Donnerstag, 13. Februar 2014
Racial Profiling im Bundestag
Interessant ist die (Nicht-) Antwort der Bundesregierung auf eine erneute Anfrage der Linksfraktion (Ulla Jelpke u.a.) zum Thema racial profiling.
Für die Bundesregierung gilt nach wie vor ganz schlicht, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, ansonsten gibt es aktualisiertes Zahlenmaterial für das Jahr 2013.

Hier die dazugehörige Pressemitteilung von Ulla Jelpke:

http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=2852



http://www.ulla-jelpke.de/gfx/roterpunkt.gifPressemitteilung: Anlasslose Polizeikontrollen sind unverhältnismäßig und ausgrenzend

Fr., 07.02.2014:
„Die Bundesregierung verweigert weiterhin jede inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage nach den rassistischen Wirkungen anlassloser Personenkontrollen durch die Bundespolizei“ kommentiert Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, zu einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (18/ 323) der Fraktion zur „Problematik anlassloser Polizeikontrollen und racial profiling“. Jelpke weiter:

„Im Inland, das heißt vor allem an Bahnhöfen und in Zügen, wurden von der Bundespolizei im Jahr 2013 377.934 anlasslose Personenkontrollen durchgeführt. Bei 4613 Kontrollen wurde ein Verdacht auf illegale Einreise oder illegalen Aufenthalt festgestellt, das entspricht einem Anteil von 1,2 Prozent. Wie viele dieser Personen Asylsuchende waren, die nach Ankunft in der EU noch keinen Asylantrag gestellt hatten, ist der Bundesregierung nicht bekannt.

Selbst von Polizeivertretern wird nicht bestritten, dass die Kontrollen sich am äußeren Erscheinungsbild, sprich einem irgendwie ausländischen Aussehen der kontrollierten Personen, orientieren. Faktisch führen die anlasslosen Kontrollen zu racial profiling, das in Deutschland eigentlich verboten ist – wie die Bundesregierung nicht müde wird zu betonen. Weil racial profiling grundgesetzwidrig ist, wird es von der Bundesregierung für nicht existent erklärt. Auf die Realitätsblindheit kann es nur eine Antwort geben: die Abschaffung der anlasslosen Kontrollen durch die Bundespolizei!“



Ulla Jelpkes Artikel in der jungen welt hierzu:

http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=2851

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Echt brutal. Sie schießen auf schwimmende Menschen mit einer Vielzahl von Gummigeschossen, daraufhin ertrinken 15 Menschen. Aber, wie die "Untersuchungen" ergeben haben, starben diese nicht (!) wegen der Gewaltanwendung, sondern, weil sie friedlich ertrunken seien. Soso. Und überhaupt, das Abfeuern von Gummigeschossen auf schwimmende Menschen, das habe nicht dazu gedient, diese Menschen mit dieser Methode zu ersäufen, sondern es sei lediglich "zur Abschreckung" erfolgt.

So viel Kotzen kann man garnicht, wie das hier angemessen wäre. Mehr dazu hier.

Für die Schützen muss sich dieser Mordsbeschuss wie Tontaubenschießen angefühlt haben. Vielleicht sollten die europäischen Innenminister, in besonderen Maße der spanische, einfach mal in einen Hagel Gummigeschosse gestellt werden, jeder mit mit einem Dutzend Einschlägen.

Anschließend dürfen sie das Szenario an der afrikanischen Küste nachspielen, schwimmend und mit sich selbst als Beschussziel. Vielleicht brächte das neue Erkenntnisse.

