Sonntag, 3. November 2013
Fluchtursachen - Sie fliehen nach Europa, weil europäisches Kapital ihre Heimat zerstört
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/128191/land-grabbing-in-sierra-leone-widerstand-gegen-den-neokolonialismus

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Immerhin steht da: „Um zu verstehen, warum die betroffenen Menschen ihre Regierung, die Chiefs und die Investoren noch nicht um einen Kopf kürzer gemacht haben, muss man sich in die „afrikanische Mentalität“ eindenken.“

Mein Reden, und diese Mentalität ist nicht von den Kolonialisten eingeführt worden, sondern war schon vor ihnen da.

„In einem Land wie Sierra Leone hat es noch nie eine Regierung gegeben, die auch nur im Ansatz die Interessen ihres Volkes vertreten hat. Von einem Staat, dessen öffentliche Repräsentanten in Uniform vor allem dadurch auffallen, den Bürgern – zum Teil unter komplett abstrusen Begründungen – Schmiergelder aus der Tasche zu ziehen, erwarten die Bürger nicht all zu viel. Wie sollten sie auch? Wenn selbst der Assistent des Landwirtschaftsministers einen Monatslohn von 80 US$ bekommt, so erinnert dies an das Gehaltsmodell von Kellnern, das ja auch vor allem auf Trinkgelder setzt.“

Völlig richtig, und solange das so bleibt, werden sich die Verhältnisse dort auch nicht ändern, egal was die Europäer unternehmen.

„Die Chiefs gelten im Lande zudem als moralische Autorität, die von den Menschen nicht hinterfragt werden sollte.“

Genau das müsste aber geschehen, wenn sich etwas ändern soll.

„Ein junger Mann verglich mir gegenüber in einem Gespräch die Funktion des Chiefs in der Dorfgemeinschaft mit der eines Vaters in einer Familie. Dies schließt – nach seinen Worten – auch die Möglichkeit aus, einen schlechten Chief davonzujagen. Die Dorfgemeinschaft als Schicksalsgemeinschaft – für europäische Betrachter ist dies eine eher verstörende Vorstellung, die jedoch erklärt, warum der Widerstand der betroffenen Kleinbauern zunächst ausblieb.“

Und er wird auch weiter ausbleiben, solange sich daran nichts ändert.

„Dann hätten wir eine neue Form des Kolonialismus, in der sich reiche Europäer ihre eigenen Staaten in Afrika kaufen, die sie nach Belieben ausplündern und ausbluten lassen können.“

Das ist kein Problem nur der Europäer: „Im November 2008 wurde berichtet, dass Libyen 250.000 Hektar in der Ukraine erworben hat. Im Januar 2009 wurde bekannt, dass Katar 40.000 Hektar in Kenia erworben hat. Nach Medienberichten im Januar 2010 soll China in der Demokratischen Republik Kongo 2,8 Millionen Hektar Land erworben haben, um die größte Ölpalmenplantage der Welt aufzubauen, während Äthiopien bis Ende 2009 bereits 600.000 Hektar Land an ausländische Investoren verpachtet hatte. In Madagaskar sollen die Verhandlungen mit der Daewoo Logistics Corporation über den Kauf von 1,3 Millionen Hektar Land für den Anbau von Mais und Ölpalmplantagen bei den politischen Konflikten eine Rolle gespielt haben, die 2009 zum Sturz der Regierung führten.“

http://de.wikipedia.org/wiki/Land_Grabbing

Und deshalb wird es auch nichts ändern, wenn die Europäer solche Praktiken einstellen, es werden sofort andere bereitstehen, solange die dortigen Regierungen kooperationsbereit sind für jeden, der zahlt.


Interessant dieser Kommentar:

„Was ich nicht ganz verstehe ist, die Leute der Regierung und die Chief’s, usw. sägen doch letztlich auch an dem Ast auf dem sie sitzen, ist das denen nicht klar? Auch wenn sie Geld bekommen und geschmiert werden, nützt es doch letztlich nichts, wenn das Land irgendwann ausgeblutet ist!?“

Antwort des Autors:

„Nun ja. Wenn der Ast abgesägt ist, sind die Geschmierten mit vollen Taschen im Ausland. Für die unteren Ebenen ist da m.W. Gambia ein guter Anlaufpunkt und diejenigen, die ganz oben in der Nahrungskette stehen, kriegen ein schönes Schlösschen an der Loire.“

Eben, und deshalb wird sich dort auch nichts ändern. Ich sehe nicht, welche Möglichkeit die Europäer hätten, die Fluchtursachen zu beseitigen. Das können nur die Afrikaner selber machen.

