den Sexisten" bzw "oute den Vergewaltiger" so weit getrieben, dass jemand als Vergewaltiger bezeichnet wurde, der in seinem Leben noch keinen Geschlechtsverkehr gehabt hatte, aufgrund der inflationären Überdehnung der Definitionsmacht des Opfers (um Mistverständnisse auszuschließen: Ich bin Befürworter dieser Definitionsmacht, aber eben nicht unbegrenzt). Es wurden Auseinandersetzungen um Probenräume für Bands in einem Jugendzentrum über instrumentell gebrauchte Sexismusvorwürfe geführt, weil diese die unfehlbare ultima ratio in der Auseinandersetzung darstellten - so ähnlich wie viele Jahre später "Wer zuerst Auschwitz sagt hat gewonnen." Auf traditionell proletarischem Klassenbewusstsein fußend, aber dieses bis zum völligen Realitätsverlust übertreibend war das szenetypische Verhältnis zu Statussymbolen, Jobs und der Normalgesellschaft. Da wurde ich angefeindet, weil ich mir als Aktenkoffer einen silbernen Alukoffer - eigentlich Werkzeugkoffer für Handwerker - zugelegt hatte, der sehr weit von den szeneüblichen Fjell-Räven- und Tatonka-Rucksäcken abwich und das als Bekenntnis zum Yuppietum gewertet wurde. Porsches wurden angezündet oder zumindest zerkratzt, weil das Bonzenautos wären, die nur der Klassenfeind fährt. Inzwischen kenne ich einige PorschefahrerInnen, und das sind Handwerksmeister, Gastwirte und eine Hure - Leute, die vom Habitus und Lebensgefühl näher an der ArbeiterInnenschaft dran sind als akademische Linksintellektuelle. Es ereignete sich, dass wir an einer Kundgebung gegen Abschiebungen teilnahmen, und im Anschluss daran lud uns eine sozialdemokratische Landtagsabgeordnete zum Kaffee ins Mövenpick ein. Der Fussel (ich nenne den so wegen seines Äußeren) lehnte das massiv ab, mit Promis wolle er nichts zu tun haben, und das Mövenpick sei ein Bonzenladen, den er boykottiere. Er wartete also eine dreiviertel Stunde draußen bei minus 10 Grad, weil er ja ein konsequenter Linksradikaler war. Deshalb bekam er dann auch den Job als Öffentlichkeitsreferent einer Menschenrechtsorganisation nicht, den stattdessen ich bekam.
Mit diesem Job war es so eine Sache: Das war eine auf ein Jahr befristete BSHG19-Stelle (ABM-Maßnahme nur für bisherige SozialhilfeempfängerInnen) mit etwa einem Grundschullehrergehalt. Sobald ich die angetreten hatte fragte mich ein Mitbewohner, ob ich bereit sei, das Differenzeinkommen zu meiner bisherigen Sozi auf meine WG zu verteilen, wir seien ja alle für gesellschaftliche Umverteilung, und ich erwiderte, nein, dazu sei ich nicht bereit. Daraufhin musste ich mir dann regelmäßig die beleidigend gemeinte Titulierung "Karrierist" gefallen lassen. In der Folge entstanden Gerüchte, ich hätte mich auf dieser Stelle bereichert und für mehrere Jahre Rückstellungen gebildet. Der Bonze begann bei der ABM-Kraft.
Ein früherer Genosse hatte sich regelmäßig in Gremien wählen lassen, im denen er an den Finanztöpfen saß, und dann Geld unterschlagen. Da Linke nicht mit der Staatsmacht zusammenarbeiten ging das für ihn straffrei ab. Irgendwann räumte er das Haushaltskonto seiner WG leer und verschwand damit nach unbekannt. Als ich das in einem Plenum thematisierte wurde mir geantwortet, es gäbe da noch einen viel Schlimmeren, der hatte erst in einem ultraradikalen UZusammenhang, der RAF-Hungerstreikgruppe gearbeitet, dann als Model, dann hatte der eine Tempo-like Hochglanzstadtzeitung gegründet und sei jetzt Redakteur bei RTL. Die eigenen Genossen beklauen wurde als weniger schlimm angesehen als Karriere im System zu machen, schließlich gehörten ja auch die Kriminellen irgendwie noch zu uns. Aha. Als ich nach der Promotion nicht etwa eine Stelle im Wissenschaftsbetrieb bekam, sondern Sozialhilfe, bildete ich mich zum Webdesigner weiter und bekam eine Stelle bei einer Softwarefirma. Dafür wurde ich dann brieflich des Verrats an der guten Sache bezichtigt. Wer links ist hat im Öffentlichen Dienst, als Freier Journalist, Alternativunternehmer zu arbeiten oder politisch korrekt Sozi zu beziehen. Das war so der Stand von 1984 bis 2002. Bei den Irrsinnsdiskussionen von heute habe ich den Eindruck, dass die sich aus gutem Grunde - niemand stellt mehr die eigene materielle Reproduktion ins Prüffeld - von solch unmittelbar lebensweltlichen Fragestellungen weit entfernt haben und sich eher auf der Ebene scholastischer Moraltheologie bewegen. Der Wahnsinn ist etwa der gleiche, aber ich habe den Eindruck, noch viel weiter von realen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen entfernt als wir damals. Es geht eher um die Reinhaltung des eigenen Seelchens. Ich schreibe dies nicht aus einer Fleischhauer-Perspektive, sondern aus dem Bedauern heraus, dass die linksradikale Szene, das einzige gesellschaftliche Millieu in diesem Lande das progressive Inhalte in der Theorie vertritt, sich selbst komplett blockiert und für die meisten Leute, die reales Interesse an Veränderung haben komplett unbetretbar macht.