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An der DDR-Grenze gab es ja auch Selbstschussanlagen, die haben also SELBST geschossen, nicht die Grenztruppen. Wer einen Zaun überkletterte erschoss sich also selbst, dumm gelaufen. Das EU-Grenzregime ist genau SO. Erst macht die EU mit ihren subventionierten, exportierten Lebensmitteln (kann mensch auch mal Sterbensmittel sagen?) die Bauern in Afrika arm, sie sind am Markt schlicht nicht mehr konkurrenzfähig (hier haben die Materialien für einen Neuen Antiimperialismus schlicht Recht, wenn sie sagen, dass Subsistenzwirtschaft in solchen Ländern, die die dortigen Märkte komplett vom Weltmarkt loskoppelt eine Befreiungsperspektive beinhaltet, und Antideutsche aber auch TraditionsmarxistInnen, die solche Perspektiven als antimodernistisch geißeln besorgen schlicht das Geschäft des Imperialismus), dann werden ihre Fischgründe an ausländische Gesellschaften verpachtet, sie dürfen in ihren eigenen Gewässern nicht mehr fischen. Es bleibt ihnen also gar nichts Anderes mehr übrig, als Söldner, Piraten oder Flüchtlinge zu werden. Letztere sind dann noch die, die sich nicht aggressiv verhalten, und die werden erschossen/ertränkt, wenn sie überleben massivst drangsaliert. Da sind die Lampedusa-Flüchtlinge in ihren "We are here to stay"-Forderungen doch äußerst gemäßigt. Ich hörte von einem Flüchtling aus Mozambique zu der Frage, wie man mit den Refugeefeinden hierzulande umgehen sollte auch schon mal "An die Wand stellen". Kann ich verstehen.

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Che, ich kenne seit fast 20 Jahren eine agraisch geprägte Region in Süd-Zentral-Chile ziemlich genau. Eine Region, in der agro-industrielle Landwirtschaft und Klein-Bauerntum nebeneinander existieren. Letzteres als Resultat relativ junger Ereignisse: Die Landreformen unter Frei und Allende.
In der es heute auch staatlich geförderte Exportlandwirtschaft von Kleinbauern gibt. Ein komplexes und vielfältiges Mosaik. Ich habe Tage bei subsistenzlandwirtschaftenden Verwandten von Freunden verbracht. Ich war bei Ernte-Feiern von staatlich geförderten Kooperativen von Klein-Bauern, die für den Exportmarkt produzieren. Freunde von mir wurden als Angestellte und Subunternehmer einer letztlich dank chinesischer Nachfrage massiv expandierenden z.T. von ausländischen Kapital kontrollierten Exportgesellschaft für kleines Geld mit unmöglichen Arbeitsbedingungen ausgebeutet.
Ich habe Besitzerinnen von Marktständen an nächtlich-familiären Grill-Abenden erlebt. Der reine nackte brutale Fels von Marktwirtschaft wie sie seit Jahrtausenden existiert. Auch die Reste der dort in verschiedenen Formen noch vergleichsweise präsenten Resten der alten senioral-agraischen Zeit vor den Landreformen.
Violeta und Nicanor Parra stammen aus der Gegend. Victor Jara hat dort in einem mehrmonatigen Aufenthalt seine Initiation als der Sänger erfahren, der er wurde.

Die in den Ranchos, die irgendwo auf dem Campo (Land) ihren kleinen Acker bewirtschaften, ein paar Hühner und Schweine haben, geht es letztlich am schlechtesten. Den von den i.d.R. aus diesen Zusammenhängen stammenden engagierten staatlichen Beratern unterstützten ein bisschen besser, aber auch deren Kinder ziehen weg.

Der Traum der eigenen Scholle für viele Kleinbauern erscheint mir mit Verlaub als Eskapismus. Mich wundert nicht, dass etwa die FARC, die ja für genau dieses Ideal anfangs antrat, zu dem wurde, was sie ist und warum so viele Landreformen in Lateinamerika - zuletzt die venezolanische - grandios scheiterten. Du lebst ja auch nicht in einer Landkommune.

Seh keine Alternative zum Aufbau einer komplexen, auf technologischen Fortschritt hinarbeitenden Gesellschaft, die sozialstaatliche und marktwirtschaftliche Elemente verbindet. Und diese Entwicklung findet unter haarsträubenden Widersprüchen statt. Dank herausragender Journalisten, zuletzt María Olivia Mönckeberg mit "Con Fines de Lucro", ist das auf Empirie-Ebene ein transparenter und brechreiz-erzeugender Prozess.

Bin völlig deiner Meinung, dass unsere Abschottung gegenüber v.a. afrikanischen Flüchtlingen einen ethisch nicht zu rechtfertigenden Zustand darstellt, den 98% der Deutschen bewusst oder unbewusst ausblenden.

