Donnerstag, 27. August 2009
Wie das marktradikale Totschlagargument die gesamte bestehende Gesellschaftsordnung deligitimiert
Man kennt sie ja zur Genüge, jene konservativ-liberalen Argumente gegen soziale Experimente, die diesen das Existenzrecht absprechen, weil sie auf Kosten Dritter, namentlich des Steuerzahlers, des Staates oder der „Gemeinschaft” (ein Schelm, wer „Volks”- dabei denkt) gingen. Ähnlich wie bei Bastiats Parabel vom zerbrochenen Fenster, bei dem es eigentlich nur darum geht, dass der Spießer seine Angst ums Geld zu einem Gedankengebäude rationalisiert, funktioniert eine solche Argumentationsweise zwar im Horizont eines Bilanzbuchhalterdenkens, Politik und Geschichte aber gehen zumeist andere Wege. Und die Bilanzbuchhalterdenke lässt für letztere Faktoren entscheidende Dinge wie menschliche Würde, soziale Perspektiven, Wege der politischen Willensbildung, spezifische Gruppeninteressen usw. einfach völlig außen vor und ist daher auch gänzlich ungeeignet zur Beschreibung des Politischen oder Sozialen. Nun hat der Großmeister des zum Prinzip erhobenen sozialen Vorurteils und des als journalistische Kategorie preisgekrönten Dummschwätzens, der Broderich, einen hochnotpeinlichen Artikel zu seinen Erlebnissen in Christiania (”Mami, die pösen Hippies ham mir die Kamera weggenommen!”), und das führte einen Kommentator bei den Bissigen Liberalen zu diesen schönen Formulierungen:

„Gibt es per Saldo nennenswerte Sozialtransfers in dieses Gebilde?
Falls ja (was ich vermute), ist Christiana also nicht selbständig überlebensfähig sondern braucht die Allimentierung von Außen.
Damit ist es aber kein Modell für eine Gesellschaft.
Denn ganze Gesellschaften müssen insgesamt per Saldo ohne Transfers von Außen auskommen. Sonst sind sie nicht “nachhaltig”.” —–

Denkt man diese „Ich bin für die Schließung aller selbstverwalteten Jugendzentren” – Logik auf der Ebene kompletter Gesellschaften, auf die der Autor sie ja selbst gehoben hat zu Ende, landen wir bei einem knallharten Antiimperialismus.
Daraus folgt nämlich, dass die USA kein Modell für eine Gesellschaft sind (praktisch vollständig von den Transfers der öligen Emire, chinesischer, indischer und europäischer Investoren abhängig), die Schweiz ist das erst recht nicht (ein Großteil ihres Wirtschaftsmodells basiert nur darauf, Gelder aus anderen Ländern dorthin zu transferieren), die Industriestaaten insgesamt sind nicht legitimierbar, da sie vom Transfer von Rohstoffen außerhalb ihres eigenen Hoheitsgebiets anhängig sind zu Preisen, die von den Rohstoffexporteuren zum großen Teil nicht aktiv mitgestaltet weden können, aber natürlich sind die Entwicklungsländer, die wiederum vom Geldhahn der Industriestaaten abhängig sind, ebenfalls nicht legitimierbar. Christiania als Modell zur Deligitimierung der gesamten Weltordnung, das lob ich mir!

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Welche Gesellschaft
oder welcher Staat hatte denn nicht in den letzten 5 Jahrzehnten »per Saldo nennenswerte Sozialtransfers in dieses (sein; d. Säzzer) Gebilde«, Transfers von den globalen Banken?

OK. Quatar, Saudi Arabien, die Emirate vielleicht.

Und alle anderen Industrienationen halten ihren sozialen Standard mehr schlecht als recht aufrecht, weil die eigene Volkswirtschaft auf Jahrzehnte, ha: Jahrhunderte hinweg genug Reserven hat. Das hat nichts, aber auch über hauptnix mit global agierenden Banken zu tun, die ihnen Geld leihen würden.

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Sie sehen andere Menschen halt so gerne als Schmarotzer an...
Der besondere Wertehorizont dieser, ähm, Liberalen zeigt sich dann, wenn sie (schwerst besorgt um die Steuerzahler im fast schon peinlich gut funktionierenden dänischen Staat) Menschen als "Parasiten" abqualifizieren, oder - diesen Begriff freundlicher Weise vermeidend - die Bewohner von Christiana zentral daran messen und würdigen, welchen Beitrag diese zum Steueraufkommen liefern.

Man könnte es so sagen: Viele dieser "Liberalen" sind in ihren grundlegenden Werthaltungen derart duch-ökonomisiert, derart einem hahnebüchenen und Zerrbilder liefernden Ökonomismus ausgeliefert, dass sie Menschen und deren soziale Versuche nur noch aus - Steuerzahlerperspektive beurteilen.

Etwas armselig ist eine derartige Sichtweise durchaus.

Diese einseitige Sichtweise ist auch nicht sonderlich liberal, sondern sie entwertet Menschen auf ihre Nützlichkeitsperspektive und Marktverwertbarkeit. Dieses ständige An-Argumentieren gegen die angebliche ungeheuerliche Ausbeutung der "Leistungsträger" durch soziale Projekte wie Christiana (das ist eine zentrale Denkfigur dieser Pseudoliberalen) wirkt seltsam deformiert und sogar dekadent, hat aber immer eine klare Zielrichtung:

Gegen die Linken.

Trifft es allerdings den kulturellen Geschmack (oder sonstige Klassenvorlieben) dieser liberalkonservativen Reaktionäre, so lassen sie Milde walten, wenn ein teurer Quark wie z.B. die Elbphilharmonie dreistellige Millionenbeträge sinnlos versenkt, jedenfalls ohne ausreichenden Return on Investment...

Beurteilt man Christiana aus Steuerzahlerperspektive, so sollte den weniger dämlichen Pseudoliberalen eigentlich sogleich auffallen, dass Christiana eine Touristenattraktion ersten Grades darstellt - und sich für Kopenhagen durchaus "rechnet".

Okay, wenn man es als Pseudoliberaler so bedächte, dann ginge der ganze Spaß verloren, den man eben noch hatte, als man die Einwohner von Christiana (die wohl auch außerhalb von Christiana auf Sozialtransfers angewiesen wären) brodergleich als hässliche Schmarotzergestalten zeichnet.

(Wenn Christiana-Bewohner mit größter Selbstverständlichkeit einen alten Mann zu Boden schlagen und seine Kamera zerstören, statt einfach Film bzw. Speichermedium aus der Kamera zu entfernen, dann spricht das - anektdotisch - gegen Christiana)

Was lernt uns das nun über den Liberalismus?

