Sonntag, 4. Januar 2009
Bodenoffensive in Gaza
Und ich muss sagen, dass ich konsterniert, gelähmt, verstört bin. Jede getötete Zivilperson ist eine zu viel, aber jenseits dieser humanistischen Stellungnahme weiß ich nicht, wo man sich positionieren sollte. Von Ta Ayush, der irsraelisch-palästinensischen linken Friedensinitiative ist seit Oktober nichts Neues mehr zu hören. Die zahlreichen lokalen Friedensdemos,die im Augenblick überall in Israel stattfinden werden in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, nur eine Gush-Shalom-Demo mit Uri Avnery war gestern mal im Fernsehen. Macht es Sinn, sich mit der israelischen Friedensbewegung zu solidarisieren, oder ist angesichts der mörderischen (und offensichtlich vordergründig putschistischen) Raketenkampagne der Hamas dieser Militärschlag wirklich notwendig?

Habe seit Langem bei keinem Ereignis im Nahen Osten keine so tiefe Ratlosigkeit mehr gespürt.

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Samstag, 3. Januar 2009
Randbemerkung zu einer lästigen Debatte
Ich habe hier vor einiger Zeit das Antibürokratieteam entlinkt. Eigentlich galt mein Link ja nur dem von mir sehr geschätzten Statler, nicht hingegen dem Blog selber, das ich im Großen und Ganzen uninteressant finde. Da Statler dort schon seit längerem nicht mehr bloggt war der Link eigentlich obsolet, schadete aber auch nicht.


Das änderte sich, als dort kürzlich eine Diskussion stattfand, die, nun sagen wir mal, sehr unglücklich verlief. Es lohnt sich nicht, das alles wieder aufzurollen, es zeigt mir nur, dass der Vorturner des A-Teams zu Selbstkritik offensichtlich ebenso unfähig ist, wie er es nicht lassen kann, das Mittel der Verleumdung zumindest parat zu halten, um Kritik nicht an sich herankommen zu lassen. Von daher will ich mit diesem Blog nichts mehr zu tun haben. Andere liberale Blogger sind hingegen herzlich eingeladen, hier weiter mitzudiskutieren, zumal unter den Aspekten, die ich hier in dem Eintrag "Paradigmenwechsel" ja bereits genannt habe.

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Sehr originell, Stephan Grigat
finde ich ja Deine Idee, Israel als "Den Juden unter den Staaten" zu bezeichnen. Da hast Du ja mal wieder messerscharf analysiert, vor allem, da in Israel ja tatsächlich auffällig viele Juden leben. Die ganze Tragweite dieser Erkenntnis wird erst klar, wenn man mal innehält und überlegt, was das für Konsequenzen nach sich zieht. Dann wäre Spanien ja der Spanier unter den Staaten und Renault der Franzose unter den Autos. Das wirft erkenntnistheoretisch nun allerdings alles um!

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Freitag, 2. Januar 2009
Unmelodische Radau-Musik
Weihnachtsgespräche bringen echt seltsame Erkenntnisse. Die Generation 80+ hat wirklich andere Maßstäbe. Mit obenstehendem Begriff meinte mein Vater nicht etwa Punk oder Metal, sondern Celine Dion.

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Was heißt denn hier eigentlich autonom?
Ich glaube, hier scheint seit langer Zeit ein Klärungsbedarf zu bestehen, dem ich an dieser Stelle einmal nachkommen möchte.

