Freitag, 28. August 2009
Die Sonderrenaissance
Der Renaissance-Stil zeichnet sich durch Ungleichzeitigkeiten in der Entwicklung aus. In Pisa beispielsweise wurden mit Dom, Baptisterium und Schiefem Turm mitten in der tiefsten Romanik Bauwerke errichtet, die zentrale Elemente der Renaissance-Architektur vorwegnahmen, und in Oberitalien wurde auch der Begriff geprägt: Renascita, die Wiedergeburt der Antike.
Nun bedeutete die Renaissance zumindest in der Architektur weit weniger einen einheitlichen europäischen Stil als vorher die Romanik oder später Barock und Klassizismus.Spanien, Portugal und England klinkten sich zwischen Gotik und Barock sozusagen aus und entwickelten mit Mudejar-Architektur, Manuelismus und Tudor-Stil eigene, nationale Baustile.

In Deutschland hielt sich der gotische Stil länger als in Frankreich oder Italien, dafür prägten sich hier Sondergotiken aus, die eigentlich mit Materialmangel zu tun hatten: Die Backsteingotik, die von den Niederlanden bis Estland die Küstenstädte von Nord- und Ostsee mit ziegelroten Kathedralen verzierte, und die Reduktionsgotik in Bayern und Baden-Württemberg mit ihren Hallenkirchen. Entsprechend spät vollzog sich hier der Übergang zur Renaissance, außerdem wurden viele Renaissancebauten im Dreißigjährigen Krieg zerstört. So ist Deutschland heute ein Land, in dem sich nicht viele Juwelen der Renaissancebauweise finden lassen.

Interessanterweise sind viele der schönsten Bauten wieder zwei regionalen Sonderstilen zuzuordnen: Die Weserrenaissance bei uns im Norden und die Donaurenaissance in Altbayern. Abgesehen von der eher strengen und schlichten Farbe der Fassaden im Norden und der ausgeprägten Buntheit in Bayrn ähneln beide Stile sich formal sehr; was aber total unterschiedlich ist, sind Proportionen von Kirchen und sonstigen Sakralbauten einschließlich Bischofssitzen, Rat- und Zunfthäusern zueinander und deren Anordnung im Stadtbild.




Gemeinsam haben beide Stile, dass sie weniger stark antikisieren als in Italien üblich und eher gotische Stilelemente weiterentwickelt und oft auch spielerisch verfremdet wurden in Kombination mit dann schon griechischen Fensterformen zum Beispiel.







Ein wenig aus dem Rahmen fällt das Schloss Ludwigs des Gebarteten, das eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der Zollbastion Torgau besitzt.





Und mit diesem Marktplatz ist alles gesagt:

Das wahre Zepter führt die Heilige Mutter Kirche.






Und so etwas wäre bei uns im Norden gar nicht denkbar. Auch vor der Reformation stand der Roland mit Schwert und Schild auf dem Markt, um die Kirche in ihre Schranken zu weisen. Herzöge, Handwerkszünfte und Kaufmannsgilden, nicht geistliche Herren waren groß zwischen Ems, Oder, Küste und Harz.

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