Dienstag, 18. November 2008
Ganz weit weiterführende Gedanken
Meine Genossen Detlef Hartmann und Gerald Geppert haben ein neues Buch geschrieben: Cluster. Die neue Etappe des Kapitalismus= Materialien für einen neuen Antiimperialismus 8. Das lese ich gerade und bekomme Nachttischlampenfieber, es enthält nämlich ziemlich viele analytisch erhellende Wahrheiten in dichter Folge.

“Nehmen wir die schillernden Etiketten Neoliberalismus oder neoliberale Globalisierung, die alles und nichts erklären. Man könnte selbstredend auch andere gebräuchliche Formeln der globalisierungskritischen Bewegungen nehmen. Inzwischen sind diese Etiketten weit davon entfernt, Werkzeug für kritisch differenziertes Denken zu sein. Abgesehen davon bleiben diese Etiketten, auch wenn in kritischer Absicht benutzt, herrschafts- und kapitalkonform.Sie waren vielleicht geignet, die Theorie der Friedman-Schule, die Konterrevolution in Chile, die Politik der eisernen Lady, die Reaganomics und die Schuldendiktate des IWF oder auch die Operationen der Kohl-Administration, welche in die fischergrünen und sozialdemokratischen Arbeitsmarktreformen mündeten, terminologisch vom Gegenbegriff des Keynesianismus als sozialdemokratischer Etappe abzuheben…Schließlich lassen uns aber die geronnenen Generaletiketten, aller Dynamik des Sozialen entleert, angesichts eines differenzierten gesellschaftlichen Umbruchs eher hilfs- und begriffslos zurück. Dieses ganze aufeinander bezogene Begriffsinstrumentarium ist u.E. ungeeignet, die neuen kapitalistisch staatlichen Feingriffe auf menschliche, sprich soziale Subjektivität und die damit verwobene komplexe Dynamik in den metropolitanen Gesellschaften annähernd zu erfassen, auch wenn sie in den ideologischen Begriffswolken des Neoliberalismus (Qualitätsmanagement, Projekt, empowerment usw.) daherkommen. Die offensive Fortentwicklung des Toyotismus in den Betrieben, zugleich als Industrie- und Sozialpolitik …. angewandt, die mit der bundesdeutschen Arbeitsmarktstrukturierung nun auf die untersten Segmente des Arbeitsmarkts durchschlägt, und die neuen Zumutungen der Selbstvermarktung müssen u.. vielmehr als der Versuch eines totalitären Zugriffs auf menschliche subjektivität beschrieben werden, als eine sich des Sozialen bemächtigende Machtstrategie gezielter und gesteuerter Vereinzelung, der Zurichtung sozialer lebendigkeit auf die Erfordernisse politischer machtentfaltung und kapitalistisch markrwirtschaftlicher Rationalität, die Herz und Verstand, aber auch den Körper des einzelnen umfassen. Angesichts eines solchen Gesellschaftssystems der totalen Subjekt- und Bevölkerungsbewirtschaftung erscheint Neoliberalismus geradezu verharmlosend.”

Und in einer Steilkurve geht es in eine Synopse westlicher Gouvernementalität im Jahre 2008 an sich.

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Willkürbehandlung für afrikanische Flüchtlingsfamilie
Von Yufanji Mbolo erreicht mich ein Bericht und Aufruf, der schlagend zeigt, wie menschenverachtend deutsche Behörden mitunter mit Flüchtlingen umgehen.


Montag, 10.
November 2008

Selbstbestimmtes Zusammenleben für Familie Omoroghomwan!!
The VOICE und Karawane fordern ein Ende mit den Polizeischikanen gegen
Claudia Omoroghomwan und ihre Mädchen

Der psychische Druck auf die Mädchen und für ihre Mutter geht leider weiter,
und wird erst dann enden, wenn sich die Ausländerbehörde und das Jugendamt
endlich auf eine Abmachung mit der Familie einlassen, bei der diese
selbstbestimmt über ihr Leben bestimmen kann. Leider war dies nicht der
Fall, und die Behörden haben erneut die Polizei eingeschaltet, und sogar ins
Krankenhaus geschickt, wo Frau Omoroghomwan eben von ihrem
Sohn entbunden hatte.

Die jüngste Sachlage sah so aus, dass die Mädchen von Frau Omoroghomwan mit
ihr gemeinsam wieder im Lager in Posseck lebten, weil dies die einzige
Bedingung war, unter der das Jugendamt akzeptierte, dass die Mädchen bei
Frau Omoroghomwan blieben. Die Mädchen wollten auf keinen Fall wieder in das
Kinderheim in Markneukirchen, wo sie getrennt von der Mutter lebten und ein
anonymer Vormund für sie zuständig war.Jedoch bedeutete auch das Lager
Posseck ein Trauma für die Mädchen von Frau Omoroghomwan, denn in der
ehemaligen Kaserne, die isoliert im Wald gelegen ist, und in der sie schon
seit dem Jahr 2006 zubringen mussten, sind sie die einzigen größeren Kinder
und haben keinen Kontakt zu anderen Familien.

Frau Omoroghomwan musste dann in dieser Woche zur Entbindung in die Klinik
weg aus Posseck. Immer wieder war vom Jugendamt und Vertretern von lokalen
NGOs der „Vorschlag“ an die Familie herangetragen worden, dass die drei
Mädchen während der Entbindung und in der Zeit danach für einige Wochen
wieder in ein Kinderheim gehen sollten. Später könnten dann Mutter und
Mädchen eine gemeinsame Wohnung beziehen. Das lehnte die Familie jedoch
immer wieder ab, denn die Mädchen wollten auf keinen Fall in ein Heim und
lieber von ihnen vertrauten Menschen betreut werden. Frau Omoroghomwan hatte
sich gewünscht, dass ihre Mädchen in der Zeit, in der sie in der Klinik
bleiben muss, gemeinsam von ihrem Freund und einer Freundin von ihr betreut
würden, und hatte dies auch in Gesprächen mit dem Jugendamt und der
NGO-Gruppe geäußert. Frau Omoroghomwan hatte den Eindruck, dass ihr von
Seiten des Vormunds und den NGO-Vertretern nicht widersprochen wurde.
Es zeigte sich jedoch, dass dieser Vorschlag in Wahrheit nicht in Erwägung
gezogen worden war. Erst zwei Tage vor der Geburt wurde klar, dass das
Jugendamt in jedem Fall plante, die Mädchen in ein Kinderheim zu bringen,
wenn Frau Omoroghomwan in die Klinik käme.

Als am Donnerstag Mittag bei Frau Omoroghomwan die Wehen einsetzten, sorgte
sie dafür, dass die Kinder an einem geschützten Ort bei zuverlässigen
Menschen untergebracht waren, um sie nicht allein im Heim zurückzulassen und
sie nicht weiteren polizeilichen Zwangsmaßnahmen auszusetzen. Das Jugendamt
zeigte sich jedoch sofort alarmiert, als es erfuhr, dass die Mädchen nicht
mehr im Flüchtlingsheim waren.

In komplizierten Verhandlungen mit dem Jugendamt-Vormund konnte Frau
Omoroghomwans Freund, der werdende Vater, der sich auf dem Weg von Berlin
zum Krankenhaus in Plauen befand, erreichen, dass er selbst mit den Mädchen
in Posseck bleibt. Die Geburt jedoch war schwierig und zog sich über
mehrere Stunden hin, so dass der Vater des Neugeborenen in dieser Nacht zu
erschöpft war, um die Mädchen noch abzuholen und nach Posseck zu fahren.
Wiederum kam Panik beim Jugendamt auf, und wieder wurde die Polizei
eingeschaltet, die nicht nur Frau Omoroghomwan im Krankenhaus aufsuchte, um
sie zu drängen, den Verbleib der Mädchen zu nennen, sondern darüber hinaus
zwei Privatwohnungen in Reichenbach durchsuchte, wo man die Kinder
vermutete.

Durch dieses Vorgehen ist das Verhältnis des Jugendamtes zu der
Flüchtlingsfamilie Omoroghomwan wieder äußerst angespannt, und der
psychische Druck auf Frau Omoroghomwan und ihre Mädchen geht weiter. Deren
UnterstützerInnen und Angehörige, sowie The VOICE und Die Karawane für die
Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen fordern das Jugendamt auf, endlich
die Polizei aus dem Spiel zu lassen, und den Willen der Mädchen sowie der
Mutter Frau Omoroghomwan zu respektieren. Es fragt sich,
- wieso eine fremde Betreuung für die Mädchen durchgängig mit
„Kindeswohl“ gleichgesetzt wird, während diese Mädchen ständig beteuern,
dass sie nicht in ein Kinderheim möchten und von Frau Omoroghomwan oder
ihnen vertrauten Personen betreut werden wollen.
- warum sich die das Jugendamt im Vogtlandkreis derart um den Verbleib
der Mädchen sorgt, und sich zugleich nicht im geringsten Sorgen um deren
soziale Lage im Flüchtlingsheim Posseck macht.
- welche Befugnis ein Vormund hat, auf Kinder aufzupassen, wenn diese
sich dauerhaft weigern, von ihm betreut zu werden
- grundsätzlich, ob das Jugendamt mit derselben Unbefangenheit
wiederholt die Polizei einschalten würde, wenn es um den Verbleib von
Kindern deutscher StaatsbürgerInnen ginge
- ob endlich seitens des Jugendamtes die psychologische Auswirkung von
Polizeiverfolgungen auf die Mädchen berücksichtigt wird, oder ob nur der
Widerstand von UnterstützerInnen bewirken kann, dass man bei diesem
Jugendamt anfängt, menschlich und angemessen mit Minderjährigen umzugehen

Wir fordern ein Ende mit den Polizeischikanen!
Wir fordern Sicherheit für die Mädchen, dass sie bei Frau Omoroghomwan
bleiben können!
Die Kinder haben immer wieder deutlich gemacht, dass sie unter keinen
Umständen wieder in ein Kinderheim möchten. Diese Androhung muss endlich
aufhören!
Frau Omoroghomwan muss sich erholen können ohne weiteren psychischen
Belastungen ausgesetzt zu sein!
Schließlich soll die Familie endlich eine eigene Wohnung in Reichenbach
erhalten, um zur Ruhe zu kommen!