Der Liberalismus ist eindeutig in den falschen Händen, wenn er von Menschen verfochten wird, deren Horizont nicht weiter reicht als der eigene Steuerbescheid.

Pardon.

@ Che
(...) die Industriestaaten insgesamt sind nicht legitimierbar, da sie vom Transfer von Rohstoffen außerhalb ihres eigenen Hoheitsgebiets anhängig sind zu Preisen, die von den Rohstoffexporteuren zum großen Teil nicht aktiv mitgestaltet weden können, (...)
Ähem: So sehr wir uns manchmal in politischen Urteilen treffen, so deutlich liegen wir hier auseinander. Es ist ja gerade der Witz gelingenden und fairen Wirtschaftens mittels von Märkten, dass der Produzent den Preis nicht bestimmen kann, sondern dass der Preis sich - im Idealfall jedenfalls - aus einer fairen Konkurrenzsituation ergibt.

Zum Wohle aller.

Nun kann man einwenden (einen Einwand den ich sehr hoch achte), dass vor dem Hintergrund der zumeist riesigen sozialen und ökonomischen Unterschiede die Rohstoffpreisfindung garnicht fair erfolgen könne, und darüber hinaus, dass durchaus Gewaltverhältnisse die Handelsverhältnisse beeinflussen, und zwar fast durchweg zum Nachteil der ärmeren Länder. Nur - konzentriert man sich auf das Thema Rohstoffe - ist es eben so, anders als es linksextremen Vorurteilen dienlich ist, dass rund 2/3 aller Rohstoffe der Industriestaaten aus Industriestaaten stammen, und die Preise des übrigen Drittels, soweit man das von globalen Marktprozessen überhaupt sagen kann, doch überwiegend "fair" erfolgt, jedenfalls nicht unfairer als die Preise, welche Rohstoffproduzenten in Industriestaaten erzielen. Es bleibt natürlich genügend Raum für Probleme - aber eines der Hauptprobleme liegt m.E. in der Wirtschaftsordnung der ärmeren Staaten, in deren Korruption und Herrschaftsstruktur.

Der Hauptvorwurf an die Industriestaaten zielt bei mir (anders als das antiimperiale linksextreme Lager) nicht auf Ausbeutung der Drittweltstaaten mittels von Rohstoffen, sondern auf deren Mitverantwortung an unzulänglichen politischen und sozialen Verhältnissen in den Drittweltstaaten. Dazu kommen natürlich noch diverse Formen ökonomischen und politischen Machtmissbrauchs,- aber in der Summe könnte man schon sagen, dass die Vorstellung, der Wohlstand der Industriestaaten beruhe auf der Ausbeutung von Drittweltstaaten, auf geradezu idiotische Weise haltlos ist.

Die Industriestaaten haben durchaus eine erhebliche Mit-Verantwortung für die Armut in der Welt - aber diese auf Rohstoffpreisen fokussierte und von Linksextremen gerne genutzte vollständige Delegitimation der Wirtschafsweise von Industriestaaten ist letztlich, in meinen Augen fast so widersinnig, wie es der bemühte Sozialdarwinismus unserer bloggenden Pseudoliberalen ist.

(wobei es in der politischen Dummheit bzw. bei politischen Vorurteilen immer noch einen wesentlichen Unterschied macht, ob man nach unten tritt, ob man sein politisches Denken bevorzugt aus Steuerfrust motiviert, oder ob man ein Herz für Menschen hat, die in Unfreiheit, Not und Armut leben)

Dean.

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Bestechende Logik: Christiania von Sozialtransfergeldern subventioniert - Räumen! Schweiz lebt von Geldverschiebungen, Steuerhinterziehungen und hoch geheimen Bankgeheimnissen mehr als vom eigenen Export? Einmarschieren! USA können weder ihr Handelsbilanzdefizit ausgleichen, noch gehören sie sich in Anbetracht der Rolle ausländischer Anleger überhaupt noch selbst? Auflösen! Wahrhaft TITANisch gedacht!!!

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Erklärt dem Dean die Pointe nicht!
Dean, Du erweist Dich einmal wieder als eine totale Witzbremse. Weder vertrete ich jene platte Art des Antiimperialismus, für den ich nebenan auf Shifting Reality als Gewährsmann Christian Klar angeführt habe, noch würde ich Deinen Ansichten in der Hinsicht zustimmen - die für mich auf eine legitimatorische Rettung der Grundzüge eines Systems hinauslaufen, von dem ich nun sage, dass wir vielleicht mit ihm leben müssen, das aber moralisch eben nicht legitmierbar ist. Oder man muss eben knallhart sagen, dass für den vorhandenen Wohlstand in der Welt numal in Kauf genommen werden muss, dass alle paar Minuten ein Kind verhungert, jedes Jahr ein paar Arten austerben usw.


Aber darum ging es mir an dieser Stelle gar nicht, sondern darum, worauf die absurde Paralogik des Kommentars bei den Bloggies hinausläuft, wenn man sie statt auf Christiania auf Industriestaaten anwendet. Netbitch hat mit ihrer Zuspitzung recht deutlich gemacht, worauf es mir ankam.

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Karl Kraus war einmal angepinkelt worden, ich glaube vom damaligen Star-Journalisten Stefan Großmann, er, Kraus, bezöge seine Witze bloß „aus der einfachen Umdrehung von Dummheiten“. Kraus antwortete (aus dem Gedächtnis zitiert): „Großmann staunt, wie intelligent er wirkt, wenn ich ihn einfach umdrehe.“
Ches Satire, Herr Dr. Reformator, besteht in der Umkehr des Alimentationsarguments. Das hätte man verstehen können, bevor man mit dem Tintenfaß nach dem antiimperialen Linksteufel wirft.

Der Krieg Spanien vs. USA 1898 ging um Zucker, ein strategischer Rohstoff wie heute Öl. Von da an riß das nicht mehr ab. Die gewaltsame Intervention im Irak in den 20er Jahren (bekanntlich die erste aber nicht die letzte), schon damals zusammen mit den Briten, diente ebenfalls nicht der Intronisation des ehrbar-friedvollen Kaufmanns. Die zahllosen Militäraktionen im mittelamerikanischen „Hinterhof“ bis Ende der 70er Jahre, die Rechtsdiktaturen stützten oder an die Macht brachten, verwandelten diese Länder in Rohstoffbüttel und/oder Raktenabschußbasen. Es ist so sinnlos, das Offensichtliche zu leugnen.

