Sonntag, 20. Mai 2012
Das Szene-Museum
Als vor gut einem halben Jahr in einer erstaunlichen Übersprungshandlung Momorulez mit mir und auch gleich noch meinen näheren StammkommentatorInnen gebrochen hatte geschah das unter Anderem mit dem Hinweis, mein Blog sei museal und ich befasse mich nur mit meiner eigenen Vergangenheit von vor 20 jahren bzw. der der entsprechenden Politszene, Netbitch hingegen verlangte "mehr Musealität". Nun geschieht mein Mich-Befassen mit länger zurückliegenden Entwicklungen keineswegs nur oder überwiegend aus Nostalgie (dass die eine Rolle spielt streite ich nicht ab, steht aber nicht im Focus), sondern, weil ich aufzeigen will, dass ein er Teil der Gründe für die politische Isolation und Bedeutungslosigkeit der derzeitigen radikalen Linken in Deutschland auf Probleme und Verhaltensweisen zurückzuführen ist, die seit 30 Jahren immergleich sind, wenn an der Oberfläche auch das Erscheinungsbild wechselt (also: Mal Ökofundamentalismus, mal ein verbissen-dogmatischer, über jedes Ziel hinausschießender Antisexismus, mal Veganismus, mal Antideutschtum, saisonale Kollektivmuster des Zwanghaften). Um jetzt aber dem geäußerten Wunsch nach Musealität mal so richtig nachzukommen veröffentliche ich von nun an in Fortsetzungskaiteln einen weitgehend autobiografischen Roman, der in den frühen Neunzigern spielt und das damals aktuelle Gesicht der autonomen Szene Norddeutschlands zum Inhalt ab.


Also, Vorhang auf zum ersten Akt:



Wahnsinn und Verstand

Ein Schelmenroman aus der autonomen Szene


Knapp daneben ist auch vorbei
"Also, ich arbeite jetzt in der Nahost-Gruppe mit und in einem eher informellen Zusammenhang, der die Frente Polisario unterstützt. Der Henning aus meiner WG macht da auch mit.""Mit wem wohnst du denn noch zusammen?" "Mit Heike, die macht sehr viel im Frauen-Lesbenzentrum, und mit Kalle, das ist der Bruder von Henning. Völlig unpolitisch - na ja, was heißt völlig...also, der ist in keiner Gruppe." "Und was macht er sonst so?" fragt Britt betont gelangweilt und streicht sich über die lange, dunkle Mähne. Alfie sieht den Zaunpfahl nicht und seiert munter weiter. "Der studiert Chemie, will mal was im Umweltbereich machen und ist ein begnadeter Trinker. Außerdem von kolossaler Wirkung bei der weiblichen Belegschaft..." Es liegt Britt auf der Zunge, "Du mit Sicherheit nicht!" zu antworten, aber sie schluckt es runter. Stattdessen hört sie zunehmend genervt Alfies Monolog zu. Seine WG interessiert sie offen gestanden überhaupt nicht, ebensowenig wie die Tatsache, daß dort Kalles bester Freund Bernie ständig rumhängt und Heike und Henning mit seinen uninteressanten Geschichten nervt - "Ob die noch uninteressanter sind als die von Alfie?" ertappt sich Britt. Das kann doch echt nicht warstein! Da war sie dem Kerl von Hamburg bis in diese mittlere Universitätsstadt nachgefahren, weil sie auf ihn scharf war. Nicht gerade schwer verliebt, aber es prickelte schon ganz ordentlich. Und was tut der Knülch? Geht mit ihr in diese völlig überfüllte Studikneipe, säuft ein Bier nach drei nächsten und labert ihr den Kopf mit lauter Sachen voll, die alle mit ihr nicht das Geringste zu tun haben und mit ihm nur am Rande. Eine Mischung aus allgemeinem Szene-Klimbim und etwas, das mensch normalerweise small talk nennen würde, wenn es nicht über Stunden ausgewalzt wäre. Und er gibt ihr keine Chance, ihn mal für länger zu unterbrechen und zum Wesentlichen zu kommen. Als Britt, irgendwann in Kragenplatznähe angelangt, einwirft: "Männer sind Scheiße!" , bringt Alfie es glatt, das Gespräch (wenn sein Geschwalle denn so genannt werden soll) in Richtung Patriarchatsdebatte weiterzuführen, obwohl sie das nun überhaupt nicht gemeint hat. Es hilft nichts, er ist breit.
Aber halt, ehe ich fortfahre, stelle ich dem lesenden Publikum lieber die dramatis personae einmal selber vor. Alfie ist, wie sich eben gezeigt hat, dazu im Moment nicht in der Lage, und Britt fehlt zur Zeit noch der Überblick. Beginnen wir also mit Alfie, der sich zu seinem Leidwesen gerade auf eine für ihn unvorteilhafte Weise eingeführt hat, aber gar nicht mal so übel drauf ist.
Es wird dem Leser und der Leserin nicht verborgen geblieben sein, daß er ein Linker ist; um genau zu sein, ein Autonomer. Er ist so um die Dreißig, eher klein als groß, von schlanker Gestalt, dunkelblond mit ewigem Drei-Tage-Bart und liegt gerade in den letzten Zügen seines endlos ausgedehnten Politologie- und Sozialpsychologiestudiums. Er hat so Einiges hinter sich. Zum Einen hat er verdammt viele politische Kämpfe mitgemacht, hat noch die Endphase der Spontibewegung und das Emporkommen der Autonomen erlebt und in den letzten Jahren einige Federn lassen müssen. Zwei Strafverfahren, das eine politisch, das andere wegen Dope, waren zwar glimpflich für ihn ausgegangen, hatten ihm aber viel Streß gemacht, vor Allem, da er erfahren mußte, daß es mit der vielbeschworenen Solidarität bei vielen GenossInnen nicht so doll aussah. In beiden Fällen waren Gerüchteküchen angeheizt worden, die innerhalb kürzester Zeit jeweils einen Personenkreis von über Hundert Leuten, die Alfie größtenteils gerade mal vom Sehen kannte, mit äußerst interessanten und abenteuerlichen Versionen des tatsächlichen Geschehens vertraut gemacht hatten, die sich nicht nur gegenseitig ausschlossen, sondern Alfie quasi als Schwerkriminellen dastehen ließen. Um seine eigene, zeitweise ins Paranoide abgleitende Angst vor den Folgen hatte sich keine Sau geschert; wie auch, die ganze Rumerzählerei war für allzu Viele eine Art Gesellschaftsspiel gewesen, um sich wichtig zu machen, hauptsächlich für jene, die sich selber nie so weit vorgewagt hatten wie Alfie.
Aus alldem hat er für sich die Konsequenz gezogen, sich lieber dreimal zu überlegen, bei was für Aktionen er noch mitmacht, jedenfalls dann, wenn es ein ernsthaftes Kriminalisierungsrisiko gibt. Nichtdestoschnurz hat er ein ganz besonderes Talent dafür, an zum Teil völlig unerwarteten Orten immer wieder in die brenzligsten Situationen hineinzupurzeln. Seit der Trennung von Sabine, mit der Alfie eine lange und ziemlich fitte Beziehung hatte, hängt er emotional etwas durch. Es wäre zwar übertrieben, ihn als resigniert zu bezeichnen, aber ein Ausbund an Lebensfreude ist er auch nicht gerade, und er trinkt etwas viel.
