Samstag, 14. Februar 2009
Die kognitiven und performativen Dissonanzen beim politischen Bloggen
Wenn die eigenen politischen Auffassungen sehr weit vom gesellschaftlichen Mainstream entfernt sind, so liegt es in der Natur der Sache, dass sie oft schwer zu vermitteln sind. Also nicht unbedingt nur die Ansichten selbst, sondern alles, was an weiteren Informationen damit zusammenhängt. Als ich noch ganz regelmäßig an den überregionalen Vernetzungstreffen antirassistischer Initiativen teilnahm, erlebte ich mal in Ostfriesland das völlige Unverständnis darüber, dass es in Göttingen ein halbes Dutzend verschiedene Flüchtlingssoligruppen gab, die teils eine kirchlichen, teils einen bürgerlichen, eine gewerkschaftlichen, einen grün-alternativen und einen autonomen Hintergrund hatten (allein zwei autonome Gruppen), dass wir als klassisch-autonome Gruppe mit Kirchens enger zusammenarbeiteten als mit anderen Autonomen, mit der stärksten Antifa-Fraktion gar nicht, die Gruppen insgesamt gesehen aber wieder ein großes Dauerbündnis bildeten, das von der Reformierten Gemeinde bis zu Antiimps reichte. Das in Aurich zu erzählen war wie die Verhältnisse eines fremden Planeten darzulegen. Oder wieso eine Hamburger Gruppe in keinem der lokalen Hamburger Bündnisse mitmachte, aber in einem bundesweiten Netzwerk umso aktiver war, wieso in Berlin Antirassismus und der Kampf gegen Gentrifizierung der Kieze zusammengingen, die klassische Antifa-Arbeit da aber nicht reingehörte, das waren alles so Themen, die meist nur dann vollständig erklärbar waren, wenn man selber in Vergleichbarem drinsteckte oder zumindest mal hineingerochen hatte. Immerhin: Der Austausch funktionierte ja doch. Nicht zuletzt wohl, weil man mal jemanden mitnehmen und die Verhältnisse im real life zeigen konnte, und weil man nicht nur Worte gebraucht, sonder auch Bilder, Gesten, Minen, einen Tonfall.


Beim Bloggen fällt das alles weg. Wenn mir da jemand ankreidet, ich würde die Kommunikation mit ihm und den Seinen künstlich erschweren, weil ich die Leute ständig schubladisiere und ich das Selbe von denen sagen würde, oder wenn ich einem Mitblogger meine Einschätzung zu einem bestimmten Politiker mitteile und ich das Gespräch als lockeren Austausch unterschiedlicher Meinungen in einer Politplauderei erlebe, und er erlebt haargenau das gleiche Gespräch als Ausgrenzung und Marginalisierung seiner Meinung, gar als Mißachtung seiner Persönlichkeit, dann frage ich mich, ob das Medium Blog mit bestimmten Diskussionen nicht schlicht überfordert ist. Vollends abstrus wird es dann, wenn, wie vorgekommen etwa meine Meinung zu einem politischen Ereignis von einem politisch anders gesinnten Blogger als codierte Handlungsanweisung an eine bestimmte Szene gelesen wird oder verschiedene Blogs als so eine Art Verschwörung oder Bande angesehen werden, die auch noch einen (bärenmäßigen) Anführer hat.


Vielleicht sind gebloggte politische Botschaften ja so etwas wie Fahrradkuriere: Sie sollen gut aussehen und dynamisch rüberkommen, aber den Sender sieht man nicht. Es gibt zwar ein Blog-Minenspiel (;-), :-), lol, ROFL, Muarharhar usw.), doch scheint dies nicht geeignet zu sein, die wirklich eklatanten Mistverständnisse zu verhindern. Oder es wird von diesen Emoticons an der falschen Stelle und vielleicht auch zu selten Gebrauch gemacht.

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