Deine Formulierung der „Delegitimation der Wirtschaftsweise von Industriestaaten“ – G. W. Bush nannte das „unsere Art zu leben“ – ist so putzig, weil die apologetische Sprachregelung von den „Industriestaaten“ nach einer Seite hin stimmt, da diese Staaten dem Stand der Entwicklung der Produktivkräfte nach tatsächlich Industriestaaten sind. Die Produktivkräfte werden gewiß nicht delegitimiert, schon von Marx nicht, was Du wüßtest, wenn Du ihn gelesen hättest, statt nur lektürefrei schon mal zu behaupten, dass Du klüger bist als Marx.
Was nun die Produktionsverhältnisse betrifft – die Seite, nach der die „Industriestaaten“ Kapitalismus sind –, so bedarf es nicht des Che, um sie zu „delegitimieren“. Das machen die täglich selbst.

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Vier Dinge sind in diesem Bild falsch:

1. Der Kontext

Es ging in der gesamten Diskussion und so auch dem hier zitierten Kommentator nicht etwa darum, Christiana zu "räumen" oder nicht, sondern vor allem um die Frage, ob dieses Gebilde als Modell erfolgreich sei oder nicht. Warum du daraus
dem Kommentator eine fiktive Handlungsempfehlung unterstellst, weiß ich nicht. Warum andere wie z.B. netbitch dann auch noch ausgerechnet auf diese aufspringen, was eigentlich nur geht, wenn man die Diskussion selbst nicht gelesen hat, auch nicht.


2. Die Verwechslung

Mit "Transfer" ist nicht Handel gemeint, sondern eine einseitige Übertragung von Geld (oder Gütern), das in das Eigentum des Empfängers übergeht. Handel nutzt beiden Seiten, demzufolge schadet Nichthandel auch beiden - das kann man
"Abhängigkeit" nennen, wenn man es nur negativ betrachten will. Aber um einseitige Transfers handelt es sich da nicht.

3. Das Verständnis

Wer auch immer der These widersprechen will, dass man ein Gebilde, das darauf angewiesen ist, dass man es à la DDR von außen durch Zuwendungen am Leben erhält, kaum als "erfolgreiches Modell" bezeichnen kann, der mag das gerne tun. Nur würde man dann gerne auch ein Argument sehen, das diesen logischen Zusammenhang entkräftet.

Man muss diese Diskussion übrigens auch insbesondere vor dem libertären Idealbild der Sezession lesen. Wäre das Gebilde "Christiana" eben nicht von Sozialtransfers abhängig und die Bedingung des freiwilligen Aufenthalts dort
erfüllt (von letzterem kann man wohl ausgehen), dann könnte es auch für Libertäre als Beispiel einer gelungenen Sezession herhalten. Diese Frage ist unter unsereins nicht unspannend.

4. Die Terminologie

Kapitalimport ist eine zwingende Folge von Leistungsbilanzdefiziten - das ergibt schon die reine Saldenmechanik. Aber schon daraus folgt, dass es sich dabei eben nicht um einseitige Transfers mit Eigentumsübergang handelt.

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Terminologie und Ideologie
1. Wer Christiana abwertend ein "Gebilde" nennt - vor allem im Kontext der übrigen Äußerungen ist von diesen "Liberalen" ja ein "sozialschmarotzenes Gebilde" gemeint - der verwendet die gleichen abwertenden Sprachfiguren wie palästinensiche Juden- und Israelhasser, welche Israel auch gerne ein "Gebilde" nennen.

Zufall?

2. Rayson wird bis zu seinem Lebensende nicht begreifen, warum man weder Menschen, noch soziale Projekte bevorzugt anhand von dümmlich herbei fantasierten "Leistungsbilanzdefiziten" bewerten sollte - und warum man bei derlei Bewertungsversuchen - wenn man sie schon unternimmt - besser beraten wäre, dann auch auf Seiteneffekte zu achten. Das Stichwort "Tourismusmagnet" fiel schon.

Einem echten Liberalen (also: gewiss nicht den bloggenden Pseudoliberalen) fiele da gewiss noch mehr ein.

3. Die ständigen Versuche unserer lieben Rechtsblogger vom A-Team und seitens der verbissenen "Liberalen", Sozialdarwinismus zum Zentralpunkt politischen und ethischen Wertens zu erklären, werden zunehmend langweilig. Eine argumentative Tiefe ist nicht vorhanden.

4. Ich empfehle unseren Rechtsbloggern, welche Kapitalismus und ökonomische Rücksichtslosigkeit mit Heiligenerscheinungen verwechseln, die von ihnen zigfach angedachte Sezession ernsthaft zu versuchen. Man möge sich einfach eine nette Insel kaufen, Gleichgesinnte dorthin verfrachten - und ab dafür!

(Viel Spaß! So seid ihr dann endlich den bösen, weil "sozialistischen" Staat und die "Zwangssteuern" los)

Im Übrigen gab und gibt es tatsächlich, zumindendest graduelle Sezessionsversuche in unserer Gesellschaft. Wer daran wirklich ein ernsthaftes Interesse hat (fernab hohl-sinnfreier Polit-Ideologie), der findet bei linken Alternativprojekten umfangreiche Anregungen.

Aber das packen sie halt nicht, unsere Rechtsblogger, dass sie mal was Ernsthaftes auf die Beine bekommen. Stattdessen bemalen sie die Bewohner von Christiana als hässliche Sozialschmarotzer - das macht unsere Rechtsblogger deutlich glücklicher.

Und sie können bis an ihr Lebensende wegen dem furchtbar "sozialistischen" Staat herumnölen.

So sind sie glücklich.

P.S.
@ Che
Ja, ich hatte es schon vor der kompakten und hübschen Anmerkung von Netbitch begriffen. Aber ich fand den Witz halt nicht wirklich zündend.

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Aber sicher, Rayson, sind soziale Transferleistungen ein Handelsgeschäft: Getauscht wird Geld gegen Ruhe, damit Besserverdienende wie Du irgendwo auf der Straße nicht mehr verlieren, als einen Fotoapparat.
__________________

Einfach mal dem Henryk mit dem Herrentäschchen ins Gesicht sagen, dass Israel kein Erfolgsmodell ist, da auf externe Transfers angewiesen, „und jetzt, Herr B., möchte ich Sie noch fotografieren, weil Sie so schön wütend gucken!“
Können wir ausschließen, dass Rayson wenige Augenblicke später am Boden liegt, und seine Kamera zerstört ist?

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"Getauscht wird Geld gegen Ruhe, (...)"
Was genau unterscheidet diese Argumentation von der eines Schutzgelderpressers?

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Was genau unterscheidet in dieser Logik einen Schutzgelderpresser von einem Sozialpolitiker oder einem Polizeichef?

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Oh, "Beantwortung" von Fragen mit Gegenfragen. Lustig.

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Sehe gerade, dass "foster" die Frage gestellt hat, die mir da auch sofort auf der Zunge lag.