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(hier haben die Materialien für einen Neuen Antiimperialismus schlicht Recht, wenn sie sagen, dass Subsistenzwirtschaft in solchen Ländern, die die dortigen Märkte komplett vom Weltmarkt loskoppelt eine Befreiungsperspektive beinhaltet, und Antideutsche aber auch TraditionsmarxistInnen, die solche Perspektiven als antimodernistisch geißeln besorgen schlicht das Geschäft des Imperialismus)
Das ist reiner Eskapismus.
Und sie bauten sich eine "rancho" (http://pictures2.todocoleccion.net/tc/2011/04/07/25945064.jpg) und lebten fortan glücklich und frei.

Warum lebst Du in keiner Landkommune? In den 70ern gab es da ja mal eine Art Bewegung. Warum sind *alle* lateinamerikanischen Landreformen, die es durchaus gegeben hat, grandios gescheitert?

Che, ich war in ranchos von Leuten, die ein bisschen was Gemüse anbauten, ein paar Hühner und Schweine haben. Das sind nämlich Verwandte von Freunden. Für 1 Tag ist das wirklich sehr idyllisch und schön. Irgendwo plätschert ein Fluß, in denen Kinder baden. Hühner gackern, Schweine grunzen. Denen gehts aber vergleichsweise noch schlechter.
Auch in ärmeren afrikanischen Ländern kannst Du das vergessen. Da verdienen die Leute in der "modernen" Welt zwar noch schlechter, dafür haben die ein wesentlich größeres Bevölkerungswachstum.

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Diese Blickrichtung auf sozialromantische Perspektiven geht an dem Gemeinten völlig vorbei. Einerseits hat es in afrikanischen Staaten (Tansania, Burkina Faso) tatsächlich Revolutionen gegeben, die auf Autarkie und Subsistenz abzielten, und da ist es in zwei der mit sehr weitem Abstand ärmsten Ländern der Welt tatsächlich gelungen, den Hunger zu besiegen und auf sehr niedrigem Niveau - eigentlich sind alle arm - eine soziale Balance zu schaffen, die bürgerkriegsmäßig ausgetragene Verteilungskämpfe, also, das, was ansonsten fast einen ganzen Kontinent betrifft, nicht kannte.

Und andererseits spielt für soziale Kämpfe der Rückzugsraum in die Subsistenz natürlich immer eine Rolle: ArbeiterInnen, die auf dem Hinterhof Kaninchen züchten und im Vorgarten Kartoffeln anbauen oder Menschen, die in sich gegenseitig unterstützenden Sippenverbänden organisiert sind haben in Gesellschaften, in denen es weder Sozialleistungen noch Streikkassen gibt klare Vorteile, in Arbeitskämpfen zu überleben gegenüber denen, die diese Rückzugsräume nicht haben. Die Zerschlagung der Rückzugsräume ist dann auch klares Ziel der Entwicklungspolitik, bei der es um kapitalistische Inwertsetzung sog."unterentwickelter Gesellschaften" geht. Ohne diesen Hintergrund ist das, was z.B. Detlef Hartmann schreibt gar nicht verstehbar.

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Wenn die Kleinbauernexistenz maximal nur elendige Subsistenz ermöglicht, dann ist mit den Agrarreformen sicherlich etwas falsch gelaufen.

Gleichwohl kann sogar solche Subsistenz einen gewissen Ausgleich, bzw. "Puffer" darstellen, und zwar genau dann, wenn Teile der Familie "regulär" arbeiten. Glaube ich jedenfalls, ähem, weitgehend unbeleckt von Erkenntnis, Theorie und Empirie.

Bei den Gründen, warum Landreformen scheiterten, müsste mensch vermutlich etwas weiter ausholen. In Lateinamerika gab es in verschiedenen Gegenden beispielsweise von Großgrundbesitzern unterhaltene Söldnerheere, welche Kleinbauern abmurksten. Nicht sehr förderlich, sowas...

Und auch, wenn die schlechten Beispiele in der Überzahl sind: Es gab/gibt auch erfolgreiche Beispiele für Landreformen.