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eingerichtet. Die alten Möbel würde die Klinik gerne spenden. Die Matratzen
werden nicht verschenkt, nur die Betten etc. Abgabe der Möbel einzeln oder alles
zusammen ab Mitte Februar. Die Klinikleitung würde den LKW bezahlen und fahren.
Es würden Helfer zum Tragen benötigt. Vielleicht kennen Sie ja ein
Flüchtlingsheim, das Feldbetten gerne gegen richtige Betten austauschen würde,
oder auch Bedarf hat an Schränken, etc. Transport wird übernommen.
http://www.ebay-kleinanzeigen.de/s-anzeige/bett-90x100,-tisch,-schrank,-nachtschrank,-regal,-schreibtisch/417566323-81-9478
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http://netbitch1.twoday.net/stories/102254354
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Für Montag hat BRAGIDA u.a. Michael Viehmann aus dem bundesweiten
Führungskreis von PEGIDA als Redner angekündigt. Viehmann steht derzeit
wegen des Vorwurfs der "Volksverhetzung" vor Gericht, weil er in einem
Facebook-Post von "Judenpack" gesprochen haben soll und davon, dass dem
„deutschen Politpack“ der Schädel eingeschlagen gehöre.
Nachdem in den letzten Monaten nur noch jeweils 25-50 Teilnehmer zu den
BRAGIDA-Versammlungen gekommen waren, hofft man für kommenden Montag
wieder auf Unterstützung aus anderen Städten. So rufen - neben anderen
PEGIDA-Ablegern - auch PEGIDA in Hannover und Magdeburg dazu auf, am
Montag nach Braunschweig zu kommen.
*Das Bündnis gegen Rechts ruft deshalb zu einer Protestkundgebung auf!
Machen wir erneut gemeinsam deutlich, dass hier kein Platz ist für
rechte Hetzredner!*
Die Versammung einschließlich dem Gebrauch von Trillerfpeifen, Trommeln
und Taschenlampen wurde bei der Versammlungsbehörde angezeigt.
--
Bündnis gegen Rechts
c/o Carl-von-Ossietzky-Zentrum
Leopoldstr. 23 * 38100 Braunschweig
www.buendnisgegenrechts.net
facebook.com/bgr.braunschweig
twitter.com/gegenrechtsBS
Spendenkonto: Sonderkonto Volkmann * Konto Nr. 150567964 * NORD LB * BLZ 25050000 * IBAN DE75 2505 0000 0150 5679 64
Wir engagieren uns gegen Rassismus und Aufmärsche von Neonazis.
Wir treten ein für eine bunte, tolerante, antifaschistische und antirassistische Stadt!
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Abschiebung Wenn die deutschen Behörden einen Flüchtling nicht
loswerden, lassen sie eben dessen Staatsangehörigkeit ändern.
Afrikanische Botschaften werden für ihre Mithilfe bezahlt
Der Pass wird passend gemacht
Im Oktober 2012 besetzten aufgebrachte Geflüchtete die nigerianische
Botschaft
Joseph Koroma versteht bis heute nicht, warum er nach Nigeria
abgeschoben wurde – einem Land, in das er nie zuvor einen Fuß gesetzt
hatte. Als er 2006 nach Deutschland floh, stellte er einen Asylantrag
und erzählte seine Fluchtgeschichte: Er sei in Sierra Leone verfolgt
worden, von Anhängern des Poro-Geheimbundes, der in Westafrika ganze
Landstriche kontrolliert. Sie töteten seinen Vater und drohten ihn
ebenfalls zu ermorden, falls er dem Bund nicht beitrete.
Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag
ab. Unter anderem bezweifelten die Beamten, ob Koroma wirklich aus
Sierra Leone komme. Er stellte einen Folgeantrag und legte neue Belege
seiner Verfolgung vor, unter anderem einen aktuellen Zeitungsartikel,
der seinen Fall aufgriff. Doch auch der Folgeantrag wurde abgelehnt,
Koroma klagte – und verlor. Nach Ansicht des zuständigen Gerichts könne
man in Sierra Leone problemlos Zeitungsartikel lancieren.
Nun war er ausreisepflichtig, aber ohne Pass. Also wurde sein Aufenthalt
von den deutschen Behörden viele Jahre geduldet – bis seine Identität
definitiv geklärt sein würde. Im Jahr 2012 änderten Angehörige der
Botschaft Nigerias seinen Geburtsort in den nigerianischen Bundesstaat
Ogun – zunächst ohne Koromas Wissen. Ein Jahr später klopften Polizisten
an seine Zimmertür. Er solle rasch ein paar Sachen packen, sagten die
Beamten, sie würden ihn mitnehmen. Seine Maschine nach Nigeria fliege in
wenigen Stunden. Koroma war fassungslos.
Viele Flüchtlinge haben keine Papiere, wenn sie in Deutschland ankommen.
