich an dieser Stelle auch sagen, dass ich in den letzten Tagen hier wieder enorm viel hochqualitativen Input gekriegt habe. Ich mag zwar lecker erscheinen, aber ich weiß auch um mein eklatantes Theorie-Defizit, und ich nehme aus den kundigen Kommentaren zu Foucault, Derrida & Co. doch einiges mit. Danke an alle Beteiligten dafür!
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http://netbitch1.twoday.net/stories/4392138
und das war für uns ein Ausgangserlebnis, um unsere Beziehung komplett aufzumöbeln. Äußerst empfehlenswert! Meine eigentlich doch eher dominante Liebste so als ausgeliefertes Opfer zu erleben machte übrigens sehr viel Spaß - und mir, diese Rolle dann umgekehrt zu erfahren. Den Kommentaren gewisser Leute folgend müssten wir uns aber jetzt Bußritualen ergeben, weil wir Linke sind, oder? Ich habe ja sehr gelacht in letzter Zeit.
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Kurioserweise kenne ich tatsächlich jemanden, der sich als solchen bezeichnet. Habe bis heute nicht so recht rausgefunden, was genau das Tätigkeitsfeld ist. Da weiß Che mit seinem gnostisch-okkulten Background vielleicht mehr.
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ich nehme mal an, dass das nicht deine meinung ist, sondern eine strömung in der philosphie wiedergeben soll.
realität existiert, sie ist unbeeinflussbar, sonst hätte ein betrachter ja nichts mehr wo er sich dran halten könnte. dadurch kann sie auch nicht durch sprache'konstruiert werden'.
'am anfang war das wort' war nur ein versuch die realität zu beschreiben,
vielen dank
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