Sonntag, 13. November 2016
Der Mythos vom Naturvolk
Über wenige Menschen ist, von den Vulgärmythen bis in die Ethnologie hinein, mehr romantischer Unsinn verbreitet als über die Prärieindianer. Sie seien ökologisch besonders bewusste Menschen, die im Einklang mit der Natur gelebt hätten, heißt es. Ihre im Wesentlichen auf der organisierten Bisonjagd plus Fallenstellen plus Erntesammeln basierende Subsistenzwirtschaft sei besonders nachhaltig gewesen, heißt es. Ihre schamanistischen Kulte wurden von Psychologen, Parapsychologen und Ethnologen erforscht und der Schamanismus unserer eiszeitlichen Vorfahren teilweise anhand der aus den Indianerstudien gewonnenen Erkenntnisse rekonstruiert. Europäische Sinnsuchende entdeckten die angeblich tiefe Weisheit der Medizinmänner für sich. Was für die europäische Wahrnehmung der PräriebewohnerInnen gilt ist im linken Spektrum und im grün-alternativ-ökopazifistischen Lager noch stärker ausgeprägt. Indianermystik ist dort seit Jahrzehnten schwer angesagt, geht bis hin zur Begeisterung für den Schamanismus im queeren Lager.

Eine der nach Ton-Steine-Scherben beliebtesten linken Bands nannte sich nach einem Apachenhäuptling Cochise, und ich kann mich noch daran erinnern dass es unter fundamentalistischeren Grün-Alternativen kurze Zeit sogar Mode wurde, eine Sprache wie Lakota zu lernen. Prärieindianer, die besseren Menschen.

Nur ist das alles Unsinn. Neuere Studien haben ergeben, dass die Prärieindianer die Bisons langfristig auch ausgerottet hätten, es hätte nur Jahrhunderte länger gedauert. Sie waren auch keine ursprünglichen Jäger und Sammler, sondern mit Gewehren bewaffnete Reiternomaden, die sich für diese Lebensweise aus einem bestimmten Grund entschieden hatten: Der wachsende Bevölkerungsdruck der Weißen, nachdem Seuchen und Raubbau sowie eine Klimaverschlechterung schon vorher ihre bisherige Wirtschaftsweise deutlich geschwächt hatten . Ursprünglich hatten die später als Sioux, Blackfeet, Crow, Arapaho usw. bezeichneten Stämme als Bauern gelebt, die Kartoffeln, Kürbisse, Melonen, Karotten, Bohnen und teilweise Mais anbauten, in Städten siedelten und Pyramiden erbauten. Den Schamanismus entwickelten sie erst, als sie schon als Wildbeuter lebten. Hier zeigt sich schlagend, wie das Sein das
Bewusstsein prägt, oder auch form follows function: Von einer kupferzeitlichen Bauernkultur fielen sie in das Stadium einer nicht weit über das Jäger- und Sammlertum hinausentwickelten Jägernomadenkultur zurück, wenn auch mit Pferden und Gewehren besser ausgerüstet als eine autochthone Kultur dieser Stufe, und prompt nahmen sie die Religion dieser Kulturstufe an: Den Schamanismus. Vorher, als Bauern hatten sie an Fruchtbarkeitsgötter geglaubt,
denen zum Teil Menschen geopfert wurden.

Denn, auch das folgt dem gleichen Prinzip, zu der Kulturstufe hochorganisierter Bauern der Kupfer- oder späten Jungsteinzeit gehören scheinbar auch zwingend Fruchtbarkeitskult, Menschenopfer, Priesterkönige und Pyramiden bzw. Megalithanlagen. Alles ganz unromantisch und ohne Zauber. Friedrich Engels "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" sagt mehr und Kompetenteres darüber als all die empathievollen poststrukturalistischen ethnologischen Studien.

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Noch besser als Engels ist Jared Diamonds "Collapse".

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Die Diskussion willst Du nicht im Ernst nochmal, oder?

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Ja der Poststrukturalismus ist schon so ein Teufelspack, wie die deutsche Post. Zum Glück haben wir Sankt Marx, Sankt Engels und vor allem Sankt Adorno.

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Ich würde daraus gar keinen Widerspruch machen und verstehe mich selbst bis zu einem bestimmten Grade als Poststrukturalist. Sowohl Levy-Strauss als auch Foucault als auch Bourdieu und Baudrillard sind Theoretiker, an denen sich mein Denken ausrichtet - während ich von Lyotard überhaupt nichts halte und z.B. Deleuze gar nicht kenne. Im übrigen ist die Ethnologie ganz generell, auch da wo sie nicht poststrukturalistisch arbeitet voller Selbstbespiegelung im Fremden, falscher Projektion und sogar offenem Betrug. Das ist ein Problem der Ethnologie, nicht des Poststrukturalismus. Und in diesem Zusammenhang ist die historisch-materialistische Herangehensweise nicht die schlechteste.

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Na schön wenn du nicht diese deutsche Idiotie mitmachst, die den Poststrukturalismus mindestens unter Generalverdacht stellt.

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Im Gegenteil, ich bin bestrebt, den Poststrukturalismus mit der Kritischen Theorie und dem Neuen Antiimperialismus zu verbinden.

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Willy, entschuldige bitte!
Du hattest an dieser Diskussion gar nicht teilgenommen:

https://shiftingreality.wordpress.com/2008/12/14/die-grune-holle-eine-post-doomsday-apocalypse/#comments


Ja, natürlich ergänzt und erklärt Jared Diamonds "Collapsed" dieses Thema hervorragend und bietet zudem einen wichtigen Blickwinkel auf die heutige Klimadebatte.

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@lacomune: Wer stellt denn den Poststrukturalismus unter Generalverdacht? Die Linken, die ich so kenne sind entweder davon begeistert oder wissen überhaupt nichts davon.

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Ok, aber ...
... mit Gewehren waren sie erst bewaffnet, nachdem der Landraub der weißen Siedler begonnen hatte, sie also die Knarren von denen rauben oder kaufen konnten.

Ein unromantischer Blick, selbst auf "versunkene Kulturen" ist jedenfalls vonnöten.

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Eben drum.....
.... erst zu diesem Zeitpunkt wurden sie Nomaden, vorher waren das Bauern, die mensch sich so ähnlich vorstellen kann wie Azteken mit kälterem Klima.

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Das weht meist von Hegelmarxisten und Anhängern der Frankfurter Schule, ISF etc.

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ISF kenne ich nur als seltsame Sekte, die in der Gründungsphase der Antideutschen Einfluss hatte. Da, wo ich mich bewege, sind eher die Positionen von Hartmann, Roth und Co vs. Wertkritik im Sinne von Kurz vs. dogmatischer Altmarxismus oder eben Poststrukturalismus relevant, viel häufiger aber noch so ein buntes Gesamtlinkstum, das Antifa-Fighter-Mentalität mit Bushido-Kampfsportethos (bis hin zu Yedi-Ritter-Selbstverständnis), letztlich maoistischem Alt-Antiimperialismus und sehr platt-affirmativem Populärfeminismus und Bauch-Antikapitalismus verbindet.

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Nur ganz kurz ...
... denn ich sehe das noch nicht so klar:

Besagte "Prärie-Indianer" (Klischee: Hollywood, Pferde, Bisons, etc. ... ) wurden also erst zu Nomaden, nachdem die "weißen Siedler" mit der Kolonisierung begonnen hatten?

Was wiederum bedeuten würde, dass sie vor Ankunft der ersten europäischen Siedler kulturell noch ganz anders "drauf" waren, richtig?

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Ja, genau. Die sogenannten Sioux etwa waren Ackerbauern und wurden aufgrund von Beschlüssen der Stammesräte zu Nomaden, ein Prozess, der sich vom 16. bis zum 18. Jahrhundert abspielte. Binnen weniger Jahrzehnte wurden die polytheistischen Fruchtbarkeitskulte durch Schamanismus ersetzt. Lewis und Clark schilderten bei ihrer Transkontinentalexpedition die Mandan noch als Bauernvolk in der Schwemmebene des Missouri, zwei Jahrzehnte später waren sie Bisonjäger in North Dakota.

kuckstu hier:


https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4rie-Indianer


https://de.wikipedia.org/wiki/Cahokia

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bei Brune Latour finde ich eine gute Analyse, aus welchem Grund mich diese ganzen Debatten innerhalb der sich ach so kritisch dünkenden Sozialwissenschaften um die richtige Methode(n) schon immer nur abscheulich langweilten:

http://winteranthology.com/?vol=5&author=latour&title=critique

Entweder werden Fetische von Naivlingen angebetet, die sie erzeugt haben, um ihre Wünsche, Bedürfnisse wie auf leere Bildschirme zu projizieren; oder externe Kräfte (Ökonomie, Gender) zwingen sie, ihnen verborgen, oft unbewusst, zu ihren Überzeugungen. Je nach Bedarf wird je nach persönlichen Vorlieben die passende Methode ausgewählt.