Sendet Faxe und Briefe an die zuständigen Behörden!
AL Jugendamt Dr. Berthold Geier, Postplatz 3, 08468 Reichenbach
Tel: 03765-53 3300 oder 0171/7271969, Fax: 03765-53 43301,
geier.berthold@vogtlandkreis.de
Landesdirektion Chemnitz Leiter Abteilung 2 - Inneres, Soziales und
Gesundheit
Philipp Rochold, Tel: 0371-532 12 00, Fax: 0371-532 12 03,
philipp.rochold@ldc.sachsen.de
Zur Kenntnisnahme: Amtsgericht Plauen – Familiengericht
Telefon: 03741 / 10-0, Fax: 03741 / 10-1404

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Sonntag, 16. November 2008
Autonome Politik einmal anders
Wer meine Artikel über die Antiimps und die Autonome Antifa (M) gelesen und selber nichts mit der radikalen Linken am Hut hat wird wahrscheinlich auf den Gedanken kommen, wir hätten alle gewaltig einen an der Marmel gehabt. Auf der anderen Seite stehe ich heute noch zu dem, was wir in den 1980ern und 90ern so getrieben haben, und ich halte es auch nach wie vor für sinnvoll und richtig. Nur waren das völlig andere Sachen als ideologische Rechthaberwettbewerbe oder folkloristisch interessante Demos mit eindrucksvollen Schwarzen Blöcken. Klar, die gab´s auch, und natürlich haben wir uns mit Neonazis und der Staatsmacht Hauereien geliefert. Aber für den Teil der Autonomen, zu denen ich selber gehörte standen andere Sachen im Mittelpunkt. Während des jugoslawischen Bürgerkriegs haben wir die Flüchtlinge in ihren Notunterkünften unterstützt und Sonntagsspaziergänge organisiert, bei denen sie Besuch bekamen und mit Spenden versorgt wurden. Besonders hilfreich waren in diesem Zusammenhang Professorenfamilien, für die der Besuch bei Flüchtlings bald zum guten Ton gehörte. Die bosnischen Flüchtlingskinder aus Trebnice und Mostar waren zumeist ohne Kuscheltiere aus der Heimat geflohen, und ich organisierte über eine befreundete Ärztin und deren Patientenkreis eine Sammelaktion für Teddys, Puppen usw., um die Kinder damit zu versorgen. Das gab strahlende Augen unter den armen Würmern, aber auch heftige Verteilungskämpfe untereinander. Als die Flüchtlinge zunächst kein frisches Essen, sondern nur abgepackte Portionen ohne Obst und Gemüse bekamen machten wir mit einer größeren Gruppe Flüchtlinge ein Go In ins Rathaus, um eine angemessene Versorgung durchzusetzen. Die Stadt erkkärte, sie sei dazu außerstande. Daraufhin wurde die Obst- und Gemüseabteilung eines Supermarkts geplündert, und die Leute holten sich ihre Vitamine. Auf einer Kundgebung erklärte ein mittlerweile verstorbener Genosse, dies würde nun tagtäglich geschehen, wenn die Flüchtlinge nicht anständig versorgt würden. Tags drauf und von da an auf Dauer hatten die eine anständige Nahrungsversorgung.

Wir veranstalteten auch multikulturelle Straßenfeste, auf denen wir Bücher, Döner, Falafel, Bier und Glühwein verkauften. Den Erlös brachten Leute aus unserer Gruppe, teilweise in der eigenen Unterwäsche verborgen, in den kurdischen Nordirak. Dort wurde das Geld den Leuten, die es brauchten direkt in die Hände gedrückt. Unsere AktivistInnen ( übrigens sehr viele Frauen) reisten dort unten mit einem Jeep mit aufmontierten 12,7mm MG umher, da es wirklich lebensgefährlich war, sich im Nordirak zu bewegen. Unsere größten Leistungen waren der Wiederaufbau einer Schule und einer Brücke, die im 1991er Krieg zerstört worden waren. Dann organisierten oder unterstützten wir Kirchenasyle und die medizinische Versorgung illegalisierter Flüchtlinge, betreuten die Teilnehmer einer Knastrevolte und machten überhaupt sehr viel ehrenamtliche Sozialarbeit. In einem Fall haben wir eine inhaftierte Genossin aus einem türkischen Folterknast rausgeholt. Die meisten dieser Aktionen funktionierten nur, wenn sie nicht nur nicht an die große, sondern an gar keine Glocke gehängt wurden.
Daneben dann auch noch Hausbesetzungen und Anti-AKW-Demos.

Im Nachhinein betrachtet waren wir so eine Art Mischung aus amnesty international, Robin Wood und Caritas, die unter teilweise illegalen und brenzligen Bedingungen operierte und mit anarchokommunistischem Selbstverständnis. Mit dem, was in den Medien als Antifa oder Autonome verbraten wurde hatte das alles so gut wie nichts zu tun. Wir haben vielen Menschen, denen es wirklich dreckig ging geholfen. Und hätten wir es nicht getan, hätte es niemand getan.

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Der Ausgangspunkt
Ach ja, da ist er, der Anfang der autonomen Gesellschaftskritik, der immer noch offene Versuch einer anderen Arbeiterbewegung. Grabe, wo du stehst, es ist möglicherweise aktueller denn je!

http://www.labournet.de/diskussion/geschichte/birke.html

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Samstag, 15. November 2008
Herzlichen Glückwunsch, Cem Özdemir!
Auch wenn ich von den Grünen schon lange nichts mehr erwarte, diese Wahl freut mich.

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Mittwoch, 12. November 2008
Gewesene Linke: Die Autonome Antifa (M), Teil 2
Theoretisch orientierte die M sich wiederholt und schnell um. Vom nur kurze Zeit vertretenen Neuen Antiimperialismus schwenkte man um auf Antiimp-Linie, die wurde dann zu einem klassischen Marxismus-Leninismus eingedampft, der sich anfühlte wie bei der KPD der 20er Jahre. Später wurde jäh und unvermittelt zur Wertkritik von Robert Kurz und Krisis umgeschwenkt. Begründet wurden diese inhaltlichen Umorientierungen nie, die M nahm auch nicht an den gruppenübergreifenden Theoriediskussionen der übrigen Göttinger autonomen Szene teil. So blieb sie bei den für Teile des Spektrums außerordentlich wichtigen Sexismus- Rassismus- Eurozentrismus- und Selbstverständnisdiskussionen völlig außen vor.

Während nach Hoyerswerda, Rostock und Mölln andere autonome Gruppen die Tatsache kritisierten, dass der Rassismus-Begriff der bisherigen Antifaarbeit in den Flüchtlingen zu beschützende Objekte sah, ebenso wie Kirchens und Wohlfahrts Flüchtlings wohlwollend bevormundeten. Daraus zogen sie dann die Konsequenz, die Nähe der Flüchtlinge zu suchen und mit ihnen gemeinsam politische Praxis zu entwickeln. Während ein Teil der Autonomen so etwas also machte und sich von Antifa zur Antira weiterentwicklelte, ließ die M sich auf solche Niederungen des Alltags nie herab.

So diskutierte sie eigentlich nie mit anderen Gruppen, sie verlautbarte. Da sie ja ohnehin sehr techno-discolike auftrat und ihre Ideologieschwenks von außen nicht nachvollziehbar waren, sprach unsereins von Theorieresampling.

Dabei muss allerdings gesagt werden, dass sie in den 1990ern die zahlenmäßig stärkste linke Gruppe in Göttingen war und ihr Konzept der bundesweiten Organisation (Antifa BO, von uns Antifa B0 genannt) anfangs auch funktionierte. Brachte es die durchschnittliche autonome Gruppe in Göttingen auf 10 oder 15 Mit- und ohne Glieder, so waren das bei der M in den besten Zeiten um die 50, das mobilisierbare Umfeld hingegen ging in die Tausende.

Das dogmatische Auftreten und die Diskussionsverweigerung der M, aber auch persönliche Animositäten und schließlich unterschiedliche Verständnisweisen von Antifa-Arbeit führten zu einer Spaltung der autonomen Szene in Göttingen, und über Jahre fanden zu allen wichtigen Themen, die Leute auf die Straße treiben oftmals zwei getrennte Demos statt: Einmal die M und Umfeld, einmal die übrige autonome Szene, Bündnispartner wie DGB, Uniszene, Göttinger BürgerInnen gegen Rechts, VVN usw. hielten es mal mit den Einen und mal mit den Anderen, bis dann die M mehr und mehr in die Isolation hineingeriet. Der Tonfall, in dem da miteinander umgegangen wurde war nicht gerade freundlich. Eine Nordirland-Soligruppe aus dem Antiimp-Spektrum schrieb über Kritiker der M:?Selig sind die Bekloppten, denn sie brauchen keinen Hammer.?, und in Bremen wurde die neugegründete Ortsgruppe der AABO im Sielwallhaus als ?der letzte Kegelverein? und ?Schießbudenfiguren, über die wir lachen können? bezeichnet. Ob Pro Antifa-Bundesorganisation oder dagegen, man schenkte sich nichts.

Stark ausgeprägt war in der linken Szene die Mythenbildung um die M, wie es auch generell einen Göttingen-Mythos gab. Ich kann mich erinnern, wie ich beim Vorbereitungstreff zu einer bundesweiten Demo durchs Megafon ansagte, wo sich der Göttinger Block versammelt, und aus der Menge dann respektvolles Geraune hörte und so Sprüche wie: "Die Göttinger sind da. Dann wird´s wohl hart abgehen!", und es ist uns echt passiert, dass uns Autonome aus einer hessischen Kleinstadt fragten "wie schätzen denn die großen Meister die Lage ein?".

Zum Mythos gehörten auch interessante Gerüchteküchen (Anekdote: Genossin D. erzählt "wir saßen in gemütlicher Runde zusammen, und Che war gerade ein Gerücht kochen" - aber nein, über die M kochte ich keines, das schafften die schon selber). Da gab es zum Bleistift die Geschichte mit den "Orden". Schon etwas länger als die M existierte die Initiative K & K, was nicht Kaiser und König, sondern Kunst und Kampf hieß. Diese Gruppe, deren Mitglieder auch fast alle in der M waren, entwarf das Layout der M-Publikationen, machte eine Ausstellung über militaristische Heraldik mit Orden und Ehrenzeichen, denen sie sehr wenig überzeugend rote Sterne und linke Parteiabzeichen als angebliche Gegenkultur gegenüberstellte, veranstaltete Besuche in KZ-Gedenkstätten, einer ihrer bis heute prominenten Vertreter malte Bilder, die irgendwo zwischen Sozialistischem Realismus und naiver Malerei angesiedelt waren.

Die Mitglieder der K & K trugen das Logo ihrer Initiative, ein affenähnliches Männlein, das in einer Hand eine Comedia-dell-Arte-Maske und in der anderen eine 9mm Mauser hielt als Anstecknadel. Diese Nadeln gab es in Gold, Silber und Bronze, und sehr schnell verbreitete sich das Gerücht, dies seien drei Klassen von Orden, an denen die M ihre Mitgliederhierarchie festmache.