(wollte ich einfach mal angemerkt haben - ansonsten finde ich die Anmerkungen von Lemmy Caution ziemlich plausibel bzw. interessant)

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Um Agrarreformen geht es mir hier gar nicht, sondern eher um Subsistenz als Waffe und Rückzugsraum im Klassenkampf und darum, dass es Strategie des Kapitals ist, diese systematisch zu vernichten, dass die Entwicklung des Kapitalismus überhaupt nicht denkbar ist ohne immerwährende schöpferische Zerstörung nicht geldförmiger Reproduktionsstrukturen. Ist seit ich blogge, also seit 2003 hier Thema. Ohne diesen Fluchtpunkt versteht auch niemand Detlef Hartmann oder Karl-Heinz Roth oder Götz Aly, irgendetwas, was einer von denen geschrieben hat. Paar Links zu dem Thema:


http://www.materialien.org/crisis/index.html


http://www.wildcat-www.de/aktuell/a068_khroth_krise.htm

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Mag sich theoretisch plausibel anhören, dürfte aber für die meisten Regionen von Entwicklungs- und Schwellenländern einfach nicht praktikabel zu sein.

Ökonomisch betrachtet weist Landwirtschaft in vielen Bereichen hohe Skalenerträge auf, ist mit hohem Risiko verbunden und erfordert eine Menge an Kenntnissen. Das typische Betätigungsfeld von Personen ausserhalb der "offiziellen Wirtschaft" liegt in Chile eher im Handel und im Kleinsthandwerk. Freundinnen und Bekannte von mir steckten Schmuckketten zusammen, backten nachts Kekse und verkauften die tagsüber. Nun gibts einen tragischen Fall einer krebserkrankten alleinerziehenden Mutter mit Kind, die ihren Job verloren hat und wg kahler Stellen im Haar gewisse Probleme auf dem offiziellen Arbeitsmarkt hat. Die versucht sich nun in Möbelaufbereitung/handel und ich schiess da 3000 Euro abgeschriebenes Risiko-Kapital bei, ohne dass sie mich direkt gefragt hätte. Bei meinen aktuellen Einkünften tut das nicht wirklich weh. Blöd nur, dass ich alles mögliche steuerlich absetzen kann, das nur gerade gar nicht.

Wo es gute Böden gibt, existieren günstige Wochen- oder Tagesmärkte. Angesichts der Preise sparst Du mit den landwirtschaftlichen Bemühungen echt wenig Geld.

Die klassische Begründung für scheiternde Bodenreformen lag darin, dass die Begünstigten weder von ihrer Einstellungen noch in Kenntnissen hinreichend vorbereitet waren. Um Chillán gibts da wirklich gute, professionelle Unterstützung mit Wissenstransfer und auch Kapital. Beliebt waren in den letzten Jahren Kirschen für den chilenischen und argentinischen Markt. Nur ziehen deren Kinder auch in die Stadt.

Wie willst Du mit Subsistenzlandwirtschaft ein Gesundheits-, Renten- Bildungs- und generelles Sozialsystem finanzieren?

Che, ich weiss, dass es eine Art Steckenpferd von dir ist, aber wenn ich das in Chillán erzählen würde, gäbs als Antwort: Ha Ha Ha. Und der gringuito, lebt der auf dem Land in einer rancho (Bild s. oben)? Der kapiert überhaupt nichts.

Das Hauptelend der Sozialwirtschaft liegt darin, dass die irgendwelche plausibel klingenden Theorien erzeugen, für die dann die Empirie passend gemacht wird, auch wenn sie nicht passt.
Die Linke neigt beim Thema Nord-Süd stark dazu, die Schuld für Unterentwicklung bei irgendwelchen Aktivitäten im Norden zu finden. Ich hab nix dagegen und manchmal stimmt das auch. Nur produzieren die auch viele steile Thesen.

Ich mag Deine Bemühungen um Flüchtlinge. Nur deine Entwicklungspolitischen Einlassungen lassen mich an Marie Antoinette denken. Das Ding mit dem Kuchen. Ich mag mich irren.

Es gibt keine Alternative zum Aufbau eines zusammengestoppelten System mit marktwirtschaftlichen und sozialstaatlichen Elementen wie wir es auch haben. Sowas entsteht durch Konflikte und Kompromisse. Klassenkampf hilft sicher, bildet aber auf Dauer nicht die Lösung.

Chile befindet sich aus meiner Sicht auf diesem Weg. Als äusserer Beobachter und sicher auch emotional Beteiligter sind die Chronisten im Land - zuletzt María Olivia Monckeberg mit "Con fines de lucro" - großartig genug, dass ich oft kotzen muss über widerwärtige Fehlentwicklungen wie etwa die zeitweise massive Ausnutzung der Hoffnungen von jungen Leuten und ihrer Eltern auf Aufstieg durch Bildung für persönliche Bereicherung.

