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Dienstag, 7. September 2021
Durchbruchsinfektionen mit SARS-CoV-2: Wann ordnungsgemäß Geimpfte vorsorglich in Quarantäne sollten
che2001, 20:36h
Dr. Nicola Siegmund-Schultze
Wenn komplett geimpfte Menschen mit SARS-CoV-2-positiven Personen in einem Haushalt leben und über längere Zeit exponiert sind, ist das Risiko, dass sie sich infizieren, erhöht. Trifft eine solche Konstellation auf geimpfte Mitarbeiter im Gesundheitswesen zu, sollten sie besser in Quarantäne, bis ihre Mitbewohner negative Testergebnisse aufweisen. Das befürworten Dr. Yonatan Oster von der Hebrew University of Jerusalem und Kollegen. Ihre Auswertung einer Fall-Kontroll-Studie ist jetzt in JAMA Network Open erschienen.
Durchschnittlich hatte jeder geimpfte, SARS-CoV-2-positiv getestete Teilnehmer 2,7 positiv getestete Haushaltsmitglieder. Bei der Kontrollgruppe ?nicht geimpft/SARS-CoV-2-positiv? waren es durchschnittlich 1,7. Die Impfung bot also Schutz, aber bei ständiger Exposition offenbar weniger. 3% aller positiv Getesteten benötigten eine stationäre Behandlung, aber keiner von ihnen starb.
Trotz Impfung freiwillig in Quarantäne?
Die Studienergebnisse sollten den Forschern zufolge zu der Überlegung führen, ob zumindest Mitarbeiter des Gesundheitssystems, die geimpft, aber nicht genesen sind, und mit SARS-CoV-2-positiven Personen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen des Risikos für Infektionen in Quarantäne bleiben, bis ihre Kontaktpersonen negative Tests vorweisen.
Die aktuelle Dominanz der Delta-Variante, die es zum Studienzeitpunkt noch nicht gegeben habe, könne eine weiteres Argument für eine vorsorgliche Quarantäne sein, auch für die allgemeine Bevölkerung, heißt es im Artikel.
In Deutschland ist eine Quarantäne für Kontaktpersonen von Infizierten unter anderem dann nicht erforderlich, wenn die Kontaktperson eines Infizierten vollständig geimpft wurde, so die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO).
Dieser Artikel ist im Original erschienen bei Univadis.de.
Welche Faktoren erhöhen das Risiko eines Impfdurchbruchs?
Zum Hintergrund: Israel erreichte 2020 mit seinem Massenimpfprogramm in kurzer Zeit eine hohe Impfquote gegen SARS-CoV-2. Verimpft wurde vor allem BNT162b2 von BioNTech/Pfizer. Die hohe Durchimpfungsrate war mit einer deutlichen Abnahme der SARS-CoV-2-Neuinfektionen assoziiert. Aber Durchbruchinfektionen ? das war aus Israel bekannt ? sind möglich. Ein Forscherteam hat nun die Assoziation zwischen Virusexpositionen und SARS-CoV-2-Infektionen bei geimpften und ungeimpften Mitarbeitern des Gesundheitssystems untersucht.
Dabei handelt es sich um eine Fall-Kontroll-Studie mit medizinischem und pflegerischem Personal am Hadassah-Hebrew University Medical Center. Seit Dezember 2020 hatte die Verwaltung Impfungen mit dem Vakzin von Pfizer-BioNTech angeboten. Innerhalb von 2 Monaten wurde ein großer Teil der Mitarbeiter geimpft.
Während der Studienperiode zwischen Anfang Januar und Ende März 2021 dominierte die Alpha-Variante in Israel. Verglichen wurden Virusexpositionen durch Haushaltsmitglieder bei komplett geimpften Mitarbeitern mit positivem PCR-Test im Untersuchungszeitraum.
Kontrollgruppen waren nicht geimpfte SARS-CoV-2-positive Mitarbeiter und geimpfte Mitarbeiter, die in vergleichbaren Abständen auf SARS getestet wurden, aber ein negatives Ergebnis hatten.
