Dienstag, 26. Februar 2013
Twitter ist wie die DDR
Katrin Rönicke mit einem Beitrag, der sehr schön auf den Punkt bringt, wie ein moralisierend aufgeladener, verschlagworteter Diskussionsstil Debatten zum Abstürzen bringt und Kommunikation tötet - auf diesem Blog und in der Nicht-Mehr-Nachbarschaft ja über Jahre immer wieder erlebt, dazu braucht es also gar nicht Twitter. Aber in der dort üblichen Kurzprosa ist das sicher noch viel krasser.


http://blogs.faz.net/wost/2013/02/21/twitter-ist-wie-die-ddr-21/


Hervorgehoben und voll zugestimmt:


"Was nämlich dabei verloren geht ist das Politische an sich: Pluralismus der Meinungen in einem öffentlichen Raum, natürlich auch Streit um Hegemonie, aber mit Respekt für die Andersdenkenden im Sinne Rosa Luxemburgs: Denn die Freiheit ist immer auch die Freiheit derer, denen ich widerspreche. Dazu gehören auch Kritikfähigkeit, Skepsis und Selbsthinterfragung – auch sie sind Kennzeichen des Politischen, wie wir es bei Hannah Arendt, Chantal Mouffe und auch Linda Zerilli finden. Das politische Streiten ist nicht selten ein kleiner Kampf um das bessere Argument. Und das sollte uns etwas wert sein! Umso schmerzlicher wird es, wenn Menschen, die dieses politische Streiten lieben und debattieren, an den Kopf geworfen wird, sie seien „zu dominant“. Wenn man ihnen den Mund verbietet mit der Begründung, sie sollten erst einmal ihre „Privilegien checken“ gehen. Für mich ist das Politische auch immer konfliktuell."


Und in diesem Sinne ist der Debattierstil, der bei der aktuellen Mädchenmannschaft und der Cloud an Blogs drumherum, zwischen St. Pauli und Wolkenkuckucksheim, bei RS usw. gepflegt wird entpolitisierend. Politische Debatten als eine Mischung aus moralischer Besserungsanstalt, Selbsthilfegruppe und Selbstdarstellung in Form des sich Überbietens in Distinktionsgewinnen, deren Inhalt ein moralisches Bessersein ist. Alles ja auch aus linken Zusammenhängen altbekannt, wo solche Leute, die zeitweise szeneprägend wirkten, "Die Dominikaner" genannt wurden. Wie in einem Orden strikter Observanz geht es auf manchen Sprachumschreibungs-Blogs auch zu.

BTW ausdrücklich nicht damit gemeint sind damit Versuche, Sprache tatsächlich ernsthaft neu zu erfinden wie z.B. durch die Einführung geschlechtsneutraler Personalpronomina, was mir Respekt abnötigt.

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Es ist halt so, dass man auf der Basis des von den angesprochenen vertretenen Relativismus („Den wissenschaftlichen Mythos der „Objektivität“ können wir getrost zu den Akten legen, denn es gibt ihn nicht. … Der Anspruch „Objektiv“ zu sein, ist immer ein wenig größenwahnsinnig, weil darin immer die Anmaßung mitschwingt, andere Menschen seien nicht objektiv.“ So Noah Sow, oder auch: „..dass es keine Machtbeziehung gibt, ohne dass sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert“, so Michel Foucault) eigentlich nicht moralisch oder gar politisch argumentieren kann. Wissenschaftliche oder generell objektive Wahrheit soll es nicht geben, was wahr und falsch ist, können wir nicht wissen. Aber was gut und böse ist, dass wissen wir nicht nur ganz genau, sondern wir wissen es so genau, dass wir darüber grundsätzlich nicht diskutieren müssen, und jeder, der irgendwelche Fragen in dieser Richtung stellt, disqualifiziert sich moralisch; er ist ein Rassist, Sexist oder sonst ein Schwein.

Die Welt wird sauber unterteilt in Gute und Böse, und die Bösen sind nicht böse, weil sie andere Interessen haben, oder die Realität anders sehen und interpretieren, sondern weil es eben ihr Wesen ist, so zu sein. Punkt, Schluss der Diskussion.

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Auch wenn Du das nie zur Kenntnis nimmst, der Dekonstruktivismus arbeitet zunächst einmal nur heraus, dass viele als "objektiv" vorausgesetzte Sachverhalte so objektiv nicht sind, sondern spezifisch aus der Position der positivistischen Naturwissenschaft oder heterosexueller weißer Männer betrachtet werden,dass ihre Wahrheit sich aber erst erschließt, wenn andere Perspektiven einbezogen werden. Letztendlich wird Wissenschaft dadurch sogar exakter und präziser. In den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften ist der "linguistic turn", der sich seit Foucault und Butler vollzogen hat eine inzwischen selbst schon wieder historische Wende, die Voraussetzung heutiger Theorie und Praxis ist. Nur verlangt das Alles harte und sorgfältige Arbeit am Begriff. Was Lantzsch und Momo und Solche machen ist

1) die dekonstruktivistischen Begriffe zu Klischees, Stereotypen und Schlagwörtern zu reduzieren

2) die eigentlich dem Nichtidentischen Raum gebende dekonstruktivistische Perspektive gleich wieder einzureißen, indem diese identitär aufgeladen wird

und 3) das alles auf eine reine Sprachebene zu ziehen, auf der dann mit der für Orthodoxe typischen völligen Humorlosigkeit Kämpfe um das Wahre, Schöne und Gute geführt werden.


Das hat alles mit den Theorien von Foucault, Butler usw. nicht mehr viel zu tun. Ist eher so ein Modesujet übermoralisierter höherer Töchter und Söhne.

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Na, ich meine, dass da in so einigen bekannten Fällen vor allem sehr viel persönliche Angst im Spiel ist, die nach außen projiziert und verobjektiviert wird. Sehr schade eigentlich. Allerdings fatal, wenn so etwas politisch wirkmächtig wird.

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@ Netbitch

Ich glaube nicht an die ultimative einzige Wissenschaftliche Methode, die paradigmatisch jederzeit zu bevorzugen ist.

Ich glaube an Methodenvielfalt - sowie daran, dass einerseits prüfende (tendenziell also potentiell negierende) Methoden wichtig sind, andererseits solche Methoden, welche Kritik und Hypothesengewinnung erleichtern. Sogar ein simpler wissenschaftlicher Positivismus kann mitunter sogar sehr sinnvoll sein, im Rahmen von ergänzender Methodenvielfalt.

Genauso, wie in guter, zu validen Erkenntnissen führender Wissenschaft nicht zwangsläufig "gepoppert" werden muss (eher ist das der Ausnahmefall), genauso trägt der "linguistic turn" irgendetwas Ultimatives in sich, und schon garnichts, was andere Methodiken sinnvoll ausschließt.

(obwohl diese überflüssige Einengung typisch für manche sich "progressiv" verortende Leute ist - so Leute wie ich halt zum Beispiel, denn erst die eingehende Beschäftigung mit anderen Bereichen und Methodiken, nebst Diskussion darüber, hat bei mir ein Umdenken in Richtung Methodenvielfalt ausgelöst)

Dekonstuktivismus, Sprachkritik und Postmoderne sind halt nur eine Methode unter vielen - genauer gesagt Methodenbündel. Ihnen sind bestimmte Stärken, aber eben auch grundlegende Schwächen immanent. Abschreckend und lustig ist dabei, aus meiner Sicht jedenfalls, dass nur die wenigsten Vertreter des "linguistic turn" bzw. von Poststrukturalismus oder Postmoderne sich jemals die Mühe gemacht habeen, die besonderen Schwächen der eigenen Methodik heraus zu arbeiten.

Womöglich ist es sogar so: Nicht die "Arbeit am Begriff" schafft hochwertige neue soziologische oder sozioökonomische Erkenntnisse bzw. stellt eine vorrangig relevante Prüfinstanz dar, z.B. zur Identifizierung belastbarer Aussagen und zur Abtrennung unhaltbarer bzw. widerlegter Aussagen. Erkenntnisfortschritt macht i.d.R. weitere Verfahren notwendig, wenn man z.B. von billiger Deduktion absieht, zum Beispiel - ergänzend - ein Vergleich mit der Realität, deren präzise Beobachtung, und hier wieder eine eingehende Untersuchung der hier wirkenden Zusammenhänge und Kausalitäten.

Ich meine, Sprache allein schafft i.d.R. keine Erkenntnis, und genau daraus ergibt sich auch eine sehr scharfe Begrenzung der Möglichkeiten von Sprachkritik bzw. sprachanalytischer Methodik in den Sozialwissenschaften.

In der mir eigenen Grobheit gehe ich noch einen Schritt weiter: Wenn behauptet wird, dass dekonstruktivistische, sprachkritische Methoden innerhalb der Sozialwissenschaften ganz besonders geeignet seien, um z.B. Erkenntnisgewinn in Genderfragen (z.B.) zu befördern, dann steckt dahinter eher ein grundlegendes (!) Miss- und Nichtverständnis hinsichtlich wissenschaftlicher Methodik, denn irgend eine politisch progressive oder sonstwie wünschenswerte Haltung.

Das ist dann einfach nur Dogmatismus in neuer Gestalt. Ich störe mich auch an der Behauptung, Naturwissenschaften würden primär oder gar alleine nur durch "positivistische Methoden" betrieben. Das halte ich als Aussage in dieser Form für falsch.

Ein beliebter Irrtum bei Anhängern des Linguistic Turn ist es zu meinen, dass experimentelle Methoden in der Wissenschaft vor allem eine "positivistische" Zielrichtung hätten.

Das Gegenteil ist eher richtig - und das empfinde ich sogar als ziemlich trivial...

@ Che

Abgesehen von Ängsten ist das teils halt auch eine politische Dominanzmethode bzw. Methodik zur Erringung von Diskursmacht, und passend zudem zum schichtspezifischen Habitus.

Dass für politisch Bewegte sprachlich ausgerichtete Methoden besonderen Reiz haben, liegt zusätzlich noch in der Natur der Sache, glaube ich:

Politik ist nicht zuletzt ein rhetorisches Geschäft.

@ note to myselfe

Schätze, wg. meinen Debattierstil könnte man mich als "Der Jesuit" bezeichnen. Oder einfach "oberlehrerhaft", aber das wäre zu direkt.

Dabei will ich nur spielen, äh, debattieren.

(habe trotzdem ein paar Kanten in meinem zu lang geratenen Kommentar abgeschliffen - erstaunlich ist es, wie blöd mir die meisten Zuspitzungen vorkommen, sobald ich meinen Kram ein zweites Mal lese, auch fallen mir beim zweiten Lesen einige Stellen ein, wo ich mir selbst widersprechen würde...)

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@dr.dean:
wg. meinen Debattierstil könnte man mich als "Der Jesuit" bezeichnen.

Also nach meinem subjektiven Empfinden ist das schon deutlich besser geworden in den letzten Monaten, ich lese bei allem diskursiven Engagement nicht mehr so oft die Tendenz heraus, die Mitdiskutanten in Grund und Boden zu argumentieren. ;-)

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Pluralismus?
Es ist ja immer die Frage, was man will.
Ein möglichst pluralistische Diskussion oder einen "safe place". Oder irgendwas dazwischen, was wahrscheinlich am meisten Sinn macht.
Der auf die Spitze getriebene "safe place" ist komplett gleichgeschaltet, das ist ja hier Thema. Auch sowas mag jedoch seine Existenzberechtigung haben.
Eine komplett pluralistische Debatte ist Chaos und häufig sehr flach, da braucht man sich nur mal die Komentare unter Online-Artikeln irgendwelcher etablierten Medien anzugucken. Auf die Spitze getriebener Pluralismus heißt: der Nazi, der Stalinist, der Maskulinist, die Feministin, der Anti-Imp, der Anti-Deutsche....... alle diskutieren sie munter durcheinander. Das mag ganz amüsant sein, zielführend ist es wohl auch nicht.
Es passiert ja ganz automatisch, dass sich die Meinungsgruppen irgendwo sammeln, z.T. wird das noch durch die Moderation verstärkt, manchmal vielleicht nicht einmal sichtbar durch Freischalten oder eben nicht Freischalten von Beiträgen (Hilfe, Zensur! ;-) )
Der genannte Diskussionsstil ist ein zusätzliches Werkzeug um das zu beeinflussen. In einer tendenziell pluralistischen Debatte passiert es oft, das die Emotionen hochkochen. Das führt einerseits gerne zu einer Verflachung und Personalisierung der Diskussion und andererseits will man sich das auch nicht immer geben. Ich sehe die inflationäre Verwendung des Begriffs "Trigger" (der ja eigentlich aus der Traumatheorie stammt) durchaus kritisch, aber es ist wohl ein Fakt, dass sich nicht jeder dauernd mit immer den selben Aussagen rumschlagen möchte. In dem Kontext ist es vielleicht legitim, den Begriff in Ermangelung eines anderen zu adaptieren und Sprachregelungen in Blogs einzuführen. Es ist ja ohnehin eher ein graduelles Problem, hier wird sicherlich auch nicht alles freigeschaltet, könnte ich mir vorstellen.
Problematisch finde ich weniger, dass es Räume mit unterschiedlich strikten Sprachregeln und generell mit unterschiedlich hohem Pluralismus-Grad gibt. Eher, dass die Existenz solcher Räume dazu führt, dass zwischen diesen unterschidlichen Sphären kein Austausch mehr stattfindet. Und das ist tatsächlich ein zutiefst persönliches Thema, das muss jeder für sich entscheiden, mit wem er sich austauscht und mit wem nicht.