Was Heike angeht, so ist diese nach außen hin, trotz kleiner, zierlicher Erscheinung, eine wandelnde Explosion an Energie, an Power, Wut, Schmerz, Lust, Action und revolutionärem Elan; so heftig, daß ihre Umgebung sie oft als nervend und überdreht erlebt, andererseits auch gerne bewundernd auf einen imaginären Thron hievt.
Während Alfie sich neben ihr oft als blaß und farblos erlebt (was er überhaupt nicht nötig hätte) und als Schlaffi oder, unhöflicher gesprochen, als kleiner Wichser vorkommt, beneidet sie ihn ihrerseits um seine Fähigkeit, sich ausklinken und gehenlassen zu können. Das Verhältnis zwischen ihnen läßt sich fast als eine Geschwisterbeziehung beschreiben, in der beide das, was sie in sich nicht ausleben zu können glauben, ineinander hineinprojizieren. Die Straightness in Heikes Lebensstil hat Gründe, die nicht so schön sind. Sie kommt aus einer baptistischen Pastorenfamilie vom Lande, mit der sie sich so überworfen hat, daß ihre Eltern sie nicht mal mehr grüßen würden, wenn sie dazu denn Gelegenheit bekämen. Natürlich ist sie glühende Kirchenhasserin, so glühend, wie es nur Leute sein können, die den Mumpitz von innen kennen, ist bisexuell, war in der Schule bei den Falken, an der Uni (sie ist Nenn-Studentin, die sich aus kohlemäßigen Gründen immatrikuliert hat und von verschiedensten Jobs lebt) erst beim MSB, dann beim KB, hat irgendwann mit dem "marxistischen Krempel", wie sie es nennt, so erbarmungslos gebrochen, wie vorher mit der Religion - überflüssig zu sagen, daß sie ihn auch genauso dogmatisch vertreten hat - und versteht sich inzwischen als Anarcha-Feministin. Ja, und da eckt sie ständig an, weil ihre scharfe, fordernde Art aufzutreten in der Frauen-und-Lesben-Szene selten gut ankommt. Viele bezeichnen sie als "weiblichen Macker".
Sie und Alfie verstehen sich nicht zuletzt deswegen so gut, weil sie beide zwar in die Szene integriert sind und eine gewisse Rolle spielen, andererseits aber mit ihren Problemen oft ziemlich allein dastehen.
Henning und Kalle überspringen wir mal schnell, nicht, weil wir was gegen sie hätten, sondern einfach, weil es sehr viel konventionellere Persönlichkeiten sind, die in diesem Roman zwar nicht unbedeutende, aber sehr berechenbare Rollen spielen werden.
Stattdessen wenden wir uns einigen anderen Leuten zu, die im Leben unserer HeldInnen auch einen wichtigen Part einnehmen und die zu beschreiben viel mehr Spaß macht. Da wäre zum Beispiel Azad. Azad wird im Allgemeinen von Deutschen als Marokkaner bezeichnet, worauf er zwischen "etwas ungehalten" und "fuchsteufelswild" reagiert. Er ist SAHRAUI, mit anderen Worten, er kommt aus der Westsahara, die 1975 von Marokko besetzt wurde, und hat mit Marokko so viel zu tun wie ein Kurde mit der Türkei oder dem Irak oder ein Roma mit Rumänien oder Deutschland. Azad hat ein äußerst direktes Interesse, sich an linken Aktivitäten in der BRD zu beteiligen: Es ist das "Kanake", das ihm deutsche Arschgesichter nachrufen, es sind die deutschen Waffen, die seine Angehörigen getötet haben, es ist die Angst, selbst im Exil weiterhin verfolgt und terrorisiert zu werden, und es ist die Solidarität, die ihm einige Leute in Deutschland entgegenbringen. Wirkliche FreundInnen hat er auch unter diesen nur Wenige; Alfie und Heike sind die Wichtigsten davon. Über die Ängste, die deutsche Linke im Allgemeinen vor Bullenspitzeln oder gefährlichen Demosituationen haben, kann er meistens nur den Kopf schütteln; von Haus aus ist er Folterschergen, Panzer und Bomben gewohnt, politischer Kampf heißt für ihn in erster Linie bewaffneter Kampf.
In seinen Nächten verfolgen ihn oft genug Alpträume von Massakern, die er als Kind und Jugendlicher erlebt hat, und der abstrakte, theoretische Antiimperialismus deutscher Linker ist ihm nicht nachvollziehbar.
Ein völlig anderer Mensch ist Bernie, oder Bernward Baron von Battenberg, wie er mit vollem Namen heißt ("Ja, wir sind mit'm Adel da"- Zitat Alfie). Er ist, vorsichtig gesprochen, etwas seltsam; in klinischen Worten ein Zykloid-Schizoider, die Umgangssprache würde ihn als bescheuert oder durchgedreht bezeichnen. Zykloid zu sein bedeutet, sich im Vorstadium zum Manisch-Depressiven zu befinden, mit wechselnden, meist einige Wochen dauernden Phasen von gesteigerter Kreativität, hoher Konzentrationsfähigkeit und starker körperlicher Aktivität und gedämpfter Stimmung,totaler Zerstreutheit, gesteigertem Schlafbedürfnis und extremer Ängstlichkeit. Und schizoid zu sein heißt, eine unüberwindbare innere Mauer zwischen sich und der Außenwelt zu erleben, es nicht auszuhalten, alleine zu sein, und gleichzeitig in Gesellschaft anderer ständig fortlaufen zu wollen, Wahnvorstellungen und paranoide Schübe zu haben und gleichzeitig völlig logisch denken und zusammenhängend argumentieren zu können. Da er regelmäßig Tavor schluckt, glaubt Bernie, sich "im Griff" zu haben, und für seine Außenwelt, zumindest Diejenigen, die ihn nicht gut kennen, sieht das auch so aus. Tatsächlich rastet er alle paar Monate aus und rennt dann manisch tagelang durch die Gegend, ohne zu essen oder zu schlafen, wacht in fremden Betten auf, ohne sich daran erinnern zu können, wie er da gelandet ist, und beendet diesen flash regelmäßig mit einem Hörsturz, einem Kreislaufkollaps oder einem Verkehrsunfall. Da ein Teil dieser Ereignisse szeneweit bekannt ist, ohne daß Leute sich über den Hintergrund im Klaren sind, gilt er als wilder, abenteuerlicher Typ, der ein gefährliches Leben führt und zugleich ein Pechvogel ist.