Gefahren vor allem im eigenen Haushalt
171 Personen mit der Kombination ?geimpft-SARS-CoV-2-positiv? wurden in die Studie aufgenommen. Das Durchschnittsalter lag bei 38 Jahren; 69% waren weiblich und 4% dieser Gruppe hatten eine Immunsuppression. Kontrollen waren 5.312 Geimpfte (SARS-CoV-2-negativ) und 690 nicht geimpfte Personen, davon 69 SARS-CoV-2-positiv.
Von 27 der 171 Teilnehmer mit der Kombination ?geimpft-SARS-CoV-2-positiv? lebten 56% (15/27) mit SARS-CoV-2-infizierten Personen in einem Haushalt; in der Gruppe ?nicht geimpft-SARS-CoV-2-positiv? waren es 38% (24/63) und in der Gruppe ?geimpft-SARS-CoV-2-negativ? 9%. Die Unterschiede waren mit p < 0,001 hoch signifikant.
Wenn komplett geimpfte Menschen mit SARS-CoV-2-positiven Personen in einem Haushalt leben und über längere Zeit exponiert sind, ist das Risiko, dass sie sich infizieren, erhöht. Trifft eine solche Konstellation auf geimpfte Mitarbeiter im Gesundheitswesen zu, sollten sie besser in Quarantäne, bis ihre Mitbewohner negative Testergebnisse aufweisen. Das befürworten Dr. Yonatan Oster von der Hebrew University of Jerusalem und Kollegen. Ihre Auswertung einer Fall-Kontroll-Studie ist jetzt in JAMA Network Open erschienen.
Durchschnittlich hatte jeder geimpfte, SARS-CoV-2-positiv getestete Teilnehmer 2,7 positiv getestete Haushaltsmitglieder. Bei der Kontrollgruppe ?nicht geimpft/SARS-CoV-2-positiv? waren es durchschnittlich 1,7. Die Impfung bot also Schutz, aber bei ständiger Exposition offenbar weniger. 3% aller positiv Getesteten benötigten eine stationäre Behandlung, aber keiner von ihnen starb.
Trotz Impfung freiwillig in Quarantäne?
Die Studienergebnisse sollten den Forschern zufolge zu der Überlegung führen, ob zumindest Mitarbeiter des Gesundheitssystems, die geimpft, aber nicht genesen sind, und mit SARS-CoV-2-positiven Personen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen des Risikos für Infektionen in Quarantäne bleiben, bis ihre Kontaktpersonen negative Tests vorweisen.
Die aktuelle Dominanz der Delta-Variante, die es zum Studienzeitpunkt noch nicht gegeben habe, könne eine weiteres Argument für eine vorsorgliche Quarantäne sein, auch für die allgemeine Bevölkerung, heißt es im Artikel.
In Deutschland ist eine Quarantäne für Kontaktpersonen von Infizierten unter anderem dann nicht erforderlich, wenn die Kontaktperson eines Infizierten vollständig geimpft wurde, so die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO).
Dieser Artikel ist im Original erschienen bei Univadis.de.
Welche Faktoren erhöhen das Risiko eines Impfdurchbruchs?
Zum Hintergrund: Israel erreichte 2020 mit seinem Massenimpfprogramm in kurzer Zeit eine hohe Impfquote gegen SARS-CoV-2. Verimpft wurde vor allem BNT162b2 von BioNTech/Pfizer. Die hohe Durchimpfungsrate war mit einer deutlichen Abnahme der SARS-CoV-2-Neuinfektionen assoziiert. Aber Durchbruchinfektionen ? das war aus Israel bekannt ? sind möglich. Ein Forscherteam hat nun die Assoziation zwischen Virusexpositionen und SARS-CoV-2-Infektionen bei geimpften und ungeimpften Mitarbeitern des Gesundheitssystems untersucht.
Dabei handelt es sich um eine Fall-Kontroll-Studie mit medizinischem und pflegerischem Personal am Hadassah-Hebrew University Medical Center. Seit Dezember 2020 hatte die Verwaltung Impfungen mit dem Vakzin von Pfizer-BioNTech angeboten. Innerhalb von 2 Monaten wurde ein großer Teil der Mitarbeiter geimpft.