Lieschen Müller, Klein Bruno und Georg August von Volksmund verstehen unter Autonomen normalerweise die schwarzvermummte ehrenamtliche Auftragsvergabe der Glaserinnung. Auch im engeren Umfeld bekam ich mit meiner Selbstverortung als Alt-Autonomer schon Schwierigkeiten, etwa, wenn ein Freund meinte, er hätte Probleme mit meinem Verhältnis zur Gewalt, obwohl wir uns darüber so richtig grundsätzlich überhaupt noch nie unterhalten hatten, er also gar nicht wissen konnte, was genau für ein Verhältnis zu Gewalt ich eigentlich habe. Bis weit ins linksliberale Lager hinein, für die meisten Leute sind Autonome einfach gewaltbereite Linke. Das ist insofern auch folgerichtig, als dass die meisten Straftaten im Zusammenhang mit linken Demos etwas mit Autonomen zu tun haben, sowohl im Sinne tatsächlicher Täterschaft als auch im Sinne von Kriminalisiert Werden. Dennoch lassen sich autonome Inhalte und autonome Politik nicht auf die Militanz reduzieren, abgesehen davon, dass Militanz und Gewalt auch nicht miteinander identisch sind. Wenn ich von autonomer Politik, autonomem Selbstverständnis und autonomer Theorie spreche, meine ich etwas Anderes als Schwarze Blöcke und Antifagruppen, auch wenn es da inhaltliche und personelle Überschneidungen gibt. Autonom in dem Sinne, wie ich den Begriff verwende meint in erster Linie den Operaismus, eine Auffassung von Klassenkampf, die nicht an Parteien oder Gewerkschaften, sondern der ganz unmittelbaren subjektiven Alltagserfahrung ansetzt. Operaistische Theoriebildung verbindet marx´sche Analyse mit teilweise anarchistischen Ansätzen, poststrukturalistischen Positionen und solchen der Kritischen Theorie und ist darüber hinaus auch für den Diskurs der Geschichtswissenschaft von Bedeutung (Alltagsgeschichte, Geschichte von unten, Mikro- und Makrohistorie).

http://deu.anarchopedia.org/Operaismus

Projekte, die in diesem Sinne autonome Theorie betrieben haben oder betreiben sind die Schriftenreihen Autonomie Neue Folge. Materialien gegen die Fabrikgesellschaft, E.Colibri, Materialien für einen neuen Antiimperialismus, Wildcat und Wildcat-Zirkular. Nun haben sicherlich die Durchschnittsautonomen weder das politische Selbstverständnis, das in diesen Schriften zum ausdruck kommt, noch überhaupt diese jemals gelesen, sind also nicht gemeint, wenn ich die Begrifflichkeit in diesem engen Sinne fasse. Dafür waren wir hinsichtlich der Selbstbezeichnung Autonome aber sozusagen auch das Original, dass andere Linke mit anderen Inhalten diese Bezeichnung für sich in Anspruch nehmen schafft eher Verwirrung. In den 1990ern bürgerte sich daher für im engen Sinne des ursprünglichen Begriffs autonom orientierte der Begriff Sozialrevolutionäre oder kurz Sozrevs ein, der inzwischen auch schon wieder vergessen sein dürfte. Zum anderen verwende ich den Begriff autonome Szene in einem viel weiteren Sinne, da er ein lebensweltliches Millieu umfasst, zu dem eigentlich die ganze nicht partei- oder gewerkschaftsförmige Linke dazugehört, einschließlich