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Um mal anzudeuten, in welche Richtung man denken müsste: Leo Igwe ist ein Afrikaner, der erkannt hat, worum es geht:

http://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Igwe

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Verstehe. Um ländliche Entwicklung in Sierra Leone und anderswo zu ermöglichen und die betrügerischen, enteignend wirkenden Machenschaften internationaler Agrarkonzerne in Afrika zu unterbinden, ist Aktivismus gegen Hexenglauben das probate Mittel.

Interessante Sichtweise.

Die NGOs und Aktivisten, mit denen sich Jens unterhalten hat, halten indes andere Antworten für nahe liegend.

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Faszinierend:

Im Kampf gegen die Enteignung von Kleinbauern empfiehlt der Eine den Kampf gegen Hexenglauben, und der Andere preist einen Che-Anhänger, dessen Agrarreformen v.a. in der An- bzw. Enteignung der bäuerlichen Einnahmen bestanden. Sankara hielt so rein garnichts von Pressefreiheit, von Opposition und derlei Umtriebe. "Faule Arbeiter" ließ er von Revolutionstribunalen verurteilen, Gewerkschaften wurden verfolgt und verboten.

Super. Naja, fast. Zugleich hat er Landreformen veranlasst und Großbesitzer enteignet, was gemeinsam die Produktivität massiv steigerten. Es finden sich auch andere, durchaus bemerkenswerte Leistungen, z.B. erfolgreiche Alphabetisierungskampagnen. Ähem, und Fehlleistungen. Große Worte, für die er bis heute gefeiert wird, die fand er zahlreich - aber letzten Endes war er ein hochtotalitärer Bürokrat.

Als Held der Kleinbauern eignet er sich jedenfalls nicht.

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Ohne den wäre Land, auf dem Anbau betrieben wird Wüste. Der Grüne Zaun gegen die Sahara geht weitgehend auf Sankara zurück.

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Mit Leuten, die an Hexen glauben und kleine Kinder opfern, kann man keinen Staat machen.

"In letzter Zeit ist die Zahl der Ritualmorde in Nigeria stark gestiegen. In dem westafrikanischen Land sind viele Menschen überzeugt, nur durch Hexerei und das Opfern von Blut und Körperteilen zu Geld und Macht kommen zu können."

http://www.rp-online.de/panorama/ausland/taeter-trennen-fuenfjaehrigem-den-kopf-ab-1.3774232

Leo Igwe hat das erkannt:

"So there is no need to despair for humanity in Africa. There is every reason to be optimistic and hopeful. After all, Europe went through a very dark period in its history, in fact, a darker and more horrible phase than that which Africa is currently undergoing. Still the European continent survived to experience Enlightenment and modern civilization. Who ever thought that the Arab Spring would happen in our lifetime? So, African enlightenment can happen sooner than we expected. But it will not happen as a miracle. African enlightenment will not fall like manna from heaven. It requires — and will continue to require — hard work, efforts, sacrifice, courage and struggle by Africans and other friends who are committed to the values of enlightenment. In Europe, skeptics spoke out against harmful superstition, and unfounded dogma and caused the dawn of a new awakening. African skeptics need to speak out against the forces of dogma, irrationalism and superstition ravaging the continent."

http://www.randi.org/site/index.php/component/content/article/37-static/1891-leo-igwe.html

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Da ist jetzt eine interessante Binärschleife zu einem der heftigsten früheren Konflikte auf diesem Blog:

http://che2001.blogger.de/stories/1400267/#1410227

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@ Willy

Das liest sich bei dir so, als ob du die Menschen in Afrika mehr oder minder für Wilde hältst. Ein Kontintent, in dem praktisch alle Menschen höchstgradig irrational sind - mit Ausname von nur ganz wenigen...