Alle diese Konflikte wurden für die M bedeutungslos, als Razzien in Göttingen zutage förderten, dass gegen die Gruppe ein 129a)-Verfahren lief.


http://www.sooderso.net/subdomains/keinfriede/flugi94antifam01.shtml

http://www.antifakomitee.de/website/soli/rechtshilfe/129.htm

http://www.rote-hilfe.de/publikationen/die_rote_hilfe_zeitung/1996/2/wer_ist_die_autonome_antifa_m

Das Bekanntwerden der Ermittlungen führte sehr schnell zu einer allgemeinen Solidarisierungswelle. Hierbei fragten sich Viele in der Szene allerdings, wieso es gerade die M traf. Sonderlich militant war die Gruppe, trotz zur Schau getragenem Schwarzen Block nicht. In dem szeneöffentlichen Sich-Wundern schwang bei militanten Gruppen daher auch so eine Art uneingestandene Eitelkeit nach dem Motto "was haben die, was sie für den Staatsschutz interessant macht?" mit. Tatsache ist allerdings, dass Gruppierungen wie das "Kommando Otto und Lotte Rotholz", das versucht hatte, Karl Polaceks Haus niederzubrennen so anonym waren, dass Staatsschutzschnüffler schlechterdings außerstande waren, diese in den Szenezusammenhängen aufzuspüren, und wer sich hinter den zig autonomen Kleingruppen verbarg wussten auch nur die, die es ruhig wissen durften ;-)

Die M war offiziell, die M war extrem in den Medien präsent, die M hatte es bis ins Fernsehen geschafft. Die M war auf dem Präsentierteller.

Wir hatten damals lebhafte Diskusionen, warum die Generalstaatsanwaltschaft gerade gegen die M ermittelte, und erwogen verschiedene Szenarien, bei denen u.a. das Potenzial der Bundesweiten Organisation eine Rolle spielte. Ketzerisch frage ich mich heute, ob seitens des Staatsschutzes da nicht einfach eine extrem staatsautoritäre Rechtsauffassung ausreichte, kombiniert mit ziemlich viel Blindfischigkeit. Möglicherweise reichte der Anblick von uniform vermummten und behelmten Schwarzen Blöcken über Jahre hinweg ja schon aus, immerhin wurde auch gegen die Göttinger Polizei ermittelt. Für die DiD-Hypothese (Deppen im Dienst) spricht das Vorgehen einige Jahre später, als nach einem Überfall auf Polaceks Haus Beamte des Niedersächsischen Landeskriminalamts offensichtlich Neonazis um Torsten Heise herum Fotos von "Göttinger Antifas" zeigten, die von diesen als "TäterInnen" identifiziert wurden.

In einem Mammutprozess wegen versuchten Totschlags und Schweren Landfriedensbruchs wurde die Unschuld der Angeklagten erwiesen, aber auch die Kriterien, nach denen das LKA (mit einem der damals ermittelnden Beamten hatte ich meine eigenen einschlägigen Erfahrungen gemacht) so vorging: Die "Fahndungsliste " mit "Göttinger Antifas" war die KandidatInnenliste der GAL zum Studierendenparlament. Die Leute, die beim Staatsschutz als "Top-Autonome" galten, waren die auf den vorderen Listenplätzen. Die Liste war nach alphabetischer Reihenfolge zusammengestellt ;-)


Wie sich denken lässt, führten die Ermittlungen zu keiner Verurteilung und wurden schließlich eingestellt, aber sie schwächten die M entscheidend. Man war nun weniger mit der konkreten Antifa-Arbeit oder dem Aufbau der Bundesweiten Organisation beschäftigt als vielmehr mit Prozessarbeit und Solidarität mit sich selbst. Hinzu kam, dass die BO allmählich bröckelte.

Eine der wichtigsten Bündnisparterinnen, die Gruppe fels (Für eine linke Strömung) Herausgeberin der lesenswerten Theoriezeitschrift Arranca! brach mit der BO und kritisierte die M öffentlich wegen ihres "sinnentleerten Militanzfetisches". Der Zerfall der Antifa BO fiel mit einer persönlichen Erschöpfung der M-AktivistInnen zusammen, gegen die sich das Ermittlungsverfahren gerichtet hatte. Ende der 90er existierte die M zwar noch, aber sie war nun nur noch eine Antifa-Gruppe unter vielen. Der 11. September 2001 brachte für die Autonome Antifa (M) den Spaltpilz: Die nun einsetzenden Diskussionen über die Unterstützung der Antideutschen für die Bush-Kriege führten zu einer Fraktionierung innerhalb der Gruppe, die schließlich in drei Einzelgrüppchen auseinanderfiel, die sich nichts mehr zu sagen hatten. Am ehesten in der Tradition der alten Autonomen Antifa (M) steht hierbei die bis heute aktive redical M.

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Offener Brief an Christian Wulff
Ich finde am Generalsekretär der Gesellschaft für Bedrohte Völker, Tilman Zülch, ja sehr viel Kritisierenswertes. Aber dem Text dieses Offenen Briefs hier kann ich nur zustimmen.


Nicht die Manager, Herr Ministerpräsident Wulff, sondern Iraks Christen
sind heute Pogrom-Opfer, deren Aufnahme in Deutschland Ihr
Innenminister seit Monaten unchristlich hinauszögert! Sorgen Sie dafür,
dass endlich 50.000 dieser wirklichen Pogrom-Opfer in Deutschland und in
Niedersachsen aufgenommen werden!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Sie haben verlautbart, dass man bei uns "Pogromstimmung" gegen
Manager verbreitet. Doch Deutschlands Manager sind natürlich von keinem
Pogrom bedroht. Allenfalls erscheinen einige von ihnen eher bedrohlich für
Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland.

Echte Pogromstimmung haben vor wenigen Tagen islamische
Fundamentalisten und arabische Nationalisten gegen die assyro-
chaldäischen Christen in der nordirakischen Stadt Mosul geschürt. Und sie
haben tatsächlich ein Pogrom an den hilflosen Menschen begangen: Mord,
Folter, Verschwindenlassen und Vertreibung!

Seit zwei Jahren versucht die Gesellschaft für bedrohte Völker, die
Aufnahme heimatlos gewordener christlicher Flüchtlinge und Vertriebener
aus dem Irak durchzusetzen. Seit einem Jahr bemühen sich auch die
beiden großen Kirchen in Deutschland darum. Wir haben jedoch den
Eindruck, dass Ihr Innenminister Uwe Schünemann die Aufnahme dieser
existenziell bedrohten Menschen nicht nur immer weiter hinauszögert,
sondern auch die mögliche Zahl der hier aufzunehmenden Flüchtlinge
immer weiter auf eine kleine Gruppe begrenzen will. Diese Haltung ist
besonders unwürdig, wenn sie von einer Partei vertreten wird, die sich
nicht
nur mit ihrem Namen auf christliche Werte beruft. Nach der Christen-
Vertreibung aus Basra und Bagdad, sind jetzt die Christen Mosuls Opfer
eines Pogroms, denen Deutschland Zuflucht und Hilfe verweigert.

Ich verfasse diese Presseerklärung in Gewissensruh, in einer der alten
Hugenottensiedlungen an der Weser. Die christlichen Hugenotten wurden
hier einst als Flüchtlinge großzügig aufgenommen und erfolgreich
integriert.
Dies ist ein Beispiel von Humanität zur rechten Zeit wie auch in den 80er
Jahren die Aufnahme der assyro-aramäischen Christen aus der Türkei.
Schon längst haben sie ihren Lebensmittelpunkt, ihre Kirchen, Gemeinden
und Betriebe in Deutschland.

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Montag, 10. November 2008
Gewesene Linke, heute: Die autonome Antifa (M)
Gewesene Linke

Heute: Die Autonome Antifa (M)

Mit der M hat es eine ganz eigene Bewandtnis. Entstanden war sie als eine Gruppe, die mit der autonomen Politik, wie sie bis dahin betrieben worden war gebrochen hatte. Witzigerweise wird selbst ihre Nachfolgerorganisation redical M von heute aktiven Autonomen, die altersmäßig die Kinder der Mler sein könnten, für eine „klassisch autonome Antifagruppe“ gehalten. Aber der Reihe nach.

Alles begann im Herbst 1987 in Göttingen. Zu dieser Zeit häuften sich in der Göttinger Innenstadt die Übergriffe von Neonazis. Zwar hatte es auch vorher schon Auseinandersetzungen mit Rechtsradikalen gegeben, und es gab in Göttingen eine sehr aktive Antifa-Gruppe. Aber bisher waren die Gegner Leute wie der NPD-Multifunktionär Hans Michael Fiedler, angebräunelte Burschenschaften oder Lyndon LaRouches EAP/Patrioten für Deutschland gewesen, keine gewalttätigen Neonazis. Das änderte sich, als der Österreicher Karl Polacek, Funktionär der weit rechts von der NPD stehenden FAP in das Haus seiner getrennt von ihm lebenden Frau in dem kleinen Dorf Mackenrode im Göttinger Wald zog. Polacek nutzte das Haus als Schulungszentrum und zog sich Nazi-Skins als persönliche Gefolgschaft heran. Von nun an trafen sich Glatzen abends bei Polacek und zogen von seinem Haus aus in die Göttinger Innenstadt, wo sie Leute zusammenschlugen, die ihnen nicht passten: Ausländisch Aussehende, vor allem Schwarze, Punks, Skateboardfahrer, auch Behinderte im Rollstuhl, die aus ihrer Sicht „Lebensunwertes Leben“ waren. Zunächst war die Reaktionsweise der linken Szene schnell, einfach und wirkungsvoll: Bei jedem rechtsradi kalen Vorkommnis mobilisierte eineTelefonkette möglichst viele Leute zum Ort des Geschehens, wobei wir damals zumeist schöne Zahlenverhältnisse hatten: Auf 5 oder 10 Naziglatzen kamen zumeist 400 Linke, die zu jeder Tages- und Nachtzeit binnen einer halben Stunde zur Stelle waren. Einmal haben wir eine Kleingruppe von Glatzen quer durch die Stadt gejagt, und am nächsten Tag berichtete das Göttinger Tageblatt in großer Aufmachung darüber. Dann aber passierte es, dass eines Nachts Nazis randalierten und keine Telefonkette ausgelöst wurde, Leute zusammengeschlagen wurden, ohne dass jemand eingriff.

Kurz darauf trafen sich ein DGBler und ein Antifa zufällig in einer Kneipe, sprachen über den Vorfall, und es wurde die Idee geboren, ein breites Antifa-Bündnis, organisiert und finanziert vom DGB auf die Beine zu stellen. Dieses Bündnis stand sehr schnell und reichte vom DGB über den Stadt- und KreisschülerInnenrat, die Jusos, die sich allerdings, wie für sie üblich, nach kurzer Zeit aus dem Bündnis verabschiedeten, den Pfarrer von Mackenrode, die Falken, den ASTA der Uni, die Fachschaftsräteversammlung und die linksradikalen Hochschulgruppen GAL und Linkes Bündnis bis zur Autonomen Antifa.

