Dienstag, 30. August 2011
Bedeutet Gaddafis Sturz die Machtübernahme von Al Kaida?
http://www.ngo-online.de/2011/08/28/libya-durch-nato-zur-macht/

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Es gibt also in Lybien Rebellen die auch schon von den Amis festgenommen und gefoltert wurden und teilweise in Guantanamo saßen. Das müssen natürlich Al-Kaida-Leute sein, weil die USA ja niemals Unschuldige so behandeln würden. Und wissen tut das alles ein brasilianischer Reporter, der es einem russischen Fernsehsender erzählt.
Sorry, das ist mir dann doch auch zu dünn in der Logik.
Aber wahrscheinlich sind solche Meldungen auch nur die Vorbereitung dafür das "wir" da unten mit NATO-Truppen rein müssen, weil der Muslim (böse, liegt im Gen) sonst einen Gottesstaat errichtet.

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Wobei man allerdings davon ausgehen müsste, dass NATO und Al Kaida automatisch Gegenspieler sind. Kann ja auch sein, dass Ägypten so verwirrend war, wie ja auch die Reaktionen zeigten, dass man ein wenig Al Kaida mal wieder ganz gut gebrauchen kann - die war ja schon nützlich bei der Legitimation des Irak- wie auch des Afghanistan-Krieges. Erstaunlich nützlich. Die NATO ist ein Interessenverband, nicht eine humanistische Organisation.

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Launiger Kommentar hierzu:


http://www.broeckers.com/2011/08/28/al-qaida-kommandiert-tripolis/

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Nach dem Anschlag in Nairobi sagte Clinton: "Ich werde die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen!"
Das war schon erstaunlich, weil Einige davon gerade um ihn herumstanden. Ohne CIA, NSA und parallele Geheimdienste (seht mal Marathon-Man) gäbe es weder Taliban noch Al Kaida.

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Zettel denkt sicher ähnlich
Man kann doch nicht von EINZELNEN Mitgliedern eines Umsturzes auf das Ergebnis desselben schliessen. Die progressiven Entwicklungen unserer eigenen Geschichte wurden doch auch mit oft sehr merkwürdigen Koalitionen herbeigeführt. Der Code Napoleon kam mit dem gleichnamigen Feldherrn, der kein netter war.

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Nein, ganz im Kontrast dazu stehen die Rätestrukturen, die sich - trotz Monarchistenhochburg - in Bengasi gebildet hatten. Aber der Umschwung Richtung Islamismus ist eine der möglichen Zukünfte, die Libyen bevorstehen kann.


Btw. im Iran hatte 1979 die westliche Linke an den Vorabend eines blockfreien Sozialismus geglaubt.

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Aufstände werden immer von wechselnden Koalitionen getragen. Neue Gruppen hängen sich dran, bestehende Führer radikalisieren oder werden kompromißbereiter, die Öffentlichkeit ermüdet oder gewinnt an Fahrt.

Hervorragender Boden für Klagen des Revolutionsverrats.
Gut zu beobachten auch in den chilenischen Aufständen. Die sich als Anarchisten bezeichnenden radikalsten (und oft sehr hellsichtigen) Köpfe beginnen nun den Studentenverband scharf zu kritisieren, weil die anfangen, mit der Regierung zu verhandeln.

In den Aufständen wirkt es für eine Zeit immer, dass der Himmel sperrangelweit offenstände. Irgendwann setzt sich aber eine Richtung durch oder der Aufstand ermüdet an der fortschreitenden Fraktionierung.
Ich denke, in Iran besass Khomeni 1979 ebenso eine Mehrheit wie Castro 1958 auf Kuba. Das bedeutet natürlich nicht, dass in Ägypten, Libyen oder in Syrien jetzt - und insbesondere nach den nicht sehr überzeugenden Ergebnissen der iranischen Revolution - die Islamisten ebenfalls die Mehrheit hätten.

Eine endlose Prolongierung des libyschen Bürgerkrieges hätte möglicherweise so Dschihadisten mit Kriegserfahrung sogar noch gestärkt. "Der Westen" greift da immer in die Speichen eines sehr komplexen Systems mit unkontrollierbaren Seiteneffekten. Und die Qualität "unserer" Agenten der Eingriffe in die Meere des Südens bleibt halt fragwürdig. Siehe auch Tim Weinerts CIA Buch.

Insgesamt sehe ich starke Gemeinsamkeiten und gegenseitige Inspirationen in den Aufständen in Tunesien, Ägypten, Griechenland, Spanien, Syrien, Libyen und Chile. Und in all diesen dominiert eine eher bürgerliche und keine proletarische Komponente.

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Sagen wir mal: Eine bürgerliche und eine subproletarische Komponente, ganz wie 1830 in Europa. By the way, nach vielen Jahren, seit denen Du hier kommentierst, will ich mal anmerken, dass Du regelmäßig sehr kundig, reflektiert, informiert und überlegt hier Beiträge beisteuerst, wie ich sie bei vielen ehemaligen MitstreiterInnen, die ich mit diesem Blog ursprünglich ansprechen wollte eher vermisse. Danke!