Ist es dass, was du glaubst?

Im Übrigen ist das von dir sicher geschätzte US-Amerika ebenfalls in einigen Dingen außerordentlich irrational. Was meinst du wóhl, wie viele Menschen dort an Ufos glauben, an Kreationismus, dass Homosexuelle allesamt pädophil seien oder noch unwahrscheinlicher, sogar an Rush Limbaugh oder noch ärgere Charlatane!!?

Die Verbreitung dümmlicher Vorurteile (bei uns z.B. über Sinti & Roma etc.) belegt nicht so viel wie du glaubt. Allerdings teile ich die Kritik am Klan-System (bzw. "Chiefs"). Ähnliches existiert innerhalb unserer Eliten ja ebenfalls...

Nebenbei verkennst du die Vielfalt afrikanischer Gesellschaften. Studierte junge Afrikaner sind nicht so schrecklich anders - und denken auch nicht so schrecklich anders wie ihre europäischen Widerparts.

Das sind keine "Wilden", die allesamt den irrsinnigsten Ideen verfallen sind.

Okay?

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Weite Teile Zentralafrikas sind durch jahrzehntelange Bürgerkriege zerrüttet, die Bevölkerung hungert, ist traumatisiert und ungebildet. Und sie haben das Pech, in reichen Ländern voller begehrter Bodenschätze zu leben.
Schwer, da politische Perspektiven zu entwickeln. Mit einfachen Schuldzuweisungen kommt man da genauso wenig weiter wie bei der Analyse des dreißigjährigen Krieges.

Auf ein paar Dinge kann man sich aber leicht einigen:
Es ist nicht okay, wenn ugandische Bauern vertrieben werden, damit ein Hamburger Pfeffersack dort seine Kaffeeplantage ausbauen kann. Und dafür noch vom Entwicklungsministerium Rückendeckung erhält.

Es ist nicht okay, wenn gerade einmal erwachsen gewordene Kindersoldaten von Söldnerfirmen für Hungerlöhne angeworben werden, um im Irak einen Schutzring um die westlichen Söldner zu bilden, die ihrerseits einen Schutzring um die US-Armee bilden.

Solche konkreten Punkte die auch uns Westler betreffen gibt es sehr, sehr, sehr viele. Da kann man was machen. Und damit hätten wir auch erstmal genug zu tun …

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Dean, ich habe vor kurzem dieses Buch gelesen: „The Time Traveler's Guide to Medieval England: A Handbook for Visitors to the Fourteenth Century “ .

http://www.amazon.de/Time-Travelers-Guide-Medieval-England/dp/B00BP0NBQO/ref=la_B001HOEHI4_1_3?s=books&ie=UTF8&qid=1383748193&sr=1-3

Hat mir sehr gefallen. Das ist so aufgezogen wie ein Reiseführer, nur nicht in ein anderes Land, sondern in die Vergangenheit, in das England des 14. Jahrhunderts, und beschreibt sehr anschaulich den Alltag. Wie orientiert man sich, wenn es keine Karten und Wegweiser gibt? Welche Sicherheitsprobleme stellen sich einem Reisenden? Wie kommt man an Essen und Unterkunft?

Und das Bild das sich da ergibt, erinnert stark an ein heutiges Land der sog. III Welt: Lokalfürsten und Warlords haben das sagen, denn der König ist weit weg. Auf staatliche Institutionen kann man sich nicht verlassen, und wenn einen Räuber auf der Landstraße überfallen, kann man nicht auf die Polizei hoffen, man muss schon selber ein Schwert dabei haben und sich zu verteidigen wissen. Es herrscht allgemeine Unsicherheit, Korruption und Gewalttätigkeit, gleichzeitig große Religiosität.

Es ist also nicht so, dass die Europäer eine überlegene Rasse wären, es ging hier mal genauso zu wie heute in Afrika. Aber es ist offensichtlich seit dem Mittelalter etwas passiert, und zwar etwas, das allgemein mit dem Wort „Aufklärung“ bezeichnet wird.
Natürlich gibt es an unserer Gesellschaft genug zu kritisieren und zu verändern, aber wenn es in Afrika gelänge, für ein wenig mehr Aufklärung und weniger Religion, Mystik und Bindung an die Kultur der Vorfahren zu sorgen, ergäben sich vielleicht auch bessere politische und ökonomische Perspektiven. Und danach streben Leute wie Leo Igwe.