eines Großteils der Fanszene des FC St.Pauli oder diverser Fanprojekte in Niedersachsen und Bremen. Die autonome Szene reicht dann in diesem Sinne von Gruppen wie der Gewaltfreien Aktion/Graswurzelrevolution, Basisinitiativen im Umfeld von Organisationen wie Robin Wood oder Pro Asyl bis zur Antifa. Was nun die konkrete politische Praxis angeht, so ist es denunziatorisch, diese über ein bestimmtes Verhältnis zur Gewalt zu definieren. Ich bin in den 1980er und 90er Jahren oft im Schwarzen Block mitgelaufen, wie ich auch schon zwischen diesem und der Staatsmacht "Keine Gewalt!" rufend auf dem Straßenbelag gesessen habe, habe in vielen Fällen Gewalt als Gegenwehr gegen prügelnde Polizeibeamte oder Neonazis erlebt, eher als eine Form vorher kalkulierter kollektiver Notwehr oder Nothilfe denn als eine eigentlich aggressive Gewalt, und etwa da verläuft für mich auch die Grenze des Legitimierbaren. Solche hirnrissigen Aktionen wie den Kreuzberger Ersten Mai oder die Steinwolke von Rostock halte ich jedebnfalls in keinster Weise für unterstützenswert, und auch die großen Antifa-Bündnisdemos, die unsereins früher so organisiert hat waren keine Veranstaltungen, von denen unmittelbar physisch Gewalt ausging, vom Aufbau einer Drohkulisse gegenüber den Nazis einmal abgesehen. Das, was wir politisch früher so getrieben haben (und von mir auf einer ganz anderen Ebene, eher in Form punktueller ganz legaler Interventionen bei Medien oder Behörden fortgesetzt wird) war zum großen Teil nichts Anderes, als das, was ai, die Caritas, die Diakonischen Werke, Greenpeace und die DGB-Jugend zusammengenommen auch machen, nur mit einem ganz anderen Selbstverständnis und der Bereitschaft, sich gegen Gewalt auch körperlich zur Wehr zu setzen. Eine grundsätzliche Sache spielt dabei allerdings schon eine Rolle: Das Unkontrollierbar sein wollen hinsichtlich staatlicher Repression. Ich habe es Anfang der 1980er erlebt, wie sich Teile der Friedensbewegung, von Pax Christi bis hin zu grünen PolitikerInnen wie Petra Kelly und Gert Bastian nicht zu schade waren, dazu aufzufordern, die Militanten zu isolieren und sie der Polizei auszuliefern. Ich war zum damaligen Zeitpunkt ein überzeugt gewaltfreier Ökopazifist, aber dieses Denunziantentum brachte mich ab vom Lager der ideologisch überzeugt Gewaltfreien und erstmals in Dialog mit Autonomen. Und die, die ich kennenlernte, waren keine hirnlosen Steineschmeißer und auch keineswegs alle persönlich gewaltbereit, sondern vertraten den Standpunkt, dass in Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht ein breites Spektrum an Möglichkeiten offen stehen sollte, oder wie Robert Jungk es später ausdrückte "Egal ob friedlich oder militant, Hauptsache Widerstand!". Ich habe diese Auffassung im Wesentlichen als libertären Pluralismus erlebt. Und daher sind von mir keine Aufrufe zu Gewalt zu erwarten, aber eben auch nicht öffentliche Distanzierungen, da ich diese Spaltungsteile aus grundsätzlichen Erwägungen nicht mitmache.