@willy
War das mit gut und böse ernst gemeint?
Dir ist schon klar dass es sich bei dem von dir gebashten "Relativismus" meist um Anti-Essentialismus handelt, der eben genau darauf hindeutet, dass eben niemand aufgrund seines "Wesens" irgendwie ist.

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safe places oder: Die Falle der Unduldsamkeit
Wenn die Durchsetzung von "safe places" a) das Verschwinden von Pluralismus bewirkt und b) den politischen Austausch stark behindert -
...könnte man das kontraproduktiv nennen.

In genau diese Falle sind imho Mädchenmannschaft und RS getappt. Die hier stattfindenden Diskurse sind im Grunde gar keine mehr...

"Safe Places" klingt erst einmal super. Die Frage ist aber durchaus, "wie safe" es denn sein muss, und was genau die möglichst gründliche Durchsetzung von "safe places" bewirkt. Im ungünstigen Fall bewirkt ein Durchsetzungsregime von "safe places" bzw. eines entsprechenden Regelsets auch folgende Dinge:

* hierarchische Diskussionskultur - diejenigen mit der besten Regelkunde und der aggressivsten Verbotsattitüde erringen Diskursvormacht

* Regelorientierte, dogmatische Diskursstrukturierung, z.B. wird in "safe-place-Diskursräumen" übermäßig oft darüber gesprochen, dass anderswo die für gut gehaltenen Regeln gebrochen werden - und andere politische Fragestellungen geraten in den Hintergrund

* Akademisierung von Diskursen, u.a. durch ständige Bezugnahme auf die entsprechenden, eher akademischen, politischen Konzepte, die damit verbunden werden

* Sektierertum und Ausgrenzung

* Autoritäre Aufladung von Diskursen an Stelle eines freien Gedankenaustausches

* Herausdrängung von gutwilligen, aber weniger regelkundlichen bzw. regelorientierten Diskursteilnehmern (darunter verblüffend häufig auch exakt diejenigen, in deren Interesse die "safe places" eigentlich liegen sollten)

Allzu viel vom "safe place"-Gedanken kann - meiner Beobachtung nach - dazu führen, dass damit politische Subkulturen verdorben werden, sowohl hinsichtlich ihrer Diskussionskultur, als auch hinsichtlich der eigenen Themensetzungen und sogar hinsichtlich der sozialen Struktur innerhalb der jeweiligen politischen Subkultur.

Ich meine, dass "safe places" nur dann wirklich safe sind, wenn sie gleichzeitig danach trachten, Meinungsvielfalt und ein offenes Diskussionsklima zu erhalten. Eine gewisse Bereitschaft, Abweichungen von "safe-place-Regeln" zu dulden, gehört hier imho sogar zwingend dazu. Anderenfalls, droht diesen Diskussions/Diskursräumen - so nenne ich das mal - die "Falle der Unduldsamkeit".

Das heißt, an Stelle eines emanzipativen Diskussionsklimas entsteht eher sogar das Gegenteil davon, eine Art Sprachautoritarismus - bei dem z.B. proletarische, prekäre oder migrantische Teilnehmer direkt und indirekt unter die Räder geraten bzw. zum Verstummen gebracht werden. In Sprach- und Argumentationsfragen sich geradezu jacobinisch gebende Bildungsbürger geben dann i.d.R. weitgehend den Ton an, in diesen "safe places".

Kann das erstrebenswert sein?

All diese Prozesse ereignen sich zumeist aus guter Absicht heraus (sind allerdings durchaus auch mit Machtinteressen verbunden) - aber sind eben mit beachtlichen Gefahren verbunden.

Ich halte den freien, ungezwungenen Austausch von Gedanken und Argumenten und auch das Ertragenkönnen von Andersmeinenden für sehr wichtig - und sogar eine wichtige Hauptbedingung für jegliches emanzipative Bestreben.

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Trigger-Alarm!
Hihihi, lustig!
Mich beschleicht der Verdacht, dass die Formulierung "safe place" so eine Art Trigger bei dir ist, der den folgenden Sermon ausgelöst hat, sowie die Tatsche, dass du dich quasi nur an eben dieser Formulierung abgearbeitet hast.

Natürlich bezieht sich Pluralismus, wie ich den Begriff verwende auf eine heterogene Struktur von Debattanten. Man könnte ihn aber auch dahingehend ausweiten, dass in einer pluralistischen Debatte sich nicht nur an einem Sujet, Begriff, Thema, etc abgearbeitet wird, sondern an deren mehreren, das eine gewisse Bereitschaft dazu besteht, sich auf andere Sichtweisen einzulassen (ich bin sicher dass eben dies für den Pluralismus, wie ich den Begriff ursprünglich verwendet habe, gar nicht unwichtig ist).

Nur mal angenommen, ich würde den Pluralismusbegriff dergestalt erweitern, so wäre dein Unduldsamkeits-Beitrag eine Musterbeispiel für die Abwesenheit von Pluralismus, nennen wir ihn einmal Singularismus. Durch polemische Verengung auf sage und schreibe nur das eine rote Tuch "safe place" ist dir diese beeindruckende Demonstration vom Auseinanderklaffen von Inhalt und Form gelungen.

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Pluralismus, Safe Place, Triggerwarnung und Derailing
Die Tatsache, dass ich Pluralismus sehr wichtig finde, mein Blog nicht als Safe Place für individuell stark Traumatisierte oder jenseits einer kommunikativen Durchschnittsnorm Hochsensible betrachte und konkret, dass ich mich weigerte einen bestimmten Mitdiskutanten dauerhaft zu sperren führte hier among other things ja schon zum Bruch mit einem meiner bis dato wichtigsten Blogdiskusssionspartner. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wie gerade Dean darauf abgeht. Zum Thema Triggerwarnungen würde ich tatsächlich sagen, dass es im linken Teil der Bloggosphäre zur Zeit eine regelrechte Mode ist, diese zu verwenden - und wenn wir den Begriff Triggerwarnung im Wortsinn verwenden hieße das, die psychiatrische Selbsthilfegruppe zum Modell aller politischen Diskussionsforen zu machen. Wie absurd das Ganze werden kann wurde schon daran deutlich, dass eine recht prominente Bloggerin eine Triggerwarnung vor einem "gewalthaltigen" Bild brachte, die mir gegenüber im persönlichen Gespräch meinte, als linker Antirassist müsste ich es schon abkönnen, von Neonazis zusammengeschlagen werden, da passiere ja nicht mehr als 2 Wochen Krankenhaus und dann sei alles wieder gut, das sei also eine zumutbare Härte. Contradictio in Adiecto auf die Spitze getrieben. Ich glaube, dass solche Argumentationsmuster, Triggerwarnung wie verbales Härte zeigen, benutzt werden, um dem Affen so richtig Zucker zu geben und die eigene Argumentation dadurch zu untermauern, indem die eigene Person moralisch aufgewertet wird.


Auch hierzu hatte Kadda ja schon gut Überlegtes geschrieben:

http://www.freitag.de/autoren/katrin/auf-der-richtigen-seite

Meine solchen Diskursen gegenläufigen Real-Life-Erfahrungen in Flüchtlins/MigrantInnenszenen und deren Kontaktfeldern sind so, dass dort rassistische Begriffe und Klischees heftig gedroschen und ironisch auf die Schippe genommen werden. Dort wird zumeist nicht politisch korrekt geredet, sondern irgendwo zwischen jüdischem Witz, Titanic und Borat. Und zwar durchwegs seit ich Einblick in diese Kreise habe (so ab 1982) bis jetzt. Diese Art Humor, der auch bei meinen türkischen KollegInnen verbreitet ist (türkische Kollegin bietet Fahrgemeinschaft an, türkischer Kollege sagt dazu: "Pass auf, die fährt nicht nur Auto wie eine Frau, sondern auch noch wie ein Türke" - so reden die den ganzen Tag, ein dunkelhäutiger Kollege leitet seine Vorträge gewohnheitsmäßig damit ein, jetzt "etwas Farbe in die Sache" bringen zu wollen) hier zu erwähnen brachte mir schon den Vorwurf der sadistischen Verhöhnung Marginalisierter ein. Wobei moralischer Rigorismus in der Sprachform etwas ist, was mich schnell zum Spott reizt.


Und bin da im real life echt auch ganz andere Umgangsformen gewöhnt, z.B. solche:

http://che2001.blogger.de/stories/1514410/comments/1514815/

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@ futurewin

Interessant. Nur, dass ich dich richtig verstehe: Mein Einzelbeitrag ist für dich ein gutes Beispiel für fehlenden Pluralismus?

Wie kann bzw. muss ich meine Meinung, genauer gesagt, meine Überlegungen denn verändern, damit diese deine Mindestanforderungen an Pluralismus erfüllen bzw. dieser ausreichend nahe kommen?

Wäre z.B. die Nichtveröffentlichung meiner Überlegung in diesem Blog ein hinreichendes Mittel, um den Pluralismus - so wie du ihn verstehst - damit zu erhöhen?

@ Che

Das "Abgehen" (ist es eins?) hat einmal damit zu tun, das ich das Thema sehr interessant finde. Es hat ja tatsächlich Relevanz. Außerdem mag ich es, ein Thema neu zu durchdenken. In einigen Blog, die ich lese -aber auch im Zusammenhang mit bestimmten linken Subkulturen, wo sich Kadda mal bewegt hat, wirkt sich das eben aus.

Teilweise eben ungut. Eine spannende Frage ist vielleicht, wo der Punkt erreicht ist, dass die negativen Wirkungen die positiven aufheben.

Ich persönlich glaube, dass die von Kadda geschilderten Dinge (DDR-Tendenzen in der Sprache, Ritualisierungen, ausschließende Gruppenprozesse u.v.m.) nicht nur mit Twitter und den dort typischen Diskussionsverhalten zu tun hat, sondern eben auch mit ganz bestimmten linken Subkulturen, dort vorhandenen dogmatischen Elementen - und dazu eben zählt imho auch das, was ich kritisch zu durchdenken versucht habe.

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Drittens hat das auch noch mit einer bestimmten Art von Gruppendynamik zu tun, die weder an linke Subkulturen noch überhaupt an Politik gebunden ist - ich habe sehr Vergleichbares in einem völlig unpolitischen reinem Spaß-Forum erlebt.

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Überlegungen verändern / neu durchdenken
Fürs Erste könnte es dem lobenswerten Anliegen, Themen neu zu durchdenken oder gar Überlegungen zu verändern ja zuträglich sein, über das bloße Herausgreifen einer Formulierung hinaus auf einen Beitrag einzugehen. So wie ich deine Replik lese, hast du aber deine zugegebenermaßen bedenkenswerte Meinung einfach noch einmal an dieser Formulierung aufgehängt. Kein Wort etwa zu dem graduellen Unterschied zwischen Pluralismus und (nennen wir es einmal) Protektionismus. Es existiert hier ohnehin eine ganze Bandbreite und das durchaus zu Recht. Das war ja EIGENTLICH das was ich sagen wollte.
War das zu versöhnlich? Nicht konfliktuell genug?
Als wäre es realistisch, dass sich Sprachregelungen pandemisch über die Bloggosphäre verbreiten.
Ungefähr so realistisch wie die Existenz des übermächtigen Zensurinstituts, das andere im Zusammenhang mit der Kinderbücherdebatte herbeihalluzinieren.
Im Übrigen haben diese Entwicklungen vermutlich weniger mit Twitter zu tun, wie hier ganz schön beschrieben wird:
http://denker.net/2013/02/22/twitter-ist-nicht-totalitar-du-honk/

Ich kenne Twitter zu wenig, könnte mir aber vorstellen, dass dort die emotionale Gesprächsführung (wenn man das denn Gespräch nennen kann) noch stärker ausgeprägt ist. Und die Sprachregelungen sind komplizierterweise sowohl Reaktion auf diese Emotionalisierung als auch Bestandteil dieser.

Ich hatte oben beschrieben, dass pluralistische Diskussionen die Tendenz zur Emotionalisierung haben, weil die Chance größer ist, das man mit Meinungen konfrontiert wird, die einen wütend machen. Die Schaffung von tendentiell protektionistischen Sphären ist eine Reaktion darauf. Allerdings kommen die Emotionen durch die Hintertür wieder rein, wenn nämlich sehr vehement die Regeln aufgestellt und verfochten werden.

Das Grundproblem ist die Emotionalisierung bei Online-Kommunikation und die rührt von einer niedrigeren Hemmschwelle und großer Missverständnisgefahr.

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Ich finde es ein bisschen absurd, das, was du da kritiserst, als Entpolitisierung zu sehen. Ich sehe darin eher das Gegenteil, einen Versuch, die politische Machtstruktur, in der jede Debatte (wie alles in unser Gesellschaft) eingebunden ist, zur Kenntnis zu nehmen.

