Samstag, 16. April 2011
Was ist an Comedy komisch oder Abgesang der Hochkomik
Was heute so unter Comedy grassiert ist ja überwiegend schlimm und peinlich. Einen Mario Barth, einen Ditsche, die Dreisten Drei, aber auch Volker Pispers kann ich alle nur sehr bedingt komisch finden und sehne mich zurück nach dem, was in den Siebziger Jahren "Kaputter Humor" genannt wurde. Wobei heute ja niemand mehr auf dem Schirm hat, dass diese Form der humoristischen deutschen Kleinkunst sozusagen zum Spin-Off der APO gehörte. Also, Schobert&Black, Ulrich Roski ("Ich werd Dir Ringe um die Beine schweißen dass Dich nicht die Schweine beißen", ein Liebeslied), Insterburg&Co, das waren Leute, die den ironisch-satirischen Humor der frühen Spontis und des noch früheren Berliner Blues auf die Bühne brachten, alle über die Reinhard Mey Show ins Fernsehen kamen (Kaum vorstellbar, dass der seine eigene Show hatte) und eng mit traditionslinken Liedermachern wie Hannes Wader und Franz Josef Degenhard verbandelt waren. Auch die Titanic- und Pardon-Redaktionen entstammten einem ähnlichen Umfeld, und die Titanic-Mannschaft schrieb die Drehbücher von Otto Waalkes. Und was "Neue Frankfurter Schule" bedeutet ist wahrscheinlich längst verschüttet....

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Ich finde aber grade in den letzten jahren hat sich im Zuge der "Anstalt" im ZDF (ausgerechnet da!) doch einiges getan. Schramm, Priol Pelzig und Co schaffen es doch auf ne sehr amüsante Art und Weise zu provozieren.
In der traditionsreichen ARD werden offenbar nur bei den WDR-Mitternachtsspitzen die Fahnen hochgehalten, sonst läuft da nur Kacke: Bei Dieter Nuhrs "Satiregipfel" gehts fleissig gegen Hartz-IV-Empfänger nachdem der fiese Richling seinerseits alle Hildebrandschen Traditionen über Bord geworfen hatte. Fehlt eigentlich nur der Schulterschluss mit BILD. Es ist schon erstaunlich, wie man es dort geschafft hat, das Kabarett zu beerdigen.

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Klar, Priol, Schramm und Konsorten (übrigens Lieblinge des Noerglers) sind einsame Spitze, ganz ohne Frage. Dennoch vermisse ich den sogenannten Blödelhumor ("Es waren zwei Ritter, zwei Edle vom Dorf, der eine war kahl und der andre voll Schorf. Der Kahle hieß Karl und war von listigem Mut, der andre war blöde, man nannte ihn Knud. Die zwei sahen eines Tags die Tochter des Grafen und konnten fortan ohne sie nicht mehr schlafen." "Johann Jakob Wendehals ist ein Vertreter des Kleinwürgertums. Sein bester Freund wohnte in einem großen Haus gegenüber dem Friedhof. Jetzt wohnt sein bester Freund gegenüber dem großen Haus."). Diese Mischung aus Wortwitz und anarchischer Weltsicht, dieses absichtlich-chaotische war damals ganz entscheidend, und das fehlt heute. Dazu kommt, dass diese Kleinkunst damals durchaus auf einem umfangreichen theoretischen Fundament basierte. Das war ja nicht nur einfach kommerzieller Spaß, sondern verstand sich als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, als eine Art auf die Bühne gelangter Situationismus.

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Die 'Anstalt' hatte für mich, obwohl ich Georg Schramm sehr verehre, hier einen Höhepunkt erreicht, der alles Nachfolgende wie laues Geplätscher erscheinen ließ.
Und vielen Dank für die Erinnerung an die 'Ritter'!

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Ja, das war schon ganz ganz groß.

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ansonsten grossartig und von heute - Mitchell & Webb: http://www.youtube.com/watch?v=XnLVQylARRQ & http://www.youtube.com/watch?v=uoZ71sj3Kn0

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Supi, wobei mich der erste Strip wiederum an den vom Ghostgiver (Gastgeber, Alte Göttinger Schule) erwähnten Otto erinnert: "Der Song handelt von einem Mann, der mit einem halben Hähnchen unterm Arm in die Tierklinik spaziert und fragt: Ist da noch was zu retten?"

British humour ist ja die Quelle von all dem.

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und wär käme jetzt nicht darauf, dass brit*innen gut zu vögeln sind?

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Heiße zwar nicht Britta, bin aber gut zu Vögeln (hidden link).

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Gerade einmal 2 Stunden in Berlin, dem Flieger entstiegen, den Koffer gut in einem abgelegenen Zimmer versteckt und erst die Post, dann die einschlägigen Blogs kursorisch durchgegangen, lese ich zum Auftakt diese Zeilen zum Humor und freue mich darüber. Im Grunde ist dies ein ganz wichtiges Thema, welches an das Projekt von Alterbolschewik anzuschließen wäre.

„Und was ‚Neue Frankfurter Schule‘ bedeutet ist wahrscheinlich längst verschüttet....“

Mitnichten. Und wenn andere ihre Briefmarken- oder Plattensammlungen präsentierten und vor dem oder vor der Geliebten renommierten, konnte ich der einen und der anderen Exfreundin meine schöne Titanic-Heftesammlung aus den 80ern vorführen.

