... link (8 Kommentare) ... comment
Das Gelände des zentralen Aufnahmelagers in Oldenburg-Blankenburg mit
dem großen Teich und dem schönen Laubwald hat fast etwas von einem
Kurpark – trotz Metallgitterzaun. Doch der Schein trügt. Vor zehn Tagen
sind einige der hier lebenden Asylbewerber in den Streik getreten. Ein
Teil der rund 550 Bewohner kritisiert die Verpflegung, medizinische
Versorgung und „Zwangskasernierung“, fordert Essensgeld statt
„Kantinenfraß“ und und hat daher zum Boykott von Kantine und
Ein-Euro-Jobs aufgerufen. Wer gegen den Boykott verstößt, muss wie der
hungrige Afrikaner in der Kantine mit Druck rechnen. Seit Anfang
vergangener Woche vergeht kaum mehr ein Tag, an dem nicht die Polizei
gerufen wird, um bei der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde (ZAAB)
für Ruhe zu sorgen. Die Konflikte spitzen sich zu. Anfangs hatten
Streikende nur symbolisch den Kantineneingang verrammelt, seit einigen
Tagen häufen sich die Schlägereien. Und ein Ende ist nicht absehbar. Im
Gegenteil. „Nächste Woche brennt es hier“, hat eine Bewohnerin dem
ZAAB-Leiter Christian Lüttgau gedroht. „Lager = Isolation“, steht auf
einem Transparent, das ein Asylbewerber am Donnerstag bei einer
Demonstration durch die Oldenburger Innenstadt trägt. „Stoppt
Massenverpflegung“, steht auf einem anderen. „Ich bin schon seit zwei
Jahren in diesem Lager“, klagt die 28 Jahre alte Kurdin Gülistan, die
ihrem vierjährigen Sohn Asad übers Haar streicht, während die anderen
kämpferisch auf leere Benzinkanister trommeln. „Wir haben keinen Arzt,
kein Geld und keine Schule, und das Essen ist ungenießbar.“ Angeführt
wird die Demonstration von Vertretern eines „antirassistischen Plenums“,
einem bunten Spektrum, das von Globalisierungsgegnern bis zur Antifa
reicht, den sogenannten Antifaschisten. „Wir fordern die dezentrale
Unterbringung in gemeindenahen Wohnungen“, sagt Olaf Bernau vom
„No-Lager-Netzwerk“. „Alle Flüchtlinge müssen das Recht haben, sich bei
uns zu integrieren.“ Doch dies entspricht nicht der deutschen
Gesetzeslage. Abgelehnte Asylbewerber, die mit ihrer Abschiebung zu
rechnen haben, sollen nach dem Willen des niedersächsischen
Innenministers Uwe Schünemann (CDU) nicht in Einzelwohnungen, sondern in
Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden – in Braunschweig,
Bramsche und eben in Oldenburg. Doch die Konzentration auf engen Raum
schafft Probleme. „Wenn man nur 38 Euro Taschengeld im Monat kriegt, ist
klar, dass die Leute klauen oder mit Drogen handeln“, sagt der Türke
Mustafa Kocef. Auch Oldenburgs Polizeichef Johann Kühme bereitet die
Ballung von desintegrierten Migranten, die oft länger als zwei Jahr im
Lager sind, Kopfzerbrechen. „So kann es nicht weitergehen“, sagt er.
„Seit längerer Zeit schon haben wir in der Stadt eine offene Drogenszene
– und die Dealer, meist Schwarzafrikaner, kommen fast alle aus dem
Lager.“ Viele hätten längst abgeschoben werden müssen. Das Problem
besteht aber darin, dass sie keine Angaben zu ihrer wahren Identität
machen. Wenn sie aber Angaben zu ihrem Herkunftsland verweigern, wird
ihnen das Taschengeld gekürzt – auch das schafft Unmut. Aus Sicht von
ZAAB-Leiter Lüttgau ist der Protest von außen gesteuert. „Die
sogenannten Unterstützer benutzen die Bewohner zur Propagierung ihrer
politischen Ziele“, sagt Lüttgau. „Angefangen hat alles mit einem
Aktions-Camp, das sie vor unserer Unterkunft aufgebaut haben. Jetzt
nehmen sie die Leute in Geiselhaft.“ Mittlerweile falle es den
„Unterstützern“ schwer, die Bewohner mit eigenen Lebensmitteln zu
versorgen, so dass immer mehr versuchten, trotz des Boykotts in der
Kantine zu essen. Mit dem Speiseplan gibt sich das Catering-Unternehmen
„menü 2000“ derzeit offenbar auch ganz besondere Mühe. So wird am
heutigen Freitag „Kümmelgulasch mit Blumenkohl und Salzkartoffeln,
wahlweise Makkaroni“ angeboten – dazu Obst, Saft und Salatbüfett. „Seit
dem Streik gibt es plötzlich jeden Tag Festessen“, sagt einer ein
Kantinenstreiker. „Die Absicht ist natürlich klar.“
Von Heinrich Thies
... link (1 Kommentar) ... comment
... link (4 Kommentare) ... comment
Dieses Verfahren soll durch ein Bleiberecht für geduldete Ausländer neu geregelt werden. Die Innenministerkonferenz kam nun offenbar einer Lösung näher: Ein Aufenthaltsrecht soll nur dann gewährt werden, "wenn jemand selbst in der Lage ist, für sich zu sorgen", sagte der Vorsitzende der Konferenz, Bayerns Innenminister Günther Beckstein.
Seit zehn Jahren lebt die kurdische Familie D. in Deutschland. 1996 floh sie aus der Türkei - als Opfer von Übergriffen und Repressalien. Die Kinder gingen zur Schule und haben diese heute auch erfolgreich abgeschlossen. Den beiden 19- und 21-Jährigen aber droht nun die Abschiebung. Wann, das ist offen. Klar aber ist: Auch nach zehn Jahren Leben, Lernen und Arbeiten in Deutschland hängt das allein von der Verlängerung ihrer Duldung ab.
"Eine Duldung ist nicht zur Regelung eines Daueraufenthaltes gedacht", sagt Flüchtlingsexperte Bernd Misovic von Pro Asyl gegenüber tagesschau.de. "Sie sollte eine Überbrückung für einen Zeitraum sein". Dennoch leben derzeit rund 193.000 Menschen seit Jahren in Deutschland mit einem Papier, das eine Abschiebung in ihr Herkunftsland zeitweilig aussetzt - eben der Duldung. Ihr Bleiberecht soll nun ausgehandelt werden.
"Etwa 120.000 dieser geduldeten Ausländer leben länger als fünf Jahre in Deutschland, mehr als 50.000 von ihnen sogar über elf Jahre", sagt Misovic. Mehrheitlich sind die "Geduldeten" Kosovaren, Roma, Bosnier oder Kurden. Sie kommen aus Serbien-Montenegro, Ex-Jugoslawien, der Türkei, Afghanistan oder dem Irak. Als "Geduldete" hätten sie kaum Chancen, eine Arbeit zu finden, sagt Pro-Asyl-Mitarbeiter Misovic. Und "sie haben kaum Möglichkeiten, nach Schulende eine weiterführende Ausbildung oder gar ein Studium zu machen". Klar ist: "Kettenduldungen, mal drei Monate, mal ein halbes oder ein Jahr Verlängerung, ermöglichen keine Lebensplanung", so der Flüchtlings-Experte.
Dabei seien die meisten von ihnen "integriert", das heißt "sie sprechen Deutsch und leben seit Jahren hier". Dass solche Lebenszustände geändert werden müssen, ist den meisten klar - vor allem, da auch "neue Geduldete nachwachsen", wie Pro-Asyl-Mitarbeiter Misovic sagt. So habe Deutschland in den letzen zwei bis drei Jahren mehr als 40.000 Flüchtlingen den Asylstatus wieder aberkannt - und damit mehr Menschen in den Duldungsstatus gedrängt.