Das eine politische Streiterei ein "Kampf um das bessere Argument" unter Gleichen ist, das ist natürlich ein bildungsbürgerlicher Idealismus, der mit der Realität nicht viel zu tun hat. Die Verweise auf gesellschaftliche Privilegien u.ä. dient ja auch dazu solche Dominanzstrukturen zum Vorschein zu bringen und zu bekämpfen, um Leuten, die aufgrund ihrer sozialen Stellung im Normalfall Probleme haben, richtig an politischen Debatten teilzunehmen, die Möglichkeit zu geben, sich da einzubringen.
Dass die normalen Bildungsbürger kein Interesse daran haben, über sowas nachdenken, ist klar, immerhin ist Diskurshoheit sowas wie ihr "Kapital". Linke sollten da aber schon eine größere Sensibilität aufweisen können, finde ich.

Aber wenn du jetzt schon so ohne weiteres DDR-Vergleiche benutzt, von Sprachpolizei redest und FAZ zitierst, sollte ich diese Ansprüche vielleicht an dich gar nicht mehr stellen.

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Wie Noah Sow bereits andeutete ...
im Zusammenhang befremdender Entwicklungen in (inner)linken Diskursen fand ich Ches Liste zu seiner aktuellen Lektüre interessant, insbesondere die eine Autorin, die er nannte, ich meine Seyla Benhabib, "Selbst im Kontext. Gender Studies".


Nur kurz zu "Gender Studies ": Es hat sich mir nie erschlossen hat, warum um diese Studien immer ein solcher Wind gemacht wird, denn dass Geschlecht immer auch eine (soziale) Konstruktion ist, erschließt sich bereits aus ein paar einfachen, naturalistisch inspirierten Überlegungen:

Unterscheidungen nach "männlich", "weiblich" wurden kulturell tradiert, da zu dem Zeitpunkt, als sie entstanden, die Genbiologie noch unterentwickelt war. Sobald aber irgendwann später Menschen kulturell so viele Spezialisierungen hervorgebracht hatten, dass Spezialisten in der Lage waren, die unterschiedlichen Gentypen, die für die sexuelle Fortpflanzung erforderlich sind, so jedenfalls die Hypothese, unterm Mikroskop genau zu beobachten, beschreiben und zu unterscheiden, konnten Hypothesen aufgestellt werden, um zu einer genetischen Theorie der sexuellen Fortpflanzung zu gelangen. Teil dieser Hypothesen war die Begriffsbildung, die nach Geschlechtern unterschied (jedenfalls in den meisten Fällen).

Es stellte sich dann heraus, dass eine solche Theorie in grosso mit der traditionellen Unterscheidung nach Phänotypen korrespondierte. Aber wie war man vorgegangen? Man war von der traditionellen, auf einer sozialen Praxis basierenden Namensgebung bzw. Unterscheidung "männlich/weiblich" ausgegangen. Genaugenommen waren mit dieser neuen Theorie die komplizierten sozialen Konstruktionen oder Konnotationen von "weiblich" oder "männlich" destruiert, die sich inzwischen kulturell etabliert hatten. Von einer dieser "Nebeneigenschaften" oder Konnotationen, die sich nun als nicht-notwendige Bedingungen für die Eigenschaft, weiblich oder männlich zu sein, erwiesen und durch soziale Praxis als Zuschreibungen etabliert hatten, auf ein bestimmtes Konzept von Geschlecht zu schließen, hatte sich nun definitiv als zirkulär erweisen

Es hat sich herausgestellt, dass (1) "ist mit einem X-Chromosom ausgestattet", wenn überhaupt etwas, sich als wesentlich herausgestellt hat. Aber wofür? Es hat sich gezeigt, dass der Begriffsumfang von "weiblich", im Gegensatz zur naturalistischen Begriffsbildung, qua kultureller Tradierung derartig gigantische Ausmaße angenommen hat, dass es geradezu lächerlich erscheint, (1) als wesentliche Eigenschaft für überhaupt irgendetwas anzunehmen. Wollen wir uns also in unseren Gesprächen, beim Flirten, beim Small-Talk, in unseren Reflexionen über Kunst usw. nicht auf Erörterungen über Gentechnik beschränken, müssen wir einsehen, dass Begriffe wie "männlich", "weiblich" in erster Linie kulturell geprägt sind. Es handelt sich um Konstruktionen, sofern ein oder mehrere Merkmale privilegiert werden als wesentliche Merkmale für "weiblich", denn es war uns ja von Beginn an nichts anderes übriggeblieben, als von einem kulturell tradierten und etablierten Begriff von "weiblich" auszugehen, um überhaupt zu einer genaueren (genetischen) Definition zu gelangen, die, als wir sie gefunden hatten, alle unsere sozialen Konstruktionen destruiert hat. So geraten wir notwendig in einen Zirkel.

Wie ich die GendertheoretikerInnen verstehe, sind sich aufklärerisch tätig, um uns diesen Umstand bewusst zu machen.

Genaugenommen gibt es überhaupt (fast) gar keine Wesensmerkmale für "männlich/weiblich", denn sie sind es, auf die wir schließen dürfen, wenn einmal festgelegt ist, was "weiblich" ist. 'Wenn weiblich, dann Wesensmerkmal xy'. Da wir aber nicht einmal genau wissen, von wo aus wir auf die notwendige Bedingung "trägt X-Chromosom" schließen dürfen, zumindest wenn wir einen Zirkelschluss vermeiden wollen, bleiben für diejenigen, die es mit den "wesentlichen Merkmalen" haben, eben dieselben übrig; die dann, um weiterhin zu scharfsinnigen Schlussfolgerungen zu gelangen, willkürlich gruppiert werden, in welchen Gruppen sie dann sich gegenseitig bedingen sollen. Zu all dem besteht aber bei Lichte besehen nicht der geringste Anlass. Solche Begriffskluster haben aber bisher, wohlbemerkt nicht aus naturwissenschaftlicher Sicht, ein ziemlich hartnäckiges Beharrungsvermögen gezeigt, das sich mitunter auch gesellschaftlich auswirken kann. Hier setzten, soweit oder wie ich es verstehe, die GendertheoretikerInnen an.

Ganz ähnlich gerät man übrigens ganz schnell in einen Zirkel, wenn man vermeint, es wäre am Begriff "Rasse" irgendetwas dran.

Aber so ergibt sich doch eine schöne Situation! Man kann sich aus sich im Kreise drehenden Genderdiskussionen z.B. heraushalten, sich zurücklehnen, und braucht sich nicht ohne Grund und ohne Argumente einzumischen. Es ergibt sich schon von vorneherein kein Anlass für Besserwisserei und falschverstandener Foucault -Rezeption.

Was aber hatte ich nun mit Seyla Benhabib? Ich googelte sie und fand einen interessanten Abschnitt bei Wicki (Diskursehtik). Anders als Habermas/Apel betrachtete Benhabib nicht den Konsens, sondern das gegenseitige Verstehen als das sinnvolle Ziel eines Diskurses. Zuerst Konsens:

Unter Objektivität verstehen wir zunächst nichts anderes als Konsens. So jedenfalls lässt sich das (für einen Skeptiker) seltsame Phänomen erklären, warum nicht unmittelbare Gegebenheiten, etwa, dass es mich unterm Knie juckt, als objektiv gelten, sondern die entferntest liegenden Dinge, in jedes menschliche Maß übersteigender Entfernung sich befindende Sterne oder Planeten, betreffende Erkenntnisse. (Soweit ich mich erinnere, war es Nietzsche, der einmal Analoges sagte.) Galileo sah noch Dinge, die scheinbar sonst niemand sah; mit Kepler aber konnte Konsens erzielt werden. Damit will ich nicht den Begriff der Objektivität verteidigen, ich habe sowieso noch nie davon gehört, dass das jemand einmal ernsthaft getan hätte.

Seyla Benhabib (Wicki):
„Konsens allein kann niemals ein Kriterium sein, weder für Wahrheit noch für moralische Gültigkeit. Philosophisch relevant ist vielmehr die Rationalität des Verfahrens, das zum Einverständnis führen soll. Man darf Konsens nicht als Endziel verstehen, sondern als Prozess, als gemeinschaftliche Suche nach Wahrheit und Gültigkeit.“

Rationalität des Verfahrens: Ich interpretiere oder stelle eine Hypothese auf wie folgt. Zum Verstehen stelle ich eine Hypothese auf, extrapoliere, um zu einer Erklärung zu gelangen. Peirce nennt das Abduktion: " „Abduktion ist der Vorgang, in dem eine erklärende Hypothese gebildet wird“. Es sei ein "ein Schlussverfahren, das sich von der Deduktion und der Induktion dadurch unterscheidet, dass es die Erkenntnis erweitert." Das ließt sich doch ganz wunderbar! Es ist dies ohne Zweifel ein rationales Verfahren. Der kleine Schlenker zu Peirce ist aber unerheblich. Weiter: Wicki zu Seyla Benhabib: Die Idee des Konsens impliziere bereits eine Gemeinschaft und eine Orientierung an einer Gemeinschaft. Ohne dieses Rationale Verfahren des Verstehens "hört das Gespräch auf, entwickelt sich zu einem Streit oder kommt gar nicht erst in Gang".

Die Parallele scheint mir offenkundig: Ein typisches "linkes" Phänomen des Lagerdenkens. Anstatt nach der "besten Erklärung" zu suchen, wird dem Gegenüber vorgeworfen, es würde sich der angestrebten Konsensbildung verwehren, wie, daran sei erinnert, Noah Sow bereits andeutete.

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@netbitch

„Dekonstruktivismus arbeitet zunächst einmal nur heraus, dass viele als "objektiv" vorausgesetzte Sachverhalte so objektiv nicht sind, sondern spezifisch aus der Position der positivistischen Naturwissenschaft oder heterosexueller weißer Männer betrachtet werden,dass ihre Wahrheit sich aber erst erschließt, wenn andere Perspektiven einbezogen werden.“

Wenn ich nachweisen will, dass das Objektive nicht objektiv ist, muss ich auch dafür wieder über einen Maßstab verfügen. Habermas sagt sehr schön: „Wenn es keine Vernunft gibt, die ihren eigenen Kontext übersteigen kann, wird auch der Philosoph, der dieses Bild vorschlägt, keine Perspektive für sich in Anspruch nehmen können, die ihm einen solchen Überblick erlaubt. ... Die Behauptung einer relativistischen Position muss, um den Selbstbezug zu unterbrechen, den mit dieser Aussage vollzogenen Akt der Behauptung selbst von der behaupteten Aussage ausnehmen."

Was die heterosexuellen weißen Männer betrifft sagt Noam Chomsky sehr schön:

„In fact, the entire idea of "white male science" reminds me, I'm afraid, of "Jewish physics." Perhaps it is another inadequacy of mine, but when I read a scientific paper, I can't tell whether the author is white or is male. The same is true of discussion of work in class, the office, or somewhere else. I rather doubt that the non-white, non-male students, friends, and colleagues with whom I work would be much impressed with the doctrine that their thinking and understanding differ from "white male science" because of their "culture or gender and race." I suspect that "surprise" would not be quite the proper word for their reaction.”

http://www.chomsky.info/articles/1995----02.htm


@mark793

„Dir ist schon klar dass es sich bei dem von dir gebashten "Relativismus" meist um Anti-Essentialismus handelt, der eben genau darauf hindeutet, dass eben niemand aufgrund seines "Wesens" irgendwie ist.“

Nein das ist mir nicht klar, s. oben. Wenn es eh nur Wahrheit geben kann, die einem bestimmten Machtstreben dient, dann setzt eben der Mächtigere seine Wahrheit durch.
Und wenn man das will, kann man sich auf den Marquis de Sade genauso berufen wie auf Foucault. Im Grunde ist das faschistisches Denken. …. Oder nee, wir sind ja die Guten und wenn wir die Macht haben tun wir nur gutes, also is schon OK.

Wenn man bestimmte Positionen mit moralischen Argumenten angreift, erhebt man natürlich immer auch einen normativen Anspruch, und so was kann man grundsätzlich diskutieren und kritisieren. Wer eine solche Diskussion verweigert, weil der Kritiker einer beliebig definierbaren Gruppe angehört (am besten heterosexueller weißer Mann) und dadurch von vornherein disqualifiziert ist, der disqualifiziert sich als ernstzunehmender Diskussionspartner selbst.

@che

Chomsky schreibt im gleichen Text:

„Acting on the same belief, many scientists, not too long ago, took an active part in the lively working class culture of the day, seeking to compensate for the class character of the cultural institutions through programs of workers' education, or by writing books on mathematics, science, and other topics for the general public. Nor have left intellectuals been alone in such work, by any means. It strikes me as remarkable that their left counterparts today should seek to deprive oppressed people not only of the joys of understanding and insight, but also of tools of emancipation, informing us that the "project of the Enlightenment" is dead, that we must abandon the "illusions" of science and rationality--a message that will gladden the hearts of the powerful, delighted to monopolize these instruments for their own use. They will be no less delighted to hear that science is intrinsically a "knowledge system that legitimates the authority of the boss," so that any challenge to such authority is a violation of rationality itself--a radical change from the days when workers' education was considered a means of emancipation and liberation.”