Ich finde es ja wirklich nicht nett, den Empfängern von Transfers zu unterstellen, sie griffen zu zielloser Gewalt gegen andere, erfolgten diese Transfers nicht. Und es ist nicht nur nicht nett, es ist sogar empirisch sehr fragwürdig, um es mal vorsichtig auszudrücken.

"Besserverdienende wie Du" finde ich hingegen lustig. Solche Versuche, alles und jeden in ein für einen selbst möglichst konfliktfrei zu verarbeitendes Schema einzuordnen, sprechen Bände.

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Eine Art Intellektual-Tragik umflort unsereren Foster, der die Punktlandung, die er mit seiner Frage hinlegt, selber gar nicht bemerkt.
Statt dessen wird dem Kritiker vorgeworfen, was er kritisiert. Ad bonum interpretiert, kann das als kühne Anwendung dialektischen Denkens verstanden werden.

Ach Rayson, einfach mal beim Urvater aller Sozialsysteme, Bismarck, nachlesen, was er selbst in dankenswerter Offenheit über seine Gründe sagt. Du bleibst eben der Blindfisch, der Du bist. Es könnte Dir auffallen, dass schon im Nachbarland Frankreich der soziale Friede (Banlieus, Boss-Napping, Drohung die Fabrik zu sprengen) sich nicht in dem Zustand befindet, wie hierzulande.
Du bist Anhänger der putzigen und – gerade von Deinem Interessenstandpunkt aus gesehen – brandgefährlichen Auffassung, den sozialen Frieden gäbe es zum Nulltarif. Nur so kann man ja die Kosten von Sozialsystemen als überflüssig und als Ausräubern der Leistungsträger verstehen; nur so kann man eiskalte Herrschaftstechniker mit brühwarmen Sozialromantikern verwechseln.

Und was nun das betrifft, "den Empfängern von Transfers zu unterstellen, sie griffen zu zielloser Gewalt gegen andere, erfolgten diese Transfers nicht", so befinde ich mich mit dieser Unterstellung in wenn nicht guter, so doch kompetenter Gesellschaft. Wie Spon vor noch nicht 2 Wochen meldete, wird von den Sicherheitsbehörden exakt dies unterstellt: Man hat Deutschland nach Riots in the street-Gefahrenklassen kartiert, um auf Grundlage dieser Daten sich darauf vorzubereiten.
Nicht nur ich, auch die Sicherheitsbehörden glauben nicht an Deine Märchen.

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Zum Beispiel gibt es da einen Truppenübungsplaz Sennelager, wo die Bundespolizei mit Panzern das Niederschlagen sozialer Unruhen trainiert.

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Ich weiß nicht so recht, ob jemand, der nur eindimensionales Denken beherrscht, bei anderen Blindheit diagnostizieren kann.

Aber klar: Die Ausschreitungen in den Banlieus, die haben natürlich nur was mit mangelnden Sozialtransfers zu tun. Eine gescheiterte Integrationspolitik oder der Mindestlohn - die dürfen nie und nimmer etwas damit zu tun haben.

Normalerweise tritt immer, wenn jemand Gewährsleute zitiert, die im 19. Jahrhundert aktiv waren, der Che auf und verkündet, wieder jemanden bei einer ahistorischen Argumentation ertappt zu haben - heute sei doch das alles ganz anders. Na gut, wenn jemand mit Marx argumentiert, macht er das nicht, und so jemand fühlt sich dann vielleicht auch noch bemüßigt, den ollen Bismarck zu seiner Unterstützung zu zitieren.

"Dein Interessenstandpunkt" - schon wieder köstlich. Der Feind muss unbedingt da eingeordnet werden, wo man ihn sich wünscht, sonst bröckelt die eigene Scheinwelt. Wer's braucht.

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Hey, Rechtslibertärer!
Du merkst einfach nicht mehr, wie eindimensional dein politisches Denken ist. Du hast da eine ganz einfache primitive Universalformel, die du auf nahezu jegliches politisches Problem anwendest, eine geradezu tragische politische Ideologie - und nennst ausgerechnet andere Leute eindimensional.

Mal abgesehen davon, dass du die Aussagen von Leuten mit abweichenden politischen Meinungen gerne bis zur Unwesentlichkeit, Unkenntlichkeit oder ins Gegenteil überspitzt - wofür du als "Argumentations"-Technik mutmaßlich zwei bis drei Jahrzehnte lang geübt hast. Lies selbst:
Die Ausschreitungen in den Banlieus, die haben natürlich nur was mit mangelnden Sozialtransfers zu tun.
Du machst hier die drei Primärfehler der Rechtslibertären:

1. Du verwechselst Sozialpolitik mit "Sozialtransfers". Das liegt daran, weil die rechtslibertären Polit-Genossen, deren stromlinienförmig-ideologsiches Denken du für politisch nützlich hältst, nahezu jedes politisches Problem auf eine Transferperspektive runterbrechen.

Hey: Auch eine gute Infrastruktur (in den französischen Vororten...), öffentliche Bibliotheken, vernünftig ausgestattete Schulen usw., funktionierende öffentliche Verwaltungen: sind Teilbereiche einer verantwortlich und sozial orientierten Staatspolitik - und wirken nachweislich stärker gegen Krimininalität und Verwahrlosungserscheinungen in sozial schwachen Wohngebieten, als es die von dir als Rechtslibertären massiv geschätzte Anwendung von Repressions- und Polizeigewalt.

2. Niemand hat hier behauptet oder gesagt, dass es "nur" um Sozialtransfers geht. Das unterstellt du aber - und du merkst nicht einmal, wie verkürzend und verdrehend du damit "argumentierst".

3. Selbstverständlich ist Gesellschaft ein komplexes Geschehen - Fehlentwicklungen ziehen sich oft über Jahrzehnte hin, und lassen sich nur selten in wenigen Jahren korrigieren.

Wenig hilfreich ist in den französischen Vororten (u.ä.) die Anwendung rechtslibertärer bzw. neoliberaler Sozialtechnik - die Konstruktion sogenannter "Anreize", die von Leuten wie euch i.d.R. als üble und Menschen verachtende Repression konstruiert bzw. vorgeschlagen werden.

Liebe Rechtslibertäre, euer Menschenbild ist einfach kaputt: Ihr versteht sozial schwächere gesellschaftliche Schichten als "Sozialschmarotzer" - und im Gegenzug die wohlhabenden Schichten (welche ohne die Leistungen der übrigen gesellschaftlichen Schichten i.d.R. kaum lebensfähig wären...) als "Leistungsträger", womit ihr euch selbst als eine Art bürgerliche Übermenschen stilisieren möchtet. Umgekehrt sind euch diejenigen, die anders leben als ihr und schlechter verdienen als ihr, zutiefst zuwider.