Wie hiess noch dieser Mitkommentator mit kolumbianischer Frau? Soll die mal fragen, was die von der Subsistenz-Idee hält.

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@"Wie willst Du mit Subsistenzlandwirtschaft ein Gesundheits-, Renten- Bildungs- und generelles Sozialsystem finanzieren?" ---- Gar nicht. Es geht hier um den Erhalt der Subsistenz als Basis für Widerstand gegen die kapitalistische Arbeitsdisziplin versus die Vernichtung der Subsistenz (und zwar bis zum Genozid) als Basis kapitalistischer Inwertsetzung. Mein Dauerthema, wer hier seit Jahren kommentiert müsste das kennen.

Einfach die Bücher mal lesen, auf die ich immer und immer wieder verlinken oder auf die ich seit 2003 als Quellen verweise, z.B. Autonomie Nr. 14. Immerhin seit 1983 ein Standardwerk nicht nur radikal linker Theoriebildung, sondern mittlerweile auch der sozialhistorischen Paradigmatik.

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Ja sicher, und wenn Du das zur "sozialhistorischen Paradigmatik" erklärst, dann haben wir die Lösung der sozialen Probleme in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Es ist für die meisten Fälle völlig unbrauchbar.
Nochmal:
- Der Ertrag von Subsistenzlandwirtschaft im Verhältnis zum Arbeitsansatz ist sehr gering.
- Der Nutzen hängt von den Opportunitätskosten ab. Wenn Nahrungsmittel sowieso relativ günstig sind, bringt das nicht viel.
- Alternative selbstständige Betätigungen in der Wirtschaft wie Kleinsthandwerk, Handel und Dienstleistungen bringt meist einen höheren Ertrag.
- Gewerkschaftliche Stärke hängt eher von Faktoren wie dem Arbeitsrecht, den Kosten der Arbeitgeber pro Streiktag und vor allem auch dem Vertrauen der möglichen Mitglieder in Bezug auf die Korruption in der Gewerkschaft ab.
- Städte in Schwellenländern sind selbst in solchen mit eher geringem Bevölkerungswachstum stark gewachsen und ins Land gewuchert. Du musst selbst in Aussenbezirken von 100.000 Einwohner-Städten 40 Minuten mit dem Fahrrad fahren, bis Du zu so etwas wie landwirtschaftlich nutzbares Land findest.
- Land hat einen Preis. Realzinsen für Kredite sind in den meisten Ländern viel höher als in Deutschland.

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Um all das geht es mir nicht. Ich erkläre das nachher mal im Zusammenhang, wird aber sehr lang werden und andererseits fragementarisch und schematisiert, denn eigentlich hat das was ich sagen will (und bei regelmäßigen LeserInnen dieses Blogs, die wie Du seit Jahren dabei sind eigentlich als bekannt voraussetze) den Umfang eines Buches.

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@ Lemmy Caution

"Ökonomisch betrachtet weist Landwirtschaft in vielen Bereichen hohe Skalenerträge auf, ist mit hohem Risiko verbunden und erfordert eine Menge an Kenntnissen."

Das ist mitunter ein genauso starker Fehlschluss bzw. eine Scheinplausibilität, wie du dies - imho zurecht - in Bezug auf viele linke Entwicklungstheorien angemerkt hast.

Die Flächenerträge (aber sogar die Nachhaltigkeit der Bodenbewirtschaftung!) von Klein- und Kleinstbauern liegen oft sogar sehr hoch, sehr deutlich oberhalb der großen Güter, die angeblich von den "Skalenerträgen" so ungemein profitieren würden. Ähem, und obwohl ich bei diesem Thema echt wenig Ahnung habe, ich behaupte mal: Das Erzübel der Kleinstbauern liegt teils a) in dem hier deutlich zu klein geratenen Landbesitz bzw. dessen unfairer Verteilung (was dann in der Folge sowohl zu Lasten der Flächenerträge geht, als auch zu Lasten der Wohlstands der Bevölkerung), b) teils in dem von dir benannten Kenntnisdefizieten, und oft auch nicht zu knapp c) in den oft außerordentlich unfairen und von Korruption durchwirkten Vermarktungsstrukturen.

