Dienstag, 14. Februar 2017
Putziges nebenan
Das hier hat es in sich, und ist mal wieder hinreißend absurd.


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Mir ist ein Rätsel, wie es sein kann, dass eine immer homophober werdende „Linke“ bis hin zur hochverdienten Nancy Fraser (den Text habe ich im St. Pauli-Forum gefunden, danke an Astranaut) nun plötzlich die Menschen im „Rust Belt“ wieder entdeckt, ohne Fragen des Wandels der Realwirtschaft in ehemaligen Industrienationen mitzudiskutieren.



Knackpunkt ist doch die Deindustrialisierung , auf Europa bezogen die Verlagerung der Produktion zunächst in ehemals real-sozialistische Staaten weiter östlich, dann gen Asien. Was in China zum Boom führte.



Deshalb können die ganzen klasssischen, linken „Arbeiterbewegungsfragen“ auch gar nicht so diskutiert, als müsse man nur wieder wie die 68er in die