Eine der ersten und bemerkenswertesten Aktionen des Bündnisses war eine landesweite Großdemo gegen Polacek in Mackenrode mit Tausenden von Teinehmenden, die direkt an Polaceks verbarrikadiertem und mit Drahtnetzen wie eine militärische Stellung gesichertem Haus vorbeiführte.

Zu dieser Demo hatte der DGB 15 Omnibusse der Göttinger Verkehrsbetriebe angemietet (die lange Sorte, 18m-Zieharmonika-Busse), die Stoßstange an Stoßstange in einer beeindruckenden Kavalkade nach Mackenrode gebraust kamen. Nach diesem Topact blieben die Nazis erst einmal still. Indes krachte die Sollbruchstelle des fragilen Bündnisses in Gestalt eines Granitsoldaten. Dieser hatte bis dato im Göttinger Rosengarten gestanden, ein altes Kriegerdenkmal in militaristischer Tradition, vor dem alljährlich Vertriebenenverbände ihre revanchistischen Feiern abhielten. Nun begab es sich aber zu der Zeit kurz nach der Mackenrode-Demo, dass Unbekannte die Statue umkippten und den Kopf abhauten, der viele Jahre später von einem Taucher in einem See gefunden wurde. Schnell wurde die Autonome Antifa un das Antifa-Bündnis insgesamt beschuldigt, diese Aktion durchgeführt zu haben, und die Gewerkschaft der Polizei forderte die Aufkündigung des Bündnisses durch den DGB und den Sturz des damaligen DGB-Vorsitzenden, der bald darauf ins hinterste Emsland versetzt wurde. Wir feierten für ihn und den DGB-Jugendsekretär noch eine Solifete, auf der T-Shirts verkauft wurden, die Schwarzvermummte zeigten, die ein Heldendenkmal umwarfen und darunter den Text „Alle werden fallen!“. Dieses Shirt habe ich dann getragen, bis es in den späten 90ern nicht mehr lesbar war.

Nach der Auflösung des Bündnisses konnte in der Autonomen Antifa keine Einigung über eine gemeinsame Praxis mehr erzielt werden. Die Einen diskutierten über eine Rückkehr zu genuin autonomen Positionen und einer Besinnung auf die Möglichkeiten der linksradikalen Szene ohne bürgerliche bzw. klassisch-arbeiterbewegungsmäßige Bündnispartner, die Anderen wollten das Bündnis ohne den DGB fortsetzen. Parallel dazu nutzten die Neonazis die momentane Schwäche des antifaschistischen Spektrums zu forcierten Angriffen, und es kam zu einer Eskalation der Gewalt, die ihren Höhepunkt mit dem Tod von Conny fand.

http://che2001.blogger.de/stories/970268/

Anfang der 90er konsolidierten sich aus den Zerfalls- und Umordnungsprozessen in der Antifaszene neue Gruppen. Aus dem Umfeld des Stadt- und KreisschülerInnenrats ging die Antifa-Jugendfront (AJF) hervor, aus der ursprünglichen Autonomen Antifa zwei Gruppen, von denen sich eine Mittwochs traf. Diese Mittwochsantifa nannte sich seit Anfang 1991, das Mittwochsdatum zur Symbolik machend, Autonome Antifa (M). Der kryptische Klang dieses Begriffs passte zu dem, was die M auch sonst intensiv betrieb: Selbstinszenierung.

Die Autonome Antifa (M) nahm für sich in Anspruch, ihre Lehren aus dem Scheitern des Antifa-Bündnisses gezogen zu haben, als da waren

1) Breite ambivalente Bündnisse bieten keine Sicherheit, Autonome müssen auf ihre eigene Stärke vertrauen.
2) Klassisch autonome Politik ist ebenfalls gescheitert. Agieren in Kleingruppen und militantes Vorgehen bedeuten ein hohes Kriminalisierungsrisiko, große persönliche Gefahr für Leib und Leben und läuft oft auf eine Auseinandersetzung hinaus, die primär mit der Polizei geführt wird, weniger mit den Neonazis und erst recht nicht mit den gesellschaftlichen Machtverhältnissen.
3) Daher muss die Autonome Antifa sich zahlenmäßig vergrößern und eine bundesweite Antifa-Organisation geschaffen werden.

Dieses Konzept wurde von der M Anfang 1992, ein Jahr seit ihrem Bestehen und nach einer uniform vermummten und behelmten Neujahrsdemo verkündet. die M sprach zwar selbst davon, eine "Organisierungsdebatte" zu führen, aber die führte sie allenfalls intern. Gegenüber anderen Gruppen wurde das Modell der bundesweiten Organisation offensiv vertreten, aber nicht als hinterfragbar angesehen.

Ansonsten frappierte und brüskierte die M: Ihre Demos erschienen als ultramilitant wirkende Schwarze Blöcke mit schwarzen Helmen, sie agierten aber nicht militant. Die klassischen Schwarzen Blöcke waren in Auseinandersetzungen entstanden, in denen die Polizei selber mit brutaler Gewalt vorging, sie waren eine Mobilisationsform für den Straßenkampf.

Die Schwarzen Blöcke der M marschierten vermummt und behelmt auf, wo dafür beim besten Willen keine Notwendigkeit zu sehen war, und die Polizei ging nicht gegen sie vor. Man erklärte, dass man stolz darauf sei, eine vermummte und behelmte Demo durchgesetzt zu haben, und das war es dann schon. Man meldete Demos nicht an, warf aber einen Routenplan mit minutiöser Angabe der Quadratmetergröße der mitgeführten Transparente in den Briefkasten des Ordnungsamts. Ein spöttelnder Text bezeichnete eine typische M-Demo als "Ritterspiele im Dorf".


Spielerisch war überhaupt vieles, was die M machte. Straßentheater und Happenings in der Göttinger Fußgängerzone gehörten zum Standardprogramm, und mitunter erinnerten die Aktionen an das Ziehen von Motivwagen beim Karneval. Mit ihrem plakativen Auftreten und dem aufwändigen, mit dem linksradikalen Schmuddeldruck radikal brechendem Layout ihrer Flyer und Publikationen (einige Mitglieder waren Drucker, Setzer oder Werbeleute) sprach die auch Leute an, die für die klassischen Autonomen nicht erreichbar gewesen wären. Das zog sich durch wie eine schwarzrote Linie: Überwog bei den klassischen Autonomen das Streetfighter-Outfit mit schwarzen Lederjacken, Dr.Martens und Springerstiefeln, zogen sich sehr vieler Mer immer genau das Outfit an, das in der Dancefloor- und Techno-Szene gerade angesagt war. Mit Adidas-Hosen, Carharrt-Kapuzis, Nike- und Reebok-Pump-it-up-Schuhen war die M schon Anfang der 90er unterwegs. Eine Theatertruppe verglich das M-Outfit mit dem von Star-Trek und machte dazu das Stück "Raumschiff Cloppenburg".

Inhaltlich gesehen war es schwer, mit der M zusammenzuarbeiten. Bei Bündnisdemos hielt die Gruppe sich regelmäßig nicht an Absprachen, Theoriediskussionen fanden mit ihnen praktisch nicht statt.

Ihre eigenen theoretischen Positionen unterschieden sich ziemlich von dem, was sonst in der Szene diskutiert wurde. In der Anfangszeit vertraten sie zunächst noch den Neuen Antiimperialismus, ich glaube allerdings nicht, dass sie ihn auch verstanden. Jedenfalls erinnere ich mich an eine Diskussion, bei der es um die finanzielle Lage des Jugendzentrums Innenstadt (JUZI) ging, und ein Redner der M schaffte es, einen Rundumschlag von Industrialisierungsprojekten in Schwellenländern und Begehrlichkeiten der EU-Wirtschaft nach Osteuropa mit der messerscharfen Folgerung zu verbinden, dass in einer solchen Situation keine kommunalen Mittel für das JUZI übrig seien ;-)

Wird fortgesetzt.

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Castoristas!
Das war ja echt ein Großkampftag. Grundsätzlich finde ich nicht schlecht, dass so etwas noch immer läuft, und sei es nur, um bei künftigen Generationen die Flamme des Widerstands am Brennen zu halten. Warum aber passiert das immer nur zum Thema Atommüll? Die Idee, etwa Abschiebungen durch Blockaden von der Wohnung der Flüchtlinge bis auf das Rollfeld zu behindern würde wohl kaum die zu ihrer Ausführung notwendige Mobilisierung finden. Sind Menschenrechte weniger wert als Atommüll?

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Sonntag, 9. November 2008
Immer wieder schön
Die Karikatur mit dem LKW, den zwei plattgefahrenen Enten und dem Subtext "Tick, Trick und Truck."

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Samstag, 8. November 2008
Das extrem proletarische Viertel
Der Stadtteil, in dem ich lebe hat ein altes Arbeiterviertel. Das Zusammenleben dort hat noch sehr viel mit einer sozialen Bindungen geschuldeten Gestaltung des öffentlichen Raums zu tun, wie man sie sonst nicht mehr findet. Da gibt es einen Platz, der, obwohl im innerstädtischen Bebauungsbereich gelegen, die Funktion eines Dorfplatzes besitzt und auf dem der Wochenmarkt stattfindet, und rund um diesen kleine Läden, eine Schreibwarenhandlung mit Lotto und Büchergrabbeltisch (was spricht eigentlich gegen Grisham-Bände für 1 Euro fuffzich?), eine Apotheke, ein türkischer Gemüseladen, eine polnische Schlachterei, eine Post, eine Volksbank, eine Sparkasse, alle Filialen so klein, dass man sie als “Läden” bezeichnen kann, ein Tabakladen und ein Supermarkt, der preislich deutlich unterhalb von Aldi positioniert ist. In den Geschäften herrscht noch Tante-Emma-Klima, überall hält man beim Einkauf ein Schwätzchen. Die Arbeiter, die dieses Viertel einmal geprägt haben, sind entweder ins Häuschen im Grünen gezogen oder schon in Rente, und so prägen in etwa gleichen Anteilen drei Gruppen das Viertel: Migranten, Studierende und Rentner. Der Mietpreis liegt hier im Schnitt bei 4 Euro pro Quadratmeter, der Kaufpreis um 1000 Euro bei fertigen Immobilien und bei 150 Euro pro Quadratmeter Bauland. Das Viertel gilt als eines der “Schlechteren”. Für mich ist es eines der Besten.

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Mittwoch, 5. November 2008
Was Obama für den Fisch bedeutet
http://www.duckhome.de/tb/archives/3904-Praesident-Obama-und-was-bedeutet-das-fuer-den-Fisch.html

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Dienstag, 4. November 2008
Trägt die aktuelle Krise den Anfang vom Ende des Kapitalismus in sich?
Diese Überlegung legt ein Text von Wildcat nahe, den ich mich nicht scheue, in voller Länge zu posten.

