Sonntag, 1. November 2015
Zum Thema Kampf um eine libertäre Gesellschaft/Anarchsyndikalismus in Rojava
Also eigentlich müsste es in der Linken eine Riesenmobilisierung in diese Richtung geben, wie seinerzeit in Bezug auf Nicaragua:

https://www.youtube.com/watch?v=fKhjJfH0ra4

https://www.youtube.com/watch?v=UAzRWSwAuGI

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http://kommunisierung.net/Rojava-Realitat-und-Rhetorik

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Danke für diesen Link. Auf der phänomenologischen Ebene fasst der Beitrag alles zusammen, was zu dem Thema zu sagen ist. Schwierigkeiten gibt es jedoch bei der Interpretation bzw. Zielanalyse. Stimmt es, dass Kommunismus (wegen mir: Freie Assoziation der Werktätigen, Anarchie) nur entstehen kann, wenn der Kapitalismus im Weltmaßstab das Ende seiner Entwicklung erreicht hat - wie die Marxorthodoxen von August Bebel über Jules Guesde bis Robert Kurz meinten- oder kommt gerade aus den Subsistenzkämpfen der revolutionäre Impuls, was hieße, dass Kommunismus jederzeit möglich ist, was die Position der Operaisten und Autonomen ist? Ich weiß das wirklich nicht. Wenn wir der ersten Position folgen war die Unterstützung linker Kräfte im Spanischen Bürgerkrieg ebenso sinnlos wie die Nicaragua-und Chiapas- oder Kurdistan-Solidarität. Und wenn wir der zweiten Position folgen sieht die Linke ihre Züge nicht mal mehr davonfahren, da sind wir dann bei Debord und Mesrine. Ziemlich schwierig, es geht dabei darum, ob eine objektivistische, an der Entwicklung des Weltkapitals orientierte Position oder eine,die an realen und lokalen Kämpfen ansetzt richtig ist. Und ganz verkürzt: Ob die autonomen Ansätze in der Theorie richtig oder grundfalsch sind. Ich halte ja beides für möglich.

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Wie passt Mesrine ins Bild?

"Die Situation hat auch etwas gemeinsam mit der Entwicklung von Kämpfen weltweit in den letzten paar Jahren. Der Staat, nunmehr ein Agent des globalen Kapitals, wird als Schuldiger von sowohl aus Mittelklassen als auch dem Proletariat bestehenden Bewegungen betrachtet. Derweil wird die Nation als die ihm entgegenzustellende Kraft gesehen. Kämpfe stellen sich geschlossen hinter die Ideologie der Nationalität (und den Rassen- und Genderhierarchien, welche diese voraussetzt)."

Tja tolle linke Kräfte.

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Ich meine jenen Mesrine, der gemeinsam mit George Bataille die Grundlagen der spektakulären Handelsökonomie geschaffen hatte.

http://modeste.twoday.net/stories/816621/

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Dass in einem failed state, der auch zu seinen besseren Zeiten von einem Clan geriert wurde Nation und Staat als gegensätzliche Sachen angesehen werden und es sogar so etwas wie Anarchonationalismus gibt muss nicht verwundern. Ansonsten weiß ich nicht wie der Beitrag von indymedia empirisch auf andere Regionen und Kampffelder anzuwenden wäre und ob das so zutreffend ist.


Und dass Menschen in einer genozidartigen Situation sich über Ethnizität definieren verwundert auch nicht - wenn ich für das eigene So-Sein ausgelöscht werden soll halte ich natürlich umso mehr daran fest. Den Kurden einen Befreiungsnationalismus nicht zuzugestehen liefe in der Konsequenz darauf hinaus, dass der Zionismus auch als bekämpfenswerte Ideologie zurückzuweisen wäre - halt nichts anderes als religiöser Nationalismus. So haben das Traditionskommunisten ja auch jahrzehntelang konsequent gehandhabt. Nur ist die Welt halt etwas komplizierter und differenzierter.