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Gewesene Linke: Antiimps zum Zweiten
Ich finde nicht, dass die beiden Bände "Feuer und Flamme" des unter dem Pseudonym Geronimo schreibenden Autors besonders gute Bücher zur Geschichte der Autonomen sind. Der Autor blendet sehr zentrale und wichtige Bereiche autonomer Debatten komplett aus, wie Sexismus, Genderdiskussion und Kurdistan-Solidarität, und die flapsige Art, wie er dies begründet, lässt gewisse Zweifel an der intellektuellen oder auch politischen Redlichkeit aufkommen. Ich fand ihn auch nicht sonderlich sympathisch, als ich ihn einmal kennenlernte. Dennoch, wo er Recht hat hat er Recht, und diese Passagen hier machen hoffentlich ganz deutlich, warum ich sooooo einen Hals bekomme, wenn mal wieder Linke 25< irgendwelche Feld-Wald-Wiesen-Antiimperialisten oder Globalisierungsgegner mit der Kurzform "Antiimps" bezeichnen oder gar mein Umfeld da einsortieren.

Besonders hervorheben möchte ich diese Passagen hier:

"Im Mai 1982 wurde erstmals wieder von der RAF, nach über einem halben Jahrzehnt eine längere programmatische Schrift unter dem Titel »Guerilla, Widerstand und antiimperialistische Front in Westeuropa« verfaßt. Der Inhalt des in einem grauenhaften Sprachduktus verfaßten Papiers proklamierte, im Sinne eines affirmativ auf die Politik und Rolle der Sowjetunion bezogenen »proletarischen Internationalismus«, eine gemeinsame »Front« mit Teilen der radikal in den Bewegungen kämpfenden Militanten, in der die in der Illegalität lebenden RAF-Kommandos, verstanden als »Guerilla«, die politische Führung ausüben sollten.
Dieses Front-Papier übte in den 80er Jahren einen starken Einfluß auf die Diskussionen der Antiimperialisten, kurz: Antiimps, aus. Unter Antiimps ist innerhalb der 80er-Jahre-Szene der Linksradikalen ein politische Formation zu verstehen, die sich in ihrer politischen Praxis wesentlich auf die von der RAF verfolgte Politik bezog. Die Antiimps begriffen sich, ähnlich wie viele Autonome, als Teil einer revolutionären Bewegung. Von den Antiimps wurde eine intensive Öffentlichkeits-, Unterstützungs- und Soliarbeit für die gefangenen RAF-GenossInnen organisiert. Darüber hinaus waren antiimperialistische Gruppierungen immer wieder bei Mobilisierungen von Autonomen präsent, so z.B. in den Vorbereitungen und Aktionen gegen den Reagan-Besuch in West-Berlin im Sommer '82, bei der Krefeld-Demo im Sommer '83 oder bei der Durchsetzung der Hafenstraße in der zweiten Hälfte der 80er Jahre.
Seit dem Front-Papier gab es bei den Antiimps auch verstärkte Bemühungen, mit autonomen Gruppen zu einer engeren Zusammenarbeit zu kommen. Auch wenn es bei der Unterstützung der Forderungen der RAF-Gefangenen in ihren Hungerstreiks um die Jahreswende 1984/85 zu gemeinsamen »Hungerstreikplena« kam, so waren doch die politischen Gegensätze zu dem Politikverständnis der Autonomen unüberbrückbar groß. Kurz nach der ergebnislosen Beendigung des Hungerstreiks, bei dem die RAF die Mobilisierung auch aufgrund der Erschießung zweier Rüstungsmanager in der BRD und Frankreich als einen »qualitativen Sprung der Guerilla in die westeuropäische Dimension« bewertet haben wollte, zerfielen dann auch die Plena.
Als ein RAF-Kommando im Sommer '85 zur Durchführung eines Sprengstoffanschlages auf die US-Air Base auf dem Frankfurter Flughafen einen beliebig herausgesuchten und untergeordneten GI-Soldaten hinrichtete, wurde diese Aktion von weiten Teilen der Autonomen heftig abgelehnt und als »konterrevolutionär« verurteilt. Antiimps aus Wiesbaden hingegen wußten diese Position von Autonomen mit der brillianten Entgegnung, daß es sich dabei um einen »bankrotten moralisch-bürgerlichen Humanismus« handele, den es zu überwinden gelte, zu denunzieren. Die Widersprüche der Autonomen zu der politischen Strategie und der Praxis der RAF sowie den Antiimps spitzten sich schließlich im Januar 1986 auf einem in Frankfurt mit 1.000 TeilnehmerInnen durchgeführten Kongreß unter dem Titel »Antiimperialistischer und Antikapitalistischer Widerstand in Westeuropa« in zum Teil handgreifliche Auseinandersetzungen zu....Von antiimperialistischen Zusammenhängen wurde irgendwann in der Mitte der 80er Jahre, angelehnt an das Mai-Papier, die Parole: »Front entsteht als kämpfende Bewegung ­ Einheit im Kampf um Zusammenlegung« entwickelt. Diese Parole versuchte, einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen einer antiimperialistischen Befreiungspolitik, den Widerstand in den Metropolen und der Situation der antiimperialistischen Gefangenen in den Knästen herzustellen. Bereits in der Zuspitzung von »Bewegung« auf die »Front« schimmerte immer auch ein militaristisch reduziertes Verständnis von Politik auf. In dem von den Antiimps gewählten statischen politischen Koordinatenkreuz, in der die Politik der Sowjetunion als Bündnispartner im Kampf gegen den Hauptfeind US-Imperialismus angesehen wurde, war dieses Verständnis auch mehr als folgerichtig. In diesem Kontext war es Antiimps gegenüber Autonomen mehr als einmal problemlos möglich, die mörderischen Haftbedingung von RAF-Gefangenen im Sinne des von ihnen vertretenen sowohl militaristischen als auch marxistisch-leninistischen Politikverständnisses zu instrumentalisieren....Trotz allem blieb das Verhältnis der Autonomen zur RAF in den 80er Jahren in einer widersprüchlichen Art und Weise von einer stark moralisch geprägten Zustimmung zu der Zusammenlegungsforderung der RAF-Gefangenen bis hin zu einer entschiedenen Ablehnung des gesamten RAF-Guerilla-Konzeptes gekennzeichnet."

http://www.idverlag.com/BuchTexte/FeuerUndFlamme/FF4.html

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Donnerstag, 1. Januar 2009
Happy New Year to all!
Fest steht, dass man fest stehen kann und keine Eiswetten mehr abhalten muss.