23 Thesen zur kapitalistischen Krise


Teil II des Artikels Globale Krise aus Wildcat 82 - auch als [.pdf]


Verlauf
1) 2006 beendeten die Immobilienpreise in den USA einen jahrelangen Höhenflug – 2007 begannen sie zu sinken, es hatte ein deutliches Überangebot an Häusern und Wohnungen gegeben. Bei steigenden Zinsen und sinkenden Hauspreisen gerieten massenhaft überschuldete Hausbesitzer mit der Rückzahlung ihrer Hypotheken in Verzug. Das löste unmittelbar die subprime-Krise aus und griff sofort auf die Investmentbanken [1] über; im März 2007 kam es zu plötzlichen, starken Kursverlusten an den Börsen von New York und Shanghai. Inzwischen befinden wir uns in der größten Finanz- und Bankenkrise seit mindestens 77 Jahren – vielleicht aber auch am Beginn der bisher schwersten Krise in der Geschichte des Kapitalismus.
Wie konnte ein ganz normaler Schweinezyklus [2] (Überangebot an Häusern) eine solche gewaltige Wirkung haben? Die erste Erklärung liefert die US-amerikanische Arbeiterklasse, die bei sinkenden Reallöhnen ihren Lebensstandard nur noch mit Schuldenmachen aufrechterhalten konnte. Noch 1995 waren weniger als zwei Prozent aller Hypothekendarlehen [3] in den USA »subprime«[4], 2005 waren es bereits 25 Prozent. Die Verschuldung des US-Proletariats ist in den letzten Jahren stark angestiegen, 2007 gaben US-Amerikaner durchschnittlich 14 Prozent ihres Einkommens für die Rückzahlung von Schulden aus..
2) Die zweite Erklärung liegt in der Ausweitung des Kredits insgesamt. Die Geschichte des Kapitalismus seit dem Ende von Bretton Woods Anfang der 70er Jahre lässt sich begreifen als eine von Kapital, das nach profitablen Anlagemöglichkeiten sucht. Weil es sich in produktiven Investitionen in Fabriken und dergleichen nicht mehr ausreichend verwerten kann, sucht das Kapital andere »Anlageformen«: Währungsspekulation, Derivatehandel[5], Immobilienspekulation (in der bürgerlichen Terminologie wird das »Anlagenotstand« genannt). Eine der »Finanzinnovationen« des letzten Jahrzehnts war das Handeln mit Wertpapieren, die auf Schuldverschreibungen und Hypotheken basieren und zudem vielfach »gebündelt« sind. Solche CDOs[6] ermöglichten es, auch »faule« Kredite als absolut sicher zu raten, so dass institutionelle Anleger wie Pensionskassen, die gesetzlich gehalten sind, ihre Gelder sicher anzulegen, solche Papiere kaufen konnten. Durch hohe Kreditanteile ließ sich dabei die Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital vervielfachen; diese »Hebelwirkung« wird beim Zusammenbruch der Kreditpyramide zum Bumerang. Zudem stellte sich in der subprime-Krise heraus, dass durch die Bündelung niemand mehr erkennen konnte, wo überall »faule« Kredite versteckt waren (»Kontaminierung«), welche Bank also vom Zusammenbruch bedroht war. Vertrauen in den geregelten Gang der Geschäfte gehört zu den materiellen Voraussetzungen der Kapitalverwertung. Misstrauen zwischen den Banken machte aus der »Finanz-« eine Bankenkrise.
3) Seit Ausbruch der Krise wird darüber gestritten, ob und wie und wie stark »die Finanzkrise die Realwirtschaft erreicht«. In Wirklichkeit ist es umgekehrt: ein Abschwung der Weltkonjunktur (ab 2007) wird durch Finanzmechanismen vielfach verstärkt. Dieselben Finanzmechanismen, die »Wachstum« ermöglicht haben, forcieren nun den Zusammenbruch. Deshalb erscheint die Krise als Finanzkrise. Aber der Kern der Krise steckt nicht in der Zahlungsunfähigkeit der Banken, also in ihren »Passiva«, das eigentliche Problem sind die »Aktiva« der Banken: die hohe Verschuldung der sogenannten »Realwirtschaft«.
4) Denn die Finanzblase war keine vermeidbare Fehlentwicklung, sondern die Grundlage der sogenannten »Realwirtschaft«. Diese ist seit Mitte der 90er Jahre nur noch gewachsen aufgrund der Ausweitung des Kredits. Das Welt-Bruttosozialprodukt wächst seit den 1970er Jahren nur noch zwischen 2 und 4 Prozent (in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts war es zwischen 4 und 7 Prozent gewachsen).
Nach der Dot.com-Krise[7] wurden alle Schleusen geöffnet. In den folgenden vier Jahren hat die Fed mehr Dollars in Umlauf gebracht als in der gesamten 200-jährigen US-Geschichte zuvor. Es kam zur größten Ausweitung von Konsumentenkrediten und Hypotheken in der Geschichte des Kapitalismus. Die Banken gaben z.T. Kredite mit weniger als 3 Prozent Zinsen – das ist unterhalb der eigenen Kosten und Ausdruck der Überakkumulationskrise (s.o. »Anlagenotstand«; die Investitionen in Anlagen und Fabriken blieben in diesen Jahren weiterhin sehr niedrig). Zur Vertuschung dessen wird seit 2005 in den USA die Geldmenge M3[8] nicht mehr statistisch erfasst. Trotz all dieser Maßnahmen das Bruttosozialprodukt der USA seither nur noch aufgrund der Immobilienblase gewachsen. Auch weltweit der Boom von 2002 bis 2006 merkwürdig: die Arbeitslosenzahlen sind nicht gesunken.
5) Dritte Erklärung, warum die subprime-Krise wie ein Zünder wirkte: Die schuldenfinanzierte und konsumgeleitete US-Wirtschaft war mit einem Bilanzdefizit von 800 Mrd. $ jährlich auf gewaltige Kapitalzuflüsse, v.a. aus China angewiesen, das gleichzeitig zum Industriezentrum der Welt für Konsumwaren geworden war; die Hauptkapitalgeber China, Japan, Taiwan und Südkorea halten inzwischen zusammen 4 Billionen Dollar als Währungsreserven. Dieser Mechanismus lässt sich so zusammenfassen: In China produzierte Waren werden in den USA konsumiert und mit Dollars bezahlt, die sich folglich in China anhäufen. Diese Dollars leiht China dann der US-Regierung, damit der Kreislauf fortgesetzt werden kann. Eine solche Konstruktion kann nur eine begrenzte Lebensdauer haben. Und in der Tat ist seit 2007 Europa der größte Absatzmarkt für chinesische Waren, nicht mehr die USA. Die Grenzen des Modells wurden sichtbar – und verschärfen sich in der Krise: Der Zufluss ausländischen Kapitals in die USA nahm im Sommer 2008 dramatisch ab, statt den erforderlichen etwa 40 Mrd. Dollar monatlich, die in Form von Staatsfonds ausländische Käufer finden müssen, waren es im August 14, im Juli sogar nur 8,6 Milliarden. Fannie Mae und Freddie Mac wurden im September vor allem deswegen »gerettet«, sprich nationalisiert, um China bei Laune zu halten, das dort insgesamt 500 Mrd. Dollar investiert hatte.
6) In der Autoindustrie kommen Konjunkturzyklus, Überkapazitäten, mangelnde Investitionen, hohe Verschuldung (sowohl der Firmen wie der Kunden) und Produktzyklus (reifer Markt, verstopfte Straßen, »Ende des Erdölzeitalters«) zusammen. Deshalb schlägt die Krise in der Autoindustrie und bei ihren Zulieferern im Moment am stärksten ein.
7) Wir erleben gerade einen gewaltigen Monopolisierungsprozess von Banken und Konzernen auf globaler Ebene. In diesem Prozess setzt sich auch die herrschende Klasse neu zusammen und erklärt den Ausnahmezustand (z.B. ist das »Finanzmarktstabilisierungsgesetz« ein »Ermächtigungsgesetz«). Die Rettungsmaßnahmen zeigen von ihrer Struktur wie auch von den Personen, die per Blankovollmacht »ermächtigt« werden, dass sich die Regierungen diesen Entwicklungen nicht in den Weg stellen, sondern sie flankieren bzw. sogar verschärfen (Robert Scheer sprach in bezug auf das bail out[9] der US-Regierung von »Finanzfaschismus«).
8) Im Gefolge der Krise und in Folge der Krisenmaßnahmen sind die Arbeitslosen- und Rentenversicherungen sowie die Kommunen die nächsten Bankrotteure. Einerseits haben diese Institute ihre Gelder spekulativ (die Deutsche Rentenversicherung hatte Lehman-Papiere) bis hochspekulativ angelegt (amerikanische Rentenfonds haben nach dem Immobilien- und Rohstoff-Crash ihre Anlagen teilweise in »Geierfonds«[10] umgeschichtet), auch Lebensversicherungen und Betriebsrenten hängen voll im Risiko bei möglichen Bankenpleiten.
Andererseits bedienen sich die Regierungen aus diesen Fonds (in Russland wurden mit Rentengeldern Banken gerettet; die argentinische Regierung zapft die privaten Rentenfonds an; usw.)
Wie der Kriseneinbruch Mitte der 70er Jahre (New York!) schlägt auch die aktuelle Krise auf die kommunalen Haushalte durch. Viele Städte im Ruhrgebiet, aber auch z.B. Freiburg stehen vor massiven Zahlungsproblemen.
9) Nach der Finanzbranche werden nun ganze Staaten zum Ziel von bail outs: Island, Ungarn, Pakistan, Türkei, Argentinien, Weißrussland, die baltischen Staaten, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Kasachstan… Man fürchtet einen Dominoeffekt, denn der IWF bräuchte bis zu einer halben Billion Dollar für die Rettungspakete – und hat nicht einmal halb so viel Geld zur Verfügung. Politisch bedeutsam ist, dass Island zunächst bei Russland Hilfe suchte, Pakistan bei China, Argentinien bei Venezuela. Aber auch den um Unterstützung angegangenen Ländern geht das Geld aus. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Finanzgipfel Mitte November sich auf so etwas wie ein neues Bretton Woods [11]einigen kann.
Der Mythos der »Volkswirtschaft« bröckelt. Er wird dann zusammenbrechen, wenn es ein Land wie die Schweiz erwischt! National regulierte Arbeitsmärkte, mit denen die Weltarbeiterklasse in einzelne Segmente eingeteilt wurde, brechen zusammen.
Die Krise ist eine des kapitalistischen Weltsystems
10) no »decoupling« - weder für die EU, noch für die BRIC-Staaten!
Die BRIC-Staaten mit ihren großen Binnenmärkten sollten das erschöpfte Modell des kreditfinanzierten Konsums in den Metropolen verlängern. Aber die Nachfrage der neuen Mittelschichten in diesen Ländern kann auf absehbare Sicht den Konsum der US-Arbeiterklasse usw. nicht ersetzen. Die übersteigerten Hoffnungen in die BRIC-Staaten waren selber bereits Ausdruck der Krise. Seit einem Jahr rutschen aber auch diese ab. In Russland sind z.B. die ausländischen Direktinvestitionen 2008 im Vergleich zu 2007 fast um die Hälfte gesunken; das extrem schwache Banksystem und die Immobilienblase sind bereits am Platzen. Es drohen gewaltige Refinanzierungsprobleme. Massenentlassungen haben angefangen.
Der Staatsbankrott Islands war nur ein Vorgeschmack, die Schwellenländer markieren den Ring der nächsten Explosionswelle der Weltkrise. Hier geht es dann um sehr viel höhere Summen als bei der subprime-Krise. Gleichzeitig kann sich China dem Betteln der USA und der BRD um Finanzhilfe nicht verweigern! Ein Abzug der chinesischen Gelder aus den USA wäre der reine Selbstmord – das Überleben aller Regimes hängt daran, dass das US-Finanzsystem in der Krise nicht implodiert.
11) Die desaströse wirtschaftliche Situation der USA wurde nach dem 11.9. oft als die »twin towers of deficit« beschrieben: die höchste Staatsverschuldung und die höchsten Auslandsschulden in der Geschichte. In wenigen Jahren ist ein dritter Turm gewachsen und zusammengebrochen: Die Privathaushalte sind mit weit über 100 Prozent des Bruttosozialproduktes verschuldet. Die zur Aufrechterhaltung dieser fragilen Situation notwendigen Kapitalzuflüsse (siehe 5)) hängen an zwei Voraussetzungen: dem US-Dollar als »Weltgeld« und der militärischen Dominanz der US-Armee. Durch die beiden nicht mehr zu gewinnenden Kriege im Irak und in Afghanistan ist diese Situation zusätzlich prekär geworden. Der Hegemon ist am Arsch. Aber entgegen Beverly Silver und Giovanni Arrighi sind wir weder der Ansicht, dass uns der neue Hegemon gut tut, noch denken wir, dass es überhaupt schon ausgemacht ist, ob es nochmal einen geben wird – falls ja, wäre das weniger gut für uns als die Revolution. Zudem ist auch noch nicht ausgemacht, wer‘s wird und wie lange das dauert; Immanuel Wallerstein schrieb vor kurzem, normalerweise dauere ein solcher Übergang 50 Jahre, sicher sei nur, dass 2008 »das Jahr des Abtretens des Neoliberalismus« ist. Und ein solches Abtreten wirft alle Fragen auf.
12) Leider ist die Debatte in der Linken nicht auf der Höhe dieser Fragen. Viele machen sich Hoffnungen auf einen neuen Keynesianismus, setzen also auf einen starken Staat. Einer Neuauflage des Keynesianismus sind aber die Grundlagen entzogen: Es gibt keine Volkswirtschaft mehr, die dem Druck der Weltkrise widerstehen könnte; nationale Nachfrageankurbelung funktioniert nicht mehr – im Gegenteil: ein Staat, der in den letzten Wochen Garantien für »seine« Banken ausgesprochen hat, hat alle anderen Staaten unter short selling-Druck [12] gesetzt; das bail out des einen führt zur Entwertung des anderen Bankhauses/ Betriebes/ Staates. Und wie soll »Nachfrage« angekurbelt werden, wenn sowohl die Proleten wie die Banken das Geld horten? Zudem gibt es auch keinen Hegemon, der ein solches Programm durchsetzen könnte, wie in den 30er Jahren die USA – in Reaktion auf die dortigen Klassenkämpfe!
Krise der Krise