Entweder weil sie nie welche besaßen – Pässe werden in vielen Ländern
Afrikas nur auf Anfrage ausgestellt. Oder weil sie ihren Ausweis vorher
wegwerfen, aus Angst, schneller abgeschoben zu werden.
Für die Geflüchteten bedeutet das, dass sie im rechtlichen Nirgendwo
existieren. „Vogelfrei“ nannte Hannah Arendt diese Heimatlosen, weil sie
offiziell zu keinem Staat gehören und daher nur eingeschränkte
Bürgerrechte genießen. Für die deutschen Behörden hingegen sind diese
Personen vor allem ein Problem, denn in manche Länder sind keine
Abschiebungen möglich – weil dort Gefahr für Leib und Leben droht oder
weil das Land keine Pässe ausstellt. Ungeklärte Staatsangehörigkeit ist
das häufigste Abschiebehindernis. Deswegen hat sich die
Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Rückführung“, eine Art Thinktank für
innovative Abschiebepraktiken, vor einigen Jahren eine Methode einfallen
lassen, die Abschiebungen auch ohne gesichertes Wissen über die Herkunft
der Flüchtlinge ermöglicht: Massenanhörungen durch Botschaftsangehörige
vermuteter Heimatstaaten.
Dubiose Verhöre
Die Bundespolizei und die Ausländerbehörden lassen seit Jahren Beamte
aus afrikanischen Staaten einfliegen, die in den oft nur wenige Minuten
dauernden Gesprächen mit den Betroffenen entscheiden, ob es sich um
einen Bürger ihres Staates handelt. Wenn sie das glauben, stellen sie
einen Passersatz aus, das „Emergency Travel Certificate“. Wenn nicht,
geht die Identitätssuche weiter. Die Flüchtlinge müssen sich an den
Befragungen beteiligen. Asylbewerber sind in Deutschland gesetzlich
verpflichtet, „an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken“.
Die aktuellsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2014. Damals fanden nach
Auskunft der Bundespolizei 50 Massenanhörungen mit Vertretern 18
afrikanischer Staaten statt. Insgesamt wurden 720 Flüchtlinge befragt,
also im Durchschnitt mehr als zehn pro Termin. Dazu kommt eine
unbekannte Zahl von Anhörungen, die die Bundesländer organisieren. Die
„Erfolgsquoten“ variieren: Bei Anhörungen durch nigerianische
Delegationen wurde etwa die Hälfte der Vorgeführten zu Staatsbürgern
erklärt, bei der Botschaft Benins sind es drei von vier Geflüchteten.
Das Verfahren ist alles andere als seriös. Von den Sammelverhören dringt
nur wenig nach außen. Oft finden sie an schwer zugänglichen Orten statt,
beispielsweise auf dem Münchner Flughafengelände. Weder Anwälte noch
Dolmetscher dürfen die Betroffenen begleiten. Bevor die Vorgeladenen zur
Delegation gelassen werden, werden sie durchsucht und ihre Sachen
beschlagnahmt. Drei bis fünf Minuten dauern die Anhörungen in der Regel,
Gesprächsprotokolle gibt es nicht. Ausländische Beamte, deren einzige
Qualifikation darin besteht, im Dienst ihrer Regierung zu stehen, werden
ad hoc zu Staatsangehörigkeits-Experten, die jemandes Identität via
Sichtkontakt und Kurzinterview ermitteln sollen. Viele Flüchtlinge
verlassen das Verhörzimmer und wissen nicht einmal, was gerade passiert ist.
Der Rechtsanwalt Michael Wanke-Lasom kennt solche Fälle gut. Er vertrat
Koroma bis zu seiner Abschiebung und spricht von „reiner
Behördenwillkür“. Aufschluss über die Staatsangehörigkeit könnten nur
eine Geburtsurkunde oder vergleichbare amtliche Dokumente geben, aber
„in keinem Fall ein bloßes Gespräch“. Auch die Rechtsanwältin Vera
Kohlmeyer-Kaiser vertritt diese Einschätzung: Sie spricht von „erdachten
Wahrscheinlichkeiten“, die so nah wie möglich an die Wahrheit
heranreichen sollen, um der Öffentlichkeit das Bild eines seriösen
Verfahrens zu vermitteln.
Zu den Leidtragenden dieser Praxis gehört Koroma, den die
Ausländerbehörde partout zum Nigerianer machen wollte. Dabei hatte zuvor
die Sprachanalyse des Bundesamtes noch bestätigt, dass seine Identität
als Sierra Leoner durchaus wahrscheinlich ist. Trotzdem schickte ihn die
Ausländerbehörde zu einer Sammelanhörung der diplomatischen Vertretung
Nigerias, um seine Identität feststellen zu lassen. „Sie fragten mich
landesspezifische Dinge über Nigeria“, erinnert er sich. „Ich sagte
ihnen nur, dass ich nicht weiß, was sie von mir wollen, weil ich nicht
aus Nigeria bin.“ Koroma verteidigte vehement seine sierraleonische
Herkunft. Nach wenigen Minuten wurde er aus dem Raum geschickt.
Drei Monate später soll er noch einmal vor einer nigerianischen
Delegation erscheinen. Koroma weigerte sich dort erneut, sich als
Nigerianer auszugeben. Was Koroma zu diesem Zeitpunkt nicht wusste:
Seine neue Identität stand für die Behörden bereits nach der ersten
Anhörung fest. In seinem Passersatzpapier steht später, dass er sich
selbst als Nigerianer bezeichnet habe.