Sogar bei hochgradig standardisierten landwirtschaftlichen Gütern wie Kaffee ist es nicht selten atemberaubend, wie wenig die Kleinbauern beim Großhändler für ihre Leistungen erhalten. Tja, und warum hat der Großhändler keine Konkurrenz, warum kann er es sich erlauben, so unfair zu bezahlen?

Auch hier wird es spannend. Was den Punkt a) betrifft, da sind die venezualischen Landreformen (und viele, viele andere...) ein ganz außerordentlich übles Beispiel: Das zu verteilende Land ging dort nämlich nicht an Kleinbauern, sondern an komplett inkompetente Parteigänger und Korruptionsbegünstigte. Oder aber, - solche Dinge gibt es übrigens auch in massiven Umfang in der Ukraine - die begünstigten Kleinbauern werden von Vertretern der Mafia oder von "einschlägigen Grundbesitzern" ziemlich schnell um ihren Besitz gebracht.

Solche Prozesse finden in einzelnen Gegenden in einem Umfang statt, der kaum zu glauben ist. Am Ende heißt es "die Landreformen haben nichts gebracht".

P.S.
Da fällt mir ein, dass die landraubende Mafia heutzutage und hierzulande in der Regel adlige Namen trägt. Die Vorfahren des Haargel-Verschwenders Guttenberg beispielsweise, die rafften ihren Landbesitz im Wesentlichen eben als Mafiosi bzw. "Raubritter" zusammen.

Im Prinzip würde ich sogar hier Landreformen und Enteignungen für sehr berechtigt halten...

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Da nähern wir uns einander, aber der Materialien-Ansatz setzt dann noch einmal woanders und mit längerem Hebel an. Coming soon!

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Wir stimmen eigentlich darin überein, dass es darum geht die Armen zu ermächtigen. Aus meiner Sicht ist Landwirtschaft halt oft das falsche Werkzeug.

Ein Beispiel
Im Herbst wanderte eine 1968 dort eingewanderte Deutsche namens Karolin Meyer durch die chilenischen Talkshows. Die baute seit den 70ern eine Art links-kirchlich Institution zur Ausbildung der Armen auf. Mitten in der Diktatur und durch all die Jahre. Dabei wurd sie erst in den letzten Jahren ein wenig vom Staat unterstützt. Ich möchte nicht verschweigen, dass die Organisation den für mich seltsamen Namen "Christo vive" trägt.

Sie lobt noch heute Ansätze zur Armen-Bildung unter Salvador Allende und verstand sich über die Jahrzehnte als Opposition gegen das Modell. Sie meinte, dass die in ihrer Organisation ausgebildeten Leute mit mehr Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung auf dem Markt auftreten. Die entwickelten so eine Art duales System und wenn Unternehmer in der Lehrphase die ihnen Anvertrauten mit Arbeiten mit geringen Lerninhalt beschäftigten, zog sie die Leute einfach ab. Sie meint, dass ihre Absolventen viel leichter in allerdings bescheidene Führungspositionen reinwuchsen und sich manche auch irgendwann selbstständig machten.

Man kann das Lebenswerk von Frau Meyer aus meinem Verständnis von Ches Anti-Imperialismus als
a) ein Mittel zur stärkeren Inwertsetzung des Produktionsfaktors Arbeit der dort Ausgebildeten sehen.
Oder es ist b) ein Mittel, um Arbeiter halt selbst-bewusster zu machen die Arbeit de-entfremden.
Vielleicht sind beide Wertungen möglich?

Die "Begünstigten" der Landreformen gehören in Venezuela eher zu den Armen Schweinen. Sehr viele gaben einfach auf, weil sie weder Ausbildung noch Mittel noch die notwendige Einstellung hatten. Rory Carol, der langjährige Korrespondent des Guardian dort, schrieb in seinem sehr kritischen Buch unter vielem anderen auch über eine engagierte Gruppe von städtisch geprägten Neu-Kooperativ-Landwirten, die sich aber auch nur sehr mühsam über Wasser halten konnten. Wie gesagt, die meisten gaben auf. Carol empfand große Sympathie für diese Gruppe.

Lateinamerika und noch stärker Venezuela ist heute stark verstädtert. Das wird auch für viele afrikanische und asiatische Entwicklungsländer zutreffen. Landwirtschaft ist ein wirklich hartes Geschäft. Städter fällt die Gewöhnung an die Lebensweise unserer aller Vorfahren vielleicht schwerer, als es man sich erst vorstellt.

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