Das Bleiberecht für geduldete Ausländer allerdings soll nach dem Willen der Bundesregierung sowieso nur die so genannten "Altfälle" regeln. Und auch da wird um das Wie gestritten. Bayerns Innenminister Günther Beckstein zum Beispiel zweifelt generell am Vorstoß von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, die Fälle der geduldeten Ausländer, die seit Jahren ohne gesicherten Rechtsstatus in Deutschland leben, zu regeln.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann wiederum will langjährig geduldeten Asylbewerbern mit Kindern ein Bleiberecht verschaffen - allerdings unter bestimmten Bedingungen. So müssten diese Familien ihren Lebensunterhalt durch dauerhafte Beschäftigung selbst bestreiten könnten. Zudem dürften die Eltern nicht straffällig geworden sein oder den Staat hintergangen haben. Darin stimmt Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach überein. Für ihn ist entscheidend, dass keine Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme stattfinde. Bosbach schlägt zudem einen Stichtag für das Bleiberecht vor: "Man muss vor dem 1. Juli 1999 eingereist sein", so der Unions-Fraktionsvize.
Auch SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz spricht sich für einen Stichtag aus. Der Tageszeitung "Die Welt" nannte er als Eckpunkte für ein Bleiberecht einen bis zu sechsjährigen Aufenthalt in Deutschland, die Erfüllung der Schulpflicht, Deutschkenntnisse sowie die Fähigkeit, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Die Grünen wiederum wollen schon nach eineinhalb Jahren vom Duldungsstatus zum Bleiberecht übergehen.
Um die Vorschläge wird bis November, wenn die Innenminister auf ihrer Konferenz über das Thema beraten sollen, noch kontrovers diskutiert werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Flüchtlinge, Pro Asyl, hofft, dass die Bedingungen für ein Bleiberecht der bisher geduldeten Menschen dann wenigstens so aussehen, dass sie auch erfüllbar sein können. Denn Forderungen, dass die Antragsteller zum Beispiel ein "Arbeitsverhältnis mit Dauerwirkung" vorweisen müssen, seien in einer Arbeitswelt, in der auch Deutsche immer mehr befristete oder gar mehrere Jobs haben, unrealistisch und unfair.
... link (0 Kommentare) ... comment
... link (2 Kommentare) ... comment
Ich meine ja nur....
... link (8 Kommentare) ... comment
Nun ja, ich bin ja auch jemand, der es nicht toll, sondern lästig findet, dass ein Handy noch andere Funktionen bietet als Telefonieren. Wahrscheinlich werde ich wirklich alt. Oder ich bin einfach nur sehr traditionell, und andere sind es nicht, sondern laufen bis ins Greisenalter dem Zeitgeist hinterher - kürzlich hörte ich, wie in einem Restaurant eine etwa 70jährige sagte, man müsste auch mal chillen können :-)
... link (6 Kommentare) ... comment
... link (0 Kommentare) ... comment
Geschildert wurde die Problematik am Fall eines Mannes, der für 6 Euro bei einem Wachdienst gearbeitet hatte und dann arbeitslos wurde. 6 Euro? Zu meiner Studienzeit, als die Verbraucherpreise im Schnitt halb so hoch lagen wie heute, war das der Tarif für einen Studentenjob beim Pizzakurden. Die Umverteilung von unten nach oben und die Schaffung eines Subproletariats als industrielle Reservearmee schreitet rasant voran.
... link (17 Kommentare) ... comment
... link (0 Kommentare) ... comment
"Ja, der bin ich." "Unsere Marketing-Glücksfee hat ein ganz tolles Angebot für sie gefunden, speziell für Sie reserviert , Herr Dr. Che 2001." "Rufen Sie mich aus einem Call Center an?" "Sicher, ich..." "Wissen Sie, eine alte Freundin von mir hat auch mal in einem Call Center gearbeitet, aber den Job verloren, weil das Call Center nach Kapstadt verlegt wurde. Würden Sie Ihrem Job nach Kapstadt hinterher ziehen?" "Nein, sicher nicht. Wir haben aber eine ganz tolle Aktion..." "Die hätten sie auch gar nicht genommen, weil die keine Weißen einstellen. Das muss man sich mal vorstellen, ausgerechnet in Südafrika! Was für eine Hautfarbe haben Sie?" "Ich wüsste nicht , was Sie das angeht. Kommen wir doch zu unserer Suuupaaaa-tollen Aktion zurück, extra reserviert für Sie, Herr Dr. Che 2001..." "Sagen Sie, heißen Sie mit Vornamen Tanja?" "Bitte, was sollen denn diese Fragen?" "Sie machen doch Dialogmarketing, und deshalb lasse ich mir nicht Monolog-mäßig einen abgespulten Text erzählen." "Sagen Sie, wollen Sie mich verarschen?" "Nun, dazu müsste ich wirklich wissen, was für einen Arsch Sie eigentlich haben, den kenne ich ja gar nicht..."
TÜT, TÜT, TÜT.........
... link (5 Kommentare) ... comment
... link (5 Kommentare) ... comment
Berlin: Die Bundesregierung will weiterhin bei der türkischen Regierung auf eine stärkere Glaubensfreiheit dringen. In einer Antwort (16/2739) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (16/2553) schreibt die Bundesregierung, dass sie "mit Nachdruck" auf Reformen hinwirken wolle, "die zur Verbesserung der Situation religiöser Minderheiten geeignet sind".
Insbesondere die Frage der Rechtspersönlichkeit der Gemeinschaften bedürfe einer geeigneten gesetzlichen Regelung, heißt es unter Hinweis auf den jüngsten Fortschrittsbericht der EU-Kommission vom November 2005.
Darüber hinaus hält die Regierung Stellungnahmen islamischer Organisationen in Deutschland für "wünschenswert", die sich für eine umfassende Wahrung des Menschenrechts auf Glaubensfreiheit in der Türkei einsetzen und die Gleichberechtigung aller Religionsgemeinschaften anmahnen.
Insgesamt hat sich die an konkrete Bedingungen geknüpfte EU-Beitrittsperspektive für die Türkei aus Sicht der Bundesregierung als wirksames Instrument erwiesen, um das Land zu fortschreitenden Reformen auch im Bereich der Religionsfreiheit zu bewegen.
Die christlichen Gemeinschaften in der Türkei und das Istanbuler Oberrabbinat verträten die Auffassung, dass sich die Situation nichtmuslimischer Religionsgemeinschaften in der Türkei aufgrund der EU-Beitrittsperspektive weiter verbessern wird.
... link (0 Kommentare) ... comment
http://www.statler-and-waldorf.de/?p=1605
Interessant ist, dass hier ein Ökonom, ein Volkswirt gar, auf ein mentalitätsgeschichtliches Werk verweist und mentalitätshistorisch argumentiert - ich als Alltagshistoriker, der der Mentalitätsgeschichte etwa der Annales recht nahe steht, würde hier nämlich strikt wirtschaftshistorisch argumentieren.
Nach dem Black Friday hatte der liberale, ungeregelte westliche Kapitalismus fertig, schien historisch bereits am Ende zu sein. Das kapitalistische System der westlichen Welt schien nicht durch eine soziale Revolution bedroht - die hatte man, außer in Spanien, wo der Faschismus sich direkt als Konterrevolution formierte, 1918 ff. mit Erfolg blutig niedergeschlagen - sondern es drohte an seinen inneren Widersprüchen zusammenzubrechen. In dieser Situation waren der Keynesianismus wie der Faschismus, ob in seiner deutschen, seiner italienischen oder seiner d´bazerten Variante http://rebellmarkt.blogger.de/stories/572546/#comments kapitalrevolutionäre Projekte, die den Kapitalismus retteten, indem sie ihn mit unterschiedlichen staatlichen Maßnahmen fit machten. Diese waren teilweise einander ähnlich, teilweise unterschieden sie sich aber auch ziemlich. Im Faschismus standen die Zerschlagung der Arbeiterbewegung und dadurch mögliche Lohn- und Preisdiktate sowie Zwangsarbeit im Vordergrund (wobei nicht nur an KZs gedacht werden muss, sondern auch an die Zwangsbeschäftigung Arbeitsloser durch den Reichsarbeitsdienst). Im Nationalsozialismus als der radikalsten und speziellsten Spielart des Faschismus waren Raub und Völkermord zentraler Bestandteil der Ökonomie, und zwar direkt neben staatlichen Sozialprogrammen. "Kraft durch Freude", staatlich gelenktes Kleine-Leute-Glück, Arisierung jüdischen Eigentums, "Rassenhygiene", "Euthanasie", Shoah und Krieg bildeten eine zusammenhängende Einheit, Hitlers Volksstaat und die Ökonomie der Endlösung waren zwei Seiten derselben Medaille.