Ob allerdings das Eis nicht möglicherweise das einzig Tragfähige Anfang 2009 sein wird muss sich erst noch erweisen. Ob der Löwe aus dem Reich der Mitte weiterhin versuchen wird, die Welt in den Griff seiner Pranke zu bekommen oder ihm eine ebensolche Eiszeit droht wie Teilen der Finanzwirtschaft steht ebenso in den Sternen, wie unklar ist, wen die Wirtschaftskrise nun genau betrifft und wen nicht.



Für die Bewohner/Besitzer der topprenovierten, hochwärmegedämmten und mit Solartechnik und Wärmepumpen oder Blockheizanlagen ausgestatteten Bürgerhäuser am Fluss wird sich aber sicher wenig ändern. Bei den Happy Few ist die Krise nicht angekommen, und vielleicht wird sie es auch nie.










Was das Ganze für mich bedeutet ist noch völlig unklar. Anyway, Happy New Year to all!

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Mittwoch, 31. Dezember 2008
Die Strategie der Hamas
In der taz las ich ein Interview mit Prof.Nadschi Schurab aus Gaza, in dem dieser sagte, die Hamas habe Umfragen zufolge nur noch 25-30 Prozent der Palis hinter sich. Da Präsident Mahmud Abbas Neuwahlen anstrebt, hätte die Hamas den Krieg vom Zaun gebrochen, um diese zu verhindern und sich um ein paar Monate bis Jahre länger an der Macht zu halten. Wenn das wahr ist, sind das ja noch größere Bastarde als ohnehin schon angenommen.
Na, dann mal guten Putsch ins Neue Jahr, was macht eigentlich die DFLP?

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Von rumänischen und anderen Schuhen
Eines der verschiedenen Tischgesprächsthemen zu Weihnachten waren Schuhe, gewissermaßen der Weltschuh als Solcher. Als in Rumänien Ceaucescu noch so richtig fest im Sattel saß, wurden dort Schuhe hergestellt, die wirklich nur in Rumänien gefragt waren und über die man sich schon in der DDR schlappgelacht hätte. In gewisser Weise waren ja auch die Ossis sehr stylish. Die Beliebtheit westlicher Jeans auf dem Schwarzmarkt war schließlich Ausdruck eines Bedürfnisses nach Luxus und Weltniveau, wenn auch in bescheidener Form. Also, diese rumänischen Schuhe gab es in drei Formen: Als einen entfernt Chuck-ähnlichen Turnschuh aus Baumwolle, als Slipper aus Kunstleder und als ebenfalls kunstledernen Langschaftstiefel. All diese Schuhe hatten eine Sohle aus Weichschaum ohne Fußbett, wie Badelatschen. Diese war an den Oberschuh einfach angetackert, und das war´s. Anstelle einer Brandsohle hatten die Schaftstiefel noch eine Innensohle aus Pappkarton. Als Rumänien den Anschluss an den Westen fand, wurde die Gesamtproduktion dieser Billigschuhe, die in Rumänien kein Mensch mehr haben wollte nach Afrika verkauft. Und dort bedauern die Leute heute, dass es diese Schuhe nicht mehr gibt. Sie waren zwar nicht haltbar, aber doch so viel schicker als die Schuhe aus Eigenproduktion. In Tansania etwa sind Schuhe etwas, das man sich normalerweise nicht kauft, sondern selber anfertigt. Wie meine Nichte, die dort zweimal im Entwicklungsdienst gearbeitet hat zu berichten wusste, gibt es dort auch drei Arten von Schuhen. Einmal die Straßentreter: Man nimmt einen alten Autoreifen, maßt am eigenen Fuß ab und schneidet sich das Stück so zurecht, dass es unter die Sohle passt, das wird dann mit Riemen oder Bindfäden am Fuß befestigt, fertig ist die Sandale. Analog werden Treckingschuhe aus alten LKW-Reifen und Bergschuhe für den Kilimandscharo aus Landrover-Reifen hergestellt. Die Schuhe, die bei uns in der Altkleidersammlung landen gibt es dort in Secondhand-Märkten zu kaufen. Die haben da aber das soziale Prestige, das bei uns Borelli, Luigi di Mauro oder Wörishofen einnehmen.