Nun, da klar geworden ist, daß Heldenfiguren hier nicht vorkommen, sei gleich die Charakterisierung von Dorit angehängt, einer Frau, die für die Romanhandlung zwar nur streckenweise wichtig ist, mit der Heike sich aber permanent fetzt, und deren gänzlich unerfreuliche Persönlichkeit zu schildern dem Autor eine willkommene Gelegenheit gibt, endlich einmal so richtig bösartig zu sein. "Damals, in den Sechzigern, die sexuelle Revolution, das war ein grundsätzlicher Fehler. Die sogenannte sexuelle Befreiung hat nur das Patriarchat verschlimmert; wir wissen seitdem, daß hemmungsloses sexuelles Sich-Austoben mit erlaubter Untreue, offenen Beziehungen usw nur den Männern nützt und die Frauen zu umhergereichten Lustobjekten macht. Die Rockmusik hat diese sexuelle Revolution propagiert, aber damals konnte noch niemand die Folgen ahnen. Deswegen habe ich keine Probleme, die "Doors" zu hören, aber diese ganze moderne Hardrock- und Punk-Musik ist doch eklig sexistisch... Wer die "Scorpions" gut findet, hat für mich von der Patriarchatsdebatte nichts begriffen, und Metal-Bands haben meiner Meinung nach ein Rad ab!"
Die so spricht, ist weder eine Vertreterin der CDU-Frauenausschüsse noch ein Klischee-Blaustrumpf aus irgend einem flachen Film, sondern eben Dorit - Eine Frau, die sich laut eigenem Zeugnis als Feministin, undogmatische Linke und Ökosozialistin mit Berührung zu autonomen Positionen versteht.
Was Letztere angeht, erscheint es ihr allerdings nicht als logischer Widerspruch, politische Militanz auf der Straße, wenn sie nicht aus momentaner affektiver Betroffenheit heraus erfolgt, sondern geplant und vorbereitet ist, pauschal als "Machotum" zu bezeichnen, Militanz von radikalen Frauen und Lesben als "vermännlichtes Nachahm- und Abklatschverhalten"abzutun. Wer als Mann Filme wie "Highlander" oder "Terminator II" gut findet, Alice Cooper, Angelic Upstarts oder Kreator hört, ist ein Sexist, wer das als Frau tut, hat nichts begriffen, und intensive Beschäftigung mit Imperialismustheorien ist abzulehnen, weil mensch sich nicht um alles Elend in der Welt kümmern kann, ohne abzuticken. Was ihre Statements und Positionen angeht, ist sie ein rhetorisches Schnellfeuergewehr mit der Zielgenauigkeit eines weiträumigen Regentiefs.
Einzige gemeinsame Klammer ihrer wahrhaft tiefgehenden politischen Analyse ist die Verbindung aus einer puritanisch-protestantischen (Doppel-) Moral mit Versatzstücken aus allem Möglichen, was irgendwann einmal von "links" geäußert worden ist und einem diffusen Lebensgefühl, das besagt, daß Frauen bessere Menschen seien als Männer, da sie erstens emotionaler sind und tiefere Gefühle haben und zweitens immer als Opfer dastehen. Nach dem gleichen Muster sind Linke beiderlei Geschlechts bessere Menschen als Rechte.
Die Dorit'sche Ideologie läßt sich am Ehesten als eine Art Raritätenkabinett einer ländlich-fränkischen Lehrerstochter begreifen, in dem verschiedene Artikel wild und unsortiert durcheinanderstehen: Svende Merians "Tod des Märchenprinzen" und Andrea Dworkins Pornographiebuch, "Der kleine Prinz", "Das Dschungelbuch", der Knigge und der Öko-Knigge sowie Axel Springers frohe Botschaft "Seid nett zueinander!". Ein bißchen Kirchentags-friedensbewegtes weiches Wasser mit kostümmäßigem autonomen Outfit, Verbalradikalismus, dem Zeigefinger dominikanischer Moraltheologie und der Weltsicht eines Mädchenpensionats. Daß dieses Surrogat eines politischen Selbstverständnisses überhaupt zur Wirkung gelangen konnte, ist wohl einerseits darauf zurückzuführen, daß für die eigentlich unvereinbare Koppelung aus einer bruchlos kleinbürgerlich-akademischen Lebenskonzeption und der durch den Studienort bedingten sozialen Zugehörigkeit zu einem durch die autonome Szene geprägten Millieu eine passende Tünche gefunden werden mußte. Zum Anderen hat es aber auch mit dem teilweise bizarren Gesicht dieses Millieus zu tun. Wer dem Autor so langsam auf die Schliche zu kommen glaubt, hat richtig geraten: jede Ähnlichkeit der Charaktere dieses Romans mit tatsächlich lebenden Menschen und der geschilderten Ereignisse mit wirklichen Begebenheiten ist voll und ganz beabsichtigt. Freilich verfolgt der Autor keinerlei dokumentarische Ansprüche; hier wird fleißig überzeichnet, und zwar bis zur Kenntlichkeit.