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Da ist Onkel Che auf die Situationisten hereingefallen
Mesrine war kein großer Theoretiker, sondern ein Amokläufer und Massenmörder, der von der Polizei regelrecht mit Geschossen zersiebt wurde, statt ihn festzunehmen. Das war einer der großen Skandale um extreme Bullengewalt in Frankreich in den späten 70ern, die zur Diskussion um die Abschaffung der Todesstrafe und letztlich zur Präsidentschaft Mitterands führten. In einem emotionalen Betroffenheitssolitum, das Du wahrscheinlich kritisieren würdest wurde Mesrine posthum zum Märtyrer erklärt. Debord und andere Situationisten kulteten Mesrine, weil das frapper les Bourgeoises bedeutete. Halt die größtmögliche Provokation. Später hat dann die "Subversion" Mesrine-Zitate in eine Reihe mit Adorno, Bataille, Lacan, Debord, Benjamin und Marx gestellt - und übrigens auch Leila Khaled und Karam Khella. Ein wichtiger Theoretiker war der aber nicht. Und was die Subversion-Schreibe angeht war das vieleicht auch nur ein Papier gewordener Studentenulk. Wir erinnern uns da noch an die Zelle Paul, Ernst Schneller und die Max-Hölz-Allee, gelle?

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Uuupss!


Es ist 25 Jahre her dass ich in der Ecke gelesen habe, höchstwahrscheinlich bringe ich da etwas durcheinander. Danke der Nachhilfe. Das ändert aber nichts an der beschriebenen Dychotomie.

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Dass der Befreiungsnationalismus (klar er fällt unterschiedlich aus) nur eine _Notlösung_ ist, selbst reichlich Widersprüche produziert, immer noch ein Nationalismus ist und damit tendenziell Klassenherrschaft verdeckt, seine Bevölkerung vernutzt, schnell ins Völkische kippt, sollte bekannt sein.

Die Analyse, dass nach dem zunehmenden Scheitern des autoritären Staatsozialismus wieder eine Renationalisierung bei "linken Kräften" stattfindet, ob nun radikale oder reformistische, ist nicht so falsch.

Mit den lokalen Kämpfen ist das immer so eine Sache. Was sind das für Kämpfe? Wer führt die? Wer überlebt sie und wer nicht? Für was werden sie geführt? Hießige Linke hängen sich gerne dran, auch wenn sie eigentlich nicht viel damit zu tun haben und gar nicht so viel davon wissen.

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@" Hiesige Linke hängen sich gerne dran, auch wenn sie eigentlich nicht viel damit zu tun haben und gar nicht so viel davon wissen." ------ Das ist sehr ambivalent. Schon die 67er brachten es fertig, das schweineautoritäre Massenmordsystem der Chinesischen Kulturrrevolution als libertären, mit der Kritischen Theorie vereinbaren Sozialismus zu deuten (wobei die Kulturrevolution durchaus einige radikal emanzipatorische Ansätze hatte, die dann aber in völlige Barbarei umschlugen). Darüber hatte Eckhard Siepmann den köstlichen Aufsatz "Maos Sonne über Mönchengladbach. Die Sehnsucht der Intzellektuellen nach dem Einfachen." verfasst. Das Überstülpen geborgter Identitäten bei Palästina-Gruppen einerseits und Antideutschen andererseits ist nichts als die Soundsovielte Fortsetzung.

Demgegenüber gehöre ich allerdings in ein linkes Spektrum, das sich wirklich sehr konkret mit solchen Konflikten auseinandersetzt, und die Delegationsreise nach Kurdistan gehört so selbstverständlich dazu, wie früher mal einige von uns als Brigadisten nach Nicaragua gegangen sind. Sesselfurzendes Applaudieren aus der Distanz ist unsere Sache nicht. Meine frühere Gruppe hat auch eine zerbombte Brücke über den Euphrat wieder aufgebaut und einer Dorfschule im Nordirak ein Jahr lang den Lehrer bezahlt.