Weitaus intelligenter und nachhaltiger gestaltete sich die Mobilisierung der Wirtschaft durch den Keynesianismus, der nicht nur die mörderische Komponente dieses Unterfangens fehlte, sondern auch mit Arbeitszeitbegrenzungen der Arbeitslosigkeit wetaus humaner abhalf als mit Zwangsdiensten, einen technologischen Modernisierungsschub und keine Arbeitsmobilisierung mit Hacke und Schaufel darstellte. Strukturelle Überschneidungen und organisatorische Parallelen waren natürlich vorhanden, alles andere wäre auch erstaunlich gewesen, wenn es darum ging, eine am Boden liegende Wirtschaft durch ein staatliches Konjunkturpprogramm anzukurbeln. In diesem Sinne war übrigens, wie ein Freund einmal schrieb, der attische Flottenbau unter Themistokles die erste Anwendung keynesianischer Politik in der Geschichte.
Die anfänglich Vorliebe Roosevelts für die zackige Organisationsfähigkeit Mussolini-Italiens sollte beachtet, aber auch nicht überbewertet werden; ein anderes Modell keynesianischer Politik neben dem New Deal war in dieser Zeit das Frankreich der Volksfront, also der Koalition aus Sozialisten, Radikalsozialisten und Kommunisten unter Léon Blum, die sich nicht nur der Schwierigkeit gegenüber sah, die nach dem Stavisky-Skandal besonders zerrüttete französische Wirtschaft zu reorganisieren, sondern zugleich die Machtergreifung der französischen Faschisten zu verhindern. Der Traditionsmarxist und Jude Blum hatte in seinem Denken keinerlei Sympathien für Mussolini, seine Koalition bewies, dass es möglich war, mit Kommunisten in der Regierung zusammenzuarbeiten, ohne dass diese eine Diktatur errichteten, offenbarte aber in der Abgrenzung von der Volksfront auch die Verkommenheit eines Bürgertums, das sich nun sagte "plustot Hitler que Léon Blum" und das Vichy-Regime hervorbrachte.
- die wirtschaftspolitischen Konzepte eines Keynes an und für sich sind erstmal weder links noch rechts, sondern ein pragmatischer Maßnahmenkatalog, um aus einer Rezession herauszukommen, aufgrund ihres stark etatistischen und korporatistischen Charakters liegt es aber auf der Hand, dass Sozialdemokraten und Sozialisten eher mit solch einem Modell liewbäugeln als Liberale oder Konservative. On the other hand ist auch eine auf Deregulierung, Stärkung der Währung und Schuldenabbau ausgerichtete Angebotsökonomie, wie ich ja schon an anderer Stelle gezeigt habe, nicht zwingend und immer an Liberalismus gebunden, insofern ist die Verwendung des Begriffs "Neoliberalismus" als Bezeichnung für ökonomische Rezepte in der Tradition Friedmans eine nicht unproblematische Angelegenheit und hat mit "Liberalismus" als politische Philosophie nicht zwingend zu tun, auch wenn Friedman ein Liberaler ist. Vom Standpunkt einer instrumentellen volkswirtschaftlichen Vernunft her würde es vermutlich sogar Sinn machen, keynesianische und monetaristische Wirtschaftsrezepte hintereinander anzuwenden, ping-pong-mäßig sozusagen, um etwa erst eine Wirtschaft aus der Rezession hinauszuführen und dann unerwünschte Nebeneffekte wie Überschuldung, verkrustete bürokratische Strukturen etc. loszuwerden. Dass nur wenige Ökonomen diese Kombination empfehlen würden, liegt unter anderem auch daran, dass die Volkswirtschaftslehre ja keine wertfreie, objektive Wissenschaft ist, sondern eine hochideologische Angelegenheit. Statler und Waldorf sind in der Hinsicht ehrlich, sie treten als überzeugte Wirtschaftsliberale auf. Aber das Institut für Weltwirtschaft oder das IFO-Institut sagen nicht von sich, dass sie neoliberale Denkfabriken sind - was der Fall ist - sondern treten als politisch neutral und objektiv auf. Ich bestreite, dass es Objektivität überhaupt gibt und empfehle in der Hinsicht mal ein Gespräch mit Quantenphysikern, die sich mit Heisenberg, Schrödinger, Gödel und der Geometrodynamik auseinandersetzen.
... link (18 Kommentare) ... comment
http://www.taz.de/pt/2006/10/04/a0062.1/text
... link (0 Kommentare) ... comment
Trotz Zensur steigt China zur weltgrößten Blogger-Nation auf
(dpa) - China ist zur Nation der Blogger aufgestiegen. In kurzer Zeit hat sich im Reich der Mitte die lebendigste und größte Szene mit Internet-Tagebüchern weltweit entwickelt.
In China hat sich eine lebendige Blogger-Szene entwickelt.
34 Millionen dieser Tagebücher gibt es derzeit laut einer neuen Untersuchung des chinesischen Internet Informationszentrums. Das sind rund dreißig Mal so viele wie noch vor vier Jahren. Dabei haben die Blogger mit einer harten Zensur zu kämpfen. Viele Adressen im Internet sind in China nicht zugänglich oder werden blockiert, wenn sie sensible politische Themen ansprechen. Bei anderen werden einzelne heikle Einträge gelöscht.
Doch die Popularität der Internet-Tagebücher wächst rasant. Allein das Blog der jungen chinesischen Schauspielerin und Regisseurin Xu Jinglei wurde innerhalb eines Jahres schon mehr als 50 Millionen Mal angeklickt. Bereits im Sommer war ihr Internet-Tagebuch auf den ersten Platz der Rangliste der Blog-Suchmaschine "Technorati" geklettert und gilt seither als populärster Blog der Welt. Dabei schreibt der Star weder von erotischen Eskapaden, wie Chinas bekannte Bloggerin "Muzimei", noch kritisch journalistisch, wie "Massage Milk". Xu berichtet von banalen Dingen wie einem Treffen mit Freunden, vom Schwimmtraining und Problemen mit dem Computer.
Das leichte Alltagsgeplauder kommt an. "Eine Lawine von Klicks motivierte mich, weiterzuschreiben", berichtete Xu der Nachrichtenagentur Xinhua. Xu Jingleis Tagebuch zeigt, wie das Internet die streng kontrollierte Medienlandschaft verändert hat. Im Prinzip kann jeder Chinese heute seine eigene Geschichte veröffentlichen. Das Internet untergräbt das Medienmonopol der Kommunistischen Partei, auch wenn die meisten Nutzer unkritisches berichten. 7,7 Millionen chinesische Blogger gelten als "aktiv", weil sie mindestens einmal im Monat in ihr Internet-Tagebuch eintragen. 75 Millionen der 111 Millionen chinesischen Internetnutzer verfolgen diese Seiten.