Und um dies gleich fortzusetzen, werfen wir noch schnell einen Blick auf den jetzigen Typen von Alfies verflossener Sabine, Herbert, von Alfie stets "SDL" betitelt. Diese Abkürzung steht für "Sonderbar durchgeknallter Linker", und damit hat es durchaus seine Richtigkeit. Andererseits hat man es natürlich schon schwer in dieser Welt, besonders im Zeitalter der Wiedervereinigung. Als linker Mann mit antipatriarchalem Selbstverständnis ist man überall aufgefordert, notwendige Richtigstellungen zu leisten, also etwa anderen Leuten klarzumachen, daß die Vergewaltigungen deutscher Frauen durch Sowjetsoldaten eine faschistische Propagandalüge sind, die bis heute fortlebt, oder einem Freund, der die vielen Druck- und Stilfehler im Flugblatt einer Frauengruppe moniert, mit ernstem, würdevollem Blick und Weihwasser im Tonfall zu vertellen, daß Männer kein Recht hätten, Frauen für irgendetwas zu kritisieren.
Zum antipatriarchalen Selbstverständnis gehört es auch, jegliche eigene erotische Wahrnehmung von Frauen sich selbst zu verbieten. Ebenso ist es angesagt, jede Art von Erfolgserlebnis bei anderen Männern, wenn es ihm gegenüber geäußert wird, unabhängig davon, auf welchen Lebensbereich es sich bezieht, als machistisches Profilierungsverhalten zu denunzieren. Dafür bekommt er selber kaum etwas auf die Reihe und begreift dies als herrschaftsfreies und antiautoritäres Bewußtsein. Immerhin ist Herbert jemand, der in dem Ruf steht, ein theoretisch sehr gewiefter Linker zu sein, mit einem bevorzugt antipatriarchalen und internationalistischen Selbstverständnis. Außerdem gilt er als bisweilen zu Fanatismus neigender Streetfighter. Wenn wir etwas genauer hinschauen, reduziert sich das Theoriewissen allerdings auf die Kenntnis eines umfangreichen Schlagwortvokabulars, das eben auch zum Schlagen, nämlich zum argumentatorischen Aushebeln oder Unterstützen anderer Standpunkte benutzt wird, dies aus Gründen der Selbstdarstellung, nicht aus eigentlich politischen Motiven.
Auch der Internationalismus ist eine eher biographische Angelegenheit, bedingt durch längere Aufenthalte in Südafrika und einen Türkei-Urlaub, und heutzutage mit nichts Anderem ausgefüllt, als der regelmäßigen Lektüre der "Blätter des Informationszentrums 3.Welt", während er sich um die Unterstützungsarbeit für AsylbewerberInnen in seiner eigenen Stadt einen Scheißdreck kümmert, bzw diese als "bürgerliche Sozialarbeit" abqualifiziert.
Was die Glaubwürdigkeit seines antipatriarchalen Anspruchs anbelangt, ist diese über jeden Zweifel erhaben: Immerhin ist Herbert bemüht, selbst im breitesten Biertischgespräch - und dies sind weitaus die meisten Gespräche, die er führt - ständig "mensch" und das große I mitzusprechen und Männer, die das nicht tun, darob sehr zu tadeln. Dabei geht er so weit, bei anstehenden Aktionen zu fragen:"Welche will das machen?", wobei aber "Wer will das machen?" gemeint ist, Männer also mit einbezogen sind. Daß ein derartiger "Feminist" nicht mehr die Zeit hat, groß darüber nachzudenken, was sein eigenes Beziehungs- und Sexualverhalten, etwa, wenn dieses von Frauen kritisiert wird, mit den vertretenen Ansprüchen zu tun hat, versteht sich bei all dem Aufwand von selbst - man, oh pardon, mensch kann sich ja nicht um alles kümmern!
In seiner Freizeit ist er gern künstlerisch tätig, etwa, indem er auf Addressenlisten mit dem Kuli abspritzende Penisse neben die Namen von Genossinnen zeichnet. Der militante Fanatismus macht sich in erster Linie an dem fast stets getragenen wildentschlossenen Gesichtsausdruck, der schwarzen Kluft mit dem Palituch und dem coolen Blick fest, doch wird er auch gelegentlich auf Demos gesehen, nie hingegen in inhaltlich arbeitenden Gruppen. Wahrscheinlich ist seine eigene politische Tätigkeit, von der eigentlich niemand etwas Genaues weiß, zu subversiv, um sie der Szene-Öffentlichkeit auszusetzen. Es spricht für die Konsequenz, Ernsthaftigkeit und menschliche Reife seiner politischen Gesinnung, daß er in überzeugender Manier bemüht ist, seinen Alltag auf selbstbestimmte Art und Weise zu gestalten. Den ja eh systemstabilisierenden Tätigkeiten berufstätiger Bekannter hält er das Argument entgegen, daß er sich nicht von einer Firma, Redaktion oder Uni seinen Tagesablauf vorschreiben liesse. Der Seinige wird ausschließlich von den Firmen Becks und Jever bestimmt. Bevor wir also die Erzählung fortsetzen, wünschen wir Herbert noch ein deutliches "Prost"!