Das kann man gar nicht genug betonen. Es gab mal eine Zeit, das war die politische Linke eng verbunden mit Wissenschaft und Aufklärung, und das war nicht ihre schlechteste Zeit. Die vielgeschmähte Wiener Schule des logischen Positivismus z.B. verstand sich definitiv als Teil der Arbeiterbewegung; Rudolf Carnap hat Vorträge in Arbeiterbildungsvereinen gehalten, Otto Neurath gehörte sogar der Regierung der Münchener Räterepublik an. Bis dann Adorno und Horkheimer daherkamen und all diese Leute zu Steigbügelhaltern der Nazis erklärten. Nichts könnte falscher sein als das!

Chomsky hat völlig recht, es kann die Herrschenden nur erfreuen, dass die Linke das mächtigste Werkzug der Emanzipation des Menschen ablehnt und sich stattdessen irgendwelchen Voodoo-Theorien zuwendet.

„No coherent alternative is suggested, as far as I can discern; the reason, perhaps, is that there is none. What is suggested is a path that leads directly to disaster for people who need help--which means everyone, before too long.”

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@glanzor: "Ich finde es ein bisschen absurd, das, was du da kritiserst, als Entpolitisierung zu sehen." ----- Habe ich nicht getan, ich habe gesagt, eine solche Diskursform wirkt im Resultat entpolitisierend, da sie tendenziell politische Diskussionen über den Kreis von Inner Circles hinaus unterbindet. Die Butlersche Grundposition, dass auf die Sprecherposition zu achten sei ist mir sehr wichtig. Kenne ich auch aus den meisten erlebten linken Real-Life-Zusammenhängen nicht anders. Da wurden bewusst die Schüchternen, die NichtakademikerInnen, die kleinen schmalen Frauen, die MigrantInnen usw. angesprochen, ob sie nicht auf die Bühne wollen oder als SprecherInnen ins Vernetzungsplenum usw. Das ständig kritisierte WHM-Diskursmackertum kenne ich aus meinen Politszenerfahrungen auf ganz paar Gruppen beschränkt und als etwas, das so bis 1989 dominierte und dann überwunden wurde zugunsten anderer, stärker an einem emanzipatorischen Miteinander ausgerichteter Strukturen, und das finde ich gut so.

Wenn ich allerdings Revue passieren lasse, was ich in den letzten Jahren so in Blogdebatten und auch bei Twitter gelesen habe, so hat sich mir der Eindruck aufgedrängt, dass die Priviliegien-checken-Perspektive teilweise bereits INHALTLICHE Debatten verunmöglicht hat, dass an sich kluge und durchdachte dekonstruktivistische Ansätze (die ich in der Theorie auch z.T. vertrete, ich bin da ja kein Gegner von) auf der Ebene von Blogdebatten zu reinen Moralkeulen, Awarenessbringern und Distinktionsmitteln versimpelt werden.

Wer als Erster "Auschwitz" sagt hat gewonnen.
So nach dem Prinzip, sobald jemand erstmal mit Kristina Schröder, Schirrmacher oder Fleischauer verglichen wurde ist keine weitere Debatte mehr möglich. Genauso, wie in den 1970ern jeder spießige Normalo gleich ein Faschist war und ich aus den 80ern und 90ern Milieus kannte, in denen jeder fleischessende Anzugträger bereits ins Lagers des Feindes gehörte. Kann mich tatsächlich an eine Demo erinnern, an deren Rand Schlipsträger als "Spießer" wegen ihres Äußeren verprügelt wurden, und an einen Betrunkenen, der "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" gegrölt hatte und stahlkappenbewehrte Stiefel in die Eier bekam, weil er ein "Prostitution verherrlichendes Lied" sang.


Gut, da sind wir heute weit von entfernt, aber Argumentationen, die in die Richtung gehen "Du stimmst meiner Meinung nur deswegen nicht zu, weil ich schwarz/schwul/weiblich bin" und umgekehrt "wenn das ein Roma sagen würde hätten wir das zu beachten, aber wenn es von einem weißen Hetenmann kommt nicht" hatten wir hier und in der Nachbarschaft zur Genüge. Da wird nicht mehr nur auf die Sprecherposition geachtet oder diese thematisiert sondern das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Und nicht ich verwende ohne weiteres DDR-Vergleiche, ich verlinke Katrin Rönicke, die das getan hat. Ja, sie schreibt bei der FAZ. FAZ Blog ist aber nicht so ganz mit der konservativen Ausrichtung der Papierausgabe identisch, Kadda ist eine linke Grüne und Begründerin der Mädchenmannschaft, aus der sie so nach und nach rausgeekelt wurde. Das hat alles schon Strukturen, die an die ihre Kinder fressende Revolution der Jakobiner erinnert. Allerdings marxlob nur im Äther und nicht im Real Life.

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@willy56: Wüßte nicht, wo ich derlei behauptet hätte, da verwechselst Du wohl was, respektive wen.

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@ziggev

Lies mal Judith Butler. Geschlecht ist nicht "auch" sozial konstruiert, sondern nur, und zwar einschließlich des Körpers

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Und wo bitte findet sich gleich der Quellenbeleg, dass Horkdorno Leute wie Carnap, Neurath oder Quine als Steigbügelhalter der Nazis bezeichneten?


Sie hatten die instrumentelle Vernunft kritisiert, da diese Auschwitz ermöglicht hatte. Also nicht die instrumentelle Vernunft selber und auch nicht als zwangsläufiges Ergebnis, sondern in dem Sinne dass das Fortschrittspostulat der Aufklärung sich nicht erfüllt habe, sondern solches Grauen trotz der Aufklärung und mit den Mitteln der instrumentellen Vernunft möglich geworden war. Unter einer Voodo-Theorie verstehe ich was Anderes, zum Beispiel Überlegungen, wie man Untote als Boten einsetzt.

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Übrigens, äußerst lesenswert die kleine Schrift "Kritische Theorie und kritischer Rationalismus. Eine Diskussion zwischen Altopoda und Adhomaha".


Wobei diese Namen stehen für Albert, Topitsch, Popper, Dahrendorf und Adorno, Horkheimer, Marcuse, Habermas.

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willy, kein Problem für mich. Solange Du nicht, wie es scheint, Körperlichkeit mit konkretem Körper verwechselt. Sobald Du darüberhinausgehst, dass ein Körper brünett-behaart ist und sich in seinen Zellen der und der Genomsatz findet, sondern irgendwelche Akzidentien, Nebenbedingungen oder Merkmale als hinweise oder hinreichende Bedingungen für irgendetwas anderes auffasst, befindest Du dich in dem von mir oben so genannten Begriffskluster. Das Problem ist, dass dann wahllos einer oder eine Gruppe dieser Begriffe vermeintlich herausgegriffen werden kann, um zw. "wesentlichen" und solchen Merkmalen, die als hinreichend auf etwas hindeutend aufgefasst werden, zu unterscheiden. Was aber "wesentlich" sein soll, ist sozial konstruiert bzw. willkürlich zu wählen, weil es der Willkür überlassen bleibt, wofür es wesentlich sein soll.

Außerdem muss es eine soziale Aktivität zwischen den ersten Ein- oder Mehrzellern gewesen sein, durch die sich z.B. die geschlechtliche Fortpflanzung entwickelt hat.

Du scheinst genau zu wissen, was Du abgesehen von der Kategoie des Körperlichen unter Körper verstehst. Du weißt es aber ohne letztlich soziale Konstrution oder Willkürliche Festlegung nicht. So rennst Du blind in den Zirkel.

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Das ist aber auch ein bei Linken viel gemachter Fehler. Es haben mir da tatsächlich schon Leute gesagt, Butler meine, ich bilde mir meine Eierstöcke nur ein. Meinerseits verstehe ich allerdings nicht, wie solche Mistverständnisse zustandekommen.

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W. Fthenakis !! dann will ich mir erstmal die Kommentare oben durchlesen
Mir ist natürlichklar, dass ich versucht habe, eine rein philosophisch-erkenntnis- bzw. wissenschaftstheoretische Position zu formulieren. Aber auch ich käme nicht über die Straße, würde verhungern ohne gewisse unhinterfragte Grundannahmen zur Stabilisierung meines Gemüts, man könnte auch sagen: Vorurteile.

Ganz wunderbar hierzu fand ich Wassiolios Fthenakis, der sich ausgiebig mit dem Thema auseinandergesetzt hat, und, wie es scheint, gibt es keine Studie, die er nicht gelesen hat. Ist übrigens auch Genetiker. Den finde ich ganz wunderbar, Interview, Interview im BR . Tolle Sprache.

Nyhuis: Sie haben viele interessante Erkenntnisse über die Geschlechterrollen gewonnen, darüber, dass diese Rollen schon sehr früh angelegt werden.
Das geschieht durch Gene und durch Prägung, oder?

Fthenakis: Nein, das geschieht doch mehr durch soziale Konstruktionen. Es gibt keinen Bereich der menschlichen Entwicklung, in dem wir auf dem Altar der sozialen Erwartungen und der sozialen Konstruktion so viel Kreativität opfern wie bei der Entwicklung des geschlechtsspezifischen Verhaltens von Mädchen und Jungen. (hervrh., ziggev) Wir konstruieren heute sehr eng: Was typisch weiblich und was typisch männlich ist, bestimmt nicht das Individuum, sondern das bestimmt viel stärker die Gesellschaft, die Kultur, das bestimmen die Normen. Hier erlebe ich wirklich den höchsten Grad an Verlust von individueller Autonomie in der menschlichen Entwicklung. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass in modernen Bildungsplänen ein völlig anderer Weg gewählt wird, wie man damit umgeht. Dieser Weg besteht darin, dass wir der individuellen Konstruktion schlicht mehr Raum geben. Es gibt Jungen, die bereits im vorschulischen Alter anders sein möchten, als sie von der sozialen Konstruktion konstruiert werden: Sie möchten pinke Farben tragen, sie möchten anders sein usw. Wenn man Kindergärten aufsucht, dann wird man sehen, dass auch dort bereits die Proponenten der sozialen Konstruktion zu finden sind. Wenn ein Kind wagt, anders zu sein, dann wird dieses Kind sehr schnell und massiv sanktioniert. Hier braucht es unbedingt eine neue Bildungskonzeption, die es dem Kind erlaubt, seine Individualität auch und vor allem in der Entwicklung des geschlechtsspezifischen Verhaltens wirklich zum Ausdruck zu bringen. Was unsere Gesellschaft braucht, ist mehr Variabilität, mehr Flexibilität innerhalb des Geschlechts! Denn wenn ich heute junge, akademisch ausgebildete Frauen frage, was für sie die schwierigste Frage ihres Lebens gewesen ist bzw. immer noch ist, dann bekomme ich nicht an erster Stelle die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu hören. Nein, an erster Stelle steht,
den richtigen Partner zu finden. Das gelingt aber nicht, wenn wir die Geschlechter nur homogen in sich selbst entwickeln lassen. Stattdessen brauchen wir viel mehr Variation, viel mehr Variabilität innerhalb des Geschlechts. Die entwicklungspsychologische Forschung sagt, dass dabei der Mann seine Identität als Mann keineswegs verliert. Auch die Frau verliert dabei keineswegs ihre Identität als Frau. Wir müssen also heute über die Bildung mehr Variabilität erreichen.

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Diese unendlich öden Abgründe des Grauens !!
@ netbitch

Phänomene, wie Du eins beschreibst, sind für mich eher Phänomene, der - es klingt zwar arrogant, ist es vielleicht auch - Unbildung. klingt Halbbildung besser?

Wenn eins ne Intuition hat, dass die und die Richtung die beste Erklärung für ein Problem zur Vergügung stellt, dann sucht eins sich doch nicht die "richtige" Clique, in dem Bestreben, dort soviel wie möglich Argumente zu lernen, um möglichst oft oder gar immer Recht zu behalten, um immer auf der richtigen Seite zu stehen, sondern eins erkundet zuerst mit kriminalistischer Sorgfalt und Neugier, was die Gegenseite für Argumente zu bieten hat. Eins wendet das "Principle of Charity" auf die Argumente der Gegenseite an!

Das erste, was also zu tun ist, ist anzunehem, dass das Gegenüber rational argumentiert, woraufhin dann dessen Argumente - auch mithilfe derjenigen, die sich aus der eigenen Position ergeben oder einem bereits zur Verfügung stehen - so stark zu machen, wie nur irgend möglich. Danach zu versuchen seinerseits Argumente vorzubringen, die, vorausgesetzt, das Gegenüber versucht nach Kräften, es ebenso zu halten, eins nicht nur selber überzeugend findet sondern eben auch die Gegenpartei, ist dann die Herausforderung. Der Witz ist dabei, dass eins dabei eventuell auf trickreiche Argumente und Schachzüge stößt, die einen selber überraschen. Nicht nur ist der Lerneffeckt groß, was die Gegenargumente betrifft, auf diese Weise ist einem die Möglichkeit gegeben, auch die eigene Argumentation wie mit einem Röntgenapparat zu durchleuchten. Damit ist eins dann wieder gut auf Entgegnungen der Opponenten vorbereitet usf.