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Wlly, nichts gegen Leo Igwe, aber stärker als alle Anderen hier bewegst Du Dich in einem hermetisch in sich geschlossenen System, dem Naturalismus und Vernunftkult der Brights. Dem wird alles Andere untergeordnt bzw. als feindlich oder unvollkommen entgegengestellt. Dabei bist Du nicht weniger dogmatisch als ein alter KPDMler.

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Sorry, mir erscheint es vielmehr so, dass ihr offen zu tage liegende Fakten einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollt, oder sie vielleicht garnicht wahrnehmt.

Es ist ja nicht meine Erfindung, dass Nigeria ein reiches Opec-Land ist und dort trotzdem Massenarmut herrscht.
Schließlich könnte Shell dort kein Öl in ökologisch sensiblen Gegenden fördern, ohne Zustimmung der dortigen Regierung.

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Und was jetzt sollen diese offen zutage tretenden Fakten genau sein, die wir nicht zur Kenntnis nehmen? Dass die NigerianerInnen sich deshalb Ausbeutung durch westliche Konzerne und einheimische Militärs gefallen lassen, weil sie unaufgeklärt sind und an Hexen glauben? Dass die dortige ReGIERung mit Shell kooperiert und Oppositionelle hinrichten lässt, weil sie nicht aus Atheisten und Skeptikern besteht? So richtig argumentativ gesagt hast Du eigentlich noch kaum etwas, entweder verlinkst Du Bücher oder Du behauptest etwas, das Du nicht weiter ausführst. So kommen wir nicht weiter.

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Tja, ich höre immer nur: nehmt mehr Flüchtlinge auf, wir sind schuld an ihrem Elend und moralisch dazu verpflichtet. Darüber hinaus wird nicht gedacht und nicht diskutiert, als wenn das eine Lösung für die Probleme Afrikas sein könnte.

Mein Interesse geht darüber hinaus; ich möchte, dass die Leute in ihren Ländern bleiben und dort ein akzeptables Leben führen können (und nebenbei gesagt: ich möchte auch nicht, dass hier rechte Regierungen an die Macht kommen, den Romas das Betteln verbieten (wie in Norwegen geschehen)und gleichzeitig die Steuern für die Reichen senken und den Umweltschutz aufweichen). Ich denke, das würden sie auch bevorzugen, sie kommen ja nicht wegen des guten Wetters oder der netten Menschen nach Deutschland, oder?

Das wird aber praktisch nirgendwo näher thematisiert, es bleibt bei allgemein gehaltenen Verurteilungen des Kapitalismus, des westlichen Imperialismus usw., und vor allem bei moralisierenden Appellen. Die Analyse ist, gelinde gesagt, unterkomplex.

Und die Zusammenhänge von Bildung, Individualisierung, Säkularisierung und ökonomisch/sozialer Entwicklung sind eigentlich seit Max Weber bekannt, wollen wir das noch mal aufrollen?

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Das wurde hier schon angesprochen, Beispiel Burkina Faso unter Sankara: Süßwasserkavernen anzapfen und davon einen Grünstreifen gegen das Vordringen der Wüste bewässern, Alphabetisierung, Verkauf der teuren Dienstlimousinen der Staatsfunktionäre und stattdessen Anschaffung von R5, Antikorruptionskampagnen. Dass keine Lösungen in den Ländern angedacht werden, das trifft bezogen auf dieses Blog nicht zu.

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Es ging hier ja ursprünglich um die Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg. Okay, für Willy ist es ein Herzensanliegen, a) Fluchtursachen angemessen (bzw. nicht: "unterkomplex") zu analysieren und b) ein "akzeptables Leben" für diese Menschen möglich zu machen.

Super! :D

Nur, checkt Willy nicht, dass die konkrete Flüchtlingsgruppe nicht etwa wegen "der Probleme Afrikas" in Hamburg weilt?