Während der Studienperiode zwischen Anfang Januar und Ende März 2021 dominierte die Alpha-Variante in Israel. Verglichen wurden Virusexpositionen durch Haushaltsmitglieder bei komplett geimpften Mitarbeitern mit positivem PCR-Test im Untersuchungszeitraum.
Kontrollgruppen waren nicht geimpfte SARS-CoV-2-positive Mitarbeiter und geimpfte Mitarbeiter, die in vergleichbaren Abständen auf SARS getestet wurden, aber ein negatives Ergebnis hatten.
Gefahren vor allem im eigenen Haushalt
171 Personen mit der Kombination ?geimpft-SARS-CoV-2-positiv? wurden in die Studie aufgenommen. Das Durchschnittsalter lag bei 38 Jahren; 69% waren weiblich und 4% dieser Gruppe hatten eine Immunsuppression. Kontrollen waren 5.312 Geimpfte (SARS-CoV-2-negativ) und 690 nicht geimpfte Personen, davon 69 SARS-CoV-2-positiv.
Von 27 der 171 Teilnehmer mit der Kombination ?geimpft-SARS-CoV-2-positiv? lebten 56% (15/27) mit SARS-CoV-2-infizierten Personen in einem Haushalt; in der Gruppe ?nicht geimpft-SARS-CoV-2-positiv? waren es 38% (24/63) und in der Gruppe ?geimpft-SARS-CoV-2-negativ? 9%. Die Unterschiede waren mit p < 0,001 hoch signifikant.
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"Erst alle anderen Maßnahmen ausschöpfen": Experten gegen neuerliche Schulschließungen im Herbst
che2001, 20:33h
Michael van den Heuvel, Medscape
Bei Kindern und Jugendlichen steigt die altersspezifische Inzidenz rapide an, wie Zahlen des Robert Koch-Instituts, zeigen. Aufgeschlüsselt nach der 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner und Meldewoche zeigen sich folgende Trends:
0-4 Jahre: 2.908 (Woche 34) versus 179 (Woche 27)
5-9 Jahre: 5.446 (Woche 34) versus 207 (Woche 27)
10-14 Jahre: 6.738 (Woche 34) versus 296 (Woche 27)
15-19 Jahre: 6.778 (Woche 34) versus 580 (Woche 27)
Ähnliche Trends sind bei Erwachsenen bis in das Alter von 40 Jahren zu beobachten.
Speziell bei Kindern und Jugendlichen stellt sich die Frage, wie es Ende 2021 weitergehen wird. Kinderärzte und Politiker wollen weitere Einschränkungen vermeiden. Doch wird das gelingen? Bei einem Press Briefing des Science Media Center Germany gingen Experten der Frage nach, wie Kinder und Jugendliche bestmöglich durch den Herbst kommen [1].
Schwerer Verlauf eher selten
Dr. Berit Lange, Leiterin der Klinischen Epidemiologie in der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig, stellte Zahlen vor, um die Situation besser einzuschätzen. ?Ein schwerer Verlauf von COVID-19 tritt bei Kindern und Jugendlichen nur mit geringer Wahrscheinlichkeit ein?, so Lange. Zwischen 2% und 4% der Infizierten unter 18 müssten stationär behandelt werden; daran habe sich nichts geändert. Unter 14 Jahren seien es 0,5%; darüber hinaus steige das Risiko etwas an. In absoluten Zahlen nennt sie 1-3 schwere Erkrankungen pro 100.000 Personen in der Altersgruppe.
?Durch Delta ist die Übertragbarkeit des Virus gestiegen?, erklärte Lange. Das betreffe vor allem nicht geimpfte Menschen: ein Aspekt, den Eric Topol, Kardiologe und Chefredakteur von Medsape, auch für die USA bestätigt.
Genau hier sieht Lange den größten Unterschied zum letzten Jahr: ?Diesen Herbst impfen wir Kinder ab 12, das wird auch den Verlauf der Pandemie ändern?, sagt sie beim Pressegespräch. ?Außerdem haben wir Test- und Hygienekonzepte.?