... link (1 Kommentar) ... comment
(Das Europäische Parlament) "betont, dass die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern an sich zwar formal nicht zu den Kriterien von Kopenhagen zählt, dass es aber für ein Land, das sich auf dem Weg zum EU-Beitritt befindet, unerlässlich ist, sich seiner Vergangenheit zu stellen und sie zu bewältigen; fordert die türkischen Behörden diesbezüglich auf, die Arbeit von Forschern, Intellektuellen und Akademikern, die an dieser Frage arbeiten, zu erleichtern, indem ihnen Zugang zu den historischen Archiven gewährt wird und ihnen alle einschlägigen Dokumente zur Verfügung gestellt werden";
Ähnliches fordert das Europäische Parlament in Bezug auf Pontos-Griechen.
... link (5 Kommentare) ... comment
Das Lager-Essen ist vitaminarm, was zu Krankheiten und Mangelerscheinungen führt. Viele Menschen im Lager gehen schon lange nicht mehr in die Kantine, sie haben im Monat nur 38,18 Euro zur Verfügung um sich eigene Lebensmittel zu kaufen. Viele erhalten überhaupt kein Bargeld mehr. Sie fordern unter anderem Geldleistungen, um sich ihre Lebensmittel selber kaufen zu können und die Möglichkeit selber zu kochen.
Die Lagerleitung reagierte auf die friedliche Demonstration mit einem massiven Polizeiaufgebot. Eine schwangere Frau wurde mit Pefferspray angegriffen und mußte ärztlich behandelt werden.
Die Flüchtlinge boten dem Lagerleiter Herr Lüttgau an, die Demonstration zu beenden, wenn er bereit sei von dem Essen zu kosten. Dies tat er nicht.
Desweiteren forderten die Menschen aus Blankenburg eine medizinische Versorgung, die Krankheiten auch behandelt. Bisher bekommen die Flüchtlinge zurmeißt das Schmerzmittel Paracetamol, egal um welche Krankheit es sich handelt.
Die Flüchtlinge protestieren ebenso gegen die unmenschliche Behandlung der Lagerbehörden, die häufig mit rassistischen Äußerungen und bürokratischen Maßnahmen die Lagerbewohner schikanieren.
Gegen diese unwürdigen Lagerbedingungen sind die Flüchtlinge nun in Streik getreten und rufen zu einer Demonstration am Freitag, den 06.10.06, um 14 Uhr in Oldenburg vor dem Bahnhof auf.
Wir laden alle Menschen ein sich mit den Forderungen zu solidarisieren und gegen das Lager in Blankenburg zu demonstrieren!
3 Menschen, die sich von außerhalb mit den Demonstranten solidarisierten, sind mit Hausverbot bestraft worden, worauf eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch folgen soll. Andere Besucher sind gar nicht in die ZAAB hereingelassen worden. Die Lagerleitung scheut sich vor der Öffentlichkeit, die die unhaltbaren Zustände im Lager offen legen könnte.
Ach ja, und in diesem Zusammenhang kämpferische Grüße an die demonstrierenden Sans Papiers in Frankreich!
... link (0 Kommentare) ... comment
... link (3 Kommentare) ... comment
http://72.14.221.104/search?q=cache:p_JlQ6SOLykJ:www.buchhandlung-weltbuehne.de/mindex.htm+%22oder:+die+achse+des+bl%C3%B6den%22&hl=de&gl=at&ct=clnk&cd=2
... link (0 Kommentare) ... comment
(X)1. Einen One-Night-Stand gehabt.
[ ] 2. Für Sex bezahlt oder bezahlt worden.
[X ] 3. Sich über das Internet verliebt.
[ X] 4. Sich nackt vor Fremden gezeigt.
[ ] 5. Den nackten Hintern fotokopiert.
[ ] 6. Heimlich im Schwimmbad nackt gebadet.
[ ] 7. Einen Striptease vorgeführt.
[X] 8. Ich liebe Dich gesagt und so gemeint.
[X] 9. Candlelight-Dinner mit einem lieben Menschen gehabt.
[ ]10. Eine Tabledance-Bar besucht.
[ ]11. Geheiratet.
[ ]12. Ein Haus oder eine Wohnung gekauft.
[ ]13. Einen Baum gepflanzt.
[ ]14. Kinder gezeugt oder bekommen.
[ ]15. Geschieden worden.
[X]16. Eine Affäre gehabt.
[ ]17. Im Regen geküsst.
[ ]18. Im Regen getanzt.
[ ]19. Heimlich in der Öffentlichkeit gevögelt.
[ ]20. Analsex praktiziert.
[X]21. Sich verliebt und das Herz gebrochen bekommen.
[ ]22. Jemandem das Herz gebrochen.
[x]23. Jemanden vergeblich geliebt.
[ X]24. Jemanden geliebt den man nicht lieben darf.
[X]25. Jemanden 20 Minuten nonstop geküsst.
[X ]26. Länger als einen Monat um eine alte Liebe getrauert.
[ ]27. Sex im Büro gehabt.
[ ]28. Sex im fahrenden Zug gehabt.
[X]29. Blumen von einem Fremden bekommen.
[ ]30. Herausgefunden das manche Oberflächen geil machen.
[X ]31. Herausgefunden das manche Düfte geil machen.
[ X]32. Herausgefunden das manche Speisen geil machen.
[ ]33. Das Moulin Rouge von innen gesehn.
[ ]34. Sich mit jemandem geprügelt um eine/n Mann/Frau zu beeindrucken.
[ X]35. In einen Kampf verwickelt worden weil man jemandem helfen wollte.
[X]36. Die Nacht durchgemacht und den Sonnenaufgang beobachtet.
[x]37. Eine Nacht unter freiem Himmel verbracht.
[x]38. Mond und Sterne durch ein Teleskop betrachtet.
[ ]39. Einen Sternschnuppenregen beobachtet.
[X]40. Eine Sonnenfinsternis live gesehn.
[X]41. Mitternacht am Strand spaziert.
[ X]42. Ein Tattoo machen lassen.
[ ]43. Ein Piercing stechen lassen.
[ ]44. Ein Intimpiercing stechen lassen.
[ ]45. Eine Schönheits-OP gehabt.
[X]46. Im Restaurant zu Fremden gesetzt und mit ihnen gegessen.
[X ]47. Ein gutes Gespräch mit einem Bettler oder einer Hure geführt.
[X ]48. Drogen genommen.
[ ]49. Mit Drogen erwischt worden.
[x]50. Einen 800 Seiten-Roman gelesen.
[ ]51. Bei einer TV-Show mitgespielt.
[ ]52. In einem Film mitgespielt.
[X ]53. Ein eigenes Buch geschrieben.
[X]54. Einen Artikel in einem großen Medium veröffentlicht.
[X ]55. Eine richtig schmutzige Geschichte geschrieben.
[X]56. Das eigene Bild in der Zeitung gesehn.
[ ]57. Als DJ gearbeitet.
[X]58. Filmdialoge auswendig gelernt und bei Gelegenheit zitiert,
[X ]59. Eine Musik-CD aufgenommen.
[X]60. Die CD-Sammlung alphabetisch sortiert.
[]61. Risiko um die ganze Welt gespielt.
[ ]62. In einem Chor mitgesungen.
[X]63. Laut im Auto gesungen und nicht aufgehört als es Passanten bemerkten.
[ ]64. Entdeckt das jemand deinen Blog kennt, der es nicht kennen sollte.
[ ]65. Herausgefunden das dich jemand öffentlich beschädigt.
[ ]66. Für ein öffentliches Amt gewählt worden.
[X ]67. Ein völlig neues Leben in einer neuen Stadt begonnen.
[ ]68. Live dem Jazz in New Orleans gelauscht.
[ ]69. Die Haarfarbe gewechselt.
[ ]70. Den Namen gewechselt.
[X]71. Paris besucht.
[X]72. London besucht.
[ ]73. New York besucht.
[X]74. Einen Berg bestiegen.
[ ]75. Die Nordlichter gesehen.
[ ]76. Eine Weltreise gemacht.
[X]77. Eine Wildwasserfahrt mitgemacht.
[ ]78. Als Backpacker Europa besucht.