Oh, jetzt haben wir uns aber verplaudert! Britt und Alfie haben die Kneipe längst verlassen und sind mittlerweile in Alfies WG angelangt, wo sie mit Heike, Henning und Kalle am Küchentisch sitzen. Während Alfie, angeschlagen von den Bieren, inzwischen nicht mehr der Gesprächigste ist, unterhalten die Anderen sich blendend, speziell Henning und Britt. Wäre Alfie nüchtern, würde ihm die besondere Aufmerksamkeit, die Henning ihr zuwendet, verdächtig vorkommen, aber so merkt er nicht mehr allzuviel. Britt erzählt gerade einen Teil ihrer Lebensgeschichte. "Also, ich komme eigentlich aus Kassel," berichtet sie gerade, "und bin nach Hamburg gegangen, um zu studieren - ach quatsch, um von meinen parents wegzukommen und aus dieser Scheißstadt Kassel und meinem damaligen Exfreund." So, jetzt ist sie dran. Endlich. Wohltuend, das, vor allem, da zumindest Henning und Heike mit ehrlichem Interesse zuhören. Hätte Alfie vorhin alles haben können, und mehr als das, wenn er mal zwischendurch abgesetzt hätte - sowohl mit Reden als auch mit Trinken. Im Unterschied zu ihm versteht sie, spannend zu erzählen. "Das Studium hab ich dann nach zwei Semestern geschmissen.No bock at all. Hab dann ne Buchhandelslehre gemacht und zwei Jahre in nem Frauenbuchladen gearbeitet, was ganz geil war." "Und warum hast du da aufgehört?" will Heike wissen. Britt muß grinsen. "Also erstmal hängt das mit der Huren-WG zusammen, in der ich damals wohnte..." Geschafft! Die Gesichtszüge entgleisen für einen Augenblick! Sie hatte darauf gelauert, aber es macht ihr nichts aus, im Gegenteil, sie genießt solche Situationen. "Huren-WG? Wie soll ich das verstehen?" "Ganz einfach ." erwidert Britt. "Das ist Bestandteil meiner abenteuerlichen WG- Karriere. Die erste WG, in der ich in Hamburg gewohnt hab', war ein Haufen von Leuten, die sich jeden Abend bis zum Abwinken vollkifften und sonst nichts auf die Reihe bekamen-außer Joyriding mit auf die Schnelle geknackten Autos. Der Haufen wurde mir zu stressig, und ich wohnte 'ne Weile alleine, ungefähr 'n halbes Jahr, wurde mir aber wiederum zu öde. Na, und dann kam die Huren-WG. Ich war eigentlich auf der Suche nach einer Frauen-WG und hab''n entsprechenden Aushang gemacht, aber das wurde wohl mißverstanden. Jedenfalls meldeten sich nach 'ner Weile 'n paar Frauen bei mir, die wollten, daß ich mich bei ihnen vorstelle.
Das tat ich auch, wir fanden uns gegenseitig auf Anhieb sympathisch, und ich zog da ein. Was ablief, bekam ich erst mit, nachdem ich schon ein paar Tage da wohnte."
"Das ist doch nicht dein Ernst!" mault Henning. "Sowas merkt man doch!" "Ob mann das merkt, weiß ich nicht," erwidert Britt,"aber ich brauchte jedenfalls ne Weile, bis ich das gerallt hatte. Das war auch irgendwo alles 'n Riesenmißverständnis; die Frauen hatten jedenfalls alle gedacht, daß ich Bescheid wüßte. Also, die WG war so eine Art inoffizielles selbstverwaltetes Puff, wo die Frauen sich die Männer aussuchen konnten und die ganzen SM-Teile draußen blieben. Und natürlich ohne Typen dabei, obwohl die Luden wußten, daß es den Laden gab. Die haben die Frauen aber in Ruhe gelassen, und die haben mit einer Straightness und einem Selbstbewußtsein ihr Ding durchgezogen, das war echt bewundernswert." Jetzt reicht es Heike. "Sag mal, spinnst du? Was redest'n da für 'ne Scheiße?" platzt es aus ihr heraus. "Du erzählst das in einem Tonfall, gerade so, als ob du von 'nem Frauenprojekt reden würdest. Huren, die für Geld von 'nem Scheißmacker die Beine breit machen!" Britt grinst wieder, diesmal mit einem fast bösartigen Funkeln in den Augen. "Siehst du? Solche Reaktionen hatten die in dem Frauenbuchladen auch, nur heftiger. Ich behaupte ja nicht, daß diese Huren irgendetwas gemacht haben, was ich gut finde im Sinne von vorbildlich, was ich mir auch vorstellen könnte oder so...Aber sie haben eine Art von Lebenspower gehabt, die ich bewundert hab'. Im Übrigen: Alle Lohnarbeit ist Prostitution." "Guck dir mal die Frauen von 'Hydra` an oder Pieke Biermann", kommt ihr Henning zu Hilfe das ist doch Beispiel für Huren, die sich organisieren und Forderungen stellen, und sowas könnte die Kieze zum Tanzen bringen!" "Weiß ich selbst, danke, braucht mir kein Mann zu erklären." meint Heike etwas frostig. "Find' ich auch erstmal okay, aber mit denen zusammen wohnen, ohne dazu zu gehören, und dannoch in 'nem Frauenbuchladen arbeiten...also, da hattest du echt 'ne heftige Mischung gewählt, Alte!" Und jetzt grinst Britt ausgesprochen freundlich; in diesem Augenblick wird ihr klar, daß sie sich mit Heike wunderbar verstehen könnte. Manche Sachen kommen einfach nonverbal rüber, oder schwingen so nebenher im Gesprochenen mit und sind arschklar.
"Wenn du in Hamburg wohnst, weißt du sicher auch, wo es da gutes Dope gibt." meldet sich Kalle zu Wort. "Seit Alfie in der Hinsicht ein kleines Problem hatte, sitzen wir nämlich auf dem Trockenen."
"Sicher!" erwidert Britt lachend und schüttelt ihre dunkle Mähne durch die Gegend. "Zumindest für den heutigen Abend kann ich euch 1a) versorgen." Sprichts und holt eine mit kunstvollen Arabesken verzierte Metalldose aus der Lederjacke. "Wer will?" - Natürlich wollen alle, auch Alfie, der für diesen himmlischen, ach was, geradezu transgalaktischen Schimmelafghan (!) eigentlich schon längst viel zu weit jenseits von Blitz und Donner ist. Nach den ersten intensiven Zügen aus der von Heike gebauten Tüte hat er nur noch Interesse für Britts Beine, besser gesagt, was darüber ist, nämlich ihre knallbunt gemusterten Leggings. -Um Mißverständnisse zu vermeiden, dies ist kein erotisches Interesse. Angeknallt wie er ist, verfolgen seine Blicke nur die Linienmuster auf ihrer Hose, die sich für ihn im Rhythmus der aus der Anlage kommenden Blue-Oyster-Cult-Musik bewegen und auf mehreren Ebenen hintereinander im Raum staffeln. Allerdings bekommt er das Gespräch der Anderen noch sehr gut mit, ohne jedoch selber sein Scherflein beisteuern zu können - und was da gesagt wird, nähert sich ebenfalls verdächtig schnell dem neunzigsten Breitengrad. So begründet Kalle gerade, wieso Selbstmitleid die Zärtlichkeit der Autisten sei, während Heike Britt in eine Diskussion über die Lösung der Männerfrage zu ziehen versucht und Henning ständig nachfragt, ob er irgendetwas im Gespräch nicht verstanden habe. Britt hört sich das an, lacht zwischendurch von Zeit zu Zeit ab und denkt sich ihr Teil. Sie kann wesentlich mehr ab als der Rest und läßt sich von lächerlichen anderthalb Gramm, die in dieser Nacht bewältigt werden, nicht sonderlich beeindrucken. Das hat immerhin auch den Vorteil, daß sie es sich, als die Runde am Ende ist, in Hennings Bett bequem machen kann, während dieser erstaunlich lange - etwa eine dreiviertel Stunde - auf dem Klo verbringt und der Rest schon weggeratzt ist.
Oyhoiyoi, und der Kater am Morgen! As heavy as a tomcat - pardon, hangover - can be! Und was heißt hier Morgen, mittlerer Nachmittag! Alfie ist schwer gedengelt, als er sich aus dem Bett quält und unter die Dusche torkelt. Als er beim "Frühstück" - er stückt früh, während Heike gerade zum dritten Mal am Tag Kaffee trinkt - erfährt, daß Henning mit Britt nach Hamburg gefahren ist und die beiden wohl auch eine sehr nette Restnacht zusammen verbracht haben, wird ihm manches klar, was er eigentlich ohne Weiteres auch vorher hätte kapieren und in seinem Sinne beeinflussen können. Und da Heike das auch weiß, schmeißt sie in den Raum: "Wer zu breit kommt, den bestraft das Leben!"