Ein Blick in den Krankenhausalltag
Prof. Dr. Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Uniklinik Köln, berichtete von der aktuellen Situation im stationären Bereich. ?Wir sehen mehr Kinder mit SARS-CoV-2-positivem Abstrich, und zwar in allen Krankenhäusern in Köln?, berichtet der Pädiater. ?Allerdings werden 9 von 10 Kindern wegen anderer Krankheiten aufgenommen, nicht wegen COVID-19.?
Als Risikofaktoren nennt er vor allem chronische Mulitsystemerkrankungen wie Adipositas ? ?vielleicht ein Grund, warum in den USA deutlich mehr Kinder schwer erkranken?. Aber auch Kinder mit Trisomie 21 seien stärker gefährdet als gleichaltrige ohne die Erkrankung. Diabetes, Krebs oder Nierenerkrankungen hätten bei pädiatrischen Patienten jedoch nicht die Relevanz.
Immunologie: Kinder keine kleinen Erwachsenen
Dötsch betont, das Immunsystem von Kindern und von Erwachsenen unterschiede sich grundlegend. Erst ab 12 Jahren seien Vorgänge vergleichbar. Als wesentliche Besonderheit sieht der Experte, dass Schleimhäute in jungen Jahren eine viel stärkere Rolle bei der Immunantwort spielen. ?Gelangen Viren auf die Schleimhaut, werden sie deutlich stärker bekämpft als bei Erwachsenen?, so der Experte. Dadurch werde zu einem gewissen Maße die Infektion von Zellen vermieden. Weitere Besonderheiten sieht er im Gefäßsystem: ?Im Gegensatz zu Älteren leiden Kinder und Jugendliche nicht an Gefäßerkrankungen wie Arteriosklerose.?
Keine Off-Label-Impfung für Kinder
Doch sollte man alle Kinder mit Vorerkrankungen deshalb impfen, zur Not ohne EMA-Zulassung? ?Wir sprechen uns nicht für Off-Label-Impfungen aus?, macht Lange klar. Die STIKO habe Woche gebraucht, um Daten für 12- bis 16-Jährige zu bewerten und dann Empfehlungen auszusprechen. Dies sei auch gut so und sollte ? ohne sich politischem Druck zu beugen ? weiter geschehen. Ansonsten seien Empfehlungen der S3-Leitlinie ?Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen? weiter relevant.
Wir sprechen uns nicht für Off-Label-Impfungen aus. Dr. Berit Lange
Ende September rechnet der Pädiater mit EMA-Zulassungsdaten für 6- bis 11-Jährige und Ende Oktober könnten Daten für Kinder unter 6 folgen. ?Wir sollten jetzt nicht überaktiv werden? warnt Lange. ?Fast 17 Millionen Erwachsene sind nicht erstgeimpft; da liegt unser Problem.?
Wie ändern sich Quarantäneregeln?
Neben Impfungen setzen Gesundheitspolitiker im Herbst auf mehr Tests und auf Quarantäne. Doch bundesweit einheitliche Regeln zur Isolierung SARS-CoV-2-positiver Schüler oder Kita-Kinder gibt es derzeit nicht.
Fast 17 Millionen Erwachsene sind nicht erstgeimpft; da liegt unser Problem. Dr. Berit Lange
?Es stellt sich bei allen Maßnahmen die Frage, ob Infizierte eine hohe oder niedrige Viruslast haben?, gibt Dötsch zu bedenken. Mittlerweile gebe es Pilotprojekte, nur das per PCR positiv getestete Kind zu isolieren, aber nicht die gesamte Klasse. ?Wir wollen die Infektionskette frühzeitig stoppen, aber den Schulunterricht weiter aufrechterhalten.?
Um dies zu veranschaulichen, nennt Dötsch ein paar Zahlen. ?Das Infektionsrisiko in Schulen liegt bei etwa 1 bis 3%. Wir müssten also 50 bis 100 Kinder isolieren, um 1 Sekundärinfektion zu vermeiden.? Das sei nicht verhältnismäßig.
