Mittwoch, 18. Juli 2012
Randbemerkungen zum Thema Beschneidung
In dieser unsäglichen Debatte möchte ich mich gar nicht so genau festlegen - religiös bin ich nicht, halte religiöse Riten eigentlich ganz pauschal für Mumpitz, weiß nicht so genau, ob ich Beschneidung nun als gefährlichen und verachtenswerten Akt der Körperverletzung ansehen soll oder nicht, zu dieser Ambivalenz wurde andernorts ja auch schon viel gesagt: http://blog.katrin-roenicke.net/?p=1288


Allerdings scheint mir der Anlass selber nichts Anderes zu sein als ein Normalisierungsangriff gegen Muslime und Juden (letztere wohl eher als mitgemeinter Kollateralschaden), und das stimmt wirklich bedenklich. Schrittweiser Ausbau von staatlich organisiertem Rassismus. T.Albert hat dazu sehr klare Worte:


http://metalust.wordpress.com/2012/07/17/mehrheitsentscheidungen-demokratie-minderheitenschutz-und-die-religion/#comment-17134



"Das andere ist, dass mir einfach nicht klar wird, wie man sich dermassen aufgeregt um Angelegenheiten anderer Leute “kümmern” kann, die einen schlicht nichts angehen, auch nicht, ob einige Juden eine andere Auffassung zur Beschneidung äussern, die geht ja nicht an die Adresse unbschnittener christlicher oder antichristlicher Aufklärer, die unfähig sind sich zu reflektieren. Diese Unmenge an Äusserungen, die ich gelesen habe, zeigen ein gewalttätiges verhältnis zu anderen Menschen, die man eben am liebsten schreiend vertreibt oder ins Lager stecken will, sonst nichts. Wahrscheinlich weil sie denken, gleich kommen böse Juden und Moslems und schneiden mir was ab. Ein griechischer Unternehmer und Parlamentsabgeordneter hat ja kürzlich im griech. Parlament gesagt: Wir sind keine schwulen jüdischen Kommunisten! Da haben wir es doch." Ergänzung hierzu: Griechische Bullen sagten zu mir bekannten Punks, bevor sie die zusammenprügelten (inklusive Ppiercings inklusive Ohrläppchen, Nasenflügel usw,. ausreißen) "Ihr seid alles schwule Albaner, ihr verdient nicht zu leben!". Das möchte ich jetzt allerdings nicht als Griechenland-Spezifikum rausarbeiten, Toitschland ist schlimm genug.

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Ich halte die Argumentation von T. Albert (dessen postings ich generell schätze) hier für abwegig. Es geht bei dem Thema Beschneidung nur um eins: Um das Wohl des Kindes, eben nicht einfach um "die Angelegenheiten anderer Leute". Das ist einfach falsch. Der Minderheitenschutz wird in Bezug auf das Kind nicht gewährleistet.

Dass sich bei der aktuellen Debatte Rassisten einmischen, dass die die Debatte als Sprungbrett nutzen, ja, sicher, aber das ist doch bei allen Debatten dasselbe. Die NPD ist auch gegen Hartz IV, ja und? Soll man deshalb nicht mehr über Hartz IV diskutieren?

Beschneidung kleiner Kinder kann man durchaus als übergriffige Körperverletzung betrachten. Das sind Riten von jenen, die monotheistische Religionen hierarchisch, gewaltvoll und banal auslegen, das sollte man aus linker Perpsektive kritisieren. Wenn ein Rabbi meint, ohne Beschneidung könne ein Junge die Religion nicht ausüben, sei also ausgestoßen, dann kann man doch nicht ernsthaft folgern: Na, dann lass dich halt beschneiden!

Diese merkwürdige Vermischung von Gewalt, Übergriff auf das Intimste, Kontrolle von Sexualität, Präsentation des Pimmels als einem Machtgerät und so weiter sind unselige Traditionen, die diskutiert werden sollten. Da geht es nicht um ein Verbot, sondern um die Thematisierung des Problems. Es gibt sicher auch viele Juden und Moslems, die die Praxis scheiße finden, sich aber der sozialen Kontrolle beugen müssen. Aus linker Sicht die Beschneidung kleiner Jungs, die sich nicht wehren können, sich aber gerne wehren würden, zu unterstützen, nur weil man Angst hat, Rechte zu unterstützen, ist eine voremanzipatorische Position.

Wäre die Beschneidung kleiner Jungs nicht religiös motiviert, wäre sie schon längst nicht mehr akzeptiert, sondern würde als das betrachtet, was sie ist: eine repressive, sexuell motivierte Praxis. Vielleicht war das vor 3000 Jahren anders motiviert, eher hygienisch. Heute nicht.

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