Insofern versucht ihr politische Probleme entweder zu verleugnen (falls ihr damit verbundene Steuerbelastungen riecht), oder durch Zwang und Repression zu "lösen" - statt: mit einer humanen und einfühlenden Einstellung anderen gegenüber.

Darum - aus eurem kaputten Menschenbild heraus - fällt es euresgleichen sehr leicht, die Notwendigkeit von Sozialpolitik grundlegend (!) zu bestreiten bzw. Begründungen dafür als "Erpressung" umzudeuten - ihr macht euch nicht einmal den Kopf darum, wie eine gute Sozialpolitik aussehen könnte.

P.S.

Sollte es irgendwo ein harmloser Hartzvierling von einem Lottorausch angesteckt sein und nach Italien trampen, so nölt ihr euch (Stichwort: Sozialneid nach unten) auf das Gründlichste darüber aus.

Wirklich: Was genau hat die rechtslibertären Blogger politisch so kaputt gemacht? War es ein misslungener Steuerbetrugsversuch, der euch in den geistigen Ruin - und fortan in Hassgefühle gegenüber Transferempfänger (letzes Beispiel: Christiana) trieb? Ihr versteht grundlegend nicht, dass gönnen können seitens von Wohlhabenden und vom Schicksal Privilegierten besonders ggüber sozial Schwachen eine liberale Haltung ist - und auch darum eine sozialstaatliche Staatspolitik eine Selbstverständlichkeit ist?

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Noergler, was du in deiner Konzentration auf deinen Tonfall ("unser Foster" u.ä.) nicht bemerkst, ist, dass _du_ derjenige bist, der das bewusste Argument gebracht hast. Aber ich zweifle nicht daran, dass es genug Leute gibt, die dir abkaufen, dass du das nur vorgeblich getan hast, nicht weil du es vertrittst, nein, sondern nur um zu kritisieren, dass andere es vertreten. Wie konnte ich anderes auch nur annehmen, nur wegen deiner Wortwahl. Die war natürlich nur vorgeschoben.

Aber falls es sich dabei wider Erwarten tatsächlich nur um einen Fall von - von mir nichterkanntem - Sarkasmus halten sollte, obwohl die weitere Diskussion etwas anderes nahelegt, dann bedaure ich das sehr.

Aber interessant ist es immerhin zu sehen, wie du reagierst, wenn du nach einer Begründung deiner eigenen Ansicht gefragt wirst, während du nebenbei von A verlangst, sich für die Ansichten von B (in diesem Fall: eines früheren Reichskanzlers) zu rechtfertigen. So als ob es irgendwas zwischen extrem unwahrscheinlich und vollkommen unvorstellbar wäre, mit diesem nicht einer Meinung zu sein, und sei es nur jetzt, etliche Jahrzehnte später.

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Ich weiß nicht, Foster, warum Du Hektikflecken kriegst. Ich habe überhaupt nicht "argumentiert" oder eine "Meinung" vertreten, sondern nur die Feststellung getroffen, dass Sozialleistungen der Befriedung dienen. Wozu sollen sie denn sonst da sein?

Das ist nicht stets von Erpressung begleitet. Daher habe ich von Erpressung auch nicht gesprochen.
Allerdings riecht der eine oder andere Hartz 4-Aspekt durchaus recht streng danach. "Sie unterschreiben oder werden obdachlos" ist die "Drohung mit einem empfindlichen Übel", wie es im einschlägigen § 253 des Strafgesetzbuches zum Erpressungstatbestand heißt.

Es gibt auch systematisierte Vorgänge in den ARGEn, die sind schlimmer als Schutzgelderpressung. Während nämlich der durch das organisierte Verbrechen erpreßte Gastwirt weiß: bei Wohlverhalten, nämlich Zahlung, passiert mir nichts, verfügt der Hartz 4-Empfänger nicht über diese Verläßlicheit. Vor kurzem wurde bekannt, dass es in den ARGEn Rennlisten gibt, wer die meisten Sperrungen ausspricht. So werden flächendeckend rechtswidrige Willkürakte zu Lasten von H4-Empängern durchgeführt, die nichts falsch gemacht haben.

Vielleicht sollte man ja doch den Staat durch die Mafia ersetzen.

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Na ja, zumindest versteht die was vom Geschäft.Und die Diskussion über das Gewaltmonopol krankt daran, dass nicht besprochen wird, was denn von Gewalt und Monopolen an sich zu halten sei. Oder auch: Der Staat diskutiert nicht über Gewalt, er übt sie aus und gießt sie in Gesetze. Wo Leute stehen, die sie ausüben und ausserhalb der Gesetze sich befinden oder solche, die darüber diskutieren und vielleicht gar nicht gewalttätig sind, aber die Gesetze nicht anerkennen wäre ja eine interessante Frage.

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@rayson: Nicht Du, nicht Stefanolix, auch nicht Broder hat gefordert, Christiania zu räumen, aber gefordert wurde es in Eurem Kommentarbereich schon, u.a. von R.A.. Es stand nicht im Mittelpunkt der Diskussion, kam aber dort vor. Das wirst Du nicht abstreiten können. Und der Anspruch, eine Sezession müsste in dem Sinne wirtschaftlich erfolgreich sein, dass sie nicht von Transferleistungen abhängig ist legt die Messlatte verkehrt an. Warum sollten denn Bezieher von Renten, Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe nicht in Christiania wohnen, wenn es ihnen dort gut gefällt? Muss sich eine Aussteiger-Kommune an den volkswirtschaftlichen Kriterien eines souveränen Staates messen lassen, wobei selbst die es in der Praxis nicht so richtig hinkriegen?

Im Übrigen gibt es Anarchokommunen, die sich ökonomisch selber tragen, z.B. die Kommune auf Burg Lutter am Barenberge.

Und erst gestern kam im Fernsehen etwas über eine Großkommune in Brandenburg., die sich ebenfalls selber finanziert.

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Mit dem was du "knallharten Anti-Imperialismus" nennst kommt man halt auch nicht weiter.
Kein Mensch hindert sich geschickt anstellende Entwicklungsländer an eben der Entwicklung. Sah man doch jetzt wieder mit den chinesischen Solar-Anbietern.
Für sogenannte Entwicklungsländer eröffnen sich auch mit der zunehmenden out-sourcebarkeit von spezialisierten (und relativ gut bezahlten) Dienstleistungen ganz neue Möglichkeiten. Das ist wirklich sehr real.

Rohstoffe erzielen - wegen dem Durchmarsch Indiens und Chinas - zur Zeit trotz Krise der traditionellen Industrie-Länder wirklich hohe Preise.

