Mittwoch, 29. Dezember 2010
Vom Ursprung des Dekonstruktivismus
Ich bin ja kein studierter Philosoph und habe philosophische Lehren immer nur in ihren Anwendungen in den Gesellschaftswissenschaften kennengelernt. Umgekehrt ist das vielleicht auch ein wirklich interessanter Blick, der möglicherweise elfenbeintürmenden Philosophen fehlt; der Umstand etwa, dass zum Beispiel der Dekonstruktivismus Butlers, aber auch viele andere Denkstrukturen innerhalb der poststrukturalistischen und postmodernen Philosophie ursprünglich aus der Ethnologie kommen und damit zusammenhängen, dass die Beschäftigung mit Realitätserklärungen außereuropäischer Gesellschaften oder die Tatsache, dass es dort z.t. mehr als zwei Geschlechter gibt dazu führte, bisher für selbstverständlich gehaltene Realitätsbegriffe in westlichen Gesellschaften in Frage zu stellen und begrifflich auseinanderzunehmen ist in der Ethnologie und Geschichtswissenschaft m.E. weit klarer auf dem Schirm als bei vielen PhilosophInnen (ich will jetzt aber keine Disziplinen gegeneinander ausspielen, gerade darum geht es nicht).

Ohne Ethnologie, insbesondere Levy Strauss kein Strukturalismus, ohne die Elementare Semantik Saussures kein Poststrukturalismus. Die Erkenntnis, dass Sprache selber Realität schafft, bzw. dass das, was der Mensch für Realität hält eine sprachliche Übereinkunft bzw. Definition ist, dass steht am Anfang des postmodernen Denkens. Vielleicht könnte man sogar sagen, der Satz "Am Anfang war das Wort" wird hier auf empirisch-erkenntnistheoretische Füße gestellt. Die Voraussetzungen, mit denen die Großtheoretiker des Poststrukturalismus zur Sache gingen waren überwiegend die innerlinker spezifisch französischer Diskurse, ohne die ansatzweise zu kennen man gar nichts versteht. So war Lyotards Abrechnung mit den Großen Erzählungen eine implizite Abrechnung mit dem Maoismus und dem in Traditionen der Französischen Revolution stehenden Nationalismus in Frankreich, Baudrillard versuchte, aus der Kritik der Politischen Ökonomie eine anthropologische Grundkonstante abnzuleiten, wobei er am stärksten den ethnologischen Ursprüngen verhaftet blieb (symbolischer Tausch als magisches Ritual, den Tod zu bannen ist demzufolge principum movens aller nachneolithischen Gesellschaften), Bourdieu knüpfte an an konkrete Arbeiterkämpfe der 70er und an den frühen Operaismus an, und Foucaults "Ordnung der Dinge" wurzelt zunächst einmal in einer Kritik der hegelmarxistischen teleologischen Geschichtsphilosophie Sartres. Für Foucault folgen unterschiedliche Arten des Wissens auch unterschiedlichen Arten von Rationalität, "DIE" Rationalität des Positivismus wird bei ihm aufgelöst, dekonstruiert. Sein sogenannter Antihumanismus ist nicht gegen Humanität gewandt, sondern gegen die Annahme eines anthropologisch vorgegebenen Wesens des Menschen - dies nicht im Sinne einer körperlichen Beschaffenheit, sondern im Sinne eines inneren Wesens. Wenn die soziale Position eines psychologischen Gutachters, die Geschichte des Überwachens und Strafens oder die Kulturgeschichte der Sexualität untersucht werden, so stets als exemplarische Fälle, um die historische Gewordenheit und gesellschaftliche Bedingtheit heutiger Strukturen und Denksysteme und die dahinterstehenden Machtinteressen aufzudecken. Genau daher kommt der ungeheure Wert und die prägende Bedeutung dieses Ansatzes für die Geschichtswissenschaft.


Und es macht auch klar, dass von "postmoderner Beliebigkeit" oder "modischer Dekadenz" bei diesem Philosophen nicht die Rede sein kann. Das ist eigentlich beinhart empirische Gesellschaftskritik.

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Strange Days
So sehr ich aufs Abgefahrene und Ungewöhnliche stehe, auch ich bin noch zu erstaunen. Da stehen drei Rentner, sehr bürgerlich aussehend, gepflegt gekleidet, absolut bieder und solide wirkend mit ihren Ehefrauen zusammen auf dem Weihnachtsmarkt und quatschen lautstark über die Zeit damals im Knast. Da komme ich bei einer Burschenschaft vorbei und sehe die Burschis gerade am Fechten, einer davon mit nem Iro, ein Punk mit Burschenband. So etwas habe ich auch noch nie gesehen. Und im Internet finde ich Werbung für ein Seitensprungportal, das mit dem Portrait einer jungen blonden Frau wirbt, deren Gesicht mit so komischen kleinen weißen Dingern gespickt ist, könnten Analzäpfchen, aber auch Zigarettenfilter sein. Was bitte ist daran erotisch?

Mal abwarten, wie bizarr 2011 wird.

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Der Weihnachtsmann bei Schichtende
Die Enthüllungen von Wikileaks gehen weiter.
Das ist ein Teil der Wahrheit, den der Himmel gerne unter der roten Decke gehalten hätte:


http://www.youtube.com/watch?v=2fIOzTAu0n4

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Ärgernis
Ich muss ja gestehen, darauf auch erst von workingclasshero hingewiesen worden zu sein, dennoch: Mich ärgert die Tatsache, dass der Begriff "bashen" ständig im Sinne von "dissen" oder "schlechtreden" gebraucht wird. Denn auf Englisch bedeutet "bashing" jemanden im Zweifelsfall bis auf die Intensivstation prügeln. Queerbashing und Pakibashing etwa, die Lieblingsbeschäftigungen britischer Naziskins beinhalten, dass das Opfer mit dem Kopf an die Bordsteinkante gelegt und mit Schwung dagegengetreten wird. Demgegenüber erscheint mir der landläufige deutsche Gebrauch dieses Begriffs als eine Verharmlosung brutalster Gewalt.

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