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Zu Nicaragua kam letztens das. http://caracaschronicles.com/2015/10/20/sandinista-venezuela/
Auf meinem Lieblings-Polit-Blog der Welt.

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Ein Blick auf Nicaragua dürfte eigentlich reichen, um alle Revolutionsromantik ein für alle mal auszutreiben. N. ist eines der wenigen Länder auf der Welt, in dem Abtreibung absolut verboten ist, auch bei Lebensgefahr für Mutter oder Kind.

http://informationsbuero-nicaragua.org/neu/index.php/rundschreiben/rundschreiben-12008/234-der-kampf-geht-weiter-gegen-das-totale-abtreibungsverbot-in-nicaragua

Eingeführt haben das Gesetz die Sandinisten, um sich im Wahlkampf die Unterstützung der katholischen kirche zu sichern. Hat ja dann auch geklappt.

Außerdem plant man jetzt mit chinesischer Hilfe den bau eines Kanals vom Atlantik zum Pazifik, mitten durch den Nicaragua-See, eines der ökologisch empfindlichsten gebiete der Gegend. Der Kanal ist zwar völlig überflüssig, weil es in geringer Entfrenung bereits den Panama-Kanal gibt, der kürzlich erst erweitert wurde, aber die Sandinista-Chefs werden sich wohl eine goldene Nase daran verdienen.

http://www.taz.de/!5023502/

Ein Blick auf linke Regierungen ind Lateinamerika zeigt, wie wenig revolutionäre Umstürze wirklich bringen. Cuba, Venezuela, Nicaragua....alles Fehlschläge, korrupte Diktaturen, nur die Rethorik der Mächtigen ist eine andere (linke eben).

Die reformistische Strategie Brasiliens scheint dagegen viel erfolgreicher. Auch wenn Dilma Roussef ofensichtlich nicht das Format eines Lula hat und das Projekt aktuell gefährdet ist.

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@Che: Ich meinte dies nicht nur kritisch, sondern einfach auch als Fakt. Andere Biographien, andere Lebensrealitäten.

Du sprichst von Palästina-Gruppen und Antideutsche, aber wieso sollten die Mechanismen bei Kurdistan-Soli so viel anders sein. So gibt es auch einige Klischeeantideutsche, die sich für Kurden-Soli begeistern können.

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fühl ich mich aber nun doch bemüßigt, was zu zu sagen, willy.
Es ist viel komplizierter. Brasilien befindet sich gerade in seiner vielleicht tiefsten ökonomischen und politischen Krise seit den 80ern. Wenn Macri die Stichwahl in Argentinien gewinnt und es in Brasilien noch in einem Jahr keine Besserung in Sicht ist, sollte die Partido dos Trabalhadores ein existentielles Problem haben. Dann wird nämlich die überwiegende Mehrheit im wirtschaftlichen Zentrum endgültig völlig am Rad drehen.

Der Versuch der Bachelet Regierung in Chile einen Sozialstaat zu begründen, ist gescheitert, obwohl das letztlich 90% des Volkes im Grunde will.

Bolivien und Ecuador laufen gar nicht so schlecht. Nicht alle Linken scheitern.

Die Gesellschaften mit den am tiefsten verwurzelten rechtsstaatlichen und demokratischen Überzeugungen, Chile und Uruguay, sind vermutlich nicht zufällig jene mit der längsten Tradition der Linken.

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Ich sage ja, dass die aktuelle Brasilianische regierung dabei ist, die Leistungen von Lula zu verspielen.

Bolivien läuft relativ gut, das stimmt. In Ecuador ist die Regierung dabei, die Pressefreiheit abzuschaffen, die in Venezuela schon länger nicht mehr existiert.

Chile und Uruguay (und Argentinien) haben meines Wissens keine revolutionäre, sondern eine reformistische Tradition mit starken Gewerkschaften.