Und als sie, die eine sie, bei dem Rösner/Degowski-Bild samt den zwei Geiseln im Auto in Köln mit dem passenden Titel „Abba ist wieder da“ in ein lautes Lachen ausbrach, wußte ich: das ist die Richtige für mich: die junge Sekretärin aus der Abteilung Marketing.

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Unvergeßlich auch Meyers Dampfkapelle: Ich mag so gern am Fließband stehn, es fließt so schön und bleibt nicht stehn und alles was ich mies fand, zerfließt für mich am Fließband, so schön ich das und dies fand, am schönsten ist's am Fließband...

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Das geht dann allerdings schon Richtung Geier Sturzflug "Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt."

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Es gab eher die Richtung vor. Der Sänger war übrigens der noch sehr junge Hans Scheibner.

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Was macht den speziellen Humor der Neuen Frankfurter Schule eigentlich genau aus?

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Die hatten im Ursprung eine Witztheorie, die tatsächlich an Adorno anknüpfte. Die ging vom nicht-affirmativen Witz aus. Vordergründig frauenfeindliche oder rassistische Cartoons sollten eigentlich mal die eigene Klientel, d.h. die Linke treffen: Man lacht da gerade über etwas, das mit den eigenen Wertmaßstäben eigentlich unvereinbar ist, und das Lachen soll im Halse stecken bleiben. Wenn Sondermann zum "Negerschrubben" geschickt wurde, Gedenksteine für Doppelnamen errichtet wurden oder Kinderliebe als Sex mit Kindern dargestellt wurde ging es genau darum. Dass das dann zum "Weißen Neger Wumbaba" verflacht wurde ist eine andere Geschichte, aber ursprünglich steckte da eine radikal aufklärerische, antidiskrimierende Haltung hinter. Auch schon wieder Geschichte - es merkt niemand mehr, und Leute wie Droste haben das gründlich umgedreht.

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Degowski übrigens lieferte eine unfreiwillige Satire, als er zur Begründung der Geiselaktion sagte "Tot ist besser als wie ohne Geld." Was ich wiederum von einem Knastologen habe, der auch andere wunderschöne Stories hatte wie die, dass in der Elwe in Kassel (JVA) mal zwischen Weihnachten und Neujahr die Heizung ausfiel, die Häftlinge deswegen protestierten und ein Wärter meinte, die Wachstube sei ja noch beheizt, ihm wäre egal, wie es den "asozialen" Eingeknasteten ginge und sein Zellengenosse sagte: "Pass mal auf. Wegen mir liegen 8 Leute auf dem Friedhof. Du bist der neunte, wenn es heute nicht wieder warm wird." Eine Stunde später funktionierte die Heizung. Gutes Zureden hilft. Der Zellengenosse läuft wieder frei rum, mit chirurgisch neuorganisierten Gesichtszügen: Zeugenschutzprogramm. Er hatte Killer vermittelt und Täter wie Auftraggeber benannt. So ne Agentur halt. Such is Capitalism.

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Da kann man nur sagen: alte Titanic-Hefte durchblättern (keine Sorge, ich führe Dir nicht meine Sammlung vor, das wäre billige Anmache, nachdem ich meine Tricks bereits verriet.) bzw. die Zeichnungen vom wunderbaren Bernd Pfarr, von Bernstein oder Gernhardt anschauen, die Kurzgeschichten von Gernhardt sowie die Bücher von Henscheid lesen, denn erklären kann man es im Grunde nicht. Obwohl Du mich damit allerdings auf eine Projektidee brachtest.

Ein Buchtitel wie „Die Blusen des Böhmen“ zeigen, wie auch ches Beispiele, aufs schönste, was gemeint ist. Lustvolle Satire, die nicht nur moralisiert, bekehren und belehren will, sondern Reflexions- und Phantasiekräfte freisetzt, dabei auch, aber nicht nur politisch im Sinne der Kritik des Bestehenden ist.

Der Traditionsstränge im Hinblick auf die NFS sind viele: das geht von Wilhelm Busch (den ich wenig schätze, Gernhardt jedoch sehr) bis hin zum Dada oder den Montagen John Heartfields. Genauso sind Heine und Tucholsky dabei, ebenfalls Karl Kraus. (Siehe dazu etwa die Sprachkritik in „Briefe an die Leser“.)

Es reicht diese Neue Frankfurter Schule von der Blödelei, dem genialen Nonsens, wie che das schrieb, bis hin zur bitteren Satire: etwa das lustige Abba-Bild oder der Kruzifix aus Metall mit der Unterschrift: „Ich war eine Weißblechdose“. Aber auch die Buntstiftwette bei „Wetten-daß“ gehört dazu. (Interessant dabei auch zu sehen, worüber manche sich in der BRD empören und vorüber eher nicht.)

Das zentrale Motto der NFS mag wohl lauten: „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche“. Das Bild dazu gibt es hier:

https://www.titanic-magazin.de/shop/index.php?action=showdetails&from=list&pageNr=1&productId=3fddac4bc06b7

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dachte immer, der Spruch sei von Rösner und nicht von Degowski

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