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Schön ist es, wenn man über sich selber lachen kann
Na, der Einstieg kommt mir seltsam bekannt vor;-)

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Ein gutes Museum
– und Ches Text ist ein solches – legt die Dinge nicht museal ab, sondern erhellt deren Bedeutung für die Gegenwart. Der Text setzt in einem historischen Augenblick ein, der für mich der Übergang in die ganz andere Welt des Broterwerbs war. Das Geschilderte hatte ich seinen Anfängen nach gerade noch so am Rande mitbekommen. Die „Roaring Seventies“, auch meine, waren Anfang der 80er vorbei.

Der geschilderte Alk-Mißbrauch oder sonstiger Drogenmißbrauch wurde schon vor der Mitte der 70er endemisch. Die Gründe dafür waren politischer Natur. –

Wer glaubt. „Dorit“ sei nicht mehr steigerungsfühig, betrachte jene Person, die ich als Isquierda, die Irre aus dem Internet bezeichne: I. ist die in die Potenz erhobene D. Alle Doritismen sind vorhanden, ergänzt noch um einen Gebärdogmatismus, der eine katholische Landfrau der 50er Jahre konsterniert hätte, eine brutalstmögliche Fortpflanzungsidolatrie, welche ihrer schönen Ergänzung durch die Abwertung von Schwulen nicht entbehrt. Frauen, die es aus Spaß am Vögeln tun, nennt sie „Huren“, wobei das für sie ein Schimpfwort ist. Egal ob SpaßfickerInen, SexarbeiterInnen, Schwule oder Lesben – wer es ohne Zeugungsperspektive treibt, kriegt Isis Dreckkübel ab. I. ist die zur äußersten Konsequenz geführte D. (Das heißt nicht, dass auf ihrem Blog insgesamt nur Unsinn steht.)

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"Und schizoid zu sein heißt, eine unüberwindbare innere Mauer zwischen sich und der Außenwelt zu erleben, es nicht auszuhalten, alleine zu sein, und gleichzeitig in Gesellschaft anderer ständig fortlaufen zu wollen, Wahnvorstellungen und paranoide Schübe zu haben und gleichzeitig völlig logisch denken und zusammenhängend argumentieren zu können."

hm ich weiß ja nicht wieviel Wert du auf medizinische Korrektheit legst, aber das was du über Schizoidie schreibst, ist inhaltlich überwiegend falsch.

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Ich halte mich da überwiegend an diese Definition hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schizoide_Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung


Wobei ich zugebe, dass ich, vom Spezialthema Demenz abgesehen (als Angehöriger betroffen) vom aktuellen Stand in der Psychologie nicht viel verstehe, daher auch hinsichtlich der Psychopathologie auf dem Forschungsstand und der Teminologie der späten 70er, frühen 80er rekurriere, einer Zeit, in der ich selber eine Psychotherapie machte.

Sei als selber Betroffener bitte nicht böse, wenn ich da etwas beschreibe, was mit Dir gar nichts zu tun hat - das ist hier nur eine literarische Metapher, bei der es darum geht, wie ein eine bestimmte Szene mit Außenseitern umgeht.

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ICD und DSM - das ist so ne Sache ... (Und erst Webster´s !)
Die Handbücher scheinen mir, als ich mich mit ihnen mal beschäftigte, bedeutend unterschiedlich mit der Idee des Typisierens bzw. mit dem ja in beiden tatsächlich stattfindenden Typisieren umzugehen. Gerade mit dieser Definitionsform als Anstreichliste (wie bei Wicki) schien sich das deutsche nicht ganz zufriedengeben zu wollen. Das deutsche Handbuch schien mehr von einer reinen Typologie abzuweichen, etwa auch therapeutische Gesichtspunkte für "Formenkreise" miteinbeziehen zu wollen. Oder auch, dass etiologische Aspekte für eine Diagnose hinzugefügt werden.