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Montag, 29. Dezember 2008
Das Brautkleid meiner Mutter
Interessant war zu Weihnachten auch die Geschichte, wie meine Mutter zu ihrem Brautkleid kam: sie ließ sich eine spitzenbesetzte Tüllgardine umschneidern, weil sie kein Geld hatte, ein Kleid zu kaufen. Auf der Hochzeitsfeier wurden ihr "wunderschönes Spitzenkleid" sehr bewundert. das war noch eine Zeit, in der man für alkohol- und koffeinfreie Getränke kein Geld ausgab, sondern ihre Grundlage am Wegesrand pflückte: Pfefferminze, Hagebutten, Brennesseln, Löwenzahn, aus denen Tee bereitet wurde. Ich selbst kenne es noch aus meiner Kindheit, dass man Klebstoff nicht kaufte, sondern die schlechten Kartoffeln aus der Schütte zu Kleister verkochte, und Leim wurde aus solchem Kleister, Fettabfällen und Seifenresten hergestellt.

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Fundsache
Danke, Entdinglichung, für den Hinweis!


http://www.occupiedlondon.org/blog/2008/12/25/merry-crisis-and-a-happy-new-fear/

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Sonntag, 28. Dezember 2008
Hounds of war
Dass Israel den Kazam-Terror der Hamas mit einem Luftschlag beantworten würde war absehbar und wurde von einem Großteil der israelischen Bevölkerung gefordert. Was da aber jetzt losgeht überrascht mich doch. Das sieht ja nach einem Krieg aus, wie es ihn seid dem Libanon-Feldzug von 1982 nicht mehr gegeben hat. Und es ist auch nicht beruhigend, was sich da so gerade zwischen Indien und Pakistan entwickelt. Und was den Kongo angeht, wird mir auch ganz anders. Momentan sieht es danach aus, dass 2009 ein ziemlich übles Jahr werden wird.


http://www.news.de/politik/1216748699305/100-tonnen-sprengstoff-als-vergeltung.html


http://www.ots.at/presseaussendung.php?schluessel=OTS_20081228_OTS0022

http://www.n24.de/news/newsitem_4360224.html

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Donnerstag, 25. Dezember 2008
Weihnachten vor 90 Jahren
sang man
"Oh Tannebaum,
oh Tannebaum,
der Kaiser hat in´Sack gehaun.
Auguste muss Granaten drehn,
ihr Willi muss nach Holland gehn.
Oh Tannebaum,
oh Tannebaum,
der Kaiser hat in´Sack gehaun!".


Meine Oma hatte das noch life erlebt
und sang es auch in meiner Gegenwart,
und gestern griff Vater das auf.
Manche Traditionen halten sich lange;-)

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Abweichende Gedanken zu Weihnachten
Ist das Christentum, wie es sich zwischen den Tagen Pauls und dem Konzil von Nikäa entwickelte, nicht eigentlich nichts anderes als eine Synthese aus messianischem essenischen Reformjudentum, ägyptischer Gnosis und der hellenistischen Exegese der Lehren Buddhas?

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Mittwoch, 24. Dezember 2008
An alle, die jetzt noch online sind
Fröhliche Weihnachten, Hag shameh Chanukka!

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Dienstag, 23. Dezember 2008
Draußen steht keine Flak
Diese Familienzusammenkünfte haben ja immer sehr witzige Komponenten. Da kritisierte mein Vater die Tatsache, dass mein Neffe und ich täglich die Unterwäsche wechseln als dekadent, verweichlicht und unnütze Wäsche produzierend. Mein Neffe kommentierte das folgendermaßen: "Opa, hörst Du irgendwo eine Flak feuern? Der Krieg ist vorbei, man kann es sich leisten, stylish zu leben."