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Chile besass seit den 20ern eine vergleichsweise starke Kommunistische Partei, die bis heute an ca. 3,75 Regierungen beteiligt war:

1938-41 Frente Popular (Volksfront) mit Präsdient Aguirre Cerda (nicht mit Ministern, aber sie standen hinter der Sache)
1946-48 González Videla (mit 3 Ministern, wurden aber nach 1948 von González Videla verboten, obwohl sie vorher ja in der Regierung waren.
1969-73 Unidad Popular (mit 3 Ministern). Das war so radikal, dass die Kommunisten nach Vorgaben aus Moskau auf Mässigung drängten.
2013-17 Nueva Mayoria (mit 2 Ministern)

Juni bis September 1931 gab es eine kurze República Socialista de Chile in den Wirren der Weltwirtschaftskrise. Kam durch Militärputsch an die Macht und wurde durch anderen beendet. Die Kommunisten waren aber in der Opposition gegen diese kurze Sozialistische Republik.

In den 60ern radikalisierten sich die Sozialisten bis zum Parteitag von Chillán. Dort erklärten sie sich zu einer marxistisch-leninistischen Organisation, deren Ziel die Revolution darstellt (http://www.blest.eu/doxa/chillan_serena.html).

Auch bei den Christdemokraten spaltete sich Ende der 60er Jahre ein starker und v.a. junger marxistischer Zweig ab (MAPU, IC). Ein Großteil der Technokraten der Allende-Regierung kam aus dieser Gruppe.
Bei der Präsidentschaftswahl 69 stimmten die Christdemokraten noch für den Marxisten Allende, positionierten sich dann aber nach der Mitte des Jahres 1971 immer stärker als Opposition gegen seine Regierung.

Bei Allende mischte eine nicht unsympathische Proto-RAF mit. Die hörten aber nach dem Wahlsieg der Unidad Popular erst einmal auf, Banken zu überfallen, stellten eine Art Leibgarde des Präsidenten und beteiligten sich führend an verschiedenen unregulierten Fabriks- und Landbesetzungen.

In Uruguay verfolgte José Batlle y Ordóñez (Präsident 1904 bis 1915) eine links-sozialdemokratische Politik, die das Land bis zum Militärputsch prägte.

Mujica ist eigentlich nicht einzuordnen. Er ist Antikapitalistisch und verbal Anti-Sozialdemokratisch , sah aber im Alter die Revolution als einen sehr langfristigen Prozess.

Heute gibt es in Chile und Uruguay eine reformistische Mehrheit.
In der Geschichte gab es aber eben auch
Phasen, in der Kräfte für einen radikalen Umbau der Gesellschaft die Regierung stellten.

Anders als in Kolumbien.

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Sozialrevolutionäre Bewegungen, die vergessen sind
Schöne Darstellung, zur Ergänzung: @"1969-73 Unidad Popular (mit 3 Ministern). Das war so radikal, dass die Kommunisten nach Vorgaben aus Moskau auf Mässigung drängten. " --- Andere Kräfte, denen mein Lager, also die Neuen Antiimperialisten sich verbunden sehen fanden das nicht radikal genug. Die Revolutionäre Volksbewegung MIR und verschiedene Bauern-Selbstorganisationen forderten die Bildung bewaffneter Milizen, um die Forderungen der UP notfalls gegen den Widerstand des Militärs durchzusetzen. Dass Allende sich dagegen wandte und die Entwaffnung der zum Teil schon gebildeten Milizen durchsetzte besiegelte seinen Untergang. Da sehe ich eine Parallele zur Machtergreifung der Nazis: Hätten Rotfront und Reichsbanner rechtzeitig zu den Waffen gerufen und notfalls den Bürgerkrieg gewagt hätte es keinen Hitlerfaschismus gegeben. Die Ermordung von General Schneider und die Absetzung von General Prats als Oberbefehlshaber bereiteten Pinochet den Weg.


Zum Thema Uruguay und Peru wären noch die Tupamaros zu erwähnen.