[ ]79. Den Kölner Dom oder das Ulmer Münster zu Fuß bestiegen.
[ ]80. Alle 16 Bundesländer bereist.
[ X]81. Fallschirm gesprungen.
[X ]82. Urlaub auf einer Trauminsel gemacht.
[ ]83. Das Perigord schlemmend bereist.
[ ]84. Mit einem Heißluftballon gefahren.
[ X]85. Tauchen gewesen.
[ ]86. Die Chinesische Mauer bestiegen.
[ ]87. Mit einer Gondel durch Venedig gefahren.
[-]88. In einem aktiven Kriegsgebiet gewesen.
[ X]89. Mit einer scharfen Schusswaffe geschossen.
[ ]90. Auf einem Kreuzfahrtschiff gereist.
[X]91. Mehr als eine Fremdsprache gelernt.
[X]92. Eine Fahrradtour gemacht.
[ ]93. Die Golden Gate Brücke überquert.
[ X]94. In einem Hubschrauber geflogen.
[X]95. In einem Sportflugzeug geflogen.
[ ]96. In einem Kampfjet geflogen.
[ ]97. Sex in einem Flugzeug gehabt.
[ ]98. Alle 7 Kontinente bereist.
[ X]99. Testfahrt mit einem Ferrari gemacht.
[X]100. Ein Gewitter auf hoher See oder im Hochgebirge erlebt.
[ ]101. Eine Runde im Lokal geschmissen.
[ ]102. Kürzlich eine Schneeballschlacht gemacht.
[ ]103. In Eiswasser gesprungen.
[ X]104. Einen Baum umarmt.
[X]105. Mit Champagner betrunken.
[X ]106. So betrunken gewesen das du dich an nichts mehr erinnerst.
[ ]107. Eigenes Gemüse gezüchtet und gegessen.
[ ]108. Eine Kuh gemolken.
[X]109. Ein Pferd geritten.
[ ]110. Ein Tier getötet um es zu essen.
[ ]111. Einem Tier bei der Geburt geholfen.
[X]112. Ein Tier beerdigt.
[ ]113. 5 Tage lang gefastet.
[X]114. Haifisch gegessen.
[ X]115. Sushi gegessen.
[ ]116. Selbst gesammelte Pilze gegessen.
[x]117. Aus Resten ein großartiges Gericht zubereitet.
[ ]118. Eine Diät gemacht.
[ ]119. In einen Swingerclub gegangen.
[X]120. Einen Lachanfall bekommen.
[X ]121. Eine Vogelspinne in die Hand genommen.
[ ]122. Bungee gesprungen.
[ X]123. Krank gefeiert.
[ ]124. Einen ganzen Tag im Bett verbracht und nicht krank gewesen.
[ ]125. Einen Elfmeter verschossen.
[x]126. Wie ein verrückter getanzt und nicht auf andere geachtet.
[ -]127. Eine lebensgefährliche Erkrankung gehabt.
[ X]128. Wie durch ein Wunder einen Unfall überlebt.
[X]129. Einen Knochen gebrochen.
[X]130. Über das eigene Leben gefreut, wenigstens für einen Moment.
[ ]131. Die Geburtsstätte der Großeltern besucht.
[X]132. Die ehemalige Schule besucht.
[ ]133. Das Lieblingsspielzeug aus der Kindheit nochmal gekauft.
[ ]134. Herausgefunden das die Eltern etwas unglaubliches getan haben.
[ ]135. Einen Elternteil begraben.
[ ]136. Deinen besten Freund verloren.
[X]137. Eine gute Party geschmissen.
[ ]138. Ein Verkehrsschild gestohlen.
[ ]139. Eine Fensterscheibe zerschlagen.
[ ]140. Etwas getan haben das man bereuen müsste, aber nie bereut.
[ X]141. Sich nach Jahren bei jemandem entschuldigt das man ihn verletzt hat.
[X]142. Jemanden von einer Sache überzeugt, die einem selbst sehr wichtig ist.
[X]143. Eine Kampfsportart erlernt.
[ ]144. Sich autodidaktisch eine Handwerkskunst erlernt.
[ ]145. Bilder gemalt und sie an Fremde verkauft.
[ ]146. Den eigenen Pc aus Komponenten zusammengebaut.
[ ]147. Im Job gefeuert worden.
[ ]148. Ein Unternehmen gegründet.
[X]149. Die Steuererklärung verstanden.
[ X]150. Eine Massage von einer heißen Blondine bekommen.
[ ]151. Bei dieser Liste mindestens einmal gelogen.
Bei "in einem aktiven Kriegsgebiet gewesen" und "eine lebensgefährliche Krankheit gehabt" habe ich einen Strich gemacht, da ich nicht weiß, ob man das israelisch-ägyptische Grenzland als Kriegsgebiet bezeichnen soll (zumindest kann ich dann sagen "durch ein Minenfeld geirrt") und ob Cholera oder eine schwere Verletzung mit hohem Blutverlust lebensgefährlich sind.
... link (2 Kommentare) ... comment
... link (0 Kommentare) ... comment
... link (3 Kommentare) ... comment
"Dichtes Schneetreiben hüllte uns ein auf dem Weg in unser neues, noch unbekanntes Quartier. Ein Windstoß gab für einen kurzen Augenblick eine Szene frei, die mich an ein Bild aus einer Darstellung des Krieges von Napoleon gegen Russland erinnerte. Es zeigte einen verlorenen Haufen Soldaten, die auf der Flucht waren und die Beresina überqueren wollten. Hier waren es Volkssturmangehörige mit langen alten Gewehren und Mänteln, in die ihre Väter hineingepasst hätten. Sie waren nicht älter als 15 Jahre, wie auch wir, mit Ausnahme eines Anführers. Diese kurze Szene machte mir die aussichtslose Situation klar, in der auch wir uns befanden, damals im März 1945. Schon seit Wochen hatte ich den Entschluss gefasst, alles, aber auch alles zu versuchen, mich nicht zu opfern für eine Sache, die längst verloren war. Und doch kamen mir Zweifel, ob es Rechtens war, alle Ideale so einfach über Bord zu werfen, die sich über Jahre entwickelt und gefestigt hatten, und so strebten wir unsere neue Unterkunft an, die in der Nähe von Oderbrück im Harz lag, aber nur Zwischenstation sein sollte für einen Einsatz hinter den amerikanischen Linien. Das Gespenstische an der Situation war, dass niemand sich darüber äußerte, wie er unsere Lage einschätzte. Aus heutiger Sicht war das auch nicht zu erwarten, denn die Einheit bestand aus etwa 120 Jungvolk-Führern aus Niedersachsen, die sich, abgesehen von wenigen Ausnahmen, untereinander kaum kannten. Die nächsten Tage waren ausgefüllt mit der Quartiernahme, der Einkleidung, dem Empfang der Ausrüstung und der Zusammenstellung der einzelnen Gruppen. Unsere Hütten dienten bislang dem Skisport und waren einfach ausgestattet mit Bettgestellen und Brettern als Liegefläche. Bettzeug gab es nicht, wohl aber besaß jeder einen Schlafsack. Ich hatte Glück und erwischte einen gut gefütterten Bergsack. So waren wir gegen Kälte gut geschützt, denn Öfen durften nicht befeuert werden, wegen der Rauchentwicklung. Zunächst war die Verpflegung noch erträglich, die durch einen LKW der Wehrmacht angeliefert wurde. Im Laufe der Zeit wurden die Rationen immer einfacher und bestanden nur noch aus Brot, Dosenwurst und Quellwasser. In den letzten 14 Tagen bekamen wir nur noch Kartoffelflocken und Wasser aus der nahen Quelle. Wir waren jung, Entbehrungen gewohnt und deshalb fanden wir die Situation nicht besonders bedrohlich. Was mich störte war die Unsicherheit unserer Lage, da wir kaum Informationen über den Stand der Frontlinien hatten. Beim letzten Erscheinen des LKWs erfuhren wir, dass Hannover, Braunschweig und Göttingen gefallen waren.Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse nahm die Sorge um meine Angehörigen natürlich zu und somit auch eine gewisse Verzweiflung. Trotz allem war keine völlige Apathie festzustellen. Wir fragten uns schon, warum die vielen Opfer dieses Krieges gebracht würden, wenn nun doch alles vergebens gewesen sein sollte. Wir waren seit frühester Kindheit darauf vorbereitet worden, unser Land und unsere Welt besser und gerechter zu machen und notfalls zu verteidigen. So stritten mehrere Herzen in unserer Brust. Sollten alle Werte, wie wir sie damals verinnerlicht hatten, verloren gehen?