Auch Yusupha Jarboh aus Gambia geriet unter die Räder der
deutsch-nigerianischen Abschiebekooperation: Er wurde 2013 von
nigerianischen Beamten als Nigerianer eingestuft und abgeschoben, nach
19 Jahren in Deutschland. Der Grund war offenbar, dass in seinem Handy,
das Polizisten vor dem Verhör beschlagnahmten, eine nigerianische Nummer
gefunden wurde.
Mehrere deutsche Gerichte haben das Gebaren der Abschiebebehörden im
Rahmen der Passersatzbeschaffung bereits bemängelt, bis zur höchsten
Instanz hat sich aber noch niemand geklagt. Das Verwaltungsgericht
Lüneburg urteilte im Jahr 2008, dass die Praxis „erheblichen
rechtsstaatlichen Zweifeln unterliegt“ und „nicht im Ansatz geeignet
sei, eine Staatsangehörigkeit festzulegen“. Das Verwaltungsgericht
Bremen kam 2010 zu dem Schluss, dass „eine Staatsangehörigkeit sich
nicht anhand von Kopfform und Sprache feststellen“ ließe und stoppte die
Vorladung eines Flüchtlings vor sierraleonische Vertreter.
Finanzielle Interessen
Das Lüneburger Gericht kritisierte, dass eine Delegation die Kopfform
von Flüchtlingen inspiziert hatte, um ihre Herkunft zu ermitteln. Das
geschah auch Koroma, dem der Delegationsleiter bei der ersten Anhörung
bescheinigte, er sehe aus wie jemand aus dem nigerianischen Bundesstaat
Ogun, woraufhin er seinen Geburtsort änderte. Bundespolizisten saßen
daneben und schwiegen.
Offiziell äußert sich die Bundespolizei nicht zu diesem Fall. Die Praxis
der Botschaftsanhörungen aber verteidigt sie wortreich. Es sei keine
Seltenheit, dass ausreisepflichtige Ausländer widersprüchliche Angaben
zu ihrer Identität machten, um ihre Identität zu verschleiern, sagt ihr
Sprecher. Daher sei die Mithilfe mutmaßlicher und tatsächlicher
Herkunftsstaaten nötig. Auch die Bundesregierung will an der Praxis
festhalten. Sie erklärte schon 2011 in einer Antwort auf eine Kleine
Anfrage der Linksfraktion, dass die Anhörungen „oftmals die einzige
Möglichkeit darstellen, die Nationalität der Ausreisepflichtigen
festzustellen“.
Doch das Verfahren ist nicht nur fehleranfällig. Es gibt auch
Interessenkonflikte. Die Botschaftsangehörigen bekommen nämlich Geld,
wenn sie eine Abschiebung ermöglichen. Für Deutschland kommt das
günstiger als die monatelange Duldung der Flüchtlinge.
Die Zusammenarbeit mit der nigerianischen Botschaft gestaltete sich
lange Zeit schwierig, bis den Mitarbeitern eine Kostenerstattung für die
Anhörungen versprochen wurde: 250 Euro pro Vorladung, weitere 250 Euro
für eine Identifizierung inklusive Ausstellung des Reisepapiers. Benins
Angestellte erhalten jeweils 300 Euro. Die unterschiedliche Höhe wird
offiziell damit begründet, dass es sich um Gebühren der jeweiligen
Botschaft handele und Deutschland darauf keinen Einfluss habe.
2011 stoppte das Verwaltungsgericht Magdeburg die Abschiebung eines
Flüchtlings, weil es Hinweise gebe, dass die sierraleonischen Vertreter
„gegen Bezahlung tätig werden und möglicherweise
Gefälligkeitsbescheinigungen ausstellen“. Auch andere Gerichte schlossen
sich solchen Zweifeln an. Aber kaum eine Abschiebung wurde deswegen
gestoppt.
Für nigerianische Beamte werden inzwischen keine Abschiebeprämien mehr
gezahlt. Die Linkspolitikerin Ulla Jelpke erklärt sich das damit, dass
versucht werde, ein wenig „den Ruch des Korrupten loszuwerden.“ Zudem
stieg der öffentliche Druck auf die nigerianische Botschaft: Die
Flüchtlingsorganisation The Voice organisiert seit Jahren Proteste gegen
die beschleunigten Abschiebeverfahren. Im Jahr 2012 besetzte eine Gruppe
sogar die nigerianische Botschaft.
Trotzdem gibt es noch die Abschiebekooperation. Rex Osa von The Voice
sieht einen beiderseitigen Vorteil: Die deutschen Behörden seien
„verzweifelt, weil sie nicht wissen, was sie mit den Flüchtlingen machen
sollen“. Die nigerianische Seite erhoffe sich eine engere Partnerschaft
mit der stärksten Volkswirtschaft Europas. Die Botschaft funktioniere
mittlerweile wie eine Art Schleuse zwischen der Bundesrepublik und dem
afrikanischen Kontinent, durch die schwarzafrikanische Flüchtlinge im
Schnellverfahren hinausbefördert werden, sagt Osa.