Argumentatives Lagerdenken führt sonst leider zu solchen Peinlichkeiten, wie Du eine geschildert hast. Damit ist natürlich niemandem geholfen.

Es kann eins natürlich passieren, dass eins sich dabei etw. verheddert. Zumal wenn die Intuitionen sich zu machmal ändern ...

So fand ich mal, dass Philosophie das Ding wäre; es müssten nur denen, die m.E. irrational "argumentierten", rationales Denken beigebracht werden. Anstatt mich also mit Habermas zu beschäftigten, beschäftigte ich mich mit Irrationalität. (Beispiel passt eigentlich nicht, denn ich beschäftigte mich ja nicht mit "irrationalistischen" Habermas-Opponenten, sondern mit dem Phänomen der Irrationalität selbst, soz. der "Antithese" zum Philosophieren.)

Falsch verstandene Positionen, die einem von Angehörigen der "eigenen Partei" zugeflüstert werden, falsch zu verstehen und vermeindlich zu übernehmen, damit noch Recht haben zu wollen, worin einem dann überdies ggf. welche beipflicheten ... das führt einen in diese unendlich öden Abgründe des Grauens. Dies nicht zu bemerken nenne ich "Unbildung".

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Das Unbehagen in den Eierstöcken
Ich glaube netbitch meint eher Butler-Gegner. Die schlagen gerne mal in diese Kerbe. Willy äußerte sich oben ja ähnlich.
Anti-Deutsche könne das auch gut, unter großem Wiehern Statements rauszuhauen, wie:
"Ey, die Burka ist doch total queer oder? Man sieht nicht ob n Mann oder ne Frau drunter steckt!"

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@ willy:
"Das kann man gar nicht genug betonen. Es gab mal eine Zeit, das war die politische Linke eng verbunden mit Wissenschaft und Aufklärung, und das war nicht ihre schlechteste Zeit. Die vielgeschmähte Wiener Schule des logischen Positivismus z.B. verstand sich definitiv als Teil der Arbeiterbewegung; Rudolf Carnap hat Vorträge in Arbeiterbildungsvereinen gehalten, Otto Neurath gehörte sogar der Regierung der Münchener Räterepublik an. Bis dann Adorno und Horkheimer daherkamen und all diese Leute zu Steigbügelhaltern der Nazis erklärten. Nichts könnte falscher sein als das!
"

Unbedingte Zustimmung, was die Historie betrifft. Auch Russell wäre zu erwähnen, der jüngst verstorbene Michael Dummett (analytische Philosophie) hat in den 60ern Vietnam-Demos organisiert etcetc. Und man denke an Schlicks Ermordung ("Wie man mit dem Browning philosophiert")Allerdings rückten Adorno/Horkheimer denn doch etwas in den Blick, was wichtig ist: Das rein instrumentelle Denken und die kritik an ihm.

Ansonsten: ich versuch, zum ganzen Komplex noch einmal etwas ausführlicher zu schreiben. Das, was ich seit eh "ideologische Sauberkeitserziehung", "Neopietismus" nenne, muss einmal genauer durchanalysiert werden; das innerlinke Problem exiastiert ja nicht erst seit der neuen Mädchenmannschaft (grauenhaft, brrrr). Problem hierbei: jene Typen, die bewusst incorrect sind ("ich sage wieder N***, weil das die political correctness Spießer so ärgert, hähähä") und sich in versnobten Gesten ergehen.Da sind wir dann in der Tat schnell wieder bei Fleischhauer.

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@ netbitch
"Das ist aber auch ein bei Linken viel gemachter Fehler. Es haben mir da tatsächlich schon Leute gesagt, Butler meine, ich bilde mir meine Eierstöcke nur ein. Meinerseits verstehe ich allerdings nicht, wie solche Mistverständnisse zustandekommen."

Naja. Dass Butler das so nicht geschrieben hat, ist schon klar - ich kann aber auch dieses Missverständnis (keine "", es ist eines) verstehen. Auch dazu dann mehr, wenn ichs schaffe. Stichwort: rehabilitierung der Wirklichkeit. Sicht auf Wirklichkeit = Konstruiert, Wirklichkeit selber muss es deswegen noch lange nicht sein. Wer mit Heidegger die Abbildtheorie zum faschistoiden Ansatz erklärt, ist nicht ganz schussecht, sorry. (Polemik darf sein ;-) )

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Immanuel Unchained
Bei dem faschistoiden Heidegger muss ich mal einhaken.
Das ist ja auch ein häufiges Muster: Denker wegen ihrer Einstellung abzulehnen. Jetzt wird ja auch z.T. Kant als Rassist gebasht.

Ich leite daraus mal ab: Eins muss trennen können, sonst wird eins irre. Es findet sich in fast jeder Suppe ein Haar, von den Suppen, die übrig bleiben kann ich mich jedenfalls nicht ernähren.
Mir ist z.B. schon klar, dass Django Unchained nicht ganz unproblematisch ist, ich hab den Film trotzdem genossen. OK, Tarantino ist nicht Kant.
Aber ich finde den Ansatz der „Cultural Studies“ immer noch am sympathischsten: Aufzeigen wo anti-emanzipatives drinsteckt, aber auch wie man das emanzipativ umdeuten kann. Das mitnehmen, was man brauchen kann, das andere ansprechen, nicht immer gleich undifferenziert verdammen.
Eben: Das Kind nicht ständig mit dem Bade auskippen.

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Es ging mir eher um Denkmuster a la Vattimo (Das Ende der Moderne) als um Heidegger selber. dass ein bißchen Polemik mit drin steckte - nun ja. Der Faschismus hat gewichtigere Ursachen als die Abbildtheorie.

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Auf Deinen Beitrag, Hartmut, bin ich sehr gespannt. Letzlich haben wir das Thema, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachtet seit Jahren am Wickel. Und was mich im real life angeht: Seit 1990.

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zwei, drei Intuitionen u. viele Worte - hab aber versucht, es wenigstens einigermaßen lesbar hinzuschreiben.
wobeich kurz zu den letzten kiritikundkunst/williys anmerken darf, dass es bei den Analytischen auch den frühen Impetus gab, einer Entwicklung entgegenzuarbeiten, wo mit Rückgriff auf die Quantenmechnik usf. das Denken in eine verschwommene fast schon Esoterik abzudrifen drohte. Leider gehen mir immer die besten FAZ-Artikel aus meinem Archiv verloren. Altpapier wird in der Küche säuberlich gestapelt, interessante Artikel werden im Schlaf- und Arbeitszimmer mittels unregelmäßiger Häuflungen aufbewahrt ... ;-) muss leider die Angabe von Quelle/Namen schuldig bleiben. Schien mir aber plausibel; daher die logisch-positivistischen Baukastensysteme im Bauhausstil à la Wittgenstein.

Als Gymnasiast schaute ich mal neugierig bei Heisenberg rein. Ohne Rückgriff auf die indische Philosophie ging da gar nichts mehr, als er versuchte, seinem eigenen Staunen über der Unverständlichkeit seiner eigenen epochemachenden Entdeckung Ausdruck zu verleihen oder sie irgendwie doch in den Griff zu bekommen. Noch ahnungsloser als heute war ich doch als junger Mensch ziemlich enttäuscht und ehrlich gesagt ein wenig geschockt. Mir schien das als hilfloses Gestammel. Habe da für sowas anfällige Physikstudenten kennengelernt, die den Namen Heisenberg ehrfüchtig raunend auszusprechen pflegten. Ein seltsamer Kult bis heute. Weitaus sympathischer mir da die Analytische Philosophie.

Leider ging mir das Geld aus und ich mutierte zum Sofa-Surfer/Tagelöhner, als die Beschäftigung mit der überaus faszinierenden Wissenschaftstheorie, wozu Carnap unerlässlich gewesen wäre, hätte dran sein sollen. Ich suche daher immer noch nach der elegantesten Darstellung meiner Intuition. Etwas grobschlächtig unelegant: Es gibt nicht nur Bezeichnetes und Bezeichnendes, es gibt insbesondere auch Definierendes u. Definiertes. Kritiker eines naturalistischen Ansatzes scheinen mir immer zu übersehen, dass ein solcher zwar mit einer Unmenge von Definierendem aufzuwarten vermag; aber eben aus Sicht dieser Kritiker in einer großen Anzahl von Fällen aber beim Definiertem eine Leerstelle lassen muss; Beispiele wären hierfür so Sachen wie "Geist", "Gender", "Seele", "Bewusstsein" etc. Eine Wesenlogik, der sich die soziale Konstruktion des Individuellen letztlich verdankt, steht daher ohnehin nicht zur Debatte.

Ich freue mich zwar natürlich auch über Hartmuts Ankündigung, den Komplex noch einmal genauer durchzuanalysieren. Aber ich wundere mich trotzdem immer wieder, dass hier, etwa anlässlich K. Roenickes, die sich zu wehren genötigt sah, die Diskussion in die immergleichen idiologischen/idiologiekritischen Gleise gerät, mit denen Roenicke, soweit ich sehe, gar nichts zu tun hat: Inschutznehmen von Carnap/Neurath/... gegen womöglich falschverstandene sozialwissenschaftliche Ansätze; Adorno vs. Empirismus; trivialpopulistisch verstandener Popper und der kritische Rationalismus, welcher letzterer seinerseits oft etwas beleidigt sich von vermeintlich empiriefeindlichen Geisteshaltungen abzugrenzen bemüßigt sieht; - Popper, ein (ehem. kommunistischer) Renegat, der in England nicht nur vor den Nazis sondern auch vor seiner kommunistischen Vergangenheit Zuflucht suchte ... Oder ein rechthaberischer Streit um "Objetivität" ... Während Popper in den Sozialwissenschaften immer lediglich auf die unglaublich triviale Sache mit den "schwarzen Schwänen" reduziert wird. Dabei hat er z.B. in Sachen Definition ein paar durchaus nichttriviale Vorschläge zu unterbreiten. (Da würde ich, s.o., weitermachen.)

Aber außerhalb von diesen sich auf einen linken Diskurs (oder sich so verstehenden oder wahrgenommenen) beziehenden idiologischen/idiologiekritischen Auseinandersetzungen hat sich in meiner Wahrnehmung nie irgendjemand ernsthaft dafür interessiert.

Fragen, um die es in diesen "linksinspirierten" idiologiekritischen Auseinandersetzngen um Kritiken an bestimmten Denktraditionen geht, stellen sich IMHO in diesen gar nicht!

Der Ausweg scheint mir zu sein, dezidiert nicht-idiologisch zu analysieren zu versuchen, weshalb es immer wieder zu solchen Schieflagen in der Diskussion kommt - und, um ein Beispiel zu nennen, Seyla Benhabibs Kritik an Diskursethiken hambermasscher Provenienz dafür fruchtbar zu machen. Rückfälle in ein ideologisches "Aber-Du-hast-damals-Gesagt" helfen uns da ganz sicher (edit: das lehrt und doch die Erfahrung, oder nicht?) nicht weiter.

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Das hast Du nach meinem Dafürhalten nun aber wirklich sehr lesbar formuliert. Allerdings habe ich dazu anzumerken, dass es hier ja verschiedene Diskursebenen gibt, die nichts miteinander zu tun haben, und einen Metadiskurs. Blogopposition Willy steht mit seinem Radikalpositivismus und Objektivismus und seiner pauschalen Verurteilung von Dekonstruktion, Poststrukturalismus und Feminismus als "Esoterik" in einer völligen Außenseiterrolle. Sobald eines der eben genannten Schlagworte fällt öffnen sich bei zahlreichen LeserInnen sofort die Pforten zu den Diskussionen um die ihnen werten oder weniger werten Denksysteme. Die ursprüngliche Thematik dieses Threads rückt dann eher in den Hintergrund.

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Ja, sicher. Nur dass Willy den anscheinenden Selbstmissverständnissen seiner aus welchen Gründen auch immer gewählten Wuschopponenten, die allerhöchstwahrscheinlich, so, wie er vorgibt zu glauben sie kritisierten zu müssen, gar nicht existieren, aufsitzt.

Willy performt hier als die Inkarnation des Selbstmissverständnis einer angeblich vorgetragenen Kritik.

In der Tat wäre es viel interessanter, die einigen hier Anwesenden werten Denksysteme selbst kennenzulernen, denn als Reaktion auf die einer Kritik unwürdigen Einlassungen eines Willy, der, völlig ahnungslos von dem, was er hier in Anspruch nehmen zu können vorgibt, was er hier großmäulig andere glauben machen will, nicht einmal einer Ideologiekritik, die ein Fleischhauer wenigstens verdient hätte, würdig ist.

Er macht es wahrscheinlich nicht einmal absichtlich, seine eigene Ahnungslosigkeit ist ihm mit Sicherheit nicht einmal selbst bewusst. Nur leider läuft die Diskussion in meiner Wahrnehumung dann oft so ab, als ob es erforderlich wäre, die eigene Position einem Popanz gegenüber klarzustellen.