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Oh. you got me started.

MIR hab ich oben als Proto RAF bezeichnet nur vergessen zu labeln. Es gibt erstaunliche Parallelen zwischen chilenischen MIR, argentinischen Montoneros, den uruguayischen Tupamaros und der RAF. Sie begannen alle mit Banküberfällen zur Finanzierung. Die Führungsriege entstammte dem Bürgertum und später suchten und fanden sie Anhänger unter den Ausgeschlossenen der Gesellschaft (die Heimkinder in der RAF). Dominierend blieben aber die Bürgerlichen.

Ursprünglich war der MIR ein Zusammenschluss aus eher theorie-orientierten Anarchisten der 30er und sehr jungen Studenten aus der oberen Mittelschicht. In der zweiten Hälfte der 60er wuchsen der nicht mehr 20 jährige Miguel Enríquez und der gleichaltrige Bautista van Schouwen aus der Zelle in Concepción in Führungsrollen hinein. Beides junge Medizin-Studenten aus wohlbehüteten liberalem Elternhäusern (nix dagegen). Auch ein Neffe Allendes gehörte zu den Gründern. Als Salvador Allende davon erfuhr, überreichte er seinem Neffen eine Pistole. Mit den Worten: "Para que te defendais". Er fand die Entscheidung seines Neffen nicht gut, aber er war eben vor allem a) überzeugter Pragmatiker und eben 100% GENAU NICHT ein Mensch, der lange über rechtliche Fragen spekulierte und zauderte und b) tolerant in einem südamerikanischen Sinne.

Der MIR fand zunächst Zulauf v.a. aus radikalisierten Studenten aus der oberen Mittelschicht, die ebenfalls die tief verwurzelte chilenischen Klassengesellschaft empörte (mir geht es ja noch heute so). MIR war immer offen für Leute aus einfachen Verhältnissen, jedoch führten schon diejenigen aus sogenannten "guten Verhältnissen". Führung heißt nicht, dass die Neu-Mitglieder herumkommandiert wurden. Sie waren nur eben nicht die Gründer.

Die Rechte tut die Unidad Popular als paternalistische Elite-Veranstaltung ab. Das ist Lüge. Dominanz der Bürgerkinder war kein charakteristisches Merkmal der Unidad Popular. Die Lichtgestalt im Kultursektor - Victor Jara - und die Führungspersönlichkeit der Kommunistischen Jugend - Gladys Marin - stammten aus sehr einfachen Verhältnissen. Allende selbst besass einen besseren kommunikativen Zugang zu den einfachen Leuten im direkten Kontakt als fast alle Lateinamerikanischen Politiker. Das Wesen von Kommunikation besteht für mich darin, dass man den Kommunikationspartner ernst nimmt.
Auch Miguel Enríquez suchte die Kommunikation, aber als eine Bewegung "aus dem Volke" sehe ich den MIR irgendwie auch nicht.

Es ist aus meiner Sicht historisch definitiv nicht haltbar, dass ein wirklich bewaffneter MIR in einem Bürgerkrieg dem chilenischen Militär irgendwas hätte entgegensetzen können. Fidel Castro forderte Allende dazu auf. Dazu war die Gruppe zu klein und in der Bevölkerung existierte 1973 eine Mehrheit gegen die Unidad Popular. Bei den Parlaments-Wahlen Anfang 1973 konnten sie mit 44% das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielen. Aber - anders als 1969 - waren alle anderen Parteien inklusive Christdemokraten in Opposition gegen Allende. Und im Fortlauf des Jahres 1973 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage dramatisch, was die Fronten zusätzlich verhärtete, aber Allende eher Anhänger gekostet haben sollte. Wenn Du als halbtags arbeitende verheirate und schwangere Frau keine Windeln für dein erstes Baby kaufen kannst, obwohl Du deine komplette Freizeit mit Schlange stehen verbringst und Du zusätzlich der Meinung bist, dass sich dein Mann zu viel und zu alkoholisiert in verschiedenen politischen Veranstaltung herumtreibt, dann schwindet deine Begeisterung für die Revolution. Ich rede hier über einen konkreten Menschen.