Abseits der zweifelhaften Verfahren der Identitätsfeststellung stellt
sich die Frage, ob es vertretbar ist, ausgerechnet Nigeria zu einem der
wichtigsten Abschiebungsziele Afrikas zu machen. Im Jahr 2012 wurde eine
Absichtserklärung zwischen Deutschland und Nigeria unterzeichnet, welche
den Ablauf der Anhörungen festlegt und den gemeinsamen Willen zur
Zusammenarbeit bekräftigt. Auch Frontex lobt die enge Kooperation mit
Nigeria, es gibt ein Arbeitsvertrag gegen „illegale Migration“.
Dabei ist die Lage in dem afrikanischen Land instabil. Seit Ende 2010
verübt die islamistische Miliz Boko Haram regelmäßig Anschläge auf die
Bevölkerung. Auch den staatlichen Sicherheitskräften werden schwere
Menschenrechtsverletzungen wie Tötungen, brutale Misshandlungen und
Folter vorgeworfen. Die Botschaft der Republik Nigeria möchte auch auf
wiederholte Anfrage keine Stellung beziehen.
Koroma hat Nigeria mittlerweile verlassen und ist zurück nach Sierra
Leone gegangen. Als er 2013 in ein fremdes Land abgeschoben wurde, ohne
Geld, wollte er schnellstmöglich weg. Freunde, ebenfalls Flüchtlinge,
sammelten von Deutschland aus Spenden, damit er sich ein Flugticket in
sein Heimatland besorgen konnte. Am Telefon berichtet Koroma heute von
seiner schwierigen Lage. Er lebe unter ständiger Angst. Sein
Rechtsanwalt hat alles versucht, ihn nach Deutschland zurückzuholen –
ohne Erfolg. Die Akte ist geschlossen.
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mit der Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld und MdB Pia Zimmermann
Bis vor wenigen Jahren war Syrien ein aufstrebendes, heute ist es ein verbranntes Land. Millionen Menschen haben alles verloren, die Gesellschaft ist tief gespalten. Der von außen angeheizte Krieg, die politische Isolierung und die Sanktionen von USA und EU haben ebenso die aufblühende Ökonomie zerstört wie die syrische Reformbewegung. Nicht besser sieht es im Irak aus. Gesellschaftlich zerrüttet, konfessionell zerrissen, wirtschaftlich am Boden, von Terrorismus überzogen, so lautet das Ergebnis der US-geführten Militärintervention und Besatzungspolitik. Nichtstaatliche Akteure wie der »Islamische Staat« und andere Kampfverbände bestimmen hier wie in Syrien das Geschehen. Der Krieg mit seiner Flüchtlingskatastrophe destabilisiert aber auch zunehmend die Nachbarländer.
Im Gespräch mit der Journalistin, Autorin und langjährigen Kennerin des nahen Ostens Karin Leukefeld möchte Pia Zimmermann klären, wie und warum die Region des »Fruchtbaren Halbmondes« - die Wiege der Zivilisation - in Flammen aufgeht, welche Auswirkungen dies auf die betroffenen Staaten und ihre Gesellschaften hat und welche Perspektiven sich abzeichnen.
Alle Interessierten Bürgerinnen und Bürger sind herzlich eingeladen, an der Diskussion teilzunehmen.
Eintritt frei!
Mittwoch, 10. Februar um 18 Uhr
Bürgerbüro DIE LINKE
Laagbergstraße 55
Wolfsburg
www.pia-zimmermann.de
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https://www.youtube.com/watch?v=AGOx0ZpMrrU&list=RDAGOx0ZpMrrU#t=11
ttps://www.youtube.com/watch?v=fCP2-Bfhy04&list=RDAGOx0ZpMrrU&index=2
https://www.youtube.com/watch?v=CBk-iRihSUg&index=6&list=RDAGOx0ZpMrrU
https://www.youtube.com/watch?v=CBk-iRihSUg&index=6&list=RDAGOx0ZpMrrU
https://www.youtube.com/watch?v=o_cHvtPB2dY&list=RDAGOx0ZpMrrU&index=10
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Lesebefehl!