Plädoyer gegen Schulschließungen
Recht deutlich sprach sich Dötsch gegen neuerliche Schulschließungen im Herbst oder Winter aus: ?Wir Erwachsenen nehmen uns alle Freiheiten und fordern von Kindern, dass sie uns wieder retten?, so sein Kritikpunkt. ?Bevor erneut Schulen geschlossen werden, fordern wir, dass alle anderen Bereiche des öffentlichen Lebens ebenfalls geschlossen werden.?
Bevor erneut Schulen geschlossen werden, fordern wir, dass alle anderen Bereiche des öffentlichen Lebens ebenfalls geschlossen werden. Prof. Dr. Jörg Dötsch
Und Lange gab zu bedenken, dass mittlerweile andere Maßnahmen zur Verfügung stünden. Sie forderte, bei der Bewertung auch massive psychosomatische Folgen für Kinder ins Kalkül zu ziehen. Daten der letzten Monate hätten dies gezeig.
Bei Kindern und Jugendlichen steigt die altersspezifische Inzidenz rapide an, wie Zahlen des Robert Koch-Instituts, zeigen. Aufgeschlüsselt nach der 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner und Meldewoche zeigen sich folgende Trends:
0-4 Jahre: 2.908 (Woche 34) versus 179 (Woche 27)
5-9 Jahre: 5.446 (Woche 34) versus 207 (Woche 27)
10-14 Jahre: 6.738 (Woche 34) versus 296 (Woche 27)
15-19 Jahre: 6.778 (Woche 34) versus 580 (Woche 27)
Ähnliche Trends sind bei Erwachsenen bis in das Alter von 40 Jahren zu beobachten.
Speziell bei Kindern und Jugendlichen stellt sich die Frage, wie es Ende 2021 weitergehen wird. Kinderärzte und Politiker wollen weitere Einschränkungen vermeiden. Doch wird das gelingen? Bei einem Press Briefing des Science Media Center Germany gingen Experten der Frage nach, wie Kinder und Jugendliche bestmöglich durch den Herbst kommen [1].
Schwerer Verlauf eher selten
Dr. Berit Lange, Leiterin der Klinischen Epidemiologie in der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig, stellte Zahlen vor, um die Situation besser einzuschätzen. ?Ein schwerer Verlauf von COVID-19 tritt bei Kindern und Jugendlichen nur mit geringer Wahrscheinlichkeit ein?, so Lange. Zwischen 2% und 4% der Infizierten unter 18 müssten stationär behandelt werden; daran habe sich nichts geändert. Unter 14 Jahren seien es 0,5%; darüber hinaus steige das Risiko etwas an. In absoluten Zahlen nennt sie 1-3 schwere Erkrankungen pro 100.000 Personen in der Altersgruppe.
?Durch Delta ist die Übertragbarkeit des Virus gestiegen?, erklärte Lange. Das betreffe vor allem nicht geimpfte Menschen: ein Aspekt, den Eric Topol, Kardiologe und Chefredakteur von Medsape, auch für die USA bestätigt.
Genau hier sieht Lange den größten Unterschied zum letzten Jahr: ?Diesen Herbst impfen wir Kinder ab 12, das wird auch den Verlauf der Pandemie ändern?, sagt sie beim Pressegespräch. ?Außerdem haben wir Test- und Hygienekonzepte.?
Ein Blick in den Krankenhausalltag
Prof. Dr. Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Uniklinik Köln, berichtete von der aktuellen Situation im stationären Bereich. ?Wir sehen mehr Kinder mit SARS-CoV-2-positivem Abstrich, und zwar in allen Krankenhäusern in Köln?, berichtet der Pädiater. ?Allerdings werden 9 von 10 Kindern wegen anderer Krankheiten aufgenommen, nicht wegen COVID-19.?
Als Risikofaktoren nennt er vor allem chronische Mulitsystemerkrankungen wie Adipositas ? ?vielleicht ein Grund, warum in den USA deutlich mehr Kinder schwer erkranken?. Aber auch Kinder mit Trisomie 21 seien stärker gefährdet als gleichaltrige ohne die Erkrankung. Diabetes, Krebs oder Nierenerkrankungen hätten bei pädiatrischen Patienten jedoch nicht die Relevanz.