Der kommt ins Buch der coolen Leute.

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Sonntag, 21. Dezember 2008
Kleine Ökumene
Bei einem adventlichen Mittagessen unterhielt ich mich mit meinen Eltern über die Gemeinsamkeiten von Judentum, Christentum und Islam, darüber, dass für Moslems Jesus ein bedeutender Prophet ist und um die Frage, ob nicht auch Christen Mohammed als Propheten betrachten könnten, ohne zu Moslems zu werden. Die Drusen verbinden ja eine Mischung aus Judentum, Christentum und Islam zu einer eigenständigen Religion. Da meinte meine Mutter: "Es ist vor allem höchste Zeit, dass Weihnachtsmann und Osterhase als eigenständige Propheten oder Heilige anerkannt werden!".

Hmm, vielleicht erfinde ich mich als Sektengründer neu, das theologische Modell wurde mir ja gerade frei Haus geliefert.

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Paradigmenwechsel
In den letzten Jahren hat die Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus bzw. neoliberalen Positionen auf diesem Blog viel Zeit und Raum eingenommen. Dies wird sich künftig ändern, bedingt durch die veränderten Verhältnisse seit der Weltfinanzkrise. Denn diese Krise war vor allem auch eine Krise des Neoliberalismus. Wie immer man die Rettungsversuche, die von den westlichen Regierungen jetzt unternommen werden auch bewerten mag, sie sind mit Sicherheit nicht neoliberal, sie sind überhaupt nicht liberal. Es scheint so, dass sich die Politik derzeit auf eine Verbindung aus neokeynesianschen Maßnahmen und Aufrüstung im Bereich innere Sicherheit hin orientiert, und das bedeutet Staatsautoritarismus. Ereignisse wie die Unruhen in Griechenland und Island deuten außerdem darauf hin, dass soziale Aufstände auf die Tagesordnung der Geschichte zurückkehren, einschließlich einer gegen sie gerichteten militärischen Repression. In solch einer historischen Situation ist liberale Autoritätskritik mehr als angesagt.

- Zum anderen gibt es in der radikalen Linken einen Theioriestrang, der bestreitet, dass Dinge wie die Hartz-Gesetzgebung noch etwas mit Neoliberalismus zu tun haben. Für die Arranca!-Redaktion und für die Materialien für einen neuen Antiimperialismus steht die Verbindung aus neoliberalen Versatzstücken in der ideologischen Begründung von Sozialabbau- und Deregulierungsmaßnahmen ("Eigenverantwortung", "Fördern und fordern", "schlanker Staat") mit durch und durch antiliberalen obrigkeitsstaatlichen Zwangsmaßnahmen im Mittelpunkt. Für sie formiert sich gerade eine neue Form von Gouvernementalität, die in ihrer Disziplinierung der ökonomisch Schwachen und der zunehmenden Tendenz, diese zur Verinnerlichung ihnen zugemuteter Leistungsnormen zu zwingen ("Griff nach der Seele") zunehmend totalitären Charakter annimmt. In dieser Sichtweise war der Neoliberalismus eine frühe Phase des postfordistischen Umbaus der kapitalistischen Gesellschaften, die inzwischen abgeschlossen und überholt ist. In beiden Szenarien ist der Gegner der Staatsautoritarismus.

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Donnerstag, 18. Dezember 2008
Klarnamen
Es macht zwar wenig Spaß, immer wieder mit Blogauseinandersetzungen im Stil von Hinterhofkloppereien konfrontiert zu werden, aber dennoch: Es wäre schön, wenn das versuchte Outen andersdenkender Blogger und Ex-Blogger ein für alle Mal unterbliebe. "... der werfe den ersten Stein" und so weiter, es geht nicht darum, ob man selber Dreck am Stecken hat oder nicht, ein paar alte Scherereien sollten endlich mal eingestellt werden. Sie führen zu nichts.

Ende der Durchsage.