Wir versahen unseren Wachdienst am Tag und in den Nächten, die hier oben noch immer recht kalt waren. Eines Nachts wurde zum Alarm gerufen, so laut es möglich war. Alle Beteiligten hatten Aufstellung genommen, als uns erklärt wurde, dass „Sherman“-Panzer die deutschen Linien durchbrochen hätten und auf dem Vormarsch waren. Wir mussten einen Stoßtrupp bilden, mit Panzerfäusten ausgerüstet, um diesen Durchbruch zu stoppen. Es erging der Aufruf: „Wer ist bereit, für Führer und Vaterland zu sterben? – Der trete drei Schritte vor!“ 120 Pimpfe folgten wie ein Mann und traten diese drei Schritte nach vorn, wohl wissend, welche Konsequenz damit verbunden war. Aus der Sicht von heute mag das nach falsch verstandenem Heldentum klingen. Damals aber war es selbstverständlich und entsprach unserer Geisteshaltung. In dem Film „Trenck der Pandur“ hatte ich als Kind eine solche Szene bewundert, die aber mit der Wirklichkeit von 1945 nicht das Geringste zu tun hatte. Ich schreibe das heute, um zu zeigen, wie sehr wir damals verführt und manipuliert worden sind. Der Einsatz, zu dem wir uns bereiterklärt hatten, wurde übrigens abgeblasen. Wer den Befehl dazu gegeben hatte, ist mir unbekannt, entspricht aber der Taktik und Strategie unserer damaligen Führer, wie ich vermute. Es waren SS- und hohe HJ-Führer. Diese Leute wussten offenbar, worauf es jetzt ankam.
Ich war erleichtert, dass ich nicht zu diesem Einsatz ausgewählt wurde, bin aber sicher, dass ich keinen Augenblick gezögert hätte, den Befehlen zu folgen. Trotz aller Bedenken: Unsere Freunde konnten die Alliierten nicht sein. Wer wie sie unsere Städte vernichtet hatte mit Frauen, Kindern und alten Leuten in den Kellern, ohne Rücksicht und oft genug auch ohne jeden Sinn, konnte nicht als Friedensbringer gelten. Diese Meinung hat sich übrigens bis heute nicht geändert. Der Krieg zeigte wieder einmal seine hässliche Fratze. Dieses Mal aber war der Teufel mit seinen Spießgesellen wohl auf die Erde gekommen, um mit Feuer, Schwefel und Tod entsetzliches Leid über die Menschheit zu bringen.
- Der übliche Trott setzte sich fort, bis eines Tages Einzelgespräche stattfanden.
Wir wurden aufgefordert, unsere HJ-Uniformen herauszusuchen und unsere Tarnanzüge abzulegen. Ebenfalls sollten wir unsere Pistolen abgeben, die außer Panzerfäusten unsere einzigen Waffen waren. Danach sollten jeden Tag zwei oder drei Mann jeweils nach Norden, Osten, Süden und Westen den Harz verlassen. Zuvor bekamen wir noch Pässe der SS-Division Wiking, um uns davor zu schützen, dass wir als „Wehrwölfe“ identifiziert werden konnten, die wir ja waren. An jenem Morgen, am 20 April brachen wir zu dritt in Richtung Norden auf. Meine Begleiter gehörten zu meinen Freunden, die ich inzwischen gefunden hatte. Alle kamen aus dem Raum Braunschweig. Man hatte uns noch auf den Weg mitgegeben, dass wir uns später im Raum Soltau treffen sollten, da dort noch eine Einheit der Wiking stand.
Ausdrücklich wurde uns aber gestattet, zunächst zuhause vorbeizuschauen. Es war klar, warum diese Offiziere so handeln mussten: Sollte etwas schief gehen, hätte man sie zur Verantwortung gezogen, so mussten sie sich für unsere de facto Demobilisierung eine Hintertür offen halten.
Wir zogen an einem herrlichen Frühlingsmorgen los, waren natürlich unsicher, was uns erwarten würde. Für mich war aber völlig überraschend, wie frei ich mich plötzlich fühlte, so als ob eine schwere Last von mir abgefallen sei. Der wunderbar einsame Weg durch den Wald trug sicher dazu bei, aber auch die Gewissheit, dass wir einem unsinnigen und gefährlichen Einsatz entgangen waren. So folgten wir einem Weg, der sich an der Ilse entlangschlängelte. Als der Wald sich lichtete und wir hofften, ohne Feindberührung entkommen zu sein, sahen wir vor uns Soldaten der Deutschen Wehrmacht mit über dem Kopf gekreuzten Händen. Sie wurden bewacht von US-Soldaten. Ohne erkennbare Angst, die wir natürlich hatten, gingen wir unseres Weges, bis wir von einem amerikanischen Offizier gestoppt wurden. Es war ein gutaussehender gepflegter Mann mit gekräuselten Haaren und dunklem Teint. Er sprach, wie sich sogleich zeigte, ein perfektes Deutsch. So also sah der erste unserer Feinde aus, den wir zu Gesicht bekamen.
„Hallo, wo kommt Ihr denn her?“ – Wir wurden wohl schon länger beobachtet, ohne dass wir es bemerkt hätten. Unsere Antwort war abgesprochen und lautete: „Wir kommen aus einem Skilager.“ Unsere Dokumente wurden verlangt, und wir zeigten unsere HJ-Ausweise, die wir vernünftiger Weise behalten hatten. Die neuen Ausweise ließen wir stecken. Abgesondert von den deutschen Landsern wurden wir in eine leere große Halle am Rande von Ilsenburg gesperrt. Es war schon eine bedrohliche Lage, denn wir wussten ja nicht, wie unsere Aussagen bewertet wurden, wir waren deprimiert, aber nicht ohne Hoffnung. Gefährliches konnte bei unserem heruntergekommenen Aussehen ja nicht von uns ausgehen.
Zwei bis drei Stunden verbrachten wir in dieser Riesenhalle, in der wir uns verloren vorkamen. Dann wurde eine Tür geöffnet und der Ami winkte uns zu sich. Er ging voraus bis zum Ausgang des Geländes und blieb dann stehen. „Wer Ihr seid, wissen wir genau, denn unsere Informationen sind ausreichend. Ich habe mich entschieden, Euch laufen zu lassen. Für Nazis habe ich nichts übrig. Ihr sollt wissen, dass ich amerikanischer Jude bin. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen. Nun geht auf dieser Straße bis zur Reichhstraße, dann könnt Ihr die Stadt nicht verfehlen. Macht Euch auf den Weg und seht zu, dass Ihr zu Euren Müttern kommt. – Wohl wahr, dieser Mann hatte den Durchblick.
Unglaublich erleichtert, aber auch beschämt zogen wir von dannen, gelassen und frohen Mutes.
Kurz bevor wir die B4 erreichten, kamen uns amerikanische Panzer und LKW entgegen. Sie hüllten uns in Wolken von Staub ein, der uns das Atmen schwer machte. Plötzlich wurden Zigaretten und Schokolade aus Fahrzeugen geworfen. Das war die zweite Begegnung mit unseren Feinden. Mit unseren abgelaufenen Schuhen haben wir Schokolade und Zigaretten zertreten, obwohl wir Hunger hatten und ich nur noch eine kleine Dose Corned Beef als eiserne Reserve bei mir hatte.