13) Der Kern der »neoliberalen Wirtschaftspolitik« bestand darin - in Reaktion auf die Klassenkämpfe Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts -, Kosten (v.a. Löhne!) zu drücken. Durch eine Politik der niedrigen Zinsen (oftmals unter der Inflationsrate, also negativ) wurde die Kreditmenge stark ausgeweitet, um den Konsum zu finanzieren (sowohl den Konsum der Arbeiterklasse, als auch den »Konsum« von Maschinen, also die »unternehmerische Investition«). Damit wurden die Unternehmerprofite gesteigert, die Einkommensverteilung drastisch verändert und große Teile der Klasse verarmt. Aber trotz der Verwüstungen, die diese Strategie weltweit anrichtete (»Strukturanpassungsprogramme«) war sie im Kern nicht erfolgreich: die Real-Investitionen blieben niedrig.
14) »Entwicklung« war in diesem Rahmen nur möglich durch aggressive Ausdehnung des Kapitals: Eindringen in bisher unerschlossene Winkel, Rekrutierung migrantischer Arbeitskraft, Industrialisierung der »Peripherie«. In den letzten 40 Jahren gab es eine weltweite Proletarisierung in einer Geschwindigkeit und einem Ausmaß wie noch nie in der Geschichte des Kapitalismus (siehe Wildcat 82). Dieser Ausweg ist somit heute versperrt, die Peripherie ist industrialisiert.
15) Der Neoliberalismus war kein neues »Modell« (wie es das Gerede vom »Postfordismus« glauben machen wollte), sondern eine langgezogene Krise seit 1973. Das deregulierte, aber politisch verwaltete Finanzwesen war die Antwort auf den Rückgang der effektiven Nachfrage, was ein anderes Wort für die Prekarisierung der Arbeit ist. Im globalen systemischen »Finanzrisiko« spiegelt sich der Angriff auf die Arbeiterklasse in den letzten Jahrzehnten. Seit den 80er Jahren wurde diese Strategie immer schneller von »Finanzkrisen« erschüttert: Schuldenkrise in der ersten Hälfte der 80er Jahre; Sparkassenkrise in den USA in der zweiten Hälfte der 80er Jahre; Pesokrise in Mexiko 1994/5; Asienkrise 1997/8; Rubelkrise 1998/9; Dot.com-Krise 2000/1. Während aber alle diese Krisen regional oder sektoral begrenzt werden konnten (um den Preis der weiteren Ausweitung des Kredits) stößt die langgezogene Krise im aktuellen Einbruch an ihre Grenze. In dieser »Krise der Krise« steht der globale Kapitalismus vor dem Abgrund.
Den Herrschenden gehen die Optionen aus
16) Auftakt wozu?
»1929« war nicht die Krise, sondern deren Ankündigung. Auch die aktuelle Krise wird sehr lange dauern und ihren Höhepunkt eher Ende als Mitte 2009 haben; danach wird es eine langgezogene Depression geben (auch die Krise 1873-1878 ging fünf Jahre). Die »Frühindikatoren« sehen rabenschwarz aus: Die Industrieproduktion geht zweistellig zurück, der Erdölpreis hat sich in drei Monaten halbiert, überhaupt stürzen Rohstoffpreise weltweit ab, der Welthandel schrumpft. All das sind Anzeichen für die Tiefe der Rezession. Auch bürgerliche Kommentare vergleichen die aktuelle Krise mit dem Erdbeben von Lissabon (1. November 1755), um die Epochenwende kenntlich zu machen. Man sieht das Erdbeben von Lissabon gemeinhin als Auftakt zur Französischen Revolution…
17) Deflation
Die ILO geht von einer Erhöhung der weltweiten Arbeitslosigkeit um 11 Prozent auf 210 Millionen im Jahr 2009 aus. Das gilt für den unwahrscheinlich Fall, dass die Krise nun »im Griff« ist. Die weltweiten Massenentlassungen sprechen eine andere Sprache (allein im Perlflussdelta könnten bis Ende des Jahres 2,5 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren)! Das heißt auf der anderen Seite, der Konsum wird massiv zurückgehen und eine deflationäre Entwicklung wird wahrscheinlich. Eine Deflation hat selbstverstärkende Wirkung: Fallende Preise drücken die Gewinnmargen. Dann werden noch mehr Leute entlassen, die Ausgaben für den Konsum gehen weiter zurück, die Gewinne der Unternehmer sinken weiter… Geldpolitisch lässt sich gegen Deflation wenig ausrichten – noch dazu, wo der Leitzins in den USA bereits bei 1 Prozent, in Japan bei 0,3 Prozent steht!
18) Der Reformismus ist unmöglich
Die Forderungen von Attac u.a., die Realwirtschaft zu retten und die Banken kaputt gehen zu lassen, ist nicht einlösbar, denn die Banken sind unverzichtbar für das Funktionieren des Kapitalismus. Dass die Banken die »Rettungsgelder« aber entweder horten oder zum Aufkauf kleinerer Banken verwenden - oder gar als Dividenden oder Bonuszahlungen ausschütten! –, zeigt das Dilemma: Wie kann man den Konsum ankurbeln und gleichzeitig das Einkommen neu an die Produktivität binden? Auch der Bush-Plan [13]Anfang des Jahres hat nicht funktioniert: die Leute haben das geschenkte Geld genommen, um ihre Schulden zurückzuzahlen oder um für die kommenden schlimmen Zeiten zu sparen – als Konjunkturprogramm hätte es nur gewirkt, wenn die Schecks gleich ausgegeben worden wären.
Viele Maßnahmen gegen die Krise (die massiven Zinssenkungen, das Zurverfügungstellen von billigen Krediten, Garantien jeder Art…) haben die Finanzkrise erst recht angeheizt – weil die Banken das Geld für hochriskante Spekulationen benutzt haben, mit denen sie aus ihren Verlusten rauskommen wollten. der Injektion von weiterem Geld werden die Probleme nicht behoben, sondern weiter angeheizt, solange das System nicht zugleich reguliert wird. Regulierungen, wie sie etwa Lafontaine in seiner Zeit als Finanzminister vorgeschlagen hat, funktionieren aber nur, wenn gleichzeitig die Arbeiterklasse verschärft ans Arbeiten gebracht würde (die andere Seite der Medaille: Lafontaine hatte als erster die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe vorgeschlagen, wie sie dann mit Hartz IV umgesetzt wurde). Ohne einen Kantersieg über die Arbeiterklasse verschärfen einzelne Rettungsversuche und Regulierungen lediglich die Spannungen zwischen konkurrierenden Einzelkapitalen und Fraktionen.
Was tun?
19) Kampf um die Köpfe
Dass von »Finanzkrise« geredet wird, dient als Legitimation, die Banken und Banker mit den Ersparnissen und Steuerzahlungen der ProletarierInnen zu retten. Dass »Spekulation« und »Gier« für die Krise verantwortlich gemacht werden, soll davon ablenken, dass es eine Krise des ganzen Systems ist. Bellofiore/Halevi [..] sprechen von der »Dreieinigkeit traumatisierten Arbeitern, verschuldeten Konsumenten und manisch-depressiven Sparern« und dass die Leute dazu gezwungen worden sind, »Akteure an den Finanzmärkten« zu werden. In der propagandistischen Bewältigung der Krise wird stattdessen drauf rumgehackt, dass die »kleinen Leute« auch »gierig« waren und ihr Geld z.B. bei isländischen Banken usw. angelegt haben (was zweifellos auch stimmt). Aber den meisten blieb durch den Abbau staatlicher Systeme (z.B. Renten) und angesichts von Zinsen unterhalb der Inflationsrate (typisch und substanziell für den »Neoliberalismus«) gar nichts anderes übrig.
Die »Gier der kleinen Leute« soll Sündenbock und gleichzeitig Legitimationsgrundlage für einen verschärften Arbeitszwang sein: Horst Köhler sagte in einem Spiegel-Interview: »Im Prinzip will jeder reich werden, und im Prinzip will jeder mit einem Minimum an persönlichem Aufwand reich werden. Man dachte, das geht am schnellsten mit Geldhandelsgeschäften, da muss man sich ja nicht die Griffel wund arbeiten. Diese Mentalität hat sich leider viel zu breit gemacht. Wenn wir ein neues Bewusstsein für den Wert des Geldes haben wollen, dann sollten wir ein neues Bewusstsein für den Wert der Arbeit entwickeln.«
Das ist die einsetzende Begleitmusik für die brutalen Sparprogramme, die auf uns zukommen. Im selben Interview sagte Köhler aber auch: »Gut möglich, dass nun ein Generalverdacht entsteht, dass alle, die ’da oben« sind, nicht an die ’da unten« oder ans Ganze denken.« - Das zeigt die Chancen! Die Krise ist eine Systemkrise, sie erfordert und ermöglicht fundamentale Klärungen. Die Antwort auf die Krise muss die Dinge beim Namen nennen: es gibt keinen Spielraum mehr für reformistische Projekte. Sobald sich die ArbeiterInnen – notgedrungen – mit den grundlegenden Funktionsweisen des Kapitalismus auseinandersetzen, den Dingen auf den Grund gehen, werden all diese Fragen wieder an Aktualität gewinnen.
20) Technisch gibt es bereits eine weltweite Arbeiterklasse.
Wir arbeiten in Produktionsketten zusammen, sind durch Computer und Internet vernetzt, elektronisches Geld rast um den Erdball (und macht z.B. die Milliarden von Überweisungen der ArbeitsmigrantInnen an ihre zurückgebliebenen Familien möglich…). Bisher waren die krassen Lohnunterschiede zwischen dem »globalen Süden« und den alten Metropolen ein wichtiges Spaltungsinstrument. Aber während die soziale Ungleichheit in den Ländern in den letzten Jahren zugenommen hat und sich in der Krise weiter verschärfen wird, haben die Unterschiede zwischen den Arbeitern im globalen Süden und denen im Norden abgenommen und werden zunehmend geringer.
21) Spaltungen…
Spalten die Krisenangriffe die Leute weiter auf oder wird eine politische Neuzusammensetzung in der Krise real? Die Form der Krise (»Finanzkrise«) verstärkt zunächst Klassenspaltungen (Leute mit Finanzanlagen gegen Leute ohne; Festangestellte gegen Leiharbeiter; Junge gegen Alte [z.B. in der Frage der Renten!]). Anderseits hat die Krise ihrer Wucht sicher auch das Zeug dazu, materiellen Spaltungen die Basis zu entziehen. Politisch liegen eigentlich alle Themen offen. Jeder/m dürfte klar sein, dass epochale Umbrüche anstehen.
22) Die Linke
Ein wenig Erleuchtung hat die Krise auch hier gebracht. Joachim Hirsch, der Vater der deutschen Postfordismus-Linken sagt jetzt: Der Begriff »Postfordismus« sei eine »Hilfsbezeichnung« gewesen. Das sei in der Krise nun deutlich geworden. Super, vorher hat diese »Hilfsbezeichnung« fast 30 Jahre lang den Linken die Hirne verseucht: keine Arbeiterklasse mehr, industrielle Produktion als Auslaufmodell usw. usf. - Aber insgesamt wirkt die Krise bisher auf die Linken leider eher verdummend: man macht sich Hoffnungen auf Keynesianismus und Staat; man eilt ans Krankenbett des Kapitalismus, nicht mit dem Dolch in der Hand, sondern um ihm Medizin zu bringen.
23) … oder politische Neuzusammensetzung der weltweiten Arbeiterklasse?
Für die jetzt lebenden Generationen war die Notwendigkeit und die Möglichkeit nie größer, Geschichte zu gestalten. Wir sollten nicht auf »Verelendungstheorien« setzen, es gibt wenig Belege in der Geschichte, dass die ArbeiterInnen besser kämpfen können, wenn sie im Elend stecken. Es gibt andererseits keinen Anlass zu denken, dass nichts passieren würde – die weltweiten Aufstandsbewegungen im Frühjahr 2008 waren nur ein Anfang. In China kam es in den letzten Wochen sehr schnell zu spontanen Kämpfen gegen die Entlassungswelle, usw. Die Frage ist eher: was entsteht da? und sind die Kämpfe der Dramatik der Weltkrise angemessen?
Die Kämpfe im globalen Süden haben die Kreuzzüge des Kapitals blockiert (Irak, Afghanistan, Lateinamerika, Asien – MigrantInnenkämpfe). Die aktuelle Krise bricht hingegen in den Metropolen aus und ist wirklich »Krise des Kapitals«, die Arbeiterklasse hat damit politisch nichts zu schaffen – nur als überschuldete Konsumenten, als tausend Mikrostrategien, wo jede/r sich geduckt und verschanzt hat, individuelle Auswege, wo der Opportunismus keine Grenzen kannte. Und wenn wir speziell die BRD betrachten, so sind auch die Kämpfe im Frühjahr kaum übergesprungen (in Spanien und Großbritannien z.B. gab es zumindest einige Lkw-Fahrerstreiks). Aber auch in der BRD gibt es seit etwa vier Jahren Kämpfe, Lernprozesse, Streiks gegen Betriebsschließungen, Mobilisierungen an Schulen und Unis. Allerdings liefen diese Bewegungen bisher alle getrennt – und stehen nun seit dem Sommer einem gewaltigen Bedrohungsszenario durch die Krise gegenüber. Einzelne Branchen trifft es besonders hart (Autoindustrie; Versicherung- und Bankangestellte; die »Lehmschichten«, denen bei Siemens der Kampf angesagt wurde…), aber wenn es tendenziell jeden treffen könnte, kriegt Solidarisierung eine materielle Grundlage. Die Krise schafft die Möglichkeit, dass bisher getrennte Entwicklungen zusammen kommen und den gegenseitigen Bezug der Kämpfe fördern.
Globale Krise – globaler Klassenkampf. Ist eine Neuzusammensetzung denkbar zwischen riots in den banlieues, gegen ihre Abwicklung streikenden Belegschaften, Schüler- und StudentInnenbewegungen, den Streiks im Meer der Proletarisierung (GDL), den Kämpfen in vordem »garantierten« Sektoren (Finanz- und Versicherungswesen), Initiativen gegen steigende Wasser- und Energiepreise, und – warum nicht? siehe Argentinien! - wütenden SparerInnen? Eine Neuzusammensetzung, die sich auch auf die Kämpfe der chinesischen ArbeiterInnen bezieht?
Was wir auf jeden Fall tun sollten, ist: Informationen über Kämpfe und Bewegungen auf der ganzen Welt sammeln und rumgehen lassen; herstellen; mitdiskutieren.
Militante Untersuchung statt »Übergangsprogramm«!
Kritik der Politik des Ausnahmezustands (Recht auf proletarische Gewalt) und Zentralität der Arbeit!
In der gesellschaftlichen Entwicklung, in der Krise und in den Kämpfen die Potenziale freilegen, die auf die Überwindung der Ausbeutung zielen!