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Dienstag, 16. Dezember 2008
Noch einmal etwas zur Situation in Griechenland
Gefunden bei Monoma, und sehr wahr:

http://autismuskritik.twoday.net/stories/notiz-krisennews-und-gedanken-11

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Sonntag, 14. Dezember 2008
Tomahawk
Ich war kürzlich im Bergausstatterladen, eigentlich, um mir Schneeschuhe zu kaufen, die waren mir dort aber zu teuer, stattdessen kaufte ich mir eine Sicherungsschlinge, kann man ja immer gebrauchen. Also, jedenfalls hatte ich da einen dieser modernen kurzen Eispickel in der Hand, einen Tomahawk. Mein alter Pickel ist einen Meter lang, wiegt etwa ein Kilo und besteht aus Edelstahl mit einem Schaft aus Polyester. Das Ding, etwa halb so lang, wiegt eigentlich gar nichts und besteht aus Titan und Kohlefaser. Früher hackte man sich mit dem Pickel Stufen ins Eis und ging extrem langsam nach oben. Heute nimmt man in jede Hand einen Tomahawk, zackzackzack haut man sich hoch und knallt die Steigeisen stufenlos ins Eis. Wow!

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Buy the way, wie der Straßenhändler sagt
hier einige Anmerkungen aus dem nagelneuen Testament


http://dasnagelneuetestament.blogg.de/eintrag.php?id=17

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Die "Grüne Hölle" - eine Post-Doomsday-Apocalypse
Neue Forschungen haben ergeben, dass ein Großteil des amazonischen Regenwalds kein Urwald, sondern aus dem Brachliegen von Anbauflächen entstandener Sekundärwald ist. Vor dem Eintreffen von Kolumbus in der Neuen Welt war das Amazonasbecken eines der dicht besiedeltsten Gebiete der Welt überhaupt, mit einer mehrfach höheren Einwohnerdichte als das damalige Europa und einem Organisationsgrad in den Siedlungen, der von den mittelalterlichen Städten in keinster Weise erreicht wurde. Allerdings kann man sich das nicht wie europäische Städte und Anbaugebiete vorstellen, es war vielmehr eine Art Wohnwald: Dorfartige Siedlungen und Gartenstädte, die durch ein planvolles Netz von Zehntausenden Kanälen und Uferpfaden verbunden waren gingen gleichsam fließend in Anbaugebiete über, bei denen es sich um Palmen- und Obstbaumkulturen handelte, die von stehengelassenen Urwaldriesen abgeschirmt wurden. Es war eine vorbildliche Plenterwaldkultur, von der heutige Agrarökonomen viel lernen könnten. Während der eigentliche Regenwaldboden Amazoniens dünn und nährstoffarm ist (immergrüne Bäume, die keine Blätter abwerfen produzieren nunmal kaum Humus), finden sich hier in riesigen Arealen andere Böden: Die Tierra Negra, einen von den Einwohnern Amazoniens künstlich hergestellte Humuserde. Dem Waldboden wurden menschliche Exkremente, Küchenabfälle, Herdasche und eigens zu diesem Zwecdk hergestellte Holzkohle beigemengt. Wie Kohletabletten Im Darm Giftstoffe binden, so hielt die Holzkohle Nährstoffe im Boden fest. Einige Spanier, wie Carajal, hatten von riesigen Städten im Wald berichtet, aber als die Expeditionen der Conquistadores dort eintrafen fanden sie nichts vor - außer vereinzelten Gruppen von Indios, die sie oft mit ungeheurer Feindseligkeit angriffen. Sie begriffen nicht, was geschehen war, nahmen die verwilderten Plantagen auch nicht als Anbauflächen, sondern als Dschungel wahr. Mit den ersten Europäern waren der Schnupfen, die Grippe und die Pocken nach Südamerika gekommen, Krankheiten, gegen die die Waldbewohner keine Abwehrkräfte hatten und die in 3-5 Jahren 90& der Bevölkerung vernichteten. Der Schwarze Tod war eine Kinderkrankheit dagegen. Die Jäger und Sammler des Urwalds sind keine ursprünglichen Wildbeuter, sondern die letzten Überlebenden einer hohen Zivilisation.

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