https://bersarin.wordpress.com/2016/01/16/von-den-buechern/
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https://kritikundkunst.wordpress.com/2015/12/29/pro-linkem-hedonismus/#comment-19394
möchte ich darauf hinweisen, welche Dimension das Erstellen von Bewegungsbildern heute hat. Ursprünglich wurden diese im Zuge der Terroristenfahndung der 1970er Jahre entwickelt, als Weiterentwicklung der Raster-Schleier-und Schleppnetzfahndung, um eine komplette Szene so zu erfassen, dass im Vorfeld von Taten bereits das komplette potenzielle TäterInnenumfeld erfasst war. Die SPUDOK-Affäre in Göttingen machte Anfang der 1980er deutlich, was das alles umfasst. Da wurden Linke von der Polizei ausspioniert, systematisch überwacht und all ihre Lebensgewohnheiten erfasst. Der Begriff "terroristisches Umfeld" umfasste für die Polizei alle Leute, die in eine bestimmte Politszene gehörte oder dieser zugerechnet wurde, und das bedeutete, dass dazu etwa regelmäßige Gäste der Kneipe "Theaterkeller" gezählt wurden. Zu den Methoden der Datenerfassung zählten Entführungen solcher Leute durch Zivilstreifen, etwa die "Operation Harzreise", bei der ein Tramper von einer Zivilstreife mitgenommen, seine Daten erfasst, er verprügelt und im Harz ausgesetzt wurde. Da die linke Szene damals den Polizeifunk mitschnitt und die Protokolle veröffentlichte wurde dies sattsam dokumentiert. Die Reaktion der Szene bestand darin, in Telefongesprächen überhaupt nichts Wichtiges mehr zu erzählen und bei Aktionsbesprechungen das Telefon auszustöpseln, in den Kühlschrank zu stellen, die Dusche aufzudrehen und Musik anzustellen. Ich erinnere mich an eine Anwaltskanzlei, in der morgens vor Eröffnung sämtliche Wände mit Wanzensuchgeräten abgescannt wurden. Das Interesse der Bullen an "bewegungsrelevanten Hinweisen" umfasste Dinge wie wer mit wem schläft oder wie lange und wie häufig sich Leute an bestimmten Lokalitäten aufhalten. Die Verbreitung ortbarer Handys ermöglicht heute eine ganz andere, flächendeckende Erzeugung von Bewegungsbildern. Und diese werden keineswegs nur von der Terroristenfahndung verwendet. Dienstleister haben die Möglichkeit, aus Handydaten abzuleiten, wie lange sich jemand in einem Kaufhaus oder Fitnesscenter aufhält oder wann sie/er dort ist, um analog zum polizeilichen Profiling zielgruppenspezifische Spam-Mailings zu generieren. Alle machen wie die Blöden mit: Wer seine Handydaten in einem Googleaccount anmeldet, um sich Apps herunterladen zu können oder das Handy als Navi zu nutzen verkauft die Kontrolle über die eigene Privatsphäre.
Alle Leute, die das tun können permanent geortet werden und unterliegen damit potenziell der fortlaufenden Standortkontrolle durch Polizei, Staatsanwaltschaft, Finanzamt, Geheimdienste und diversen Dienstleistern. Für die gibt es kein abgeschottetes Privatleben mehr. Der tschetschenische Rebellenführer Dudajew wurde getötet, indem seine Handydaten in das Feuerleitsystem einer russischen Boden-Boden-Rakete einprogrammiert wurden. Das war 1995. Inzwischen ist die Technologie schon viel weiter. Aus den Handydaten lässt sich nicht nur feststellen, wer wann wie lange wo ist, daraus werden auch Bewegungsbilder erstellt, die komplette Lebensgewohnheiten von Menschen erfassen. Früher diente das mal der Terroristenfahndung (tut es auch heute noch), heute bedienen sich Handels- und Dienstleistungsunternehmen dieser Informationen, um individualisierte Werbemails zu verschicken. Als ich mein neues Notebook eingerichtet habe war meine erste Handlung, die Webcam zu überkleben und das Mikro mit einer Stahlnadel zu behandeln. Non serviam!
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Und zum ganzen Komplex um die neu entfachten Religionskriege meinte Kalle Marx: "Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elends und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist."
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Das folgende Bild habe ich in der Luft unter einem Felsüberhang hängend aufgenommen, der anschließend nur mit vereinten Kräften überwunden werden konnte.





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Zum Anderen werden Asylgesetze verschärft und die erst kürzlich erzielten Erfolge von 25 Jahren zäher Antira-Arbeit - Stichwort Sachleistungen - sofort wieder zunichtegemacht. Ich gehöre nun zu dem kleinen Kreis von Leuten, die als Verschlussachen gehandelte Expertisen von Ministerien, zum Beispiel zum Status von Staaten als "sichere Drittländer" zu lesen bekommt. Und so weiß ich, dass die aktuelle Statusänderung von Montenegro, Albanien, Mazedonien und Kosovo eine jahrelang systematisch vorbereitete Sache ist. Und da stellt sich die bittere Frage: Was steckt wirklich hinter Merkels aktuellem Handeln? Stimmt die Sales Story, nachdem erst das Gespräch mit dem palästinensischen Mädchen ihr Herz angerührt habe und sie dann die mutige Entscheidung zur Grenzöffnung traf, als die Flüchtlingsmassen dabei waren die griechischen Grenzen zu überrennen? Sollen wir das glauben? Und ist das Ganze nicht möglicherweise ein gigantisches Simulakrum, bei dem es darum geht, durch kurzfristiges "Flooding" mit Neuankömmlingen seit langer Zeit geplante Verschärfungen des Asylrechts durchzusetzen, ohne dass sich von den üblichen Verdächtigen irgendwelcher Widerstand zeigt? An der Stelle hätte eine Diskussion anzusetzen.
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Flucht – Flüchtlinge – da war doch was …
Es scheint schon etwas absurd, dass die EU mit dem Staat einen Deal in der Flüchtlingsfrage eingeht, der zu den größten Urhebern der Flüchtlingskrise zählt. Die Türkei hat durch ihre Unterstützung von dschihadistischen Gruppen wie dem IS, der Al-Nusra Front oder der Gruppe Ahrar al-Sham und mit der Bekämpfung der basisdemokratischen Selbstverwaltung in Rojava/Westkurdistan den Krieg in Syrien maßgeblich mit befördert und so dazu beigetragen, dass abertausende Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Sie entvölkert nun auch systematisch ganze Stadtbezirke in Nordkurdistan. Die Menschen in den belagerten Städten leiden Durst und Hunger, ihnen fehlt notwendige medizinische Versorgung. Verlassen sie ihre Häuser, sind sie in Gefahr, von Scharfschützen der türkischen „Sicherheitskräfte“ jederzeit ermordet zu werden.