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... übrigens: im Wiki-Artikel über die Cahokia-Indianer ist von Hinweisen auf eine Hierarchiisierung ihrer Gesellschaft die Rede. Und hier haben wir dann einen Hinweis auf eine kausale Erklärung, weshalb sich Patriarchat und Priester-kasten entwickelten.

So wurde anderswo argumentiert, dass bei Jägern und Sammlern Fruchtbarkeitskulte vorherrschten (Mondkalender) und es sich eher um Schamaninnen handelte. Viel plausibler, als dass "scheinbar ... zwingend" bestimmten Kulturstufen bestimmte Kulte usw. zugeordnet werden, finden wir hier eher einen "Polytheismus" - mit Brimborium und Zauber. Einer hierarchischen Gesellschaft wäre umso wahrscheinlicher eine Entwicklung zum Monotheismus zuzuordnen: Es wäre eine patriarchalische Gesellschaft. Wir dürften uns als Vorgänger eine fröhliche, von Herrschaftsansprüchen freie Religionsausübung mit unterschiedlichen "Götter-Vorstellungen" von relativ religionsfreien und gut genährten Jägern vorstellen.

Es gab eine "matriarchalische" (wobei Arche eher mit Ursprung zu übersetzen ist, nicht mit Herrschaft) Gesellschaft. Kulte, die sich - mit Brimborium und Zauber - eher um (die eigene) Fortpflanzung drehten.

Schließlich wurde auch - an Einzelbeispielen im Nahen Osten anhand von archäologischen Funden - argumentiert, dass Entwicklungen zu einem Monotheismus eine zentralisierte Gesellschaftsordnung erforderte und dadurch den Übergang zu Ackerbau, Viehzüchtung usw. bewirkten.

Die kausale Verkettung fehlt bei Dir hier jedenfalls (fast) völlig. Nehmen wir Arche eher mit "Ursprung", nicht mit "Herrschaft" übersetzt, kann eine Entwicklung von einem Matriarchat zum Patriarchat plausibel gemacht werden.

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Bei mir fehlt die kausale Verbindung? Bitte? Ich habe den Eindruck, Dir fehlt elementarste Semantik, sorry.

Mal abgesehen davon dass die von Dir referierten Zusammenhänge zwischen Wildbeutergesellschaft, Bauerngesellschaft, Privateigentum und hierarchisierter Gesellschaft Binsen sind. Denn diese Zusammenhänge sind ja Voraussetzung meiner gesamten Argumentation und eben auch Zentralpositionen von Friedrich Engels´ "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats", dessen Kenntnis ich eigentlich voraussetze. Das ist schlicht Standard. Nichts Anderes gibt auch der Wikipedia-Artikel wieder.

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alles gemachte Dinger
Standard ist im philosophischen Diskurs seit einigen Jahren ("Wissenschaftskrieger" - aber nicht nur in diesem speziellen Fall), Latour als Teilnehmer zu kennen; und Standard ist für den populärwissenschaftlich "gebildeten", dass klarerweise die sog. "Prärieindianer" solche erst seit kürzerer Zeit waren und davor Ackerbau betreiben hatten usw. Meine populärwissenschaftlich erworbenen Kenntnisse stammen jedenfalls nicht aus "neueren Studien". ---- klein ziggev, der allerdings die DDR-Schriftstellerin Liselotte Welskopf-Henrich gelesen hatte, nicht May, hatte sich ja schon immer gefragt, was machten die Lakota, bevor ihnen Pferde zur Verfügung standen? Die ganze Indianer-"Geschichte" wurde auf einmal viel plausibler.

Die Tendenz, die Du beschreibst, Cochise usw., ist aber schon ne ganze Zeit her ..., kann ich allerdings an einem Fall bestätigen, dass nämlich der Chilene aus der hamburger alternativen Szene mir tatsächlich Castanedas anempfahl, von wegen Mittelamerika ... ich war einigermaßen enttäuscht. Und die Zustände, die Du beschreibst bzw. kritisierst, sind derartig hanebüchen, dass ich bis dato nicht so recht zu glauben vermag, dass es die wirklich gab. (kenne ich eher von Leuten aus Brasilien, dass die Regenwaldbewohner für "Szene"-Zwecke benutzt wurden: i.d. End-70ern, Anf. 80gern hatten Leute es sich angemaßt, zu entscheiden, wer "weit genug" sei, um an Ayuasca-Zeremonien teilnehmen zu "dürfen". Klares Machtstreben usw. u.s.f. (Das waren natürlich Männer gewesen; die betreffende hatte dann aber dennoch dran teilgenommen ...)

Und: Du hast offensichtlich recht, wenn das, was ich "referierte", Binsen sind, denn letztere bezog ich ausschließlich aus TV-Dokus etc.

Anlass für meinen Kommentar ist eigentlich eine etwas zurückliegende Diskussion gewesen. Als ich mehr zum Gaudi einige - vorsichtig vorgetragene - Thesen von Volker Sommer versucht hatte vorzutragen. Der hatte nämlich aus der Perspektive des ach so verfehmten Biologismus (ja, liegt schon etwas zurück) eben "biologistisch" untermauerte Erkenntnisse in Verbindung gebracht mit einigen in feministischen Kreisen beliebten Themen oder Thesen und so weiter.

Dass also (auch) Verhaltensdispositionen sich unter "matraiarchalischen" Vorzeichen genetisch niedergeschlagen haben könnten. Also der biologistische Nachweis, dass möglicherweise das "männliche" Dispositiv von "der" Evolution als Ausleseprozess, insofern dieser sich genetisch auf das menschliche Verhalten möglicherweise ausgewirkt habe, als Überleben des "stärkeren" usw., sich möglicherweise tatsächlich als eine patriarchalische Rück-Projektion herausstellen könnte.

Ich erinnere mich, dass Du am Begriff des Matriarchats Deine Kritik festgemacht hattest. Zur Richtigstellung desh. von mir Matriarchat verstanden eher als kulturell Prägende Kraft (Religion) und weniger als Herrschaft (wie der Name schon sagt).

Du ordnest nun oben einerseits Fruchtbarkeitskult aber andererseits auch Fruchtbarkeitsgötter der höheren Kulturstufe zu. Meine "Binsen", die sich (auch) an Sommer, soweit in Erinnerung, orientierten, sollten nun hier trotzdem einen gewissen Gegensatz in der Zuordnung "referieren". Götterverehrung der späteren Kulturstufe zugeordnet (bezogen auf Fruchtbarkeit not yet specified); Fruchtbarkeitskulte der früheren (Göttervorstellungen as yet not specified).

Schließlich möchte ich zur Ehrenrettung der Ethnologie noch nachtragen, dass Latour quasi als Ethnologe Wissenschaftler auf ihren Feldforschungen begleitete, deren (wissenschaftliches) "Verhalten" beobachtete, erforschte. Mit seinen Schlussfolgerungen brachte er sowohl Kulturalisten wie "hard science"-Realisten gleichermaßen gegen sich auf. Was mich, wenn ich mich nach Deiner Darstellung der Ethnologie richte, erstaunt, ist nicht nur der Vorwurf, sie würden hoffnungslos einer schwachsinnigen Indianer-Romantik verfallen, sondern auch, dass diese Ethnologen nicht auf die Idee kommen, ihren Fetisch (Prärieindianer) als das, was er ist, nämlich ein gemachtes Ding, in den Blick zu nehmen. Wieso kommen sie nicht auf die Idee, ihren Konstruktivismus auf ihre eigene Wissenschaft anzuwenden? Selbst (angeblich rückständige) Kulturen verstehen ganz genau, dass es sich bei ihren Fetischen um "gemachte Gegenstände" handelt, jedenfalls Latour zufolge.