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[1] Investmentbanken betreiben Vermögensverwaltung ihrer (reichen) Kunden, Handel mit Wertpapieren sowie Unterstützung von Unternehmen bei Kapitalaufnahmen (etwa Börsengänge). Das Geschäftsmodell »Investmentbank« ist durch die aktuelle Krise am Ende.
[2]Schweinezyklus ist ein Begriff aus der Agrarwissenschaft und bezeichnet eine periodische Schwankung auf der Angebotsseite. Bei hohen Preisen kommt es zu verstärkten Investitionen, die sich allerdings wegen der Aufzuchtzeit erst verzögert auf das Angebot auswirken und dann zu einem Überangebot und Preisverfall führen. Infolgedessen kommt es zur Reduzierung der Produktion, die sich ebenfalls erst zeitverzögert auswirkt und dann …
[3] Bei einem Hypothekendarlehen handelt es sich um ein durch ein Grundpfandrecht auf eine (oder mehrere) Immobilie(n) besichertes Darlehen. Als Grundpfandrechte kommen hierbei heutzutage weitgehend Buchgrundschulden zum Einsatz (über 90% aller neu vergebenen Darlehen).
Buchgrundschuld (im Grundbuch eingetragene Grundschuld) ist das dingliche Recht, aus einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht (beispielsweise einem Wohnungseigentum oder einem Erbbaurecht) die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu fordern. Die Grundschuld ist eine der wichtigsten Kreditsicherheiten.
[4] Als Subprime-Markt wird ein Teil des privaten (also nicht gewerblichen Zwecken dienenden) Hypothekendarlehenmarkts bezeichnet, der überwiegend aus Kreditnehmern mit geringer Bonität (»Kreditwürdigkeit«) besteht
[5]Derivate sind gegenseitige Verträge, deren Preisbildung auf einer marktabhängigen Bezugsgröße (Basiswert oder Underlying) basiert. Basiswerte können Wertpapiere (z.B. Aktien, Anleihen), marktbezogene Referenzgrößen (Zinssätze, Indices) oder andere Handelsgegenstände (Rohstoffe, Devisen) sein. Derivate können auch Basiswert von anderen Derivaten (2. Grades) sein. Grundsätzlich kommen als Basiswert oder Underlying Asset auch nicht-ökonomische Größen, wie etwa das Wetter in Frage.
[6]CDO - Collateralized Debt Obligation – »besichertes Darlehn auf Schuldscheine« (siehe ausführlicher in Bellofiore/Halevi)
[7]Dot.Com-Krise , der im März 2000 einsetzende Kurseinbruch von börsennotierten Unternehmen, deren Geschäftsmodelle primär auf Internet-Technologien beruhten (sog. Dot.Coms), von denen die Mehrzahl jedoch in der Praxis keine Gewinne machte. In der Folge entstand eine Finanzierungskrise auch bei nicht börsennotierten IT-Unternehmen, die in vielen Insolvenzen mündete. Die Dot.Com-Krise brachte die sog. Dot.Com-Blase zum »Platzen« und beendete neben den überzogenen Erwartungen an die »New Economy« auch den Aktienhype, von dem viele Kleinanleger gegen Ende des letzten Jahrtausends erfasst worden waren.
[8]Geldmenge M3
Die US-Zentralbank Fed definiert M3 als: alle US-Dollar-Bar-Bestände in Banknoten und Münzen, plus die laufenden $-Girokontenbestände plus alle $-Einlagenzertifikate (z. B. $-Staatsanleihen) und alle $-Geldmarkt-Kontenbestände unter $100.000, plus alle größeren Guthaben über $100.000 (u. a. die Eurodollar-Reserven, größere übertragbare $-Wertpapierbestände, und die Dollar-Devisenbestände der meisten nichteuropäischen Länder.
[9]bail out - Schuldenübernahme und Tilgung durch Dritte
[10]»Geierfonds« (vulture fund) - geschlossener Investmentfonds (Hedge-Fonds), der auf den Kauf von Wertpapieren anderer, bspw. zahlungsunfähiger oder fast bankrotter, Unternehmen spezialisiert ist, um aus dessen Überresten Einnahmen zu erzielen.
[11]Bretton Woods - »goldhinterlegte Leitwährung der Dollar« - nach Aufkündigung der Bindung des Dollars an die Goldreserven und der Goldeinlösepflicht durch die USA 1971 brach das Bretton-Woods-System 1973 durch die Aufkündigung der festen Wechselkurse endgültig zusammen.
[12] Beim Leerverkauf (auch »short selling«) werden Wertpapiere über die Börse verkauft, obwohl der Verkäufer zum Zeitpunkt des Verkaufs die Wertpapiere noch nicht besitzt. Mit dieser Strategie kann der Verkäufer mit überdurchschnittlichen Renditen von fallenden Börsenkursen profitieren. Im Gegensatz zu Optionsgeschäften mit festen Optionsterminen handelt es sich bei Leerverkäufen um sehr kurzfristige Geschäfte, da die Wertpapiere nach sehr relativ kurzen Fristen nachgeliefert werden müssen. Beispiel: Ein Leerverkäufer (»Shortseller«) verkauft über die Börse 1.000 Aktien der »Mustermann AG« zu einem Kurs von 100,- Euro. Liefern muss er die Wertpapiere aber erst drei Tage später. Sinkt der Kurs der Wertpapiere zwischen Verkauf und Liefertermin auf 90,- Euro, kann der Leerverkäufer 10.000,- Euro (vor Transaktionskosten und »Finanzierungskosten«) Gewinn erzielen.
[13]Bush-plan - …zwischen 140 und 150 Milliarden Dollar (zwischen 96 und 103 Milliarden Euro) wurden als »Steuercheks« an die amerikanischen Haushalte ausgegeben.