Man sollte diese Debatte von dem Aufbau von Sozialstandards INNERHALB der Länder trennen. Da sehe ich eher das Problem.

Interessant ist auch der extrem vielschichtige Mapuche-Konflikt in Chile, aber das versuch ich später.

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Deine Perspektive ist aber auch immer nur eine Schwellenland-Perspektive. Erzähl das doch mal jemandem aus dem Tschad oder aus Papua-Neuguinea. Oder, Stichwort "Rohstoffe", aus dem Kongo, wo das Coltan für unsere Handys unter Arbeitsbedingungen gewonnen wird, die den Vergleich mit Neuengamme oder Bergen-Belsen nahelegen (damit mir niemand nachsagen kann, ich würde inflationäre Auschwitz-Vergleiche anstrengen).


http://www.epo.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4109:coltan-sklavenarbeit-im-kongo-fuer-die-handy-industrie&catid=66&Itemid=120

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Bei Papua Neuguinea bin ich mir nicht so sicher, aber bezüglich Tschad und Kongo ist es wohl so, dass die politisch an den 30jährigen Krieg erinnernde Lage gewissen Konzernen eben auch "opportunities" bietet und weils eh keinen kümmert ist der "unstabile" Zustand halt stabil. Bin halt neben den "progressiven" auch gegen diese "markt-konformen" Verallgemeinerungen. Ein zu schwacher Staat ist halt auch übel. Selbst der Economist berichtet über das recht ernsthaften Durchgriffe von Rafael Correa in Ecuador sehr positiv.
Nur kann man das halt nicht auf die Meere des Südens verallgemeinern. Gibt halt inzwischen recht viele "Schwellenländer" und die Lage ist voller komplexer Details. Zum Beispiel ist es in Chile heute auch eine Forderung der Linken in Gestalt von Onimani und Teilen der Concertación, dass Anteile von Codelco an der Börse gehandelt werden.
Im wachsenden Lithium-Abbau baut der anti-imperialistisch auftretende Evo Morales stark auf die Investitionen von russischen und französischen Unternehmen, während die Nummer 2 Lagerstätte Chile (nach Bolivien) das mit internen Unternehmen durchziehen will. Vermutlich besitzt Bolivien dafür auch nicht die Kapazitäten, so dass die Lithium-Politiken beider Staaten rational sind.
Man kann halt aber auch nicht die übelsten Beispiele verallgemeinern (wie Coltan im Kongo).

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Verallgemeinern kann man gar nichts. Und wie gesagt vertrete ich diesen Haudraufundschlussantimperialismus gar nicht, sondern habe ihn nur als Figur gebraucht, weil er mir hervorragend ins satirische Konzept passte. Dass der Kapitalismus aber im Weltmaßstab ungeheure Zerstörungen anrichtet wird sich wohl kaum bestreiten lassen. Und Dr. Dean streitet einfach ab, dass es heutzutage überhaupt noch imperialistische/neokoloniale Strukturen gibt und rechnet die Bedeutung internationaler Abhängigkeitsverhältnisse klein (z.B. bezogen auf den prozentualen Anteil aus Entwicklungsländern importierter Rohstoffe), weil nur so sein Konzept eines irgendwo im politischen Diskurs der 50er Jahre verankerten Linksliberalismus aufgeht.

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Und Dr. Dean streitet einfach ab, dass es heutzutage überhaupt noch imperialistische/neokoloniale Strukturen gibt
Irrtum. Lies es nochmal neu.
und rechnet die Bedeutung internationaler Abhängigkeitsverhältnisse klein (z.B. bezogen auf den prozentualen Anteil aus Entwicklungsländern importierter Rohstoffe),
Weil es sein muss. Ein rationaler Diskurs muss immer genau hinschauen - wenn eine der Lieblingsthesen von "antiimperialen" Linken nicht stimmt: Dann muss man das sagen können - und im Gegenzug dann fragen, was stimmt.

Auch insofern kann ich mit Salts Anmerkungen viel anfangen - ich finde das instruktiv - und freue mich immer wieder, wenn er hier kommentiert.

P.S.
Meine etwas (u.a. um Klassenbewusstsein) zugespitzte Version eines Linksliberalismus hat viele Quellen, aber seine seiner Wurzeln in den 20er Jahren - nicht in den 50ern.

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Und Du schaust eben nicht genau hin. Beantworte mir doch mal die Frage, wieviele Magnetspulen heute in Deutschland gewickelt werden.

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Die Lage wird auf circa 120 Ebenen verstärkt unübersichtlich. Zwischen Ländern und innerhalb von multi-ethnischen Ländern. Und dann werden traditionell weiß dominierte Staaten immer multi-ethnischer, die USA wohl nachhaltiger als Europa. Und dann sinkt noch die ethnische Segregation in vielen multi-ethnischen Ländern. In der Región del Bio Bio (VIII Region) lebten die Weißen etwa traditionell in Städten wie Chillán, Concepción und Los Angeles. Das Land blieb aber ethnisch relativ indianisch. Nun gibts aber einen Abfluß aus dem Land in die Stadt und die Abgrenzung der Stadtviertel nach ethnischen Gesichtspunkten ist - ausserhalb einer dünnen Schicht von wirklich Reichen - unmöglich. Die wichtigste Motivation für Binnenmigration besteht in besseren Schulen für die Kinder.
Mein spontan spaß-an-der-Freud organisiertes Fußballcamp für 5 bis 8 jährige nach Kindergarten/Schule in den letzten Wochen war jedenfalls rein optisch ultra-gemischt indianisch-mestizisch-weiß.
Natürlich gibts einen chilenischen Rassismus. Aber eher wie es einen deutschen Rassismus gibt. Die Enttäuschten neigen eher dazu. In meiner Nachbarschaft hab ich davon nichts gemerkt. Eben auch weil die Mittelschicht ethnisch deutlich mestizisch dominiert ist. Nimmt man die Qualität des fast immer vorhandene Auto als Indikator für materiellen Wohlstand dann kann man davon in keinster Weise auf das ethnische Aussehen schließen.

