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Donnerstag, 12. Februar 2009
Immer im falschen Land
che2001, 19:22h
"Nur zurück zu meinen Kindern": Vier Jahre ist eine Familie getrennt,
weil das deutsche Recht es so will
München/Izmir - Im deutschen Konsulat der türkischen Stadt Izmir wird in
diesen Tagen eine junge Frau vorsprechen, die hofft, nach vier Jahren
ihre Töchter und ihren Mann in Niedersachsen wiedersehen zu dürfen. Die
Frau wird um ein Visum bitten, sprachliche Verständigungsschwierigkeiten
wird es nicht geben, ihr Deutsch ist perfekt. Gazale Salame ist im
Libanon geboren, aber sie hat fast ihr ganzes Leben in Deutschland
verbracht.
Genau waren es 17 Jahre, bevor am 20. Februar 2005 um sieben Uhr morgens
Polizisten vor ihrer Wohnung standen: Die 24-Jährige solle ihre Sachen
packen, zur Abschiebung in die Türkei. Sie ist im dritten Monat
schwanger, die 14 Monate alte Tochter Schams hat sie auf dem Arm, als
sie, wie sie später erzählt, "fast ohnmächtig" in ein Flugzeug steigt.
Zurück bleiben: der Ehemann Ahmed Siala, im Libanon geboren wie seine
Frau, und zwei gemeinsame kleine Töchter.
Um das seit vier Jahren zwangsgetrennte Paar ist ein so hartnäckiger
Behördenstreit entbrannt, dass die Präsidentin des
Bundesverwaltungsgerichts, Marion Eckertz-Höfer, Ende Januar dringend
eine Lösung im Weg des Vergleichs angemahnt hat. Der Hintergrund: Die
Eltern der jungen Leute lebten einst als staatenlose Kurden im Libanon,
vor dem Bürgerkrieg dort flohen sie vor nun fast 25 Jahren nach
Deutschland und erhielten Bleiberecht. Was Gazales Vater den deutschen
Behörden verschwieg: Er hatte seiner Familie auf der Flucht durch die
Türkei, wo früher Vorfahren seines Kurdenstammes lebten, türkische Pässe
besorgt - um überhaupt Papiere zu haben.
Seit die Behörden in Niedersachsen dies wissen, gilt Salame als Türkin.
Wegen der Behördentäuschung durch die Eltern verliert sie ihr
Aufenthaltsrecht. Dass sie ein Kind war, als die Eltern so handelten,
spielt für das deutsche Ausländerrecht keine Rolle. Darüber empört sich
nicht nur der "Niedersächsische Flüchtlingsrat", eine Privatinitiative.
Es gab Mahnwachen und Hungerstreiks für das Paar; der evangelische
Superintendent des Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt, Helmut Assmann,
und der katholische Domkapitular Wolfgang Osthaus baten gemeinsam
Innenminister Uwe Schünemann (CDU), Salame wieder einreisen zu lassen.
Bislang vergebens.
Die niedersächsischen Behörden sagen, Ahmed Siala könne doch auch
ausreisen zu seiner Frau in die Türkei mit den zwei nun elf- und
zehnjährigen Töchtern. "Wovon sollen wir dort leben", sagt Siala, der
bislang als Schlachter und Konditor seine Kinder ernährt hat. Er kann
kein Türkisch und hat nie in der Türkei gelebt. Sein Vater hat bei der
Flucht aus dem Libanon nicht einmal den Weg über die Türkei genommen,
aber die deutschen Behörden sind in südostanatolischen Melderegistern
fündig geworden und haben dort Angehörige des arabischen Kurdenstammes
gefunden, zu denen auch die Sialas gehören. "Önder" sollte die Familie
da heißen, auch bei Gazale Salames Familie wurde in den türkischen
Pässen der Name "Önder" eingetragen. Zufall ist dies wohl nicht. Denn
nach der Gründung der türkischen Republik 1923 wurden kurdische Namen
ebenso wie armenische türkisiert, und "Önder" heißt so viel wie
"Führer", ein Titel, den auch Republikgründer Atatürk trug. Den
rebellischen Kurden, von denen viele nach Aufständen in den Libanon
flohen, sollte diese Namensgebung womöglich besonderen Respekt vor der
Republik aufnötigen.
Izmir ist eine Stadt mit breiten, eleganten Boulevards, Gazale Salame
aber lebt in einer Gasse, wo die Häuser schmal und ärmlich sind. Der
Süddeutschen Zeitung sagte sie dort im Mai 2005, sie könne sich "nicht
einmal daran erinnern", dass sie mit ihren Eltern auf der Flucht schon
einmal in der Türkei gewesen sei. Sie wolle nur "zurück zu meinen
Kindern". Salames Sohn Ghazi, in Izmir geboren, ist inzwischen
dreieinhalb Jahre alt - seinen Vater hat er noch nicht gesehen.