Z.B las ich dort auch, dass Armut unter anderen ebenfalls als (Mit)Ursache in Betracht gezogen werden kann. - Eher ein work in progress, so schien es ...

Und das mit der Diagnostik in der Psychiatrie ist schon so eine Krux. Es stellt sich also die Frage nach der Systematik, mit der solche "Typisierungen" oder eben diagnostischen Handbücher verfasst werden. In der Zoologie und der Botanik gilt ja eine Taxonomie, die sich auf (genetische) Verwandheitsverhältnisse beschränkt, als die modernene (also die mit dem strengeren System). Es gilt, willkürliche Unterscheidungen zu vermeiden. (Desh. auch all das mit "Rasse" so ein Quatsch.) Mitllerweile gibt es ja sogar vielversprechende kognitivistische Ansätze, die sich Hoffnungen darauf mach(t)en, dass durch ihre Erkenntnisse (oder vielleicht doch mehr Hypothesen) sich in Zukunft neue, an therapeutischen Methoden orientierte, diagnostische Methoden entwickeln lassen könnten, die dadurch jedoch um Vieles an Aufwand unnötig machen würden, weil die Theorie so denkbar einfach sich darstellte.

Der Schatten dieser Typisierungs- Taxierens- und Kalssifizierungssucht, die sich nie klar macht, dass sie jetzt erst gerade ihren "Begriff" sich erst erschafft, zeigte sich eben auch in dieser Diskussion:

Der Siebzigerjahre-Horrorbegriff "Schizophrenie", der gerade seiner Vagheit wegen so einen Schrecken einflöste, vermochte offenbar sein Wirkungsfeld bis zu dem Wort "schizoid" auszudehnen, wo er aber nichts zu suchen hat.

Ähnlich verhält es sich übrigens mit "Psychose". Wie schrieb nicht Rainald Goetz noch so etwa in "Irre": "Die sind einfach irre!" - Wobei natürlich das Irrewerden an irren oder zumindest verirrten Begriffen die Leute nur noch umso irrer gemacht hat.

Ich persönlich finde immer noch die Definition aus meinem geliebten Webster´s am Schönsten., offenbar ohne jede Typisierungs-Pedanterie, ohne Ankreutz-Formulare (denn schließlich müsse es für eine Diagnosis klare Kriterien geben), schreibt man unbekümmert angesichts der Tatsache, dass nun ihrerseits eine Anzahl von zu definierenden Begriffen dastehen, einfach:

"characterized by a personality exhibiting shyness, oversensibility, daydreaming, avoidenz of competition or close relationships with people, and often eccentric behauvior (herf. von mir)." Webster´s New Encyclopedic Dictionary - *New Revised Edition 1996* - , 1639 S., Umschlag, Dünndruckj, bei Karstadt für 15 Mark.

Also, ich dachte immer, die anderen alle seien verrückt! Wenn´s das als Diagnose zu haben gibt, dann besorge ich mir gleich ne Plakette!

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Als ich diesen Roman in den 1990ern in der Papierfassung schrieb kannte ich Einen, der seine Erlebnisweise so wie oben geschildert beschrieb. In der ersten Fassung bezeichnete ich das als zykloid-schizothym und legte das Manuskript einer Psychologin vor, die meinte, zykloid und Schizothym schlössen sich aus, der Formenkreis-Theorie folgend, aber zykloid-schizoid passe.

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ja, genauso mache es! Mobby Dick und Lord Jim werden Deine Paten sein!

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@Che:
Schon gut. Ich bin nicht verärgert, noch wollte ich so einen Aufriss starten. Der wikipedia-Artikel ist an sich sehr gut. Dass mit den Wahnvorstellungen ist nur etwas, was in der Form nicht stimmt. Dann wäre es eher eine akute Psychose oder Schizophrenie. Schizoid und schizophren wird leider häufig miteinander verwechselt. Dass mit dem Nicht-alleine-sein-können ist auch unglücklich und sehr missverständlich ausgedrückt. Wobei ich mir denken kann, wie das an der Stelle gemeint sein könnte. Paranoide Schübe sind auch nicht Kernmerkmal einer schizoiden PS. Es können in Einzelfällen aber paranoide Züge vorhanden sein, die sich aber nicht in einer handfesten Paranoia äußern, sondern eher in einem generellen Misstrauen anderen gegenüber. Deshalb verlässt man sich dann ja auch nur auf sich selbst und nicht auf andere.

Naja ich habe mich insofern vertan, weil ich davon ausgegangen bin, dass du eine schizoide Persönlichkeit(sstörung) (quasi in Reinform) meinst. Durch das "zykloid-schizoid" liegt ja eine Kombination vor; da ist die Sache dann nicht mehr so einfach und das Verhalten sicher nochmal anders. Naja und als Metapher ist eine astreine med. Beschreibung sicher auch nicht zwingend nötig.

Einen schönen Sonntag und weiterhin viel Spaß beim Bloggen.

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Dir auch;-)

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