Tragischerweise ließen sich aber einige Ansätze, die hinter Willys albernem Herumgefuchtel mit einigen Schlagworten unerkannt bleiben, möglicherweise doch fruchtbar machen, es wäre imho jedenfalls vielleicht lohnenswert, dies zu prüfen. Dies betrifft nicht nur einigen "LeserInnen (...) werten oder weniger werten Denksysteme" und eine Metadiskussion, sondern auch eine Metadiskussion, wie ich anzudeuten versucht habe, wie sie mir vorschwebt.

Es ist m.E. nicht nur erforderlich, gegen Willy die Diskussion wieder auf den Boden der ursprünglichen Thematik zurückzuführen, sondern, sofern man ihn überhaupt wahrnimmt, richtigzustellen ob, und wo sich hinter seinem unmotivierten Herumgelärme sich nicht vielleicht doch das eine oder andere Werkzeug vereinzelt finden ließe, welches für eine interessante Diskussion brauchbar wäre.

(edit: sorry, tausendmal edit, bin zw. Tür una Angeln, muss schnell los! Ist aber hofffentlich halbwegs verständlich)

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"Bis dann Adorno und Horkheimer daherkamen und all diese Leute zu Steigbügelhaltern der Nazis erklärten."

Willy, ich warte immer noch auf den Beleg in irgend einem Text von Adorno oder Horkheimer, wo sie die Logischen Positivisten namentlich zu Steigbügelhaltern der Nazis erklären. Also Willy: flugs in die Bibliothek geeilt!

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naja, lieber Bersarin. Die Belege wird es so natürlich nicht geben. Indessen: Du bist um 1990 an philosophische Seminaren zuhause gewesen, und ich auch. Diesen Vorwurf gegen den logischen Positivismus aus besagter Ecke gab es schon, da wollen wir doch mal ehrlich sein.

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um es noch einmal deutlich zu sagen: Willy hat von "Radikalpositivismus und Objektivismus" keine Ahnung !!!

Es sind Karrikaturbilder derselben! - Die er so formuliert, offenbar aus Unkenntnis, dass manche dennoch darauf herinzufallen scheinen. Hier liegt sein Q.E.D. !

Es sind Karrikaturbilder, die in den Köpfen mancher, nach den unerfreulichen Diskussionen vergangener Tage, immernoch herumspuken, oder herumzuspuken scheinen. Er hat von "Radikalpositivismus und Objektivismus" noch weniger verstanden als die Opponenten, die aus der damaligen Sicht und was deren Theoriebildung betrifft zwar ihrerseits ebenfalls wenig verstanden, aber womöglich das eine oder andere Bemerkenswerte beizutragen hatten.

Plumper gings wirklich nicht ! Trotzdem billigst Du ihm eine "Außenseiterrolle" zu, eine Ecke, in welche er sich stelle "mit seinem Radikalpositivismus und Objektivismus und seiner pauschalen Verurteilung von Dekonstruktion, Poststrukturalismus und Feminismus als 'Esoterik'". edit: und von wo aus er sich gegen dieselben wendete)

Diese Außenseiterrolle ist konstruiert! Als hätten irgendwelche Phantasma von "Radikalpositivismus und Objektivismus" irgendetwas mit einer argumetbefreiten Verurteilung von Dekonstruktion, Poststrukturalismus und Feminismus zu tun!

Hier adelst Du jemanden, der es lediglich auf eben diese Reaktionen abgesehen hat! Er hat von all dem überhaupt keine Ahnung, bitte, glaubs mir!

"Objektivismus" gibst es nicht. Hat nie jemad vertreten!

"Radikalpositivismus" ist Positivismus für arme. Das hätten wohl einige gerne, dass jemand das vermeitlich unideologisch vertreten hätte! Dabei ist "idiologischer Positivismus" eine contradiction in terms! Ich frage: wer hat es im Ernst nötig, sich mit solch einem Schmarrn aueinanderzusetzen?

Er wirft "ideologische", positivistische Happen vor, es wird sich darauf gestürzt, dabei ist bereits dieses Unterfangen die Widerlegung desselben.

Ein Positivist, der sich auf eine solche Diskussion einlässt, und darauf gerade legt es ein Willy ja gerade an, ist ein Verräter an einer ehrwürdigen Denktradition! Er ist heitmatlos, und deshalb nimmt er die leichteste Variante, um Leute zu nerven. Es hat aber den Anschein, dass manche darauf immer noch hereinfallen - das kann, das darf einfach nicht sein!

PS ...öffneten sich die Pforten für liebgewonnene Denksysteme, so in etwa bei Dir; ja stimmt, das fiel mir erst hinterher auf, dass das auch mich betrifft, musste halt los - heute stand das erste Treffen mit dem Musiker aus Togo an, zum Kennenlernen und für Absprachen, war mir halt ziemlich wichtig ... ;-)

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Willy und El Mocho:
Ist das ein und diesselbe Person? Ich meine, sowas mal gelesen zu haben, aber im Alter vergisst man ja so schnell.

Danke im Voraus für die Antwort.

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@ Bersarin

Wie wäre es hiermit:

"Und doch ist sie (die neopositivistische Philosophie] in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht weniger fest als die Metaphysik mit den herrschenden Zuständen verknüpft. Wenn ihr Zusammenhang mit den totalitären Staaten nicht offen zutage liegt, so ist er doch unschwer zu entdecken. Neuromantische
Metaphysik und radikaler Positivismus gründen beide in der traurigen Verfassung eines großen Teils des Bürgertums, das die Zuversicht, durch eigene Tüchtigkeit die Verhältnisse zu verbessern, restlos aufgegeben hat und aus Angst vor einer entscheidenden Änderung des Gesellschaftssystems sich willenlos der Herrschaft seiner kapitalkräftigsten Gruppe unterwirft.“ (Horkheimer, "Der neuste Angriff auf die Metaphysik (1937)

Also der Zusammenhang liegt zwar nicht offen zu Tage, ist aber unschwer zu entdecken, worin er denn nun genau besteht, wird nicht gesagt. Was für ein Stuss, keiner der Neopositivisten hat sich in irgendeiner Weise mit „totalitären Staaten“ gemein gemacht, im Gegenteil, sie wurden genauso von den Nazis verfolgt, wie die Frankfurter, und gingen ins gleiche amerikanische Exil.

Noch in der Vorrede zur Neuausgabe der "Dialektik der Aufklärung“ von 1969 heißt es: "Die in
dem Buch erkannte Entwicklung zur totalen Integration ist unterbrochen, nicht abgebrochen;
sie droht, über Diktaturen und Kriege sich zu vollziehen. Die Prognose des damit
verbundenen Umschlags von Aufklärung in Positivismus, den Mythos dessen, was der Fall
ist, schließlich die Identität von Intelligenz und Geistfeindschaft hat überwältigend sich
bestätigt.“

Also der „Umschlag“ von Aufklärung in Positivismus ist verbunden mit Diktaturen und Kriegen, als wären Nazis oder Stalinisten Positivsten gewesen. Absoluter Schwachsinn.

Sehr interessant und empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang das Buch „Positivismusstreit“ von Hans-Joachim Dahms, dass sich mit dem Verhältnis der Frankfurter schule mit der wissenschaftsorientierten Philosophie von den 30er Jahren an bis zum Tode der Protagonisten beschäftigt, sehr lesenswert.

http://www.amazon.de/Positivismusstreit-Auseinandersetzungen-Positivismus-amerikanischen-Rationalismus/dp/3518286587

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@genova

Ja ich bin beide, habe mich nur zu unetrschieldiche Zeitpunkten hier und bei dir eingetragen.

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Die beste zusammenfassende Beurteilung der „Dialektik der Aufklärung stammt von Leszek Kolakowski, (Hauptströmungen des Marxismus, Bd. 3) der Schreibt:

„Allgemein gesprochen, ist der Begriff der »Aufklärung« (in diesem Buch) ein phantastisch zusammengeflickter, unhistorischer Bastard, der sich aus allem zusammensetzt, was die Autoren empört: Positivismus, Logik, deduktive Wissenschaften, empirische Wissenschaften, Kapitalismus, Herrschaft des Gelds, Massenkultur, Liberalismus und Faschismus. Ihre Kulturkritik … ist ein Angriff auf die »Massengesellschaft« im Geist der feudalen Verachtung für die einfachen Leute. Die »Massengesellschaft« war schon im 19. Jahrhundert Angriffen von den verschiedensten Seiten ausgesetzt - wir kennen diese Kritik aus den Schriften Tocquevilles, Renans, Burckhardts, Nietzsches. Das Neue an der Kritik Horkheimers und Adornos ist, dass diese Angriffe verbunden werden mit einem Angriff auf den Positivismus und die Wissenschaft und dass die Wurzel des Übels - mit Marx - in der Arbeitsteilung und »Verdinglichung« der Welt durch die Herrschaft des Tauschwerts gesucht wird.

Das Hauptmotiv dieses Angriffs ist, wie man sieht, ein traditionell romantisches. Die Autoren weisen jedoch keinen Ausweg aus dem Niedergang: Sie sehen keine Möglichkeit, dass der Mensch zur Freundschaft mit der Natur zurückkehrt, sie sagen auch nicht, ob und auf welche Weise die Menschen den Tauschwert liquidieren, das heißt, ohne Geld und Berechnung leben könnten. Der einzige Rat, den sie erteilen, ist das theoretische Denken, wobei wir vermuten dürfen, dass der Hauptvorzug dieses Denkens darin bestehen soll, dass die Despotie der Logik und der Mathematik abgelehnt wird (die Logik ist den Autoren zufolge ein Ausdruck der Gleichgültigkeit gegenüber dem Individuum). In der »Dialektik der Aufklärung« sind bereits alle Elemente der späteren Angriffe Marcuses auf die moderne Philosophie enthalten, die angeblich den Totalitarismus dadurch fördert, dass sie einen positivistischen »Neutralismus« der Wissenschaft gegenüber der Welt der Werte verkündet und die Kontrolle der »Tatsachen« über das menschliche Wissen fordert. Dieser verblüffende Paralogismus - die Beachtung der Forderungen der empirischen Wissenschaft und der Regeln der Logik ist gleichbedeutend mit der Sanktionierung des bestehenden Zustands und der Ablehnung jeglicher Veränderung - zieht sich unverändert durch die gesamte Produktion der Frankfurter Schule. Fasst man den behaupteten Zusammenhang des Positivismus mit gesellschaftlichem Konservativismus oder gar Totalitarismus (die Autoren setzen Konservativismus mit Totalitarismus gleich) als einen historischen auf, so wenden sich alle faktischen Beweise gegen die Kritiker der »Aufklärung«: Seit Hume war die positivistische Philosophie stets mit der liberalen Tradition verbunden. Ein logischer Zusammenhang besteht ganz offensichtlich nicht. Würde daraus, dass die wissenschaftliche Forschung sich zu ihrem Gegenstand >>neutral« verhält und sich der Wertung enthält, folgern, dass sie den bestehenden Zustand stillschweigend gutheißt, so müsste man behaupten, dass physiopathologische Untersuchungen stillschweigend die Krankheit preisen oder davon ausgehen, dass Krankheiten gut und nicht zu bekämpfen seien. Es stimmt, dass zwischen den medizinischen und den Gesellschaftswissenschaften ein wesentlicher Unterschied besteht (obwohl das, was die Frankfurter Schule in dieser Hinsicht über die Wissenschaften sagt, sich auf die gesamte Erkenntnis beziehen soll). Es stimmt, dass in den Gesellschaftswissenschaften die Forschung eine Tätigkeit ist, die dem Forschungsgegenstand selbst angehört, wenn das »umfassende« gesellschaftliche Ganze dieser Gegenstand ist. Daraus folgt jedoch keineswegs, dass ein Forscher, der sich bemüht, sich wertender Urteile zu enthalten, die Gesellschaft notwendig im Sinne der Stabilisierung oder des Konformismus beeinflusst: Es kann so oder anders sein, aber aus der bloßen Tatsache, dass eine Untersuchung »von außen«, das heißt ohne sogenanntes Engagement, durchgeführt wird, lässt sich diesbezüglich keine Folgerung ziehen. Mehr noch: Eine Forschung, die nicht nur in dem Sinn »engagiert« ist, dass sie überhaupt irgendein praktisches Interesse verfolgt, sondern auch in dem Sinn, dass sie sich selbst als Element einer gewissen praktischen Tätigkeit auffasst, ist gewissermaßen verpflichtet, das für wahr zu halten, was dem Interesse, mit dem der Forscher sich identifiziert, förderlich zu sein scheint, oder anders gesagt, sie muss sich genetischer, pragmatischer Wahrheitskriterien bedienen. Würde ein solches Prinzip anerkannt, dann würde die Wissenschaft im bisherigen Sinn aufhören zu existieren und sich in politische Propaganda verwandeln. Dass in den Gesellschaftswissenschaften auf verschiedenen Wegen unterschiedliche politische Präferenzen und Interessen zu Wort kommen, ist eine unbestrittene Wahrheit; eine Regel aber, die, statt die Minimalisierung dieses Einflusses zu fordern, im Gegenteil seine Verallgemeinerung fordern würde, ließe die Wissenschaft zum willenlosen Werkzeug politischer Interessen werden, wie es mit den Gesellschaftswissenschaften in totalitären Staaten ja auch geschehen ist; theoretische Untersuchungen und theoretische Diskussionen würden ihre Autonomie völlig einbüßen - im Gegensatz zu dem, was die Autoren der Frankfurter Schule für wünschenswert erklären.