Doch auch wenn sich Erdoğan und seine AKP derzeit von der hässlichsten Seite zeigen, von Europa und Deutschland aus hat die Führungsebene der Türkei keinen Widerspruch zu befürchten. Denn man ist auf Erdoğan angewiesen, wenn man in der „Flüchtlingskrise“ Lösungen finden will. Da nimmt man wohl in Kauf, dass der türkische Partner im Kurdenkonflikt auf einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung setzt. Wie zu erwarten, zeigt sich die deutsche Bundesregierung besonders übereifrig die Türkei zu umgarnen. Noch vor den Parlamentswahlen am 1. November stattete Bundeskanzlerin Merkel quasi als Wahlkampfhelferin dem türkischen Staatspräsidenten einen Besuch in dessen Palast ab. Im Gegenzug für die türkischen Versprechungen in der Flüchtlingsfrage scheint die Bundesregierung zudem den Repressionshebel gegen die kurdischen AktivistInnen in Deutschland angehoben zu haben. Derzeit sitzen in deutschen Gefängnissen sieben kurdische Politiker in Haft, so viele wie schon lange nicht mehr.
Krieg gegen die Kurden kommt einer Unterstützung des IS gleich
Nutznießer dieses großangelegten Kriegskonzepts der Türkei gegen die kurdische Bevölkerung und die kurdische Freiheitsbewegung ist vor allem eine Organisation, die über das gesamte Jahr 2015 im Mittleren Osten, aber auch in Europa Terror verbreitet hat – der sogenannte Islamische Staat.
Denn seit dem erfolgreichen Widerstand von Kobanê ist es der kurdischen Freiheitsbewegung immer wieder gelungen, dem IS einen Schlag nach dem anderen zu versetzen. Die größten Gebietsverluste musste der IS im Kampf gegen kurdische Kampfverbände in Syrien und im Irak hinnehmen. Insbesondere in Syrien hat die Türkei dem IS über lange Zeit für deren Kampf gegen die Kurdinnen und Kurden logistische Unterstützung geliefert und die Grenzen geöffnet. Und auch gegenwärtig beschießt das türkische Militär aus der Türkei heraus kurdische KämpferInnen, die zu Operationen gegen den IS ansetzen.
Die EU und Deutschland sollten sich genauestens überlegen, mit wem und zu wessen Kosten sie Deals eingehen. Es kann und darf nicht sein, dass aufgrund der Flüchtlingsströme um Europa Mauern errichtet werden und Staaten der Türkei, die sich zum Handlanger dieser Abschottungspolitik machen, ein Blankoscheck im Umgang mit den Kurdinnen und Kurden erteilt wird.
Stoppt den Staatsterror der Türkei
Niemand darf vor dem Krieg in Kurdistan, der gegen die Zivilbevölkerung geführt wird, wegschauen
Frieden statt Krieg
Die Friedensverhandlungen mit dem PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan müssen wieder aufgenommen werden – Öcalan muss in die Freiheit entlassen werden
Für das Recht auf Selbstbestimmung
Die Selbstverwaltungsstrukturen in den kurdischen Gebieten der Türkei, aber auch in Rojava sind nicht nur legitim, sie sind auch ein Hoffnungsschimmer für einen demokratischen Mittleren Osten
Weg mit dem PKK-Verbot
Auch in Deutschland hält die Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden an – das muss endlich ein Ende finden!
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"Ein Stück Humanität abgeschoben"
von Wilfried Bartels, Obernkirchen
Nach einer Internetveröffentlichung des NDR.de hatte der Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums noch am 23.10.2015 versichert: "Keine Massenabschiebung von Flüchtlingen!" Ich war daher sehr verwundert, als knapp zwei Monate später, am 16.12., in dieser Zeitung ein Artikel mit der Überschrift, "Land schiebt 125 Asylbewerber ab", erschien. Dies erinnerte mich spontan an die "Mauerlüge" Ulbrichts, der am 15. 6. 1961 in einer Pressekonferenz in Original Sächsisch beteuert hatte: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!" Ebenfalls knapp zwei Monate später wurde diese bekanntlich gebaut.
Der Ministeriumssprecher hatte ferner beteuert, das Land werde an dem "humanitären Umgang" mit abgelehnten Asylbewerbern auch nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Verschärfungen des Asylrechts, einem im Eiltempo ausgehandelten Kompromiss zwischen Bund und Ländern, festhalten. Es würden auch nur abgelehnte Asylbewerber der letzten eineinhalb Jahre abgeschoben. Tatsächlich begann die Massenabschiebung nach dem Pressebericht vom 16.12. mit einer Nacht- und Nebelaktion. Ohne vorherige Ankündigung wurden die Familien mit Kindern und alten Menschen aus dem Bett geklingelt und konnten - wenn überhaupt - nur noch planlos und unvollkommen das Nötigste mitnehmen. Aus verschiedenen Landesteilen wurden die Menschen zum Flughafen Langenhagen transportiert, z. T. mit Handschellen. Offenbar handelte es sich um nicht anerkannte Asylbewerber aus den Balkanländern, vornehmlich aus dem Kosovo.