Dieser Irrsinn ist aus heutiger Sicht nicht zu verstehen. Ich versuche es auch nicht. – Was glaubten diese gerade noch entronnenen, heruntergekommenen Pimpfe noch beweisen zu müssen?!
5 Jahre politische Erziehung oder besser gesagt Indoktrination ließen sich doch nicht einfach so abstreifen, gerade so als ob man sein braunes Hemd auszieht und durch ein unbeflecktes ersetzt. Noch lange hatte ich an diesen Dingen zu kauen.
Am zweiten Tag erreichten wir die Stadt. Von nun an ging jeder seinen Weg. Auf diesen Kilometern ließ ich rechts und links des Weges meine Träume, Illusionen, Hoffnungen und Ideale zurück. Meine kindliche Unbefangenheit hatte ich längst verloren, schon vor langer Zeit! Wir hatten die Freiheit gewonnen. Unsere Unschuld hatten wir verloren! Der Weg ging nun nachhause. Nur noch geradeaus.
Epilog
Hier wäre noch Platz für viele Worte der Erklärung und Reflektion sowie gute Vorsätze für die Zukunft. Susan Sonntag konnte es jedoch viel kürzer und klarer ausdrücken, als es mir möglich wäre.
Menschen sind imstande, dies hier anderen anzutun – vielleicht sogar freiwillig, begeistert, selbstgerecht. Vergesst das nicht!"
- Diese Geschichte kannte ich von klein auf, spätestens seit ich 10 war, und mein Vater hatte mir immer eindringlich klar gemacht, dass er wahrscheinlich einem amerikanischen Juden sein Leben zu verdanken hatte. Mein Vater vertritt zwar teilweise Standpunkte, die man als antiiamerikanisch bezeichnen könnte (das hat was mit kulturellen Dingen zu tun, er hasst die Popkultur, Coca Cola und alle neuere Musik und denkt in Begriffen des traditionellen Abendlands), schärfte mir aber seit der Kindheit ein, dass die US-Amerikaner uns vom Schlimmsten befreit haben, was es überhaupt gab, dem Nationalsozialismus. Ich selbst erlebte diese Dinge nicht ganz spannungsfrei: Zu meinen frühesten bewussten Erinnerungen gehören grausame Bilder aus dem Vietnamkrieg, etwa, wie GIs einem Vietcong den Bauch aufschneiden, um ihn zum Reden zu bringen, ebenso wie der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Streitkräfte in die CSSR. Ich habe die Befreier der Anti-Hitler-Koalition als Mächte wahrgenommen, die zu späteren Zeitpunkten selber als repressiv und freiheitsfeindlich nach außen auftraten. Im Gegensatz zu vielen meiner Freunde/innen bin ich nicht an der Uni oder auf dem Gymnasium "politisiert" worden, sondern sah Politik als Bestandteil meines Lebens an, seit ich überhaupt differenziert denken kann. Ich erlebte mit 4 meine erste Demo, in der Grundschule passierte es schon mal, dass wir nicht nach Hause gehen konnten, weil vor der Schule gerade eine Straßenschlacht zwischen Studierenden und der Polizei tobte. Meine Sozialisation in eine linke Szene hinein spielte sich vor diesem Hintergrund sehr selbstverständlich und quasi naturwüchsig ab; für mein Verhältnis zu den USA heißt das, dass meine Bezugspersonen dort Linke, Friedensbewegte, AktivistInnen ethnischer Minderheiten und HistorikerInnen sind.
Der pauschale Anti-Amerikanismus mancher Linker ist mir von daher ebenso fremd wie die Heroisierung der USA durch Antideutsche oder Neocon-Freunde.
Auf der einen Seite gibt es hierzulande verbreitet die albernsten Klischees über die USA, etwa die Gleichsetzung von US-BürgerInnen mit der weißen Oberschichtsbevölkerung von Texas oder platter "Cowboys und Rambos".
Auf der anderen Seite sind die US-AmerikanerInnen, die ich kennenlernen durfte, überwiegend der Typ "Berkeley-Intellektuelle" oder "straight niggas with attitude" -der größte denkbare Gegensatz. Nie vergessen werde ich aber: Ohne einen gütigen jüdischen Major der US-Army wäre ich vielleicht nie geboren worden.
Eingereicht beim Karneval zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen:
http://atlanticreview.org/
... link (2 Kommentare) ... comment
... link (0 Kommentare) ... comment
Diesen habe ich in kleine Stücke geschnitten und mit einer Süßkartoffel, kleingeschnittener Paprika, gewürfeltem Speck, Rindsgulasch, Fleischbrühe, Zwiebelstücken, viel Salz und reichlich Tabasco 35 min gekocht. Ein wunderbares, extrem bekömmliches und über einen sehr langen Zeitraum magenfüllendes Gericht, welches sich außerdem ideal als Partytopf eignet. Gehört übrigens zu den Gerichten, die einen Dröhnekopf entkatern. Könnte in die Cayun-Küche gehören, täte jedenfalls passen.
... link (0 Kommentare) ... comment
Er darf nicht arbeiten, kein Girokonto eröffnen, nicht heiraten und nicht reisen. Er ist einer von rund 180.000 geduldeten Flüchtlingen in Deutschland. Zum Tag des Flüchtlings lässt die taz den 18-jährigen Aladdin aus Hannover zu Wort kommen
VON KAI SCHÖNEBERG
Mein Name ist Aladdin. Ich bin gerade 18 Jahre alt geworden, 16 davon lebe ich hier. Wir kamen 1989 nach Deutschland, weil mein Vater politisch verfolgt wurde. Da waren ich und mein Zwillingsbruder gerade ein Jahr und ein paar Monate alt. Ich habe noch zwei Geschwister, neun und 13 Jahre alt, die in Deutschland geboren sind. Ich gehe hier zur Schule und habe hier Freunde - und somit habe ich mich auch hier integriert. Oder? Ich bin eigentlich wie Ihr. Aber Ihr seid anders: Ihr dürft arbeiten, eine Ausbildung anfangen. Dabei spreche ich besser Deutsch als manche von Euch. Eigentlich will ich Anwalt werden.
Im Grundgesetz steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Ich war nie kriminell. Aber: Ich darf kein Girokonto eröffnen. Ich darf keinen Handyvertrag abschließen. Ich darf nicht heiraten. Ich darf noch nicht einmal in ein anderes Land reisen. Ich kenne nur Deutschland, nur Niedersachen. Letztlich nur Hannover, den Rest der Welt aus Büchern, dem Fernsehen, dem Internet oder Erzählungen meiner Freunde. Ich bin ein Mensch. Doch hier werde ich wie ein Hund sinnlos von hier nach da geschickt.
Ich besuche gerade die 11. Klasse der Fachoberschule, in zwei Jahren habe ich mein Fachabitur - und dann? Nach der derzeitigen Rechtslage droht mir die Abschiebung. Im Wahlkampf gab es überall Plakate mit dem Slogan "Weil Hannover Kinder mag". Die Kinder sind unsere Zukunft. Habe ich kein Recht auf eine Zukunft?
Ich habe kein Recht auf eine deutsche Staatsangehörigkeit oder auf einen Aufenthaltstitel. Das einzige, das mich von einem Deutschen unterscheidet, ist ein Stück Papier. Das ist die Duldung, die die Abschiebung nur verschiebt.
Wir haben jetzt unsere Pässe bei der syrischen Botschaft beantragt, weil es das Ordnungsamt so wollte. Ich war vor ein paar Wochen da. Sie sagten, sobald unsere Pässe hier sind, müssten wir ausreisen. Wenn wir das nicht wollen, würden wir abgeschoben. Sie wollen mich in die Grausamkeit schicken: ohne Arbeit dort, ohne ausreichende Arabischkenntnisse. Das macht mir Angst. Ich habe ja keinen Bezug zur syrischen Kultur, ich bin doch nur dort geboren.
