Mittwoch, 3. Mai 2023
Eine Frage des Tonfalls
Mein Sportclub veranstaltete einen Kurs für Leute, die laut Ankündigung "Ein paar Pfunde zu viel haben und diese schnell loswerden wollen". Ich meldete mich beim Trainer und fragte nach einem Termin. Irritiert schaute der mich an und fragte, was ich denn da wolle. Ich meinte, na ja, ein paar Pfunde abnehmen. Da erwiderte er, ich hätte einen BMI im Normalbereich und würde ein Training machen das an Leistungssport grenzt, was wollte ich denn in einem solchen Kurs? Als ich antwortete dass ich gerne einen Bauch wie Brad Pitt in seinen Dreißigern hätte erklärte er, dass "Ein paar Pfunde zu viel" eine Metapher für adipös wäre, und man könnte den TeilnehmerInnen nicht zumuten, mit mir sich messen zu müssen. Wie würde ich denn einen BMI über 35 beschreiben? "Ich würde dazu fett sagen" antwortete ich.

Oh mei, diese woke Sprache. Im Kontaktanzeigendeutsch heißt adipös "stattlich". Unter stattlich würde ich mir jemanden wie Schwarzenegger vorstellen.

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In der Tat grauenerregend diese Art von Sprache: nichts direkt ansprechen, bloß nicht anecken. Wir sind inzwischen zu einer Gesellschaft der Dauerbeleidigten und der Dauerjammerlappen geworden. Seine Anfänge nahm das bei Mädchenmannschaft und anderen Blogs. Was seinerzeit eine Angelegenheit für eine kleine und im doppelten Wortsinne beschränkte Szene galt, ist heute ubiquitär geworden. Was einmal tatsächlich emanzipativen Charakter hatte, ist heute eine Sache für Vollidioten geworden, die Sprache als Diskurswaffe einsetzen. Ähnlich auch mit dem Wort "Neger". Nein, man muß es nicht mit Absicht und provokant gebrauchen, aber da, wo man es zitiert, ist es unsinnig "N-Wort" zu schreiben - zumal sowieso jeder weiß, daß "N" nicht für "Nagetier" oder "Natrium" oder "Neutronenbombe" steht. Dazu eine kleine Anekdote, gefunden habe ich sie bei Hartmut und sie stammt aus einem Artikel von Hasnain Kazim:

"Ich habe mal an einer Schule aus meinem Buch "Post von Karlheinz. Wütende Mails von richtigen Deutschen - und was ich ihnen antworte" gelesen und einen Vortrag über meine Erfahrungen mit Rassismus gehalten. 600 Schülerinnen und Schüler, volle Aula, aufmerksame Stimmung. Ich sprach vom "N-Wort", und irgendwann meldete sich ein 13-Jähriger und fragte: "Entschuldigen Sie, was meinen Sie eigentlich mit 'N-Wort'?" Da stand ich nun. Was sollte ich tun? Ich fragte die Schülerinnen und Schüler, wer nicht wisse, was mit "N-Wort" gemeint sei. Etwa ein Drittel meldete sich.

Also sprach ich es aus und ordnete es ein, ich war ja eh schon gerade dabei. Ich erklärte, dass das ein Wort ist, mit dem Menschen lange Zeit beschimpft wurden, es ist ein abwertendes, böse gemeintes Wort. In Deutschland wurde es lange Zeit achtlos verwendet. Ich selbst bin Kind der Achtzigerjahre, wir haben damals nicht "Schokokuss" oder "Schaumkuss" gesagt. Heute wissen wir es besser. Dass es ein rassistischer, menschenverachtender Begriff ist, der schon immer Menschen verletzt hat und ja auch bewusst dazu benutzt wurde, Menschen zu verletzen. Aber jemanden fertig zu machen, als Rassisten zu bezeichnen, dem es herausrutscht oder der es ausspricht, wenn es gerade Thema ist, halte ich für absurd.

​Als ich einmal die Geschichte von der Schule und dem 13-Jährigen auf einer Bühne erzählte, sagte mir die Frankfurter Politikerin Mirrianne Mahn, ich hätte ja auch sagen können: "Feger, nur mit N." Ja, das stimmt. Kann man so machen. Meine Erfahrung ist nur, dass man ein Wort erst recht mystifiziert und andere dazu bringt, es zu Zwecken der Provokation zu benutzen, wenn man schon das reine Aussprechen zu einem bösen Akt erklärt. Ich bin davon überzeugt, dass man die gegenteilige Wirkung erzielt."

https://www.hasnainkazim.com/text-3?

Und genau das ist es eben: Menschen sollten geistig in der Lage sein, Kontexte zu erkennen. Und wenn sie dies nicht können, dann sollten sie, bevor sie in Sachen Politik rumfuhrwerken, dieses zunächst einmal lernen. Meine Rede immer: mit dem einfachsten anfangen und dann zum nächsten vorschreiten.

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Ich verkehre ja nun selbst in Flüchtlingskreisen, und da ist häufig - und war in den 1980er und 90er Jahren noch viel stärker - eher ein grob-derb-veralbernder, Alltagsrassismen auf die Schippe nehmender Tonfall angesagt, so Richtung "Ich bin der Zulumann, der zwölfmal hintereinander kann."

Als ein kurdischer und ein kongolesischer Genosse, beides Funktionsträger beim Flüchtlingsrat, einmal in der Göttinger Sonderbar versackten und morgens um 6 in den Zug nach Hildesheim stiegen, aber erst in Norddeich-Mole aufwachten entstand ein Lied mit dem Refrain "Wenn der Kurde mit dem Neger einen saufen geht ist es meistens viel zu spät."


Ähnliches weiß ich allerdings auch über Detlev Claußen zu berichten, der geschultert in seine Übenachtungs-WG getragen werden musste;-)

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Mein Humor ist so schwarz dass man ihn zum Baumwolle pflücken schicken kann.

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