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Danke, der netten Worte.
Meine Motivation hat natürlich einen tragischen Hintergrund. Meine starke Verbundenheit mit gewissen Leuten und Chile und meine Unfähigkeit trotz hohen Aufwand inklusive langer Aufenthalte dort einen adäquat bezahlten Job zu finden. Nun wars sehr knapp, ist aber letztlich doch gescheitert und ich werd langsam zu alt für die stunts, zumal ich in Deutschland keine größeren Probleme mit diesem Arbeitsding hab. Soweit dazu, was die von mir stets verteidigte Globalisierung eigentlich für mich tut ;-)

Glaub nicht, dass das Subproletariat in einem Land mit einem Pro-Kopf Einkommen wie Libyen wirklich so überragend ist. In Chile schätze ich den Anteil auf vielleicht 20% und das ist einem sozial sicher ungerechteren Land als Libyen. BIP/Kopf PPP sind Chile und Libyen quasi Nachbarn (Libyen: 14.000 $, Chile 15.400 $). Beide Länder legen Wert auf Schulbildung auch für die Armen.

Im Themenpark des chilenischen politischen Denkens spielt das Subproletariat eine prominente Rolle. Bezeichnet mit politisch nicht wirklich stubenreinen Begriffen wie bis in die Diktatur "roto", heute "flaite" (von engl. fly, wegen der ihrer Begeisterung für Drogen) und mehr soziologisch "el lumpen" (von deutsch: Lumpenproletariat). Sie können aber nicht Träger des in Chile zur Zeit sehr realen Aufstands sein. Selbst die 18-jährigen im Hungerstreik in den z.T. sicher marginalisierten öffentlichen Schulen gehören sozial nicht in den flaite-Quadranten. Ein Umsturz benötigt auch immer die Affirmation zu etwas besseren. Die flaites (auch die in England vor 4 Wochen) sind einfach zu nihilistisch, um da eine Basis zu bilden. Es gibt unter den chilenischen Anarchisten Referenzen als den flaite, der nix zu verlieren hat, voller Wut ist und somit das die klar faschistischen Wurzeln des heutigen chilenischen System zu Staub zertrümmern könnte. Für realistisch halten die das selber nicht.
Hier versucht ein Ingeniörs-Student im letzten Studienjahr aus der Position eines "flaite educado" zu argumentieren (wird kaum einer verstehen)
http://www.youtube.com/watch?v=C9QE6kDuWfg&feature=related
Funktioniert auch nicht, weil diese Art des ethisch bindungslosen Nihilismus einfach keine Massenwirkung hat. Letztlich ist das neoliberal: Vereinbarungen mit Politikern ist nicht zu trauen, also kämpfen wir rein für die Geldsummen an die Universitäten.

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Die "Flaite Educados" nennen sich in Griechenland "Generation 400 Euro", weil sie nicht glauben, im Leben nochmal jemals mehr zu verdienen, bilden die Basis der dortigen Autonomen und sind überwiegend Studierte in Tagelöhnerjobs im Tourismus und der Landwirtschaft. Das waren die, die mit Riots die Unruhen in Griechenland auslösten, nachdem Polizisten einen Jugendlichen erschossen hatten.

Btw bedaure ja für Dich, dass das nicht geklappt hat. Ein DCT-Freund, der Pathologe, jobbt ja seit Jahren in ständig wechselnden Ländern, wobei er sich dieses Leben ursprünglich nicht ausgesucht hat. Fluch und Segen der Globalisierung...

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Studierte mit 400 Euro im Monat sind in Chile normalos. Nicht ganz. Sagen wir studiert und 450 bis 900 Euros. Bei inzwischen kaum mehr niedrigen Lebenshaltungskosten als in Deutschland (Miete, Essen, Dienstleistungen deutlich günstiger, aber Strom, Wasser und v.a. Konsumentenkredite, Gesundheitswesen teurer).
Angesichts der Akademikerschwemme (50% des aktuellen Jahrgangs besuchen eine Universität) werden die Löhne in vielen Sektor trotz Wirtschaftswachstum nicht steigen.
Das ist der Hintergrund und die Ursache, dass ich für die Fortführung der Aufstände leider recht optimistisch bin.

Und wenn du in Chile arm bist, wirst du in einem Ausmass wie der letzte Dreck behandelst wie wir es uns in Deutschland nicht vorstellen können. Ich hab in einem öffentlichen Krankenhaus für eine sehr kranke bald 70-jährige mit öffentlicher Krankenversicherung 4 Stunden für eine Unterschrift für ein lebenserhaltendes Medikament angestanden, bis ein vorbeirauschender Arzt sich mal erbarmte, vermutlich auch, weil ich als halbwegs chilenisch sprechender 1,92 m großer gringo einfach auffiehl. Ich bin da ja extra hingegangen, weil die Tochter 2 Tage vorher gar nicht bedient wurde. Und unendlich viel traurigere Geschichten von Freunden - oft mit Kindern - vermittelten mir, dass riesige Lücken in sozialen Sicherheitsnetzen eben auch als "strukturelle Gewalt" bezeichnet werden kann.
Sehr schade, dass Du und viele Leser dieses blogs es sprachlich nicht richtig verfolgen können, aber in Chile wird der Neoliberalismus gerade in den Köpfen begraben. Und es wird sehr spannend sein, was sich daraus in den nächsten Monaten und Jahren entwickelt.

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