Das sind die Probleme bzw. die Folgen von Kriegshandlungen der NATO, welche zur Vertreibung der Flüchtlinge geführt haben. Komplexer formuliert: Die NATO hat erfolgreich ihre Macht genutzt, um einträgliche Verträge für die lybischen Ölquellen zu sichern (für französische, britische und us-amerikanische Firmen).

Aber ihren Einfluss dafür zu verwenden, dass das neue Regime keine inhumanen, geradezu mörderisch fremdenfeindlichen Kampagnen gegen schwarzafrikanische Mitbürger reitet: Dafür war sich die NATO ganz offenkundig zu schade.

Das Problem war ganz offenkundig ein wirtschaftliches. Ghaddafis Pläne, die Ölquellen vom Meistbietenden (das wären hier chinesische Firmen gewesen) ausbeuten zu lassen, verwandelte ihn und sein Regime aus NATO-Sicht umgehend zum Superschurken.

So, Willi: Und bei diesem ziemlich klaren Hintergrund kommst du und erzählst hier irgendwelchen schieren Blödsinn über Hexenglauben in Afrika...

Äh. Communicate by Mo-o-o-o-orse. What does the Fox say?

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Blödsinn ist das mit dem Hexenglauben nicht, nur hat es halt nichts mit Fluchtursachen zu tun. Die NATO hingegen ist der verlängerte Arm des Dollars;-)

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Hmm. Cristián Labbé war an einigen der widerwärtigsten Aktionen des chilenischen Geheimdienstes DINA in den Jahren 1973 bis 1978 an leitender Stelle beteiligt, unter anderem als Ausbilder an der Villa Grimaldi, einem großen Folterkeller.

Bis vor einem Jahr war er Bürgermeister der bürgerlichen Kommune Providencia. Er verlor die Wahl gegen eine mitte-links Soziologin, u.a. nach stunts wie der öffentlichen Ehrung eines seiner in Haft sitzenden Folter-Kumpels.
Gleichzeitig gibt er Politik-Vorlesungen an der Universität Finis Tera über die Geschichte des politischen Denkens in Chile, in dem natürlich das Gedankengut der Aufklärung eine wichtige Rolle spielt. In einer linken oder linkeren Zeitung, ich weiss es nicht mehr, gabs mal einen Artikel, in dem ein Journalist eine dieser Vorlesungen besucht hat und es inhaltlich ziemlich gut fand, was vor dem Hintergrund des "Lebenswerks" dieses Typen natürlich für den Artikel-Schreiber erschreckend ist. Soviel zu den magischen Heilkräften der "Aufklärung". Das Böse kann halt nicht nur banal daherkommen, sondern eben auch bürgerlich-intelektuell.

Und die Aufklärung wär ohne die Europäische Expansion so gar nicht geschehen, also die Erfahrung ganz anderer Kultur- und Naturräume, übrigens auch die Entrüstung über Vernichtung und Sklaverei, Ausweichräume für Non-Konformisten, die Vergrösserung bestimmter Märkte, die Akkumulation von ökonomischen Werten, etc.
Selbstverständlich gibt es in den Meeren des Südens eine reichhaltige Reflektion über neuzeitliches europäisches und nordamerikanisches Denken.

Nur - und ich wiederhol mich hier - gibt es eine gewisse linke Tradition, links-rhetorische Anführer in den Meeren des Südens als eine Art Stimme des Volkes wahrzunehmen. Dabei entspringt die Vorstellung der "Stimme des Volkes" eher faschistischen Denk-Traditionen. Die Aufständischen gegen Gaddafi waren sicher nicht durch die Sicherung der Rohstoff-Quellen für den Westen motiviert. Und wenn man da nicht viel Ahnung hat - und ich hab sie auch nicht - sollte man vielleicht besser schweigen, als starke Meinungen zu vertreten. Oder was ist eigentlich mit Robert Mugabe, der auch einmal als Freiheitsheld gestartet war. http://www.theguardian.com/world/2007/jul/16/zimbabwe.chrismcgreal
Der Artikel macht seine Runde durch die venezolanische Opposition, weils dort z.Zt. - allerdings bei "nur" 50% Inflation - eine ganz ähnliche Kampagne gefahren wird.
http://caracaschronicles.com/2013/11/09/soon-to-be-a-historical-keepsake-of-the-pre-civil-war-era-cont/#more-32765

Immer dann, wenn ich glaube, dass sie nun den Boden der anti-imperialen Selbstparodie erreicht haben, packen die immer zuverlässig den Vorschlaghammer aus, um neue Niveau-Tiefen zu erschliessen.