Was mir aber etwas fehlte, war eine kurze Charakterisierung der Engelschen Theorie. So war gar nicht klar, worin ihr besserer Zugang besteht. Es las sich somit eher wie: Siehe, "neuere Forschung" hat mal wieder Engels bestätigt. Kannst eben nicht bei jedem Engels voraussetzen. Gerade wegen solcher innerlinken Auseinandersetzungen habe ich auch nie das Bedürfnis verspürt, etwas daran zu ändern.

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"Entweder werden Fetische von Naivlingen angebetet, die sie erzeugt haben, um ihre Wünsche, Bedürfnisse wie auf leere Bildschirme zu projizieren; oder externe Kräfte (Ökonomie, Gender) zwingen sie, ihnen verborgen, oft unbewusst, zu ihren Überzeugungen. Je nach Bedarf wird je nach persönlichen Vorlieben die passende Methode ausgewählt."

Ein komisches entweder oder. Das Unheimliche am Fetisch ist doch, dass er als etwas gemachtes erkannt wird, wie du anmerkst, aber trotzdem wirksam ist, "zwingt".

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im trumpschen Bullshitzeitalter
ok., sorry Lacommune !

ich habe versucht, Latours Thesen zum Fetisch (bzw. Faitiche, s.u.) kurz, "on the fly", zusammenzufassen. Musste natürlich missverständlich werden ...

ich kann mich dafür nur damit entschuldigen, dass Latours Texte im Englischen nicht gerade einfach zu lesen sind (siehe Link oben), "dass er teils mit durchaus tiefen und schwer verständlichen, teils mit einfachen und witzigen (manchmal vielleicht an Klamauk grenzenden) Texten beziehungsweise Textpassagen operiert, ..." (pdf-Link). Zusammenfassung bei wiku (egl.) u. meine Quelle hier).

der Witz ist ja gerade der, dass er sich genau gegen dieses Entweder-oder wendet ! Andererseits wendet er sich aber auch gegen das in Deinem 2. Satz formulierte. Es sind, wie ich es jetzt etw. sorgfältiger rekonstruieren will, 2 oder 3 Schritte.

1. Es werden Bedürfnisse, Wünsche unterstellt, die auf "leere Bildschirme" projiziert werden.

2. Was sich dann auf diesen Bildschirmen zeigt, wird als Fetisch identifiziert. Sieh doch, es ist alles leer und nichtig, woran Du glaubst! Du bist nicht frei. Es sind dir nicht bewusste Kräfte, die Dich zu diesem merkwürdigen Verhalten zwingen! Hier könne man beliebiges einfügen ("economic infrastructure, fields of discourse, social domination, race, class, and gender, maybe throwing in some neurobiology, evolutionary psychology, whatever ...").

3. Jetzt werden Fakten angeführt, die aus den oben genannten wiss. Feldern stammen sollen, deren "Fabrikation", Herkunft dann jedoch ununtersucht bleiben, um diesen "gewöhnlichen Fetischisten" den Todesstoß zu versetzen.

Diese Denunziationstechnik sei in der Sozialkritik ubiquitär. (möglw. illustriert das kleine Hick-Hack zw. mir und che eben genau das.) Desh. grenze die Sozialkritik, wie zurzeit praktuiziert, möglw. bereits an irrelevantes Geräusch. Ich erinnere mich noch daran, wie i.d. 90ern Warnungen vorm Klimawandel als "unwissenschaftlich" denunziert wurden. Heute würden „Gefährliche Extremisten [...] ebendasselbe Argument von sozialer Konstruktion [benutzen], um mühsam gewonnene Beweise zu zerstören, die unsere Leben retten könnten.“ (deutsche wiki) Erst waren die Klimaskeptiker also "unwissenschaftlich"; dann wurden "hard facts" mit Mitteln der "Ideologiekritik" "dekonstruiert". Heute, in einer postfaktischen Phase, kann man jeden Bullshit behaupten, siehe Trump.

Im Glossar von "Die Hoffnung der Pandora" Latour zu

"Faitiche, Fetischismus (factish, fetishism):

Fetischismus ist eine Anklage, die von einem Denunzianten vorgebracht wird; mit ihr wird unterstellt, daß Glaubensvorstellungen und Wünsche von Gläubigen auf ein bedeutungsloses Objekt projiziert werden. Faitiches sind dagegen Handlungstypen, die sich nicht in die erzwungene Alternative zwischen Fakt und Glauben hineinpressen lassen. Der Neologismus Faitiche ist eine Kombination aus Fakt (fait) und Fetisch (fétiche) und stellt klar, daß beiden ein Element der Fabrikation gemeinsam ist. Anstatt Fetische gegen Fakten ins Feld zu führen oder Fakten als Fetische zu denunzieren, soll so die Rolle der Akteure in allen Aktivitätstypen ernst genommen und damit der Begriff des Glaubens überflüssig werden."

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@ziggev: "Ich erinnere mich noch daran, wie i.d. 90ern Warnungen vorm Klimawandel als "unwissenschaftlich" denunziert wurden." ---- Von wem denn zu dieser Zeit? Da fanden schon Klimagipfel statt, und bereits in den Siebzigern wurde der Ausbau der Atomenergie neben der Ölkrise mit der Klimaerwärmung durch Treibhausgase gerechtfertigt. Ich erinnere mich, 1978 einen hochinteressanten Beitrag von Theo Löbsack zu der Frage gelesen zu haben, ob die Ausschüttung von Treibhausgasen zu globaler Erwärmung oder die Emission von Feinstaub und Schwermetalloxiden zu Schaffung von Kondensationskernen und dadurch bedingtem verstärktem Niederschlag und darauf folgender Abkühlung führen wird oder sich zwischen beiden Faktoren sogar eine Balance einstellen würde. Klimaskeptiker sind übrigens Leute, die eine menschgemachte Klimaerwärmung bestreiten, Du verhedderst Dich da etwas in Deinen Begrifflichkeiten.

Recht gebe ich Dir darin, dass die Debatte in wechselnder Weise stark politisch instrumentalisiert wurde, ich kann mich z.B. daran erinnern, dass in der Anti-AKW-Bewegung die Warner vor der globalen Erwärmung als Sprachrohre der Atomlobby denunziert wurden.

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@ che - ja, stimmt, das war direkt falsch.

Es hätte an der Stelle besser Klimaerwärmungsskeptiker oder ähnlich heißen müssen.

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@ziggev: Mal schnell geschossen, also Liebe ist ein Faitiche, Liebe zwischen Menschen ist, töricht daran zu zweifeln, gleichzeitig auch ein gewordenes Konzept und Biologie, der Fetisch ist ja nie das wirkliche Ding. Das Faitiche als Versöhnung mit dem Fetisch. So richtig? Aber funktioniert nicht ein Fetisch genau so?

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@ lacommune: Interessante Überlegungen! Faitiches bedeuten allerdings auch die Versöhnung mit "der" Biologie, würde ich sagen, die ja auch nie das wirkliche Ding ist oder beschreibt. Das Faitiche, wie ich Latour verstanden habe, ist ja gerade desh. erfunden worden, um eben auch die Fakten als Fetische begreifen zu können. Insofern: ja, ein Fetisch funktioniert genauso.

Der Neologismus scheint erfunden worden zu sein, um an jeder Stelle von Fakt zu Fetisch und wieder zurück umschalten zu können. Wenn z.B. jemand angibt, seine Wohltätigkeit sei durch seinen Glauben an Gott inspiriert, sollten wir das "ontologische Gewicht" einer solchen Aussage berücksichtigen, Anstatt Gott durch allerlei "social stuff" zu ersetzen wie Klasse, Gender, Imperialismus etc.

Es wäre vielleicht etwas niederträchtig, "ich liebe dich" durch "ich glaube, dich zu lieben" zu ersetzen. Dann könnten wir jedoch möglw. sagen, wir solltem das "ontologische Gewicht" dieser Aussage zumindest anerkennen.

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@ziggev: Danke für die Ergänzung. Mir scheint das sympathisch, aber ich kann den Unterschied zwischen Faitiche und Fetisch in dieser Erklärung nicht erkennen. Mit dem Faitiche wird alles ein Fetischverhältnis, nur man soll sich damit abfinden. Die Fetische sind aber nicht per se eine angenehme Unfreiheit. Vielleicht überdehnen wir den Begriff des Fetisch auch zu dem Verblendungszusammenhang.