Quelle:
http://www.wildcat-www.de/aktuell/a064_thesen.html

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Nur mal so am Rande
Ich respektiere Jo@chims Wunsch, sein Blog nicht mit Auseinandersetzungen mit Dritten vollzumüllen, aber ein paar Anmerkungen habe ich zur Stimme aus dem Off dann doch.

Diese Zeugnisse sagen ja schon Einiges über ihn:
http://www.antibuerokratieteam.net/2008/10/12/van-ooyen-war-mit-sicherheit-kein-im/#comment-102419


Gleicher Autor, 2 mal O-Ton:

"About Me - Ich suche Hinweise auf Migrantenkriminalität, über die auf Grund Ziffer 12.1 Pressekodex nicht berichtet wurde. Wer Hinweise hat..."

"Und so wird unsere Kultur, unser “way of life” Schritt für Schritt unterwandert und mit unverschämten Forderungen ausgehöhlt. Willige Helfer finden sich in der Politik genug, denn es gibt reichlich hoch dotierte Posten zu verteilen.

Man kann nur hoffen, dass schon jemand eine Liste für “Nürnberg II” führt, damit auch ja keiner der Verräter davon kommt."

Nun ja, das ist wahrscheinlich ein festgefahrener alter Herr, der wohl nicht mehr so recht mitkriegt, was Sache ist, die Hochzeiten von Davids Medienkritik sind auch lange vorbei, aber ich würde nach dem, was ich da bisher gelesen habe Kewil für gemäßigter halten als diesen Herren.

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Dienstag, 4. November 2008
Wunderbarer Herbsthimmel
War das ein Schauspiel: Ein Schwarm Kraniche begegnet einer Zahl Wildgänse. Beide lösen ihre Formationen auf, umkreisen einander, dann geht es getrennt im Formationsflug, aber mit gleichem Kurs weiter, dazu Hunderte von Vogelrufen. Beeindruckend!



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Sag, wo die Milliarden sind, wo sind sie geblieben?
http://www.nytimes.com/2008/10/30/business/30aig.html?_r=2&pagewanted=1&oref=slogin

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Sonntag, 2. November 2008
Gute Vorsätze fürs nächste Jahr
Das hier habe ich gemacht

http://www.via-ferrata.de/lib/bild.php?path=/klettersteig/bilder/360/0_b_u.jpg

das auch

http://www.bergsteigen.at/de/touren.aspx?ID=1488

und das


http://www.bergsteigen.at/de/touren.aspx?ID=133

So langsam muss man sich steigern. Ich freu mich auf nächsten Sommer, habe aber noch kein bestimmtes Ziel. Vielleicht die Brenta oder den Stüdlgrat...


Oder den Geiger. Kein Witz, das ist keine Persiflage auf den Eiger, diesen Berg gibt´s.

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Freitag, 31. Oktober 2008
Das Lied zum Zug der Zeit: Finkeldeys Finanzballade
http://kritik-und-kunst.blog.de/2008/10/30/finanzballade-immer-schon-dagegen-4955558

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Dienstag, 28. Oktober 2008
Wintersport
Die Saison ist ja bald wieder da. Allerdings verstehen nicht alle unter Wintersport das Gleiche:

http://www.vertical-unlimited.com/picgalerie/eisklettern05/index.php#

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Sonntag, 26. Oktober 2008
Hier hat Balou einfach Recht
http://gebloggtewelten.de/2008/10/21/kein-unterschied/

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Das DDR-Grenzregime war nur ein Test
Denn die EU macht mit ihrer Abschirmung gegenüber Armutsflüchtlingen erst so richtig wahr, wovon Mielke nur träumen konnte: Schätzungen zufolge sind seit 1988 eine halbe Million Menschen bei ihrem Versuch, in die EU hineinzukommen getötet worden. Ralf Schröder schreibt hierzu in der aktuellen konkret: "Wenig Schlagzeilen machen angesichts der Normalität des Sterbens solche Vorfälle, wie sie im August des vergangenen Jahres die Besatzung des spanischen Luxus-Kreuzfahrtschiffes <<Jules Verne >> erlebte. Dessen Kapitän ließ die Motoren stoppen, als er in der Nähe von Malta ein Bootmit 25 Flüchtlingen aus Afrika entdeckte. Er rief die maltesische Küstenwache und blieb mit seinem Liner so lange in der Nähe des überfüllten Kahns, bis die Retter eintrafen. Kaum hatte danach das Kreuzfahrtschiff wieder Fahrt aufgenommen, wurde die Besatzung auf ein neues Drama aufmerksam: rund 30 Afrikaner, die mit Rettungswesten im Wasser trieben. Etwa die Hälfte war schon tot. 14 der Schiffbrüchigen, deren Fluchtboot auf dem Weg zur europäischen Küste unterging, konnten lebend gerettet werden....Afrikas Elend basiert darauf, dass 95 Prozent seiner Ressourcen vom westen zum Nulltarif geplündert werden. Afrikas Elend basiert nicht auf Vernachlässigung, sondern ganz im Gegenteil auf einem vitalen Verwertungsinteresse, das den Globus mittlerweile bis in seine letzten winkel und Rattenlöcher nach gewinnversprechenden Objekten absucht. Sieht man von Teilen des Erdöl- und Gasgeschäfts ab, dann entwickelt sich der Kontinent zu einem absolut rechtsfreien, politisch und sozial vollständig deregulierten Raum, dessen Regionen mit relativ bescheidenen Gewalt- und Geldmitteln für die Verwertung erswchlossen werden können. Vielfältige Bodenschätze, Sklaven, Exportplantagen, Kindersoldaten, Fischgründe, Lohnarbeiter, Tropenholz - Afrika verfügt durchaus über nennenswerte ökonomische oder ökonomisch nutzbare Potenziale. Die entscheidende Frage besteht eben nicht darin, ob diese im Gefüge des Weltmarktes eine respektable Größe abgeben. Interessant ist einzig und allein, ob sich vor Ort irgendein Geschäftsinteresse artikuliert, egal wie dreckig es ist. Gibt es bei dessen Realisierung Schwierigkeiten, ist ein <<Bürgerkrieg>> rasch organisiert, auch Militärputsche bieten sich an. Die Macht der meisten schwarzafrikanischen Staatsapparate ist mittlerweile dermaßen perforiert, dass große Teile des Kontinents von Söldnern, Privatarmeen und anderen <<Freiheitskämpfern>> oder <<Rebellen>> kontrolliert werden. ... "

Das afrikanische Elend wird von EU-Seite her ganz konkret mitorganisiert, wenn EU-Agrarprodukte mit konkurrenzlosen subventionierten Preisen den afrikanischen Markt überschwemmen und Bauern eigentlich nur noch die Wahl zwischen Auswanderung, Betteln, Söldner werden, Prostitution und Kriminalität lassen. Das gleiche gilt für die Fischgründe, die an europäische Fanggesellschaften verkauft oder verpachtet wurden und den einheimischen Fischern vier Möglichkeiten lassen: Schwarz fischen, Schmuggel, Piraterie oder den Transport von boat people. Selbst Solidarität mit Flüchtlingen, humanitäre Unterstützung wird in der EU zunehmend kriminalisiert, wie wir unter anderem am Beispiel Cap anamur sehen. "Funktionieren kann die Maschinerie des Todes dermaßen reibungslos, weil Europa nach wie vor ein Sumpf des Rassismus ist. Während sich ein größerer Teil der politisch interessierten Intelligenz dem Widerstand gegen die islamischen Kolonisatoren verschrieben hat und auf diesem Weg der zivilisatorischen Mission des Westens beigetreten ist, weiß der akademische und proletarische Mob traditionell und intuitiv, dass Schäuble, Berlusconi und
ihre Beamtenapparate auf dem richtigen Weg sind,"so Schröder.

Ergänzend hierzu:

http://www.fortresseurope.blogspot.com

http://de.youtube.com/watch?v=phYKrllis-U

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