Evo Morales hält sein Land in den definitiv nicht alleinigen aber überlebenswichtigen Themen Schuldenstand, Inflation und Wachstum auf gesunden Kurs. Letzte Woche meldete er, dass er von einem oder mehreren befreundeten Staaten um finanzielle Kredite gebeten wird. Er könne das zum jetzigen Zeitpunkt nicht und will auch keine Namen nennen... Der ist dickköpfig genug, um durchzuhalten. Ich mag den.

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Willy hört sich mit seiner Aufklärungsgläubigkeit an wie eine "Anti"deutscher.

Gerade das Thema Hexenverfolgung kann (muss?) ganz anders aufgerollt werden. Z.B. wie in Silvia Federicis "Caliban und die Hexe": Sie denkt die Hexenverfolgung mit der ursprünglichen Akkumulation zusammen und generell den Kapitalismus als eine Konter-Revolution gegen antifeudalen Widerstand.

" Es [ das 4. Kapitel des Buches] zeigt, das es eine direkte Verbindung gibt zwischen den Vorwürfen der Hexerei und dem Prozess der Einhegungen von Land. Es gibt auch einen Zusammenhang zwischen den Vorwürfen und Verfahren der Hexerei und dem Angriff und der Neudefinition der weiblichen Sexualität, die im Grunde auf ihre reproduktive Funktion reduziert wird. Einer der entscheidenden Aufgaben in diesem Moment für den Kapitalismus ist auch, die Kontrolle über die weiblichen Reproduktionsfähigkeiten zu übernehmen. Die Kontrolle über die weiblichen Körper, die Reproduktion der Frauen, ihre biologische Reproduktion und die weibliche Sexualität ist extrem wichtig, sowohl für die neue Arbeitsdisziplin als auch für die Nutzung des weiblichen Körpers für die Reproduktion der Arbeiterklasse, die biologische Schaffung einer neuen Generation von ArbeiterInnen. Es zeigt, wie die Hexenverfolgung in Richtung auf diese Ziele wirkte."

Und:

"Meine Arbeit zu den Hexenverfolgungen im 16. und 17. Jahrhundert ist sehr wichtig, weil sie mich bei der Analyse dieser neuen Hexenverfolgungen gleich auf den Zusammenhang mit der Transformation der wirtschaftlichen Verhältnisse gestoßen hat, die heute in Afrika und anderen Teilen der Welt vor sich geht. Es gibt massive Angriffe auf die Subsistenzmittel, Landenteignungen, Landraub. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf das Verhältnis von Männern und Frauen, der zunehmende Ausschluss von Frauen von gemeinschaftlichem Eigentum, das Interesse lokaler Stammesführer und Behörden – mit Beteiligung ausländischer Firmen – die kommunalen Strukturen des Landes zu zerstören und die Menschen dort zu vertreiben, all das steht klar und deutlich hinter diesen neuen Hexenverfolgungen.
Ich möchte noch ein wichtiges Element hinzufügen: Hier spielt auch die Kampagne internationaler Institutionen eine Rolle gegen Formen der Subsistenz, die von Frauen getragen werden und die diese gegen die Strukturanpassungen verteidigen, z.B. als Reaktion auf Strukturanpassungen, die ganze Gemeinschaften auseinandergerissen haben. Viele Frauen haben Land besetzt, sogar in Städten, und haben begonnen, einige Nahrungsmittel zu produzieren und Subsistenzformen des Handels, der Nahrungsmittelproduktion usw. zu schaffen, die der Gemeinschaft ermöglichen, sich selbst zu versorgen. Sie werden jetzt stark angegriffen, von der Weltbank und allen möglichen Institutionen, die behaupten, dass genau diese Aktivitäten der Grund für die Armut der Welt wären, und dass die Frauen und Gemeinschaften Geld und Kapital brauchten, wie über die Grameen Bank, Mikrokredite usw. Ich habe eine Reihe von Artikeln darüber geschrieben. Ich habe versucht, einiges von der Methodik anzuwenden, die ich zum Verständnis der Hexenverfolgungen in der Vergangenheit benutzt hatte, um nun die in der Gegenwart zu verstehen. Ich sehe sie als Folgen der Globalisierung, nicht als kulturelle Ereignisse."