Sehr wenige Chilenen sagen heute, dass ein Bürgerkrieg die bessere Option gewesen wäre als die Abschlachtung durch den bestialischen und in jeder Hinsicht heimtückischen Terror der Militärregierung. Für mich besitzt diese Sichtweise btw. eine gewisse Validität. Gewisse Validität bedeutet hier nicht Zustimmung. Die Kosten an menschlichen Leid wären einfach zu hoch gewesen.
Fidel Castro konnte 1959 auf die Unterstützung der überwiegenden Mehrheit der Kubaner zählen, als die ihre Offensive aus der Sierra Maestra heraus begannen. Allende war aber 1973 schon 3 Jahre an der Regierung und das erzeugte eben auch bei vielen eine tiefe Abneigung.

Schon 1890 hatte in Chile ein Bürgerkrieg zwischen Progressiven und Konservativen mit einer vollständigen Niederlage der Progressiven geendet. Und da gab es Militärs + Gefolgschaft auf Seiten der Progressiven. 1973 waren die Unidad Popular freundlichen Militärs wie Michelle Bachelets Vater isoliert, auch unter den einfachen Soldaten.

Miguel Enríquez versuchte sich im Widerstand und starb im Oktober 1975 in einem Feuergefecht. Sein in Italien aufgewachsener Sohn Miguel Enríquez(-Ominami) Gumucio ging als Fernsehproduzent und Moderator nach Chile, wurde Sozialistischer Parlamentarier, ging in linke Opposition zum Shilean Way und wird vielleicht in 6 Jahren Präsident.

Allende wurde in der Linken Rezeption zu so etwas wie einem naiven Träumer und Zauderer. Ich halte das für a) falsch und b) gefährlich. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der Bevölkerung und seinem Unwillen selbst eine Terror-Herrschaft zu errichten, blieb ihm überhaupt nichts anderes übrig als seine gleichzeitig improvisierten und ultra-komplexen Versuchen der Bildung von sehr weiten Koalitionen.
Sozusagen von RAF bis autoritätsgläubiger Militär...
Evo Morales vermeidet übrigens heute genau auch die Konfrontation mit den ökonomischen Oligarchen und anderen Politischen Gegnern. Der Konflikt mit dem erdgas-reichen Osten zu Beginn seiner Präsidentschaft regelte er mit Einigung.

Miguel Enriquez Sohn kritisiert heute die Entscheidung seines Vaters, die Waffe gegen das Militärregime erhoben zu haben statt in eine Botschaft oder nach Argentinien zu fliehen, was beides zwischen September 1973 und Oktober 1974 möglich gewesen wäre. Er bewundert die Entschlossenheit, mit der sein Vater für die Schaffung eines gerechteren Chiles eingetreten ist, obwohl er - aus einer anderen historischen Perspektive - nicht mit dessen syndikal-anarchistischen Mitteln übereinstimmt.

Die "Lehren" der Chavisten aus den Ereignissen in Chile führen zu einer haarsträubenden Überfinanzierung der Militärs und dem Versuch der Bildung von milizartigen Konstrukten, die sich aber - wenn es hart auf hart kommt - unter den aktuellen Gegebenheiten vermutlich (hoffentlich) nicht mobilisieren lassen.

Rafael Correa und Evo Morales haben den Schluss gezogen, dass eine tiefgreifende Reform der Gesellschaft einen langfristigen Prozess darstellt, in dem über-radikale Mittel mehr Schaden als Nutzen. Und das Dinge wie Knappheit und Kosten widerspiegelnde Relative Preise in einer Volkswirtschaft und die Gefahren Makroökonomischer Ungleichgewichte einen schon irgendwie ernstzunehmenden Kern besitzen.

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