Der Mapuche Konflikt eine Region südlich ist auch sehr unübersichtlich. Das Gebiet wurde erst 1881-85 "befriedet" (auch Indianer-Vertreter benutzen dieses Wort für die Besetzung der Aracaunia). Gab militärische Aktionen und das "befriedete" Land wurde dann v.a. an in der Schweiz, Frankreich, Deutschland angeworbenen Siedlern übergeben. Die Mapuche behielten einen kümmerlichen Rest.
Nun wurde das Land in den 60ern und v.a. unter Allende an die Mapuche zurückgegeben. Diese bewirtschafteten es aber deutlich extensiver. Unter Pin8 wurde dann vieles wieder an die ehemaligen Weißen zurückgegeben. Seit ca. 1995 kauft nun eine staatliche Agentur namens CONADI das Land wieder zurück (so teuer ist es nicht). Einige radikale Mapuche-Gruppen "helfen" dem Prozeß mit gewalttätigen Aktionen nach (Überfälle mit Schußwaffen ohne Tote, Abbrennen von Ställen, Häusern, etc.). Die Siedler neigen nach dem 50zigsten (keine Übertreibung) irgendwann auf. Nun wird aber das übergebene Land wiederum oft sehr extensiv bewirtschaftet und CONADI setzt nur sehr beschränkte Mittel zur Fortbildung der neuen Eigentümer ein (und Chilenen sind ansonsten eigentlich große Freunde von staatlich geförderten Fortbildungen). Die Mapuche leben also z.T. in ihren traditionellen Rucas (und es regnet dort in Herbst/Winter viel und lange) u.a. gemeinsam mit staatlich/ausländisch (gering) finanzierten aus- und inländischen Ethnologen. Nun sind aber im Verlauf der Jahre und verstärkt seit der Re-Demokratisierung immer mehr Mapuche in andere Gegenden des Landes gezogen, weil die Aracaunia nämlich die ärmste Provinz des Landes ist. Investitionen finden kaum statt. Und unter den Mapuche bilden sich langsam auch immer mehr Gruppen, die oft in Kooperation mit externen Investoren in Richtung einer intensiveren Bewirtschaftung arbeiten.
Der sehr redegewandte und ziemlich sympathische Haupt-Vertreter in nationalen und inter-nationalen Gremien der Mapuche fordert darüber hinaus die Akzeptanz der Mapuche als eigene Nation innerhalb Chiles, das selbstständig mit der Außenwelt verhandeln kann. Als Beispiel nennt er die Nicaraguensische Pazifik-Küste und Grönland. Das sind aber ethnisch recht homogen besiedelte Gebiete, in der niemals eine erwähnenswerte weiße Besiedlung stattgefunden hat -> In Grönland sind ja sogar Wikinger von Eskimos verdrängt worden.

Der ganze Konflikt wird sehr ernsthaft in den Medien diskutiert. Weniger im Süden aber vor allem in Santiago gibts unter Weißen auch recht viel Sympathie für die Mapuche. Im insgesamt ärmeren Süden gibts auch Sympathie von wegen dass die Mapuche ja die eigentlichen Süd-Chilenen sind und es traurig ist, dass sich diese Kultur langsam auflösen wird. Die Behinderung für die kommerzielle Entwicklung der Region wird aber eben auch sehr kritisch gesehen. Von den Mapuche selbst offenbar auch, da viele halt aus den Rucas in die Städte gehen oder versuchen, das Land moderner zu nutzen.
In den letzten 20 Monaten sind bei den häufigen Besetzungen 2 Mapuche und kein Weißer getötet worden. AI beklagt eine Kriminalisierung des Konfliktes durch den chilenischen Staat, da eben auch Prozesse wegen Überfälle mit Schußwaffen und Abfackeln von Gebäuden und sonstigen Zeugs angestrengt werden.
Die Überfälle sind aber mit den Gesetzen des chilenischen Staats nicht wirklich vereinbar.

Im recht liberal-konservativen Mercurio finden sich Forderungen, dass die Mapuche-Kultur popularisiert werden soll. Dies hat angeblich in Neuseeland zu einem stärkeren Respekt gegenüber der Maori Kultur geführt. In den 80ern, btw. Einer wohl überdurchschnittlich neoliberalen Phase Neuseelands.

Eine De-Kolonialisierung in einem einmal eindeutig kolonialisierten Gebiet ist nicht einfach. Es finden halt eine Menge dynamischer Prozesse auch innerhalb der nativen Gruppe statt und so einem Farmer vertreibst du auch nicht so einfach von einem z.T. über Generationen vererbten Landes.
In den letzten wirklichen Indianergebieten am Amazonas werden Weiße überhaupt nicht mehr reingelassen, damit die ohne Kulturkontakt weiterleben können.

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... und mit den Rohstoffen ist das auch schwierig.
Zum einem gibts bei hohen Preisen ein empirisch recht gut nachweisbares Dutch Disease Problem.
Die hohen Löhne im exportorientierten Rohstoffsektor eine Erhöhung der Löhne insgesamt. Damit wird oft eine Diversifizierung der Wirtschaft eher behindert. In Zeiten der niedrigen Ölpreise, bildete sich in Venezuela eine gewisse Produktion an Textilien, Elektrotechnik und Autozulieferung. Das ist nicht mehr (z.T. wohl auch politisch verursacht). Nur noch Erdöl.
Es benötigt eine gewisse Regulations-politische Reife, um diesem Prozeß irgendwie zu konterkarieren. Oder die Gewinne aus dem Exportsektor fließen einer recht eng begrenzten Elite zu. Auch hier benötigt die Gesellschaft eine regulations-politische Reife. In Ländern wie Norwegen werden die Gewinne halt gerechter verteilt als in Nigeria oder in Venezuela (vor und während Chavez).
Und wie gesagt sind die Rohstoffpreise dank des Aufstiegs Chinas und Indiens im historischen Vergleich eher hoch. Sächsische Produzenten von Solaranlagen können die Preise eben auch nicht bestimmen. In den 20ern waren Agrarländer wie Argentinien oder Uruguay reicher als das Industrieland Deutschland. Die aktuelle argentinische Regierung erhebt Exportsteuern auf Agrar-Exporte. Gibts für deutsche Industrie-Exporte nicht. Das Problem von Agrar-Ländern ist wohl eher, dass dieses Business zu einer äußerst ungleichen Verteilung der Gewinne innerhalb des Business neigt. Ebenfalls in Rohstoffsektor. Arme Proletarier findest du in Chile unter den Bauarbeitern oder den Arbeitern in der stark saisonalen Landwirtschaft. Ganz sicher nicht im Kupfer.
Entwickeltere Länder wie Norwegen tun sich deutlichst einfacher die negativen Effekte auf Verteilung und sonstige Industrien durch Rohstoff-Renten zu konterkarieren als wenns vor den Rohstoffunden eine Subsistenzwirtschaft gab.