Es stimmt ebenfalls, dass die wissenschaftliche Forschung selbst keine Ziele hervorbringt. Das stimmt auch dann, wenn man annimmt, dass gewisse Werturteile implizit in den Regeln selbst enthalten sind, die besagen, unter welchen Bedingungen gewisse Behauptungen oder Hypothesen ein Bestandteil der Wissenschaft sind. Die Ansprüche an ein wissenschaftliches Verfahren werden natürlich nicht schon dadurch verletzt, dass der Forscher etwas entdecken möchte, was gewissen praktischen Zielen dient, dass seine Interessen von praktischen Überlegungen inspiriert sind. Diese Ansprüche werden dagegen vergewaltigt, wenn man unter dem Vorwand, die Dichotomie von Tatsachen und Werten »überwinden« zu wollen (die Frankfurter Schule und im Übrigen ein beträchtlicher Teil der marxistischen Literatur pocht unablässig darauf, eben diese Dichotomie überwunden zu haben), die wissenschaftliche Wahrheit den Kriterien irgendeines Interesses unterordnet.

Die Regeln der empirischen Forschung wurden im europäischen Denken, beginnend mit dem späten Mittelalter, in Jahrhunderten entwickelt. Dass die Entstehung dieser Regeln irgendwie mit der Ausbreitung der Warenwirtschaft zusammenhing, ist möglich, wenn auch keineswegs bewiesen, und die Anhänger der »Kritischen Theorie« geben in dieser Frage wie in der Mehrheit der anderen Fragen lediglich haltlose Versicherungen ab, die durch keine historische Analyse gestützt werden. Sollte jedoch tatsächlich ein solcher historischer Zusammenhang bestehen, so folgt daraus noch immer nicht, dass diese Regeln ein Instrument des »Warenfetischismus« sind und die Herrschaft des Kapitals aufrechterhalten; diese letztere Behauptung ist sogar schlichter Unsinn. Die genannten Autoren scheinen zu glauben, dass es, und sei es potentiell, eine andere Wissenschaft gibt, welche den Forderungen der Menschlichkeit gerecht wird, doch können sie nichts über sie sagen. Letzten Endes ist ihre Kritische Theorie weniger eine Theorie als vielmehr ein Lobpreis der Theorie, eine allgemeine Versicherung, dass theoretisches Denken sehr wichtig sei (eine kaum kontroverse These), und eine Forderung, sich zu der bestehenden Gesellschaft kritisch zu verhalten und sie gedanklich zu »transzendieren«. Diese letztere Forderung hätte jedoch nur dann Sinn, wenn sie sagen könnten, wohin genau wir das Bestehende zu transzendieren haben, doch gerade das erfahren wir nicht; diesbezüglich - es muss wiederholt werden - ist der orthodoxe kommunistische Marxismus inhaltlich bestimmter, da er zumindest versichert, dass, wenn erst die Produktionsmittel verstaatlicht sind und die Herrschaft der kommunistischen Partei errichtet ist, nur noch technische Einzelheiten auf dem Wege zum allgemeinen Glück und zur allgemeinen Befreiung zu lösen sind. Diese Empfehlungen wurden zwar durch Erfahrungen völlig widerlegt, haben aber den Vorzug, dass man weiß, um was es bei ihnen geht.“

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wieder: eine dekotextulisiertes Zitat-Herumgefuchtel. Das eben Kolakowsky, und dessem Bemühungen, seinem eigenem, so will ich vermuten, selbstständigem Denken keinen Gefallen tut. Deine Denkfaulheit geht einfach auf die Nerven. Wenn Du es nicht für nötig hältst, Deinen Gehirnschmalz einmal selbst zu bemühen, Deine Denkfähigkeit, soweit vorhanden, in Anspruch zu nehmen, zu kontextualisieren, dann rate ich Dir, es einfach zu lassen. Werde Bibliothekar! Das ist auch ein ehrbarer Beruf.

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@ziggev: Doch, Objektivismus gibt es. Das ist einmal eine Haltung in der Philosophie, de davon ausgeht, dass es keine subjektiven Wahrheiten gibt, sondern nur objektive, strikt empirisch verifizierbare. Und zum anderen gibt es auch eine Philosophie, die sich selber "Objektivismus" nennt und den philosophischen Objektivismus mit einer Extremform des Laissez-faire-Liberalismus verbindet.

Wenn ich von Metadiskurs spreche meine ich mitnichten das was Willy aus- und anspricht, sondern mehr so die philosophischen Systeme, die den Hintergrund der besseren Debatten auf diesem Blog bilden, aber auch mein lebenslanges mich Abarbeiten an einer von mir für falsch gehaltenen PC-Moral oder, wie Hartmut das nennt, linkem Neopietismus (mir würde da nicht nur der Pietismus, sondern und auch noch viel eher die Moraltheologie der katholischen Ordensgeistlichkeit einfallen), das als Hintergrund diese Debatten ebenso durchzieht wie seinerzeit die fulminante Auseinandersetzung mit Momorulez.


@genova: Manchmal denke ich, Willy, El Mocho, Clair de Lune und Georgi sind alles Meme, hinter denen dasselbe Programm steht;-)

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Dass hier allerdings mein alter Kumpel Hans Joachim Dahms Erwähnung findet erstaunt mich dann schon;-)

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Zum Thema Kolakowsky, der bei mir im Wohnzimmer steht, zitiere ich mich mal selber:
http://che2001.blogger.de/stories/1614708/#1617344

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@ che

da war ich vielleicht etwas überschnell, ok. das ist halt auf meinem eigenen Mist gewachsen. aber es ist m.E. unschwer einzusehen, dass ein purer "Objektivismus" sich selbst widerlegt. daher mein obiges Beispiel mit Galileo bzw. Kepler. jede sog. "objektive" Erkenntnis fußt auf einer subjektiven Anfangserkenntnis.

In der Antike, oder sogar noch früher, hatten die solche tropfenförmigen Glasartefakte, die aber an einer Seite in einer Ebene abgeschnitten waren. diese Ebene war dazu geeignet, sie auf ein Stück Papier zu legen, und die Tropfenform des Glases machte es möglich, hindurchzusehen und, was sich darunter befand, vergrößert wahrzunehmen. Nun, was aber ist die erste Reaktion jedes spielerisch veranlagten Kindes, ohne dessen Neugier sich die positivistische Wissenschft, wie wir sie kennen, nie entwickelt hätte? Klar, es würde nocheinmal ausprobiert werden, und wieder, fasziniert davon, dass sich der zuerst als magisch empfundene Effeckt jedesman von Neuem einstellt. Nur durch dieses Wiederholen, durch dieses endlose Wiederholen, wie wir es als kindlichen Reflex kennen, stellt sich die philosophische Gewissheit ein, dass das, was jetzt vergrößert zu sehen ist, tatsächlich dasselbe sichtbar macht, was in Wirklichkeit sich unter dem Glastropfen auf dem Papier befindet.

Nicht anders wird Galileo verfahren haben, der bekanntlich von Venedig aus eine kleine Industrie in Gang gesetzt hatte, um die Erfindung des Teleskops, die nicht unbedingt nur seine eigene war, zu vermarkten. Er entwickelte sie aber weiter. Das heißt aber, ich vermute Kepler wird es nicht ander ergangen sein oder gehalten haben, dass er mit Glasschleifern und so weiter, mit dem Produktionsprozess durchaus in den Einzelheiten vertraut war. Woher wusste er also, dass er mit dem Teleskop dasselbe sah, nur vergrößert, dass dieses Instrumet nicht Teufelswerk war, das ihm etwas vorgaukelte, damit er die Autorität der katholischen Kirche üntergrübe?

Es war nichts anderes als der kindliche Reflex, es immer und immer wieder auszubrobieren. Er hatte sich vergewissert, dass die Techniker, die die Linsen herstellten, kein Zauberwerk betrieben, er hatte solch eine Linse einmal selbst in der Hand gehabt und nicht nur einmal gesehen, dass diese tatsächlich etwas vergrößerten, das hatte er nicht bereits vorher gewusst oder eine entsprechende Hypothese aufgestellt, er hat sich mit dem kindlichen Reflex dessen vergewissert. Letztlich ist es aber eine Hypothese, dass wir durch unsere Teleskope dasselbe sehen, wie wenn wir fasziniert den Sternenhimmel betrachen. Durch diese Methode war es Galileo aber möglich gewesen, etwas Neues zu entdecken.

Er musste aber, wie wir alle wissen, abschwören. Niemand hat ihm geglaubt. Irendwann wurde jedoch akzeptiert, dass es sich bei den Teleskopen nicht um Teufelswerk handelte, es wurde nicht mehr in allen Einzelheiten nachgeprüft, ob da nicht "der Teufel im Detail" steckte. Man hatte sich darauf geeinigt, dass das wohl mit rechten Dingen zuginge. Als das akzeptiert wurde, konnte Kepler, der seine Ergebnisse nach lebenslanger Forschung erst kurz vor seinem Tode bekanntgab, seine Mitwelt überzeugen.

Es stellte sich ein Konsens ein. Das nennen wir "Objektivität". Aber dass es etwas wie "reine", "pure" Objektivität gebe, fußt auf einem verherenden Missverständnis. "Objektive" Erkenntnis fußt immer auf einer subjektiven Anfangswahrnehmung. Ohne diese hätten wir keinen Galileo, keinen Kepler, wären nie auf dem Mond gelandet, hätten keine Satelliten und unsere Handys würden nicht funktionieren.

"Objektivismus" ist eine ideologische Einstellung gegen eine übertrieben subjektive Einstllung. Hätte aber Galileo ideologisch gedacht, könnten wir nicht mit dem Wunderwerk Internet miteinander kommunizieren.

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wtf
Mir fällt da nur Twitterbomb ein. Wie Googlebomb. Und Steinbrück.

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Bisschen OT
Aber seit ich hier (und im Umfeld) fleißig mitlese, bin ich ja fest davon überzeugt, dass an Feyerabends Konzeption von der Inkommensurabilität doch was dran ist. ;-)

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cut, ich wollte ja nur mal raus, um mir neuen Takak zu holen, drückte aber kurz zuvor auf F5, und lese mit rofl den Verweis auf Feyerabend. einer der wichtigsten und am sträfligsten vernachlässigen Philosophen überhaupt. ;-)

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Mehrerlei Objektivismus
@ziggev: ""Objektivismus" ist eine ideologische Einstellung gegen eine übertrieben subjektive Einstellung." ---- In sozialen und politischen Kontexten ist das noch etwas Anderes, obwohl ich Dir hier gar nicht widersprechen möchte.


Ich greife da mal Glanzor auf: "Dass eine politische Streiterei ein "Kampf um das bessere Argument" unter Gleichen ist, das ist natürlich ein bildungsbürgerlicher Idealismus, der mit der Realität nicht viel zu tun hat. Die Verweise auf gesellschaftliche Privilegien u.ä. dient ja auch dazu solche Dominanzstrukturen zum Vorschein zu bringen und zu bekämpfen, um Leuten, die aufgrund ihrer sozialen Stellung im Normalfall Probleme haben, richtig an politischen Debatten teilzunehmen, die Möglichkeit zu geben, sich da einzubringen.
Dass die normalen Bildungsbürger kein Interesse daran haben, über sowas nachdenken, ist klar, immerhin ist Diskurshoheit sowas wie ihr "Kapital"." ---- Damit hat er nämlich schon erfasst, was in diesem Kontext "Objektivismus" bedeutet - die Leugnung von Dominanzstrukturen, sozialen Bezugnahmen, Sprecherpositionen usw. und die Behauptung einer Allgemeinheit des Gegenstandes und einer objektiven Bedeutung von Fakten außerhalb sozialer Bezugnahmen. In der politischen Ideenbildung wird das dann noch mal spezifischer. In der ArbeiterInnenbewegung ist Objektivismus eine Position, die von einer Zwangsläufigkeit historischer Prozesse als Ergebnis ökonomischer Gesetze ausgeht, die so unabänderlich und unumkehrbar sind wie das Gesetz der Schwerkraft, und zwar ohne Relativitität. In solchen Modelle machen Menschen die Geschichte nicht nur nicht aus eigenen Stücken, sie machen sie auch nicht selbst. Soziale Veränderung ergibt sich aus einer völlig mechanistisch betrachteten Wechselwirkung von Wertgesetz, Produktivkraftentwicklung und gesellschaftlicher Umwälzung. Das hatte für den linken Flügel der Sozialdemokratie den Vorteil, einerseits von einer Zwangläufigkeit der sozialen Revolution als historischer Notwendigkeit auszugehen, andererseits aber nichts Konkretes tun zu müssen, um diese voranzutreiben - man konnte sich auf Arbeitskämpfe und Symbolpolitik beschränken in der Hoffnung, dass die revolutionäre Situation als gesetzmäßiges Ergebnis der Produktivkraftentwicklung und der Arbeitskämpfe irgendwann mit naturgesetzlicher Zwangsläufigkeit kommen müsste. Vertreter dieser Sichtweise waren Karl Kautsky und am prononciertesten der französische Sozialist Jules Guesde, GegnerInnen besonders Luxemburg, Korsch und Trotzky, später Poulantzas. Beim Objektivismus von Ayn Rand geht es dann um die naturalisierende Alternativlosigkeit des Wirtschaftsliberalismus als einzige "vernünftige Ordnung".