Ich fühle mich, als wäre ich Deutscher. Und ich frage mich: Wie lange soll das hier noch so weiter gehen? Im November wollen die Innenminister nach jahrelanger Diskussion eine Bleiberechtsregelung beschließen. Fragt sich nur, welche. Zur Zeit ist es so, dass wir - wie 180.000 andere geduldete Flüchtlinge in Deutschland - nicht arbeiten dürfen. Gleichzeitig wirft man uns vor, dass wir den Staat belasten. Ich wollte vor kurzem auf 400 Euro-Basis bei McDonalds nebenbei arbeiten, um noch etwas dazu zu verdienen. Das Ordnungsamt hat das nach drei Monaten Wartezeit abgelehnt. Ich habe das Gefühl, die spielen mit uns.
Es gibt Vorschläge auch aus der CDU, dass Eltern mit schulpflichtigen Kindern hier bleiben dürfen. Das wäre vielleicht gut für uns heute. Aber was passiert mit den Erwachsenen ohne Kinder in der Schule, mit Alten, mit Kranken, Behinderten oder vom Krieg Traumatisierten, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind? Sie werden abgeschoben. Wahrscheinlich genau wie die Eltern, die mehrere Asylanträge gestellt haben, damit sie und ihre Kinder hier bleiben können. Und: Was passiert mit den Flüchtlings-Eltern, deren Kinder nicht mehr in der Schule sind? Wie sollen die, die jahrelang nicht arbeiten durften, künftig in wenigen Wochen eine verbindliche Zusage für einen Job vorlegen können?
Aladdin Al-Doueiri macht gerade ein Betriebspraktikum in einer Apotheke. Heute um 11 Uhr erzählt er vor Schülern im Stadthagener Kulturzentrum Alte Polizei über sein Leben. Mehr über Aladdin und seinen Bruder auf der Homepage ihrer gemeinsamen Rap-Band: www.habibi-bruder.de.vu
taz Nord Nr. 8087 vom 29.9.2006
... link (4 Kommentare) ... comment
Erziehungsgeld und Elterngeld fuer Ausländer
Bundestag will Gesetze zum Elterngeld und zum Kinder- und Erziehungsgeld
für Ausländer noch Ende September 2006 beschließen
Eine in allerletzter Minute offenbar durch das Bundesinnenministerium in
den "Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD" zum Elterngeld
eingefügte Verschärfung sieht vor, dass aus humanitären Gründen
dauerhaft in Deutschland bleibeberechtigte Ausländer nur ausnahmsweise
das geplante Elterngeld erhalten sollen.
Wortgleiche Regelungen sind für das am 27.09.06 um 09.30 Uhr neben dem
Elterngeld auch auf der Tagesordnung des Familienausschusses stehende
Gesetz zur Änderung des Anspruchs von Ausländern auf Kinder- und
Erziehungsgeld geplant. Bereits am Freitag 29.09.06 soll das Gesetz in
2. und 3. Lesung vom Bundestag endgültig verabschiedet werden.
Aufgrund von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes darf jedoch
aus Gründen der Gleichbehandlung Ausländern mit humanitärem Bleiberecht
das Kinder- und Erziehungsgeld nicht weiter vorenthalten werden.
Die auf Veranlassung des BMI geänderte Vorlage der Koalitionsfraktionen
hierzu war offenbar derart "geheim", dass sie erst am 26.09.06 um 16.30
Uhr an die Fraktionen gemailt wurde. Sie enthält neue Einschränkungen
des Anspruches von Ausländern beim Kindergeld, Erziehungsgeld und
Unterhaltsvorschuss, die wiederum verfassungswidrig sind.
Betroffen vom Ausschluss von Familienleistungen sind u.a. Ausländer mit
Aufenthaltserlaubnis nach
* § 23a Aufenthaltsgesetz (Härtefallkommissionsentscheidung),
* § 24 AufenthG (Kriegsflüchtlinge),
* § 25 Abs. 3 AufenthG (menschenrechtlicher Abschiebeschutz nach EMRK;
Gefahr für Leib und Leben),
* § 25 Abs. 4 AufenthG (humanitärer vorübergehender oder
Daueraufenthalt) sowie
* § 25 Abs. 5 AufenthG (dauerhafte rechtliche oder tatsächliche
Unmöglichkeit der Rückkehr).
Voraussetzung für einen Elterngeldanspruch der genannten Ausländer ist
demnach, dass der das Kind betreuende Elternteil zugleich in Teilzeit
(und zwar mindestens XX Stunden, aber maximal 30 Stunden) erwerbstätig
ist, oder ihm im Rahmen eines längerfristigen oder dauerhaften
Arbeitsvertrages*) von seinem Arbeitgeber Elternzeit (Erziehungsurlaub)
gewährt wurde.
Wenn jedoch der eine Elternteil Vollzeit und der andere garnicht
arbeitet, gibt es gar kein Elterngeld, auch nicht den sonst an
nichterwerbstätige Erziehende gezahlten Grundbetrag von 300 Euro/Monat.
Wer als Ausländer mit humanitärem Aufenthaltstitel weniger als 3 Jahre
in Deutschland lebt, soll generell kein Elterngeld bekommen können, so §
1 Abs. 7 Bundeselterngeldgesetz i.d.F. der Ausschuss-Drs. 16(13)139.
Sinngemäß ebenso umformuliert wurden jetzt auch die geplanten
Neuregelungen zum Kindergeld, zum Erziehungsgeld und zum
Unterhaltsvorschuss, vgl. Ausschuss-Drs. 16(13)140:
"(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht
freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn
diese Person
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer
Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die
Aufenthaltserlaubnis wurde
a) nach den §§ 16 oder 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
b) nach § 18 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung
der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur
für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,
c) nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in ihrem
Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 des
Aufenthaltsgesetzes erteilt,
oder
3. eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und
a) sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet
im Bundesgebiet aufhält und
b) im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen
nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in
Anspruch nimmt"
Auf eine Begründung der geplanten verfassungswidrigen Neuregelungen
verzichten die genannten Gesetzentwürfe der Einfachheit halber gleich ganz!
Hier zum download die auf Veranlassung des BMI in dieser Woche
vorgelegten Ausschusss-Drucksachen zur Änderung der geplanten
Neuregelungen zu den Familienleistungen für Ausländer (mit erläuternden
Informationen des Flüchtlingsrates Berlin).
Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber bereits Ende 2004
aufgefordert, bis zum 1.1.2006 eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen,
um Ausländern mit befristetem Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen
aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen Ausländern mit befristetem
Aufenthaltstitel etwa zum Familiennachzug das Kinder- und Erziehungsgeld
zuzusprechen, vgl.
www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg04-111.html
und
www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg04-116.html
Die Bundesregierung hatte bereits Anfang 2006 Gesetzentwürfe vorgelegt,
die die Regelungen zu den Familienleistungen für Ausländer entsprechend
der Vorgaben des BVerfG korrekt gestalten sollten (wenngleich die Frist
zur Umsetzung der BVerfG-Beschlüsse schon am 01.01.2006 abgelaufen ist),
vgl. BT-Drs 16/1368 (Entwurf Änderung Kinder- und Erziehungsgeld und
Unterhaltsvorschuss für Ausländer, mit ausführlicher Begründung des
Änderungsbedarfs aufgrund der BVerfG-Entscheidungen)
sowie BT-Drs 16/1889 § 1 Abs. 7 BEEG, (Entwurf Elterngeldgesetz).
In allerletzter Minute schiesst nun das Bundesinnenministerium
(scheinbar mit Billigung der Fraktionen, die hier nur noch als
Handlanger der Exekutive fungieren) mit seiner Änderung dazwischen. Ganz
offensichtlich eine bösartige Taktik, weil so die Zeit nicht mehr
reicht, den neuen Text angemessen zu prüfen und in den Parlamentsgremien
zu beraten
... link (1 Kommentar) ... comment