Immunologie: Kinder keine kleinen Erwachsenen
Dötsch betont, das Immunsystem von Kindern und von Erwachsenen unterschiede sich grundlegend. Erst ab 12 Jahren seien Vorgänge vergleichbar. Als wesentliche Besonderheit sieht der Experte, dass Schleimhäute in jungen Jahren eine viel stärkere Rolle bei der Immunantwort spielen. ?Gelangen Viren auf die Schleimhaut, werden sie deutlich stärker bekämpft als bei Erwachsenen?, so der Experte. Dadurch werde zu einem gewissen Maße die Infektion von Zellen vermieden. Weitere Besonderheiten sieht er im Gefäßsystem: ?Im Gegensatz zu Älteren leiden Kinder und Jugendliche nicht an Gefäßerkrankungen wie Arteriosklerose.?
Keine Off-Label-Impfung für Kinder
Doch sollte man alle Kinder mit Vorerkrankungen deshalb impfen, zur Not ohne EMA-Zulassung? ?Wir sprechen uns nicht für Off-Label-Impfungen aus?, macht Lange klar. Die STIKO habe Woche gebraucht, um Daten für 12- bis 16-Jährige zu bewerten und dann Empfehlungen auszusprechen. Dies sei auch gut so und sollte ? ohne sich politischem Druck zu beugen ? weiter geschehen. Ansonsten seien Empfehlungen der S3-Leitlinie ?Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen? weiter relevant.
Wir sprechen uns nicht für Off-Label-Impfungen aus. Dr. Berit Lange
Ende September rechnet der Pädiater mit EMA-Zulassungsdaten für 6- bis 11-Jährige und Ende Oktober könnten Daten für Kinder unter 6 folgen. ?Wir sollten jetzt nicht überaktiv werden? warnt Lange. ?Fast 17 Millionen Erwachsene sind nicht erstgeimpft; da liegt unser Problem.?
Wie ändern sich Quarantäneregeln?
Neben Impfungen setzen Gesundheitspolitiker im Herbst auf mehr Tests und auf Quarantäne. Doch bundesweit einheitliche Regeln zur Isolierung SARS-CoV-2-positiver Schüler oder Kita-Kinder gibt es derzeit nicht.
Fast 17 Millionen Erwachsene sind nicht erstgeimpft; da liegt unser Problem. Dr. Berit Lange
?Es stellt sich bei allen Maßnahmen die Frage, ob Infizierte eine hohe oder niedrige Viruslast haben?, gibt Dötsch zu bedenken. Mittlerweile gebe es Pilotprojekte, nur das per PCR positiv getestete Kind zu isolieren, aber nicht die gesamte Klasse. ?Wir wollen die Infektionskette frühzeitig stoppen, aber den Schulunterricht weiter aufrechterhalten.?
Um dies zu veranschaulichen, nennt Dötsch ein paar Zahlen. ?Das Infektionsrisiko in Schulen liegt bei etwa 1 bis 3%. Wir müssten also 50 bis 100 Kinder isolieren, um 1 Sekundärinfektion zu vermeiden.? Das sei nicht verhältnismäßig.
Plädoyer gegen Schulschließungen
Recht deutlich sprach sich Dötsch gegen neuerliche Schulschließungen im Herbst oder Winter aus: ?Wir Erwachsenen nehmen uns alle Freiheiten und fordern von Kindern, dass sie uns wieder retten?, so sein Kritikpunkt. ?Bevor erneut Schulen geschlossen werden, fordern wir, dass alle anderen Bereiche des öffentlichen Lebens ebenfalls geschlossen werden.?
Bevor erneut Schulen geschlossen werden, fordern wir, dass alle anderen Bereiche des öffentlichen Lebens ebenfalls geschlossen werden. Prof. Dr. Jörg Dötsch
Und Lange gab zu bedenken, dass mittlerweile andere Maßnahmen zur Verfügung stünden. Sie forderte, bei der Bewertung auch massive psychosomatische Folgen für Kinder ins Kalkül zu ziehen. Daten der letzten Monate hätten dies gezeig.
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