Anders als vom Ministeriumssprecher noch am 23. 10. beteuert, handelte es sich - zumindest teilweise - um Familien, die hier schon sehr lange wohnten, deren Kinder hier geboren waren und hier zur Schule gingen. So soll z. B. Djevdet Berisa, Vorsitzender des Vereins der Roma in Niedersachsen mit Sitz in Hannover, der die Abschiebung am Flughafen beobachtet hat, berichtet haben, dass auch sein Cousin, dessen Frau und Kinder, die hier zur Schule gingen, unter den Abzuschiebenden seien, obwohl sie seit 1988, also seit 27 Jahren, in Deutschland lebten. Das Recht des Staates auf Abschiebung war nach so langer Duldungszeit m E. längst verwirkt. Noch vom Flughafen aus habe seine Anwältin, so Djevdet Berisa, einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht auf Aussetzung der Abschiebung gestellt - unverständlicherweise ohne Erfolg.
Menschen nach so langer Zeit der Duldung in einer Nacht und Nebelaktion abzuschieben, ist - sofern keine ganz außergewöhnlichen Abschiebungsgründe vorliegen - aus meiner Sicht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dass es sich dabei um eine Roma-Familie handelte, macht die Abschiebung angesichts der Tatsache, dass Nazi-Deutschland an dieser Volksgruppe - wie an Juden - einen Völkermord verübt hatte, dem 220.000 bis 500.000 europäische Sinti und Roma zum Opfer fielen, wie der BR in einer Internetveröffentlichung am 5. 4. 2012 berichtete, noch unverzeihlicher. Was hat dies noch mit "humanitären Umgang", wie der Ministeriumsprecher beteuert hatte, zu tun? Die überfallartige Abschiebung nach so langer Duldung war - ungeachtet der ausländerrechtlichen Regelungen - pures Unrecht. Dies hätte durch den "humanitäre Imperativ", den die Bundeskanzlerin am Wochenende zuvor auf dem Bundesparteitag der CDU propagiert hat, verhindert werden können.
Mir ist unbegreiflich, dass diese Massenabschiebung unter einer rot-grünen Landesregierung mit einem sozialdemokratischen Innenminister möglich war. Ich erwarte, von dieser Landesregierung, dass sie zumindest die Romafamilien zurückholt, hilfsweise, sich aber vor Ort um deren Wiedereingliederung kümmert. Dies sind wir unserer Geschichte schuldig. Dass die rigorosen Abschiebungen auf Absprachen zwischen Bund und Ländern basiert und auch von anderen Ländern praktiziert wird, allen voran Bayern, ändert nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeit jedes einzelnen Landes an der rechtmäßigen Ausführung des Ausländerrechts. Kein Land kann sich bei Menschenrechtsverletzungen auf Absprachen berufen. Niedersachsen sollte sich jedenfalls nicht länger an dem Wettbewerb der Schäbigkeiten, der in vollem Gange zu sein scheint, beteiligen. Bei diesem Wettbewerb wird leider billigend in Kauf genommen, dass das zarte Pflänzchen einer Willkommenskultur in Deutschland durch die Massenabschiebungen der derzeit angeblich ca. 190.000 Ausreisepflichtigen sehr schnell zertrampelt wird. Bei einer so hohen Zahl Ausreisepflichtiger erscheint übrigens eine schnelle und großzügige Altfallregelung geboten, um zu vermeiden, dass allein für die Altfällen über 10 Jahre Massenabschiebungen von jährlich 20.000 Menschen durchgeführt werden. Dies kann kein anständiger Mensch ernstlich wollen.
Ich hatte jedenfalls gehofft, dass das heutige Deutschland sensibel genug ist und Massenabschiebungen mit Nacht- und Nebelaktionen tabu sind, nachdem Nazi-Deutschland im Oktober 1938 insgesamt ca. 18.000 polnischen Juden, die bis dahin größte Ausweisungsaktion in der deutsche Geschichte, unter ähnlich dramatischen Umständen nach Polen abgeschoben hatte. Eine vergleichsweise kleine Zahl, gemessen an den derzeit ca. 190.000 abzuschiebenden Altfällen. Polen wollte damals seine jüdischen Landleute ebenso wenig aufnehmen, wie heute die Balkanländer ihre Roma. Wie damals die jüdischen Polen, so stehen heute auch die aus
Deutschland vertriebenen Roma in ihren Herkunftsländern vor dem Nichts. Sie sind - wie damals die jüdischen Polen - in ihren Herkunftsländern Diskriminierungen, Schikanen und Anfeindungen ausgesetzt. Für Sinti und Roma gibt es offenbar keine "sicheren Herkunftsländer". Trotzdem werden sie dahin abgeschoben.
Mit deutlichen Worten und überzeugender Begründung hat Prof. Dr. Ernst Gottfried Mahrenholz, der frühere niedersächsische Kultusminister und spätere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, in der HAZ vom 19. 12. die Massenabschiebung als verfassungswidrig kritisiert. Er hat hinzugefügt, dass mit der Massenabschiebung "auch ein Stück Humanität abgeschoben worden" sei. Diesen Ausführungen schließe ich mich uneingeschränkt an.
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