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@ lacommune. bitte vergiss nicht, dass nicht ich "Erklärungen" abgebe, sondern Latour paraphrasiere. das Gedankenexperiment, Latour, bestenfalls, wie ich ihn verstehe, z.B. auf die Liebe anzuwenden, ist mir zunächst mehr als recht. (Experimente, insonders Gedankenexperimente können nie schaden.) es besteht allerdings die Schwierigkeit, dass ich hier bereits alles ausgebreitet habe, was ich (glaube zu) verstehe(n) , bzw. die Quellen und die Stellen, an denen ich gerade sitze, angegeben habe. einem Weiterdenken kann ich daher gar nicht entgegenstehen (z.B., wie dann bei Liebe?).

Latour scheint es aber eher darauf anzukommen, einer bloßen "Faktenhuberei" polemisch entgegenzutreten, zumal wenn diese selber zum Fetisch geworden ist, der allerdings die Unschuld, die er Fetischen zurückgeben will, verloren hat.

wenn Du Schwierigkeiten hast, Fetisch und Faitiche auseinanderzuhalten, hast duvielleicht Latours Idee zu gut verstanden ;)

ich bin auch kategorial danebengegangen, als ich Glaube(n) mit Liebe verband (eine Sackgasse).

Fetisch oder Faitiche mit Liebe zu verbinden, ist womöglich gar nicht notwendig. "gleichzeitig auch ein gewordenes Konzept und Biologie". für wen Liebe Biologie ist - warum sollten wir ihm diese Überzeugung zerstören, indem wir dieses Konzept durch allerlei "social stuff" ersetzen? wer es vorzieht, Liebe, z.B. die romantische, anhand Geschichte und Soziologie (als Konzept) zu erklären - es spricht ja eigentlich überhaupt gar nichts dagegen! das ist mir so sympathisch an Latour, dass er ausspricht, was ich schon immer so gedacht habe. ja! eben viele Welten!

Latour ging es beim Fetisch/Fetiche eher um Wissenschaftstheorie bzw. "Wissenschaftswissenschaft", um die Wissenschatfskriege der 90er. für Fakten (und Verwandte) habe ich mich eher im Sinne klassischer Wissenschaftstheorie interessiert. (weniger i.S. eines "Faktums der reinen praktischen Vernunft" - dass Faktum vom Wortstamm her von machen, herstellen herkommt, darauf haben hier immer die Konstruktivisten mit großer Genugtuung hingewiesen.)

Mit Fetischismus habe ich mich nie beschäftigt, auch nicht mit mit dem Fetischcharakter der Ware. als allerdings die Burkinas aufkamen, kam ich einen Moment lang ins Schwanken. für mich wird der Fetisch zerstört, sollte es zum praktizierten Fetischismus kommen.

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Mal "Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis" von Karl Marx gelesen?

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nein, fast nie mit Marx beschäftigt. eine originelle Idee vom Fetischcharkter der Ware; aber ohne die theoretische Kontextualisiereung bleibt er eben nicht mehr als das.

ich habe aber eine kleine Sammlung von "Heideggers", zumeist Küchenzeugs, das ich in alten (Abbruch)Häusern aufgelesen habe (mit Patina).

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Von wegen "originelle Idee"; das ist eines der Grundaxiome der Wirtschaftsphilosophie und der Kapitalismuskritik.

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frau oh frau, wo sind wir gelandet?
Die Kritik des Warenfetischs war doch einmal so DIE Standardausgangsposition von Gesellschaftskritik, in der sich Traditionslinke, Alternative und Ökos einig waren. Jetzt wird das gar nicht mehr gewusst? Na schönen Dank auch.

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@netbitch, das ist für mich Kindergartenwissen.

Meine Oma kaufte bei ihrer Anreise in einem Bahnhofsshop ein kleines Geschenk für mich, mit dem Namen "Vademekum". Ich wollte wissen, was das heißt. Mein Vater erklärte mir, dass "Vademkum" soviel wie "Nimm mich mit" heißt und dass es sich um einen Artikel handelte, der, wie alle anderen, zu dem einzigen Zweck hergestellt worden sei, "mitgenommen" zu werden. Alle Waren würden nur hergestellt werden, damit sie gekauft werden würden. Darum stehe da "Nimm mich mit drauf", weil es völlig egal wäre, worum es sich handelte. Ironischerweise hätte meine Oma, die eigentlich bloß eine nette Geste hatte anbringen wollen, dieser Aufforderung Folge geleistet. Bei den bunten Stiften handelte es sich also gar nicht um schöne Malstifte, sondern um etwas, das in erster Linie gekauft werden sollte. Ich muss zugeben, ich kam etwas ins Grübeln. Die "Ware" hatte ihren trügerischen Reiz jedenfalls für mich verloren, ohne allerdigs dass ich wirklich das Gefühl hatte, ich wäre um irgendetwas gebracht worden.

Als ich dann von Marx´ "Warenfetischismus" hörte, war ich wenig beeindruckt. Es handelte sich offenbar lediglich um die Kehrseite meines untrüglichen Gefühls, dass all diese "Konsumidioten" mir wirklich leidtaten. Ich gehörte jugendkulturmäßig zu den Ökos/Hippies. das war aber nur oberflächlich. Das musste einem doch das ästhetische Gefühl, ein Bewusstsein für Stil, das nicht zuletzt mit Selbstachtung zu tun hat, eingeben, dass all jene Leute, die in dem Wahn leben, wenn sie etwas erworben haben, sie hätten jetzt etwas, das ihnen "gehörte". Nein, das konnte man doch sehen, dass sie zur Funktion dieses anscheinend so schönen Produkts wurden und nicht umgekehrt ! Bereitwillig lassen sie sich alle nach Strich und Faden, das ist das Wort, das ich dafür immer benutze, verarschen und kaufen - tja, das allermeiste ist, wenn man auch nur ganz niedrige ästhetische Maßstäbe anlegt, einfach nur Müll. Müll, Müll, Müll, Müll! Vom Gebrauchswert nicht zu reden. Seit 30 Jahren in eigenen Wohnungen / WGs hausend, befinden sich genau zwei vom Laden weggekaufte Möbel in meiner Wohnung, ein Balkontisch (f.d. Küche) und ein Regal, gerade erst diesen Sommer erstanden. Das ist für mich eine Frage der Selbstachtung.

Ich bekomme Depressionen, wenn zu lange drüber nachdenke. Lies "Asyl für Obdachlose" (vermutlich für Dich nix neues) in Minima Moralia, wo es mit "Es gibt kein richtiges Leben im falschen" endet. Auch wenn es unwahrscheinlich klingt, für mich nichts Neues gewesen.

@ Che
"originelle Ideen" scheint es nicht mehr zu geben, wenn sich ausschließlich im linken Kontext bewegt wird. Und das ist meine Erfahrung mit Marxens Kapital, das ich im Zuge der Wirtschaftskriese zu lesen begann. Sprätestens jede 2. Seite eine brillante Idee auf den ersten 15. Seiten. Allerdings jedesmal mit dem Hinweis, dass der betreffende Punkt an anderer Stelle weiter diskutiert werden würde - aber immer ohne Angabe, wo. kommt also die "Durchführung" noch?

Da musste man / frau schon vorher Marxist sein, um weiterzulesen. Also sich in die entsprechenden Kontexte begeben, um sich´s erklären zu lassen? Wo alle vorgeben, Marx voraussetzten zu können/müssen, nur um sich dann bis auf die Messer um die richtige Deutung zu bekriegen, und wo die Welt aufhört, wo Marx aufhört?

Eine "Originelle Idee" wird nichteinmal mehr als solche erkannt. Kann man, oder frau, da noch erwarten, dass jemand nochmal selber eine Idee hat? Bei "Fetisch" geht gleich die Marxschublase auf. Nein, so habe ich noch nie leben wollen. Desh., extra etwas provozierend, die "originelle Idee" vom Fetischcharakter der Ware von Marx.