Nun ist Salames vierjährige Wiedereinreisesperre abgelaufen, deshalb
wird sie beim Konsulat ein Besuchervisum beantragen. Ein Sprecher des
Innenministeriums in Hannover sagte dazu am Dienstag der SZ,
"Touristenvisa sind an die Bereitschaft geknüpft, auch wieder
auszureisen". Und davon sei bei Gazale Salame angesichts der familiären
Bindungen nicht auszugehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat darum
gebeten, ein Aufenthaltsrecht aus "humanitären Gründen" für die Familie
in Niedersachsen doch bitte noch einmal zu prüfen.
weil das deutsche Recht es so will
München/Izmir - Im deutschen Konsulat der türkischen Stadt Izmir wird in
diesen Tagen eine junge Frau vorsprechen, die hofft, nach vier Jahren
ihre Töchter und ihren Mann in Niedersachsen wiedersehen zu dürfen. Die
Frau wird um ein Visum bitten, sprachliche Verständigungsschwierigkeiten
wird es nicht geben, ihr Deutsch ist perfekt. Gazale Salame ist im
Libanon geboren, aber sie hat fast ihr ganzes Leben in Deutschland
verbracht.
Genau waren es 17 Jahre, bevor am 20. Februar 2005 um sieben Uhr morgens
Polizisten vor ihrer Wohnung standen: Die 24-Jährige solle ihre Sachen
packen, zur Abschiebung in die Türkei. Sie ist im dritten Monat
schwanger, die 14 Monate alte Tochter Schams hat sie auf dem Arm, als
sie, wie sie später erzählt, "fast ohnmächtig" in ein Flugzeug steigt.
Zurück bleiben: der Ehemann Ahmed Siala, im Libanon geboren wie seine
Frau, und zwei gemeinsame kleine Töchter.
Um das seit vier Jahren zwangsgetrennte Paar ist ein so hartnäckiger
Behördenstreit entbrannt, dass die Präsidentin des
Bundesverwaltungsgerichts, Marion Eckertz-Höfer, Ende Januar dringend
eine Lösung im Weg des Vergleichs angemahnt hat. Der Hintergrund: Die
Eltern der jungen Leute lebten einst als staatenlose Kurden im Libanon,
vor dem Bürgerkrieg dort flohen sie vor nun fast 25 Jahren nach
Deutschland und erhielten Bleiberecht. Was Gazales Vater den deutschen
Behörden verschwieg: Er hatte seiner Familie auf der Flucht durch die
Türkei, wo früher Vorfahren seines Kurdenstammes lebten, türkische Pässe
besorgt - um überhaupt Papiere zu haben.
Seit die Behörden in Niedersachsen dies wissen, gilt Salame als Türkin.
Wegen der Behördentäuschung durch die Eltern verliert sie ihr
Aufenthaltsrecht. Dass sie ein Kind war, als die Eltern so handelten,
spielt für das deutsche Ausländerrecht keine Rolle. Darüber empört sich
nicht nur der "Niedersächsische Flüchtlingsrat", eine Privatinitiative.
Es gab Mahnwachen und Hungerstreiks für das Paar; der evangelische
Superintendent des Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt, Helmut Assmann,
und der katholische Domkapitular Wolfgang Osthaus baten gemeinsam
Innenminister Uwe Schünemann (CDU), Salame wieder einreisen zu lassen.
Bislang vergebens.
Die niedersächsischen Behörden sagen, Ahmed Siala könne doch auch
ausreisen zu seiner Frau in die Türkei mit den zwei nun elf- und
zehnjährigen Töchtern. "Wovon sollen wir dort leben", sagt Siala, der
bislang als Schlachter und Konditor seine Kinder ernährt hat. Er kann
kein Türkisch und hat nie in der Türkei gelebt. Sein Vater hat bei der
Flucht aus dem Libanon nicht einmal den Weg über die Türkei genommen,
aber die deutschen Behörden sind in südostanatolischen Melderegistern
fündig geworden und haben dort Angehörige des arabischen Kurdenstammes
gefunden, zu denen auch die Sialas gehören. "Önder" sollte die Familie
da heißen, auch bei Gazale Salames Familie wurde in den türkischen
Pässen der Name "Önder" eingetragen. Zufall ist dies wohl nicht. Denn
nach der Gründung der türkischen Republik 1923 wurden kurdische Namen
ebenso wie armenische türkisiert, und "Önder" heißt so viel wie
"Führer", ein Titel, den auch Republikgründer Atatürk trug. Den
rebellischen Kurden, von denen viele nach Aufständen in den Libanon
flohen, sollte diese Namensgebung womöglich besonderen Respekt vor der
Republik aufnötigen.
Izmir ist eine Stadt mit breiten, eleganten Boulevards, Gazale Salame
aber lebt in einer Gasse, wo die Häuser schmal und ärmlich sind. Der
Süddeutschen Zeitung sagte sie dort im Mai 2005, sie könne sich "nicht
einmal daran erinnern", dass sie mit ihren Eltern auf der Flucht schon
einmal in der Türkei gewesen sei. Sie wolle nur "zurück zu meinen
Kindern". Salames Sohn Ghazi, in Izmir geboren, ist inzwischen
dreieinhalb Jahre alt - seinen Vater hat er noch nicht gesehen.
Nun ist Salames vierjährige Wiedereinreisesperre abgelaufen, deshalb
wird sie beim Konsulat ein Besuchervisum beantragen. Ein Sprecher des
Innenministeriums in Hannover sagte dazu am Dienstag der SZ,
"Touristenvisa sind an die Bereitschaft geknüpft, auch wieder
auszureisen". Und davon sei bei Gazale Salame angesichts der familiären
Bindungen nicht auszugehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat darum
gebeten, ein Aufenthaltsrecht aus "humanitären Gründen" für die Familie
in Niedersachsen doch bitte noch einmal zu prüfen.
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