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Eine sehr interessante und kenntnisreiche Beschreibung, heißen Dank dafür! Das meint aber nicht eigentlich die Stoßrichtung meiner Argumentation gegenüber Dr. Dean und widerspricht ihr auch nicht. Was ich meine ist etwas ganz Anderes. Hängt mit den Bewegungsgesetzen des Kapitals zusammen: Ohne sich mit dem Wertgesetz und dem tendenziellen Fall der Profitrate im Weltmaßstab beschäftigt zu haben wird die ganze Entwicklung nicht erklärbar. Es hat auch wenig Erklärungswert, sich nur damit zu befassen, wie hoch die Quote an aus Entwicklungsländern importierten Rohstoffen ist. Sondern es müsste jeder Produktionsschritt, jede Dienstleistung mit eingerechnet werden, die aus Industrieländern in Länder mit Billiglohnproduktion ausgelagert wird und die Produktionskostenersparnis für die überwiegend in Industrieländern beheimateten Unternehmen dadurch, bis zu den Kosten jeder einzelnen Arbeitsstunde. Die Rechnung wäre komplett, wenn man den Unterschied zwischen den anzunehmenden Produktionskosten bei einer in jedem einzelnen untergeordneten Fertigungsschritt stattfindenden Herstellung in Ländern wie Deutschland, Frankeich oder USA und der internationalen Arbeitsteilung, wie sie stattfindet bilanzieren würde. Hinzu kommen der Einsatz multilateraler Abhängigkeitsverhältnisse als Herrschaftsinstrument. Ägypten war einmal die Kornkammer des Nahen Ostens. Nach dem Abkommen von Camp David wurden dort so riesige Anbauflächen an US-Firmen für den Baumwollanbau verpachtet oder verkauft, dass dies nicht unwesentlich dazu beitrug, dass Ägypten auf Weizenimporte aus den USA angewiesen ist. In US-Think-Tanks wird ganz offen vom Einsatz der "Weizen-Waffe" zum Erhalt von Abhängigkeitsverhältnissen gesprochen. Gleichzeitig konnten die Lohnforderungen von US-Landarbeitern mit den Hungerlöhnen der Fellahi unterlaufen werden. Zwei Fliegen mit einer Klappe.

Und um das Alles zu verstehen kann ich nur wirklich empfehlen, mal Marx zu lesen. Und wem das zu langatmig ist, zum Einstieg wenigstens mal das aktuelle "Zeit Geschichte" - Heft zum Thema.

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[quote]
jede Dienstleistung mit eingerechnet werden, die aus Industrieländern in Länder mit Billiglohnproduktion ausgelagert wird und die Produktionskostenersparnis für die überwiegend in Industrieländern beheimateten Unternehmen dadurch, bis zu den Kosten jeder einzelnen Arbeitsstunde.
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Der alte supply side economics Trick besteht hier darin, auf die dynamischen Aspekte zu verweisen. Mit dem outsourcing findet ja in weniger entwickelten Ländern ein Lernprozeß statt. Outsourcing von Dienstleistungen hat nun in Chile exportmässig den Umfang des Wein-Geschäfts erreicht. Die dort arbeitenden Leute äußern sich privat und über Medien deutlich positiv über den dadurch verursachten Modernitätsschub im Hinblick auf Management-Methoden und Aufgabenstellungen. Exakt wie ich es etwa in der Slowakischen Republik erlebt hab. Dort hab ich für eine Zeit mal tatsächlich vor Ort als zugekaufter Spezialexperte in so einem Projekt gearbeitet und dann auch immer wieder in Projekten von solchen Leuten aus Deutschland heraus sowie auch innerhalb der IBM als von denen Zugekaufter.
Sicherlich läßt sich das nicht grundsätzlich verallgemeinern, aber dort gabs keine klare Zuordnung, dass Personen aus "Billigloghnländern" repetitive Tätigkeiten durchführen und die aus Hochlohnländern die komplexeren.
Und die Marken aus nicht-klassischen Industrieländern werden weiter an Einfluß gewinnen. Hyundai wird heute nicht mehr als Schrott-Marke wahrgenommen. Cherry irgendwann auch nicht mehr. Angesichts der in vielen Schwellenländern real existierenden Bildungsoffensive wird sich dieser Prozeß beschleunigen. Traditionelle Industrieunternehmen folgen verstärkt ihren Märkten. Und die wachsen halt schneller im Süden.
Und dein ägyptisches Weizen-Argument müßte auch mal untersucht werden. US-Firmen pachten ganz sicher kein Land in Ägypten. Vielmehr werden sie Baumwolle von dort importieren. Vielleicht ist die Qualität der dortigen Baumwolle besonders gut. Ich hab letztens Bettbezüge aus ägyptischer Baumwolle gekauft und die sind wirklich klasse. Weizen muß ja auch nicht von der USA bezogen werden. Dafür gibts einen Weltmarkt. Chiles bereits im 18. Jahrhundert existierender Wein-Export hat im 20. Jahrhundert lange darunter gelitten, dass in den 30ern (unter einer kurzen kommunistischen Militärregierung) ein fortan gültiges gutgemeintes Gesetz erlassen wurde, dass den Anbau von Wein auf bereits bestehende Weinanbauflächen beschränkte. In der VIII. Region wird etwa Weide-Land durch Export-Obst ersetzt. Was ist schlimm daran, Äpfel nach Europa zu verkaufen und dafür kostengünstigeres Rindfleisch aus Argentinien/Uruguay/Südbrasilien zu importieren, das qualitativ für mich nicht merkbar schlechter als das chilenische ist (obwohls viele behaupten).
Nix gegen Denker des 19. Jahrhunderts, aber Marx ist ganz sicher nicht hinreichend zur Erklärung einer komplexen Realität. Gerad in diesem Nord-Süd-Ding.
Wie gesagt: Das eigentliche Problem mit der Landwirtschaft im gesamten Cono Sur besteht meiner Ansicht nach eher darin, dass die zu einem nicht kleinen Teil auf Großgrundbesitz und Saison-Arbeit beruht. Die Äpfelflückerinnen haben den ca. 7 Monaten ohne Beschäftigung in der Landwirtschaft nur die Wahl als Haushaltshilfe in der nächsten größeren Stadt zu arbeiten.
Es gibt weitere Einschränkungen auf dem Land: Kenn ein Paar, das aus dem natur-schönen Los Lleuques weggezogen ist, OBWOHL die einen BESSER bezahlten Volljahres-Job im Tourismus hatten, weil die wollten, das ihre Kinder eine bessere Schule als sie selbst besuchen. Für die Landschulen ist es nach wie vor schwierig, geeignetes Personal zu finden.

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Du beschreibst die dynamisierenden Auswirkungen der Weiterentwicklung des Kapitalismus im Weltmaßstab vornehmlich in den Ländern der (oft-bald-nicht-mehr) Peripherie, ich einerseits die Ursachen, andererseits die Schattenseiten. Das ist zwar nicht aneinander vorbei- aber auch nicht am gleichen Strang diskutiert. Au! Die Muskeln und die Schürfwunden schmerzen. Zuviel geklettert. Gute Nacht!

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