Link:
http://www.grundrisse.net/grundrisse46/caliban_und_die_hexe.htm

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@dean

„Nur, checkt Willy nicht, dass die konkrete Flüchtlingsgruppe nicht etwa wegen "der Probleme Afrikas" in Hamburg weilt?“

Ja warum denn sonst? Weil sie gerne mal deutsches Bier trinken wollen?

„Das sind die Probleme bzw. die Folgen von Kriegshandlungen der NATO, welche zur Vertreibung der Flüchtlinge geführt haben.“

Genau das meine ich mit unterkomplexer Analyse. Das ist vielleicht für die konkrete Flüchtlingsgruppe in Hamburg der äußere Anlass gewesen, aber das sind 1) nur ein paar dutzend Leute, sehr viel mehr kommen aus anderen Ländern als Libyen, und 2) sind ja bekanntlich viele Schwarzafrikaner nach Libyen gegangen, weil sie dort einen Job in Gaddafis Armee bekommen konnten und sich dann nach dem Zusammenbruch des Regimes rassistischen Pogromen ausgesetzt sahen. Der Flucht nach Libyen folgte also gewissermaßen die Flucht nach Europa. Nun mag man ja über die Nuterstützung der Nato für den Kampf gegen Gaddafi denken was man will, aber ich kann an seinem Regime nichts positives Erkennen. Das sahen die Libyer in ihrer Mehrheit ja wohl auch so.

„Aber ihren Einfluss dafür zu verwenden, dass das neue Regime keine inhumanen, geradezu mörderisch fremdenfeindlichen Kampagnen gegen schwarzafrikanische Mitbürger reitet: Dafür war sich die NATO ganz offenkundig zu schade.“

Da hast du sicher Recht, aber vielleicht sollte sich die Nato generell aus Konflikten in der III. Welt heraushalten. Oder würdest du ernsthaft einen neuen Militäreinsatz in Libyen befürworten?

„Das Problem war ganz offenkundig ein wirtschaftliches. Ghaddafis Pläne, die Ölquellen vom Meistbietenden (das wären hier chinesische Firmen gewesen) ausbeuten zu lassen, verwandelte ihn und sein Regime aus NATO-Sicht umgehend zum Superschurken.“

Oh ja, und wenn die Nato nichts getan hätte, würden heute eben die Chinesen Gaddafis Regime finanzieren, wie sie auch in senegalesischen Gewässern fischen würden, wenn die EU dort nicht mehr die Fischereirechte kaufen würde. Und selbst wenn sie es nicht täten, wären die Japaner da oder die Amerikaner. Der einzige Unterschied wäre, dass niemand nach China fliehen und dort Asyl beantragen kann. Wäre das besser? Solange die dortigen Regierungen bereit sind, für Geld ihren nationalen Reichtum zu verscheuern ohne die Interessen ihrer eigenen Bevölkerung zu berücksichtigen, wird sich daran nichts ändern.

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Und den Hexen wird wirklich viel Unrecht getan
http://www.stern.de/politik/geschichte/zeitgeschichte-heinrich-himmlers-hexen-wahn-605482.html

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@ Che

Sankara

Du hast natürlich recht, irgendwann muss mal jemand kommen und etwas konkretes zur Änderung der Verhältnisse unternehmen, wie etwa auch Lula da Silva.

Das kann aber nicht in Europa geschehen, sondern nur vor Ort.

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@Futuretwin, ich lese mit Freude, dass Du hier gerade den Job der Materialien für einen Neuen Antiimperialismus machst;-)

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War ein Zufall ;-)
Ich hatte auf Schizoanalyse einen Kommentar von Andreas Kemper gelesen in dem er Federici erwähnt und dachte "Über die hab ich doch neulich bei Grundrisse was gelesen ....", habs nochmal gelesen und merkte, es könnte zur Diskussion passen. :-)

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