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ok., lese ich mir morgen, mit frischem, ausgeschlafenem Verstand durch.

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noch immer nicht ganz frisch, aber trotzdem fürs Erste
nee-also. am Rad der Theorie der Revolution will ich ganz sicher nicht weiterdrehen. Vielleicht ist das notwendig, aber ich bin nicht der Typ dafür. Wenn ich Kinder hätte, würde ich denen von so Sachen wie aktion direkt bei aller Sympathie abraten. Ich würde sie nur ungern nach ner Schlägerei mit den staatlich gedeckten Nazis im Krankenhaus besuchen, - oder eben in der Leichenhalle. (in Griechenland scheint es ja gerade so abzulaufen, scheint nicht nur, ich schenke den Quellen da Glauben.)

pfui, für aus bürgerlich-halbwegs-gesicherten Verhältnissen stammend ist diese marxistisch-inspirierte Idee, nur für die grobe Charakterisierung, einfach ne Nummer zu hart. verstehe, es ist nicht alles nur Theorie,

aber ich plädiere halt dafür, nicht Begriffe zu missbrauchen; Politik ist da m.E. eben das Feld, wo sie falschestmöglich verstanden dennoch überleben. bei Lichte besehen besagen alle diese heheren Begriffe wenig, genau einmal hingegukt: nichts!

aber als Historiker siehst Du es möglw. als Deine Aufgabe, die wahre Bedeutung, die diese Begriffe in der Geschichte der Arbeiterbewegung einmal hatten, nachzuvollziehen. also, was sie einmal bedeuteten zu konservieren.

ganz leicht scheint es mir aber nicht zu sein, diese Arbeit fürs Jetzt, für die Zukunft fruchtbar zu machen.

und der Schönheitsfehler bleibt: wenn Leute ihre Energie damit verschwenden, einem Begriff der Objektivität den Kampf anzusagen, der aber - etwas genauer hingeschaut - ein Phantasma ist, völlig leer und nichtssagend, quasie eine Null-Information, na was?, dann verschwenden sie halt ihre Energie. meine Phantasie ist zu begrenzt, um hier Ratschläge zu erteilen ... b

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Ich denke bis heute in solchen Begrifflichkeiten und Kategorien, das ist für mich nichts, das nur in die Vergangenheit gehört. Jedenfalls fanden Diskussionen zwischen Objektivisten, Reformisten und AnhängerInnen direkter Aktionen noch zu meinen Lebzeiten als Erwachsener statt.

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das macht Dich mir jetzt auf einmal sympathisch. trotz allem an gewissen notwendigen (auch wenn ich es vorziehe, den Begriff der Notwendigkeit in erster Linie rein logisch aufzufassen) Begriffen festzuhalten. Auch wenn sowas in der eher konservativ geprägten Logikszene seit etw. 100 Jahren als ziemlich uncool dastehet.

fand jetzt hier am U-Bahnhof ne Zeitschrift, welcher Bahnhof, wenn, dann in der Überzahl von Horden von Schülerinen und jungen Jungs und Jugendlichen befölkert ist, "zeck, das Fachblatt für die Ästhetik des Widerstands"

Da wird gnadenlos von direkten aktionen berichtet. Las ich begeistert, das machte Hofnung, aber ich weiß nicht, ob ich die Exemplare meiner Nachkommenschaft in eine solche unerbittliche Auseinandersezung herschicken würde.

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übrigens reinstes Hochdeutsch! Habe nach 25 Min., und was das betrifft bin ich wirklich schhnell, keinen einzigen Satz gefunden, der in grammaikischer Hindicht in Zweidel hätte gezogen werden können.

Für ne Lektoratsausbildung immer bei ner radikallinken Zeitschrift anfangen, dort steht Deutsch at it´s best Satz für Satz. Klartext.

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@ziggev,

wie wär´s denn wenn du statt Beleidigungen mal ein Gegenargument bringen würdest? Bersarin lässt sich ja nicht dazu herab. Ich habe zwei ganz klare Zitate gebracht in denen Adorno und Horkheimer der neopositivistischen Philosophie "Nähe" zum Faschismus und Verantwortung für "Diktaturen und Kriege" unterstellen, ohne dafür eine Nachvollziehbare Begründung zu liefern. Wie siehst du das?

Wenigstens ein einziges Zitat, in dem sich ein Positivist zustimmend zum Faschismus äußert oder ein Faschist positiv über die Aufklärung spricht, wäre schon nett, aber ich fürchte da findet sich nicht viel.

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Hier gibts übrigens einen interessanten Kommentarstrang zum Thema:
http://seeliger.cc/2013/fragen-wir-nach-der-selbstvermessung/

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Versuch zu "Kontextualisieren"
willy:

Damit meine ich, zu versuchen zu erklären, warum ein bestimmtes Zitat gebracht wird, anstatt es zu unterlassen, es in einen Sinnhorizont zu stellen. Womit ich wiederum meine, Hinweise dazu zu geben, worüber man sich auseinandersetzen will. Gebe zu, bin etwas zuweit gegangen. Dieses immergleiche Schema von Unterlassung hat mich aber mit der Zeit wirklich geärgert.

Kolakowsky wendet sich dagegen, dass die legitimen Ansprüche wissenschaftlicher Forschung den kriterien irgendeines Interesses untergeordnet würden. Der Irrtum bestehe darin, die Dichotomie von Werten und Tasachen "überwinden" zu wollen.

Aber zeigt er wirklich, dass die Kritik an der Massengesellschfaft in Zusammenhang gebracht werde mit dem Positivismus und der Wissenschaft und dass die Wurzel des Übels angeblich - mit Marx - in der Arbeitsteilung und »Verdinglichung« der Welt durch die Herrschaft des Tauschwerts gesucht wird?

Dass daraus, "dass die wissenschaftliche Forschung sich zu ihrem Gegenstand 'neutral' verhält und sich der Wertung" enthalte, gefolgert werde, dass sie den bestehenden Zustand stillschweigend gutheiße?

Dass behauptet würde, "die Beachtung der Forderungen der empirischen Wissenschaft und der Regeln der Logik [...] gleichbedeutend mit der Sanktionierung des bestehenden Zustands und der Ablehnung jeglicher Veränderung" sei.

Nun, das wäre in der Tat eine sehr langweile Art des Schlussfolgerns. Aber beweist er, dass solche Schlussfolgerungen tatsächlich zu ziehen versucht wurden?

Ihm zufolge handelt es sich um einen Paralogismus. Aber hat er überhaupt eine logische Rekonstruktion der betreffenden Theorien vorgenommern, um zu diesen Schlussfolgerungen zu gelangen?

Bekannlich gibt "ein Fehlschluss (also der Paralogismus) [...] keinerlei Aufschluss über den tatsächlichen Wahrheitsgehalt der abgeleiteten Aussage." (Wicki) Es bleibt offen, um was für eine Art von Theorie oder Theorien es sich bei der Frankfurter Schule handelt. Ihm zufolge finden sich aber in ihren "Schlussfiguren", die dem Paralogismus zu verdanken sind, also als nicht mehr und nicht weniger denn Störgeräusche oder auch Rauschen zu gelten haben.

Aus diesen Störgeräuschen folgerst Du jetzt aber unter Bezugnahme auf Kolakowsky den Vorwurf der Nähe zum Faschismus.

Tatsächlich wäre es ein krasser Irrtum, mit logischer Konsequenz aus der Tatsache einer Wissenschaft, die jedenfalls teilweise Ziele, die nicht als "wertfrei" zu gelten haben, verfolgt, sich jedoch nicht die Revolte gegen die bestehenden Verhältnisse auf die Fahnen geschrieben hat, deren Gutheißen der bestehenden Verhältnisse zu folgern. Es stellt sich die Frage, wie jemand dann auf die Idee kommt, es würden gleich faschistoide Strukturen unterstellt. Ist es vielleicht eine eigene linke Vergangenheit, die dahintersteckt? Den Verweis auf den Renegaten Popper habe ich ja bereits gegeben. (wären es also Ressentiments usf.)

Nichtrevolte bleibt eben Nichtrevolte. Dies besagt aber nicht, dass keine Ziele verfolgt würden. Dem nachzugehen, dass manche nun zu untersuchen scheinen, ob und inwiefern hinter dieser Tautologie nicht doch etwas mehr steckt, scheint doch aber gar kein so uninteressantes Projekt zu sein. Die Rekonstruktion dieser Theorien steht allerdings immernoch aus. Die Frage, ob eine rein logische ausreicht, bleibt unbeantwortet weil es diese bisher nicht gegeben hat.

Stattdessen kommen von Dir Störgeräusche. Sie aber nicht als solche aufzufassen, legt den Schluss nahe, dass hier eine Wertediskussion gesucht würde, denn es werden ja Vorwürfe gemacht, die im "Wertefeld", wenn ich einmal so sagen darf, zu verorten wären. Dies allerdings von jemandem, der vom eigenen Verständnis her eine solche gar nicht hätte wollen dürfen.

In Oxford dazumals, wo, worauf ja einiges hindeutet, die bekannten Protagonisten geben vielleicht einen Hinweis, ebenso Linkssympathisanten herumhingen, galt es in der analytischen Szene als unanständig, sich zu Politik zu äußern. Vermutlich eben aus solchen Gründen. Selber in der hiesigen erlebt: "Darf man wissen, wer Herrhausen ist?" Man dürfe. Wir saßen herum, hamburger Katholikenszene, dazwischen dezidiert willkommengeheißen ein junger zarter Kerl mit Rastalocken, offensichtlich in linken Szenen sozialisiert. Manchmal benutzte er Termini, die im Kontext wenig funktional waren, freundlich wurde der bessere Terminus gesucht, schließlich redeten wir die ganze Zeit über Formeln, und hatten alle eine gute Zeit.

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Ziggev, es ist doch alles viel einfacher. Kolakowski weist in erster Linie darauf hin, dass Adorno und Horkheimer ihre Thesen eben nicht hinreichend begründen (ich sehe es garnicht so, dass er eine Gegentheorie aufstellt und begründet). Es wird einfach alles zusammengeschmissen, was den Autoren nicht passt, "Positivismus, Logik, deduktive Wissenschaften, empirische Wissenschaften, Kapitalismus, Herrschaft des Gelds, Massenkultur, Liberalismus und Faschismus". Und ergänzend von mir: Alle irgendwie empiristisch ausgerichtet Philosophie von Francis Bacon bis Rudolf Carnap. Was hat das alles miteinander zu tun? das wird einfach so behauptet, ohne hinreichende Begründung. Ähnliches gilt für den unterstellten Zusammenhang von wissenschaftlicher Methode und Warentausch. Nirgendwo wird erklärt, worin den eigentlich die "innere Logik" besteht, kraft deren Aufklärung in Barbarei "umschlägt". Das Kapitel über "Aufklärung und Moral beschäftigt sich nicht mit Hume, Holbach oder Adam Smith (den führenden Moralphilosophen der Aufklärung), sondern mit de Sade und Nietzsche, die definitv keine Aufklärer waren.

Kurz: ein grottenschlechtes Buch, und es ist mir ziemlich unverständlich, weshalb es in linken Kreisen solches Ansehen genießt.

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ach was, dafür, um darauf hinzuweisen, das eine These nicht begründet sei, benötigt man nämlich gar keine Theorie oder Gegentheorie, danke noch mal auf den Hinweis. Je nachdem, wie Du "Theorie" auffasst, kann man aber die Begründung, warum eine These nicht begründet ist, durchaus als eine Theorie auffassen. Diese Theorie sollte begründet werden, nicht eine "Gegentheorie".

Du stellst aber eine Nichtbegründung gegen eine angebliche Nichtbegründung.

Das ist also Deine Auffassung von Theorie. Reicht Dir das? Du musst ein sehr sehr langweiliges Leben führen.

Bringe mir bitte die Stelle, wo behauptet wird: "Positivismus, Logik, deduktive Wissenschaften, ... Alle irgendwie empiristisch ausgerichtet Philosophie von ... bis haben alle miteinander zu tun."

Das Buch genießt in linken Kreisen so großes Ansehen, weil es soviele verstanden, denn in einigen, den wichtigsten Grundgedanken ist es sogar sehr leicht zu verstehen.

Du hast nur mal wieder bewiesen, dass sich eine Auseinandersetzung mit Dir nicht lohnt. Langweile Dich von mir aus alleine weiter.

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