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Wer Marx liest, sollte möglichst nicht Marxist sein, wie jedeR wissen muss der/die schon mal mit dem Nörgler zu tun hatte. Ansonsten mal wieder wortreich geschafft sinnfrei zu begründen wieso Du einen Theorieansatz der keinen geringeren Anspruch hat als den zu erklären, wieso Kapitalismus, Kriege, der Fortbestand von Herrschaft im Weltmaßstab überhaupt stattfinden (und der das m.E. auch gut erklärt) nicht zur Kenntnis zu nehmen bereit bist.

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"aber ohne die theoretische Kontextualisierung bleibt er [der Fetischcharakter der Ware] eben nicht mehr als das [eine 'originelle Idee]." - nicht gelesen?

also bitte, ne bessere Vorlage kann man doch nicht mehr liefern für Leute, die behaupten, unterrichtet zu sein.

Stattdessen Gemeinplätze, die von mir zu geben ich mir eben wegen des Unvermögens der "theoretischen Kontextualisierung", wie ich es nannte, nicht gestatte.

Und die implizite Unterstellung, und dann auch die explizite, ich hätte von all jenen fruchtlos gebliebenen Bemühungen nie etwas mitbekommen.

Dann wird behauptet, ich sei nicht bereit, jenen ohne Zweifel essentellen Theorieansatz nicht zur Kenntns zu nehmen, was, wie ich bewiesen habe, einfach nicht der Fall ist. Aber klar, diese weitere den dargelegten Tatsachen zuwiederlaufende Unterstellung ist erforderlich, um, noch ein paar weitere Gemeinplätze anführend, sich über meine Unwissenheit zu echauffieren.

Alles völlig inhaltsleer. Also nichts weiter als eine Selbstversicherung einer in-group, die ohne vermeindliche Unwissende out-group ihren Zusammenhalt nicht aufrechtzuerhalten vermag. Warum sonst diese für den Außenstehenden in jeder Hinsicht obsoleten Ausfälle? Also muss man doch irgendwo "dazugehören", um mitreden zu können. Und Wissen spielt bei diesem Spiel überhaupt gar keine Rolle mehr. Eine "Autorität", der Nörgler, wird dazu in Anspruch genommen, die jedoch genau das Gegenteil gefordert oder in persona gezeigt habe. Nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass ich ja gerade als Nicht-Marxist anfing, Marx zu lesen, ist dabei zwingend.


Hier kann man nicht einmal mehr von "sinnbefreit" sprechen. Denn von der sich ad absurdum führenden Behauptung, ich würde jenen Theorieansatz nicht zur Kenntnis nehen wollen, bis zur Unterstellung, ich würde, wegen fehlenden Spezialwissens, das mich berechtigen würde, sinnvoll etwas über den "Warenfetischismus" zu sagen, nicht über basales Grundwissen, das hier als Gemeinplätze allen ernstes vorgetragen wird, was mir auch noch zum Vorwurf gemacht wird, widerlegt sich eine solche Haltung in jedem einzelnen Punkt.

Es ist etwas erschreckend. Es braucht nur ein Stichwort fallen, ne kleine Stichelei, und schon bewahrheiten sich die schlimmsten Klischees und Vorurteile. Es ist schon traurig, wie spielend leicht ihr euch vorführen lasst. Ein Ausdruck wie "originelle Idee" reicht, damit die linke Seele gekränkt vollkommen kopflos um sich schlägt.

Marx zu lesen, wie oben steht, war mir einfach zuviel Arbeit. Ich weiß aber beim besten Willen nicht, womit ich mich hier auseinandersetzen soll. Wenn wenigstens eine persönliche Haltung, die nicht auf eine solche Weise systematisch an der Oberfläche bleibt, deutlich würde. sorry

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Du vermischst hier richtige Ansätze, Überlegungen und theoretische Positionen mit einem trotzigen Beharren auf der eigenen unmittelbaren und auch nicht vermittelten Subjektivität. Erkenntnisgewinn ist aus dieser Kombination schwerlich möglich. Wieder ein Beispiel von dem was neuerdings Postfaktizität genannt wird. Schade drum.

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Dir ist natürlich klar, dass Du mit "Postfaktizität" durchaus das Kinde mit dem Bade ausschüttest. Das nenne ich Prälogitizität.

Es dürfte doch ein leuchten, dass ich mit biographischen Anekdoten keinerlei normative Ansprüche verbinde. Erkenntnisgewinn dann nur vermittelt möglich. Mit postfaktisch hat das nun rein gar nichts zu tun. Du beklagst ja gerade die Nichtanschlussfähigkeit. Also, aus deiner Perspektive, ehe etwas wie ein Geräusch.

Ist denn Dir nicht aufgefallen, dass mich über ebensolche bloß subjektiven Einlassungen beklage? Ich/wir haben und soundso engagiert (Aufzählung), Inhalte der Diskussion u. Beschäftigung waren (Aufzählung).

Das nun jemand aus völlig anderen Kontexten sich dennoch dafür interessiert, jedoch einen anderen Zugang hat (Marx ist ein Buch wie jedes andere, wenn schon der Anfang fürs Anheben des Denkens eine Zumutung ist, dann hat er eben erstmal Pech gehabt), dann scheint dies für Dich/euch rein subjektiv eine Zumutung zu sein. Da fragt man sich doch, ob das wirklichalles ist. Anstatt sich über das interesse zu freuen vonjemandem, dem Marx selber erste Versuche vermiest hat, sollte dich auf Freude stoßen.

Marx sah das elend des englischen Proletariats und wollte verstehen: Warum? Ergebnis: Das Kapital.

ach, jetzt gerade, DLF:

Essay und Diskursaufnehmen
RE: DAS KAPITAL (4/6)
Politische Ökonomie im 21. Jahrhundert - Über Aktualität und Grenzen der Marxschen Theorie
Von Paul Mason
(Teil 5 am 11.12.16)

btw., bei meiner Klolektüre (Habermas´ "Theorie des kommuniktiven Handelns", B. 2, Aufgaben einer kritischen Gesellschaftstheorie) stoße (gestern) ich auf marxens Fetischismus der Ware.

Eben andere Ansätze. Ist das wirklich so schlimm? Autobiographische Notizen selbstredend nur zur Illustration. Und: Es wird wenigstens ein,irgendein, persönlichre Bezug deutlich

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Dass Du Dich mit Dingen beschäftigst Die Du vorher nie gelesen hattest darüber freue ich mich durchaus und dass Du zu Marx einen anderen, eigenen Zugang hast das akzeptiere ich. Du unterstellst aber auch gerne mal mir Dinge, die ich gar nicht vertrete und hast noch vor Kurzem einen Dualismus Sozialwissenschaften-Naturwissenscchaften aufgebaut den es so gar nicht gibt, und es ist auch nicht immer leicht, Deinen Ausführungen überhaupt zu folgen.

@ "Marx ist ein Buch wie jedes andere, wenn schon der Anfang fürs Anheben des Denkens eine Zumutung ist, dann hat er eben erstmal Pech gehabt), dann scheint dies für Dich/euch rein subjektiv eine Zumutung zu sein." .------ Das ist grenau das was ich meine, diese subjektive Unmittelbarkeit Deinerseits. Dass sich Marx für einen Ziggev des 21. Jahrhunderts schwer liest liegt in dem Umstand, dass er in der Wissenschaftssprache des 19. Jahrhunderts verhaftet ist. Es kostete mich seinerzeit enorme Anstrengung, mich in Marx einzulesen, wie das auch bei Adorno und Baudrillard der Fall war. Es existierte allerdings nicht die Möglichkeit, es nicht zu tun, sonst wäre ich mit dem Studium nicht weiter gekommen, ebenso wie ich etwa lateinische Quellen übersetzen musste, da waren meine Qualen wie die des Brian unter der strengen Zucht des Zenturio. Das hilft aber nichts, das Erschließen aussagestarker Texte ist nunmal harte Arbeit, und ein Diskurs ist kein Wunschkonzert.

Btw Dieses "Ihr", das sich scheinbar an die Linken an sich wendet weise ich zurück, ich schreibe hier nur für mich.

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bei "Das Leben des Brian" handelt es sich übrigens um islamistische Propaganda, denn dass es nicht Jesus gewesen ist, der gekreuzigt wurde, sondern jemand anderes, wird meines Wissens bereits im Koran vertreten (elegant: das Problem der Trinität einfach wegdefiniert) ...

Ich hatte übrigens überhaupt keine Schwierigkeiten Mit Marx´ wissenschaftlicher Prosa. Als ich da anfing oder hie oder dort mal etwas nachrecherchierte, fand ich seinen Stil zwar ungewohnt und nicht leicht. Aber abgesehen davon, dass mir as a matter of facts Begrifflichkeiten nicht zur Verfügung standen, doch sehr klar. Ich habe inzwischen nicht geringe Leseerfahrung; ja, Kants Kritik der reinen Vernunft schaffte es von der Küchen- zur Klolektüre (konnte mich nicht losreißen). Heute sind für mich Kant, aber auch Marx, hinreichend schwer - und aussagestark -, um überhaupt mein Interesse zu wecken.

So darfst du ruhig meine überzeichnete Selbstdarstellung meiner subjektiven Unmittelbarkeit als ironischen Kommentar zu Marxens Ausführungen zum "Lumpenproletariat" lesen. Ist immer witzig, wenn man derart treffend eine Beschreibung seiner selbst wiederfindet. (hier hast du versäumt, deinem Blidungsauftrag nachzukommen, mir eben solches vorzuhalten.)

diese meine Haltung, dieses (intellektuell) isolierte Leben habe ich mir übrigens nicht ausgesucht. da spielen auch Kontakte mit Linksintellektuellen eine Rolle, die in meiner Wahrnehmung sich sehr sicher fühlten in ihren Echokammern und dadurch ihre mühsam erworbenen Gewissheiten aggressiv vertraten. Was ich als beschämenden Mangel an Neugier wahrnahm.

Lichtenberg zur zur Kantrezeption seiner Zeit: "Ich glaube, dass die meisten über der Freude ein sehr abstraktes und dunkel abgefaßtes System zu verstehen zugleich geglaubt haben es sei demonstriert."

Wie oft musste ich geschockt erleben, was ich durchaus als eine intellektuelle Niederlage anzusehen mich gezwungen sah, dass der Anspruch erhoben und durchgesetzt wurde, dass allein weil ein Argument kohärent in marxscher (wahlweise kantscher, hegelianischer) Terminologie vorgetragen wurde, andere zu schweigen hätten.

klar, hat eins sich einmal, was Anstrengung erfordert, einen Diskurs erarbeitet, muss nicht jedesmal daran erinnerst werden, dass es sich eben um diesen bestimmten Diskurs handelt. Was ich damit als "methodologische Vorgabe" bezeichnen will (in etwa: "ok., lass uns mal das und das Problem/Phänomen mit Marx analysieren!"), ist jedoch bedauerlicherweise von einigen offenbar unhinterfragt als inhaltliche Vorentscheidung hingenommen worden, denn die Frage, warum eigentlich Marx, Bordieu, Hegel, Kant usw. überhaupt auch nur zu verstehen, schienen einigen durchaus nicht mehr gegeben zu sein.

Von "Echokammern" zureden, wäre hier allerdings eher unzutreffend, denn bei dem, was ich wahrnahm, handelte es sich weniger um Selbstbespiegelungen inhaltlicher Natur, sondern vielmehr um einen selbstzweckhaften Diskurs. Ich habe mich also sehr früh dafür entschieden, alles zu tun, um nicht in diese intellektuelle Falle zu gehen.

Denn so ergab sich für mich eine durchaus paradoxe Situation: Dieser in Teilen selbstzweckhaft gewordener Diskurs (wenn es dabei nicht lediglich um Diskurshoheiten, Machgelüste von autoritären Persönlichkeiten ging) nahm für sich dennoch politische Relevanz in Anspruch.

Ehrlich gesagt, mit nicht geringer Genugtuung nahm, nehme ich dann dessen Scheiten war. Wenn es um filter bubbles, "innerlinke" Grabenkämpfe usw. geht/ging. Oder anders: es ist schon bemerkenswert, wie lange antiquirte Auseinandersetzugen überleben. Desh. ja mein Verweis auf Bruno Latour.

Dabei hätte mir doch die Auskunft vollkommen ausgereicht: "Marx entwickelt bereits auf den ersten 10-15 Seiten des Kapitals auf brillant-konzise Weise ca. 5-7 Ideen/Begriffe/Intrumente, die bereits dort schon sehr vielversprechend scheinen (was sich auch als so herausstellt), um eine kapitalistische Gesellschaft zu analysieren." Oder: "Marx ist einfach erforderlich, um sinnvoll gewisse Studien in den Sozialwissenschaften oder z.B. als Historiker zu betreiben."

Ich erkenne aus dieser Erklärung von dir eine Haltung, die ich als "Erkenntnis um der Erkenntnis" willen rekonstruieren würde. Eine solche Haltung würde vielleicht als snobistisch, unpolitisch o.ä. angesehen werden. Mir verschafft(e) eine solche Einstellung aber ein nicht geringes Maß an geistiger Freiheit, auf welche ich wert lege. Diese Freiheit zu genießen, erfordert allerdings ebenso nicht geringe Anstrengung und einen langen Atem. Um zu vermeiden, nicht in Diskursfallen zu geraten, kommt auf einmal eine Vielzahl von Autoren in Betracht, die sonst möglw. unbekannt geblieben wären. Marx´ Bücher sind Bücher, wie jedes andere auch, will heißen, eigentlich müsste man sie alle gelesen haben.

das mit dem vom "unterstellten" Dualismus zw. Natur- und Sozialwissenschaften --- da waren wir doch im Blog zu Filterblasen etc., wenn ich mich recht erinnere. Ich glaube, ich wollte mich da auf gewisse Positionen beziehen, wo es prinzipiell abgelehnt wurde, Ergebnisse aus der Biologie sich auch nur anzuhören, als es um Soziobiologie ging. (https://che2001.blogger.de/stories/2613057/#2613874) Wie bereits angedeutet, alles Probleme, die mich eher befremden (PAL).

Deine Position ist mir schon durchaus bekannt. Erfolderliche "Faktenhuberrei" steht nicht im Widerspruch, etwa Foucauldt zurate zu ziehen ...

Und ich muss mich dann wohl korrigieren: Um Unterstellungen sollte es sich keineswegs handeln; ich meinte eher etwas wie "Feld-Wald-und-Wiesen"-"Soziologie".

Und es ist doch eigentlich erstaunlich gewesen, dass wir in Sachen frühes Mittelalter/Aufklärung - in Teilen - zu fast denselben Ergebnissen gekommen sind. Du, als Historiker, durchaus mit professionellem Anspruch, ich, solipsistisch, Nachmittage wegträumend bei der Beschäftigung mit Theorien der Intentionalität des Mittelalters oder bei Recherchen zu Edith Steins Studien zu Husserl und Aquin (mit Einfluss auf z.B. Karol Wojtyła), der sich dann mit dieser Liebhaberei in einem FAZ-Artikel bestätigt sah. Niemand kennt deren Auseinandersetzung mit Heidegger. Eine (katholische) Linie, von Husserl ausgehend, die in Auschwitz endet.

Mit "ihr" meinte ich netibitch, weil ihr ähnlich auf mich reagiertet.

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Mensch Ziggev, bist du jetzt unter die Koranversteher gegangen?!

"Mit der Scharia kenne ich mich nicht so gut aus. Ich weiß nur so viel: Wenn ein Idiot heute weder von Religion noch von Politik und auch sonst gar keine Ahnung hat – von der „Scharia“ quasselt er immer. Wenn es um den Islam geht, ist jeder Dorftrottel plötzlich Spezialist für Glaubensfragen, Orientalistik und Islamwissenschaft, ja sogar für Arabisch. In jedem Diskussionsforum im Internet gibt es faschistische Hetzer, die Koransuren angeblich aus dem Original zitieren, um zu beweisen, wie schrecklich und gefährlich der Islam sei. Diese Akribie erinnert an Eichmanns Judenreferat im Reichssicherheitshauptamt der SS, wo mit der Zeit die umfassendste Sammlung von Judaika zusammengetragen wurde und die Beflissensten unter den Mördern sogar Hebräisch gelernt hatten. Die kannten den Talmud besser als jeder Jude. Und so ist das heute auch. Die Moslemfresser können Koransuren zitieren, die einem Moslem mit Sicherheit unbekannt sind." Wolfgang Pohrt

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lacommune, wo lebst Du denn?

Der ganze Koran ist voller Gotteslästerungen!

Mulla Nasrudin was going on a sight-seeing tour of Detroit. Going up Jefferson Avenue, the driver of the bus called out all the places of interest.
"On the right," he announced, "we see the Dodge House."
"John Dodge?" the Mulla asked.
"No, sir, Horace Dodge." Continuing on further, he called out, "On the far left corner we have the Ford House."
"Henry?" the Mulla suggested.
"No sir, Edsel." Still further out on Jefferson: "On the near left crossing you will see Christ's Church."
"Jesus? or am I wrong again?" Mulla Nasrudin asked sheepishly.

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Es ist immer gut, direkten Draht zum Moslemreferat zu haben:

sure 26459 !!!

It happened: Mulla Nasrudin was getting ready to apply to a local department store for a job. A friend told him that it was the policy of the store to hire nobody but Catholic Christians, and that if he wanted a job there he would have to lie about being a Catholic Christian.
Nasrudin applied for the job, and the personnel man asked him the usual questions. Then he said to the Mulla, "To what church do you belong?"
"I am a Catholic," said Nasrudin, "and all my family are Catholics. In fact, my father is a priest and my mother is a nun, sir."

ich hoffe, Du verstehst langsam den Ernst der Lage.

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Der weise Mullah Nasrudin ist eine populäre Witzfigur in der islamischen Welt - ursprünglich im Iran - und bei amerikanischen Diskordiern, aber nichts aus dem Koran. Übrigens - Überraschung! - gibt es auch kein biblisches Book of Brian, wohl aber nicht gezeigte apokryphe Szenen dieses Films.

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wie mir schon mehrfach untergekommen ist (wiki-bestätigt), wird Mullah Nasrudin dem Sufismus zugerechnet. Osho zufolge (in dessen Œuvre der Name 1452 mal auftaucht) beanspruchen mehrere Länder ihn, oder dass sich sein Grab im Lande befindet, für sich. Z.B. in Indien.

Ich vermute, Osho, der keine Gelegenheit auslässt, sein Publikum mit Nasrudin-Geschichten zum Lachen zubringen, ist mit die ergiebigste Quelle für Nasrudin-Anekdoten, unter gewissen Voraussetzungen jedenfalls leicht zugänglich.

Soviel zur Rolle Mullah Narudins in der Pop-Kultur. Es sei vielleicht noch vermerkt, dass Bhagwan offenbar nichts zu schade gewesen ist, um westlich-zivilisatorische Standards zu unterlaufen. Nicht genug, dass er den Derwischtanz zu Zwecken der Katharsis (und Erforschung des Unterbewusstseins) anempfahl, er adaptierte auch noch Pak Subuhs sprirituelle Praktik (Pak Subuh war ein indonesischer Moslem), "Latihan", fügte ihr eigene Suggestionen hinzu (bzw. interpretierte die "Technik" in seinem Sinne) - und empfahl, anschließend ein "Gebet", das, von außen betrachtet, ziemlich wie ein muslimisches Gebet aussieht (also knieend die Hände zum Himmel gerichtet und 7 x runterbeugen).

Den letzten Part praktiziere ich selber manchmal (eignet sich sehr gut zum Stressabbau).

Aber etwas ernster (und ohne Bezug zu o.g. Komikern): Ich würde nie angeblich authentisch so-und-so lautende Suren zitieren, auch noch laienhaft irgendwelche "Schlussfolgerungen" ziehen - und damit, krasser ginge es wirklich nicht mehr, meine Halb- bzw. mir völlig abgehende -Bildung unter Beweis stellen.

Meine Quelle ist eine dieser Arte-Dokumentationen, wo, in diesem Fall, lauter Professoren für Islamistik vor schwarzem Hintergrund über "Jesus und der Islam" Auskunft geben.

http://programm.ard.de/?sendung=2872416198152817

Daran denkend, dass die, wie ich finde, zuzugestehnderweise ziemlich schwerverständliche und Missverständnisse geradezu provozierende Trinitätslehre ein Dauerbrenner für innerchristliche Auseinandersetzungen ist und Ketzer wegen "falscher" Interpretationen der Trinität verbrannt worden sind, fand ich die "Lösung", die sich (siehe Link oben) offenbar im Koran findet, einfach elegant, weil "entlastend". Die Kreuzigung des "Sohnes Gottes" hat schlicht und einfach nicht stattgefunden! Beim zentralen Gegenstand der Lehre von der Trinität, die Kreuzigung, handelt es sich einfach um eine Täuschung! Der erste Teil der Doku widmet sich den beiden Versen "in der Koransure 4, denen zufolge es allen Zeugen der Kreuzigung nur so schien, als sei Jesus gekreuzigt worden".

Die Trinitätslehre scheint mir eine nicht geringe Bürde zu sein, die auf der Christenheit lastet. Sie ist einfach sehr schwer zu verstehen, nachzuvollziehen, geschweige denn glaubhaft. Sodass nur nur ein Dogma Abhilfe zu schaffen versprach.

Ich möchte niemandes religiösen Gefühle verletzen, aber ein "postmodernes" Gelächter sei mir bitte gestattet. Die Juden zur Zeit Jesu Kreuzigung unterlagen einfach einer Massenhysterie (weil sie sich schuldig fühlten, was aber, da sind sich alle Professoren f. Islamistik in der Sendung einig, jeder Grundlage entbehrte, denn dass sie sich schuldig an Jesu Tod gemacht hätten, sei historisch einfach falsch).

Eine Idee, die von Osho stammen könnte - oder eben von Monty Python ...

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@ziggev: "Die Trinitätslehre scheint mir eine nicht geringe Bürde zu sein, die auf der Christenheit lastet." Inwiefern heute noch?

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nunja, das ist möglicherweise eher Ansichtssache.
Denke nur an die sog. Kreuzestheologie.

https://de.wikipedia.org/wiki/Theologia_crucis
https://en.wikipedia.org/wiki/Theology_of_the_Cross

wiki (engl.) "is a term coined by the theologian Martin Luther[1] to refer to theology that posits the cross as the only source of knowledge concerning who God is and how God saves. It is contrasted with the Theology of Glory[1] (theologia gloriae),[1] which places greater emphasis on human abilities and human reason." (Hervorh. zigg)

wiki (de): An der „Theologie der Herrlichkeit“ (theologia gloriae) "wird bemängelt, dass sie lebensfern über Gottes Sein spekuliere und der Kirche einen sakramentalen Heilsbesitz zuerkenne, während die Theologia crucis auf dem Weg der Sündenerkenntnis zur Annahme der Erlösungsgnade Christi anleite (Rechtfertigungslehre) und die Kirche lediglich als Geschöpf und Werkzeug der Botschaft vom Kreuz verstehe." (Hervorh. zigg)

Luther wollte also die Theologie mit der Lebenswirklichkeit verbinden. Das Stichwort Erlösungsgnade führt uns jedoch ohne große Umschweife zu Webers berühmtem Werk "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus". Es wird alles statt einfacher nur noch umso komplizierter. Oder denke auch an Freikirchliche. Erlebte ich selbst, wie unterschiedliche Gruppen einander streitig machten, ob nun der Heilige Geist mehr in der einen oder anderen Gruppe anwesend sei. Wir sprechen ja auch von den "Pfingstlern" (Pfingsten=Ausschüttung des Hl Geistes.)

Wir hätten, jedenfalls auf den ersten Blick, als Nichttheologen, es mit mindestens zwei "Personen" (hier setzt der hl. Thomas an) zu tun.

Ich denke aber auch an Jesu letzte Worte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?"

Der Eindruck jedenfalls, den ich von der sog. "Kreuzestheologie" gewann, ist der, dass es sich um eine höchst vertrackte Angelegenheit handelt. Hör Dir, wenn es zuzumuten ist, spaßeshalber einmal ein paar Predigten zum Karfreitag an. Zwei Prediger, drei Interpretationen. Und ich gewann den Eindruck, dass kaum je einer "ans Eingemachte" geht (Jesu Letzte Worte bzw. die sich aus ihnen ergebenden Fragen nach der Trinität). Ist den meisten Pastoren zu heikel; Motto: bloß nicht die Schäfchen überfordern!

Wie ich bei Wiki lese, treffen sich nun die verschieden chr. Kirchen (z.T.) ausgerechnet in Aspekten der Kreuzestheologie. (Ironischerweise, denn ich glaube mich zu erinnern, dass auch Theologen die Kreuzestheologie als äußerst vertrackt ansehen.)

Oder die Liste der "pertinent theological theses of the debate" in der engl. Wiki. Hab ich jetzt selber nicht durchgearbeitet, es sind aber immerhin deren 28 an der Zahl!

Unter diesem Aspekt könnte man (möglw. laienhaft) also zu dem Schluss kommen, dass auch im Zusammenhang mit der Trinitätslehre die Reformation eher weniger die Situation verbessert hat. Weniger an Theologie Interessierte denken mölw. an Weber.

Auch wurde mir aus Familienkreisen (im Gegensatz zu meiner atheistischen Erziehung viele Pastoren, in der Diakonie Tätige usw.) davon berichtet, dass es beim Stichwort Rechtfertigungslehre (Zwei-Reiche-Lehre) es ziemlich "verbittert hoch her ging".

Wie gesagt, ist womöglich Ansichtssache. An einer Stelle, an der es ja noch gar nicht gesagt ist, ob eins hier tatsächlich "Stellung beziehen" sollte.

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Das ist wie mit dem Doppelcharakters des Bosons als Welle und Teilchen, den ich allerdings für wesentlich relevanter halte;-)

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Gegenüber Webers Werk habe ich eine Abneigung entwickelt, seit dem ich Personen kennengelernt habe, die Weber geschult sind oder vermeintlich geschult und dazu übergegangen den Katholizismus unkritisch zu sehen oder gar ihm anzuhängen.

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jetzt sag aber nicht, dass das ne Szene-Mode gewesen ist ...! (Wie in Oxford i.d. 30ern)

ich persönlich glaube, dass zu konvertieren ein schlechtes Karma macht. für die nächste Wiedergeburt wird man dann bestimmt mindestens eine Stufe herabgesetzt. ich habe ja auch keinen Sannyas-(Osho)-Namen. eine Religion pro Leben muss einfach ausreichen (getauft, ob gläubig oder nicht).

im Gegenteil glaube ich, dass es für ein erfülltes Leben mindestens ein völlig zweckfreies Hobby oder Steckenpferd braucht, z.B. die Beschäftigung mit neu-scholastischer Heidegger-Kritik aus den 20ern... ;-)

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Na ja, meine eigene Denkschule, die Alltagsgeschichte, ist ohne Weber gar nicht denkbar, allerdings ist das Weber meets Marx/Engels und schlußendlich auch Foucault.

Ich glaube nicht an Religion, trotz gewisser Sympathien für Buddhismus und Gnosis. Wenn es um tiefe Welterklärung geht halte ich mich an die theoretische Physik und lese gerade "Jenseits von Einsteins Universum. Von der Relativitätstheorie zur Quantengravitation."

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Ja Szene-Mode kann man das nennen. Vielleicht hat es mehr mit einer generellen Adenauerisierung zu tun. Vielleicht spielt auch das rein, was der Blogger Rhizom ähnlich schrieb, das beliebige Retten und Verdammen von Adorno, mit der dialektischen Methode, was nachgemacht wird, postfaktisch, desinteressiert an der Wirklichkeit. Kenne diese "linke" Fixierung auf den Protestantismus und Idealisierung des Katholizismus von verschiedenen Leuten, aber es eint, dass man sich auf eine materialistische Position halluziniert, gegen "Post...". Mir fällt da viel ein, aber wenn man zu sehr versucht, den deutschen Irrsinn zu verstehen, läuft man Gefahr bei einer fühligen Deutschtümelei zu landen.

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Häh????
Komplettes Unverständnis, ich weiß beim besten Willen nicht, wovon hier die Rede ist.

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Es ist ja auch keine Erwiderung auf dich. Du vertrittst schon eher andere Positionen.

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Schon klar, ich weiß jedoch nicht, worauf sich das bezieht.

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Auf Tendenzen innerhalb eines akademischen Milieus der "Linken" (mir egal, wie da die Selbstwahrnehmung ist).

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es ging ja um lacommunes Kommentar, dass er eine Abneigung gegen Weber entwickelt habe, seit er Personen kennengelernt hätte, die, Weber geschult oder vermeintlich geschult, dazu übergegangen seinen, den Katholizismus unkritisch zu sehen oder gar ihm anzuhängen ...

ich darauf: ob das ein Szene-(modisches)-Phänomen gewesen sei?

wobei ich lacommunes Verweise auf Rhizom oder Adenauer auch nicht recht verstehe, was jedoch, da ohnehin nicht mein field of intrest, an unzureichendem Einblick in gewisse Diskussionen liegen kann.

dass aber von Weber her eine gewisse Tendenz zu einer Art "Katholophilie" sich in bestimmten Kreisen entwickelte, entbehrt für mich nicht einer gewissen Ironie. -- Denn schließlich habe ich mich bereits das eine oder andere Mal über die herabsetzende Intention des Gebrauchs von "pietistsch" in "liks-pietistisch" o.Ä. geärgert.

als ob Webers berühmter Aufsatz, oder auch nur die oberflächliche Kenntnis desselben, dazu befugt, ein Urteil über eine Bewegung im Ganzen zu fällen (...) Ein anderes Thema.

ich selber tendierte ja eine zeitlang zu einem gewissen "Katholizismus" aus ganz anderen Gründen. auch, weil ich die intellektuelle Leistung so bewunderte, für die die oft gescholtene Scholastik steht. Also der aquinatische Versuch, die katholische Dogmatik rational (aristotelisch) durchzuführen. Die hieraus mündende Scholastik, wenn man das so sagen kann, ermöglichte immerhin mittelalterliche Nerd-Diskussionen, ob Gott (die Identität von Potentialität und Aktualität) einen Stein schaffen könne, den er selber nicht hochheben könne. Penny, Amy und Bernadette* diskutieren analog über Thors Hammer, den nur Thor heben könne: Letztere argumentiert, dass, wenn Thor den Hammer hochhebt und Der Hulk den germanischen Gott Thor, dem "Transitivitäts-Prinzips des Hochhebens" zufolge Hulk den Hammer hochhebt.

PS: * in The big Bang Theory, Staffel 6, Folge 13, Man lernt nie aus.

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Ich kenne Max Weber ja hauptsächlich über seine Rezeption in der Geschichtswissenschaft, die durch ihn wesentlich geprägt wurde, und da ist das Thema protestantische Arbeitsethik nur ein kleiner Ausschnitt. Wesentlich an Weber ist sein Geschichtsbild, das historische Prozesse als Ergebnisse technologischer und organisatorischer Umwälzungen begreift - die verschiedenen industriellen Revolutionen produzieren jeweils verschiedene kollektive Mentalitäten, die Institutionenlehre und - Kritik, seine Kritik an der zunehmenden bürokratischen Erstarrung kapitalistischer Gesellschaften und die von ihm begründete Entwicklungssoziologie und die daraus abgeleitete Modernisierungstheorie. Winkler, Wehler, Mommsen, Abelshauser, die wären alle ohne Wehler gar nicht denkbar.

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...
... weber ...

habe ich natürlich nie aus professioneller Erfordernis lesen müssen. aber gerade desh. hatte ich
ihn mir irgendwann mal vorgenommen - (man beachte bitte dabei meinen Snobismus, ohne den ich, Jahrzehnte lang unter dem offiziell anerkannten Existenzminimum vor mich hin-existieren, nie über lebt hätte). (...)

aber, halt, - Schritt zurück: Zuerst las ich "Robinson Crusoe". Jetzt nun aber stellte sich heraus: dass sich in Webers Darstellung der ostasiatischen Wirtschaftsweise perfekt die Sicht der "protestantischen Ethik" spiegelt. Das war doch fatal!

Erst analysiert er brillant die Moral der protestantischen Arbeitsethik, -- nur um dann im genauselben Modus und auf erschreckende Weise vorurteilsbeladen sich selbst als Inhaber derselben Moral zu instantiieren! Um die "protestantische Arbeitsehtik" zu studieren, reicht es aus, Werber selbst zu lesen !!

sorry, das Geld war knapp, und ich zu snobistisch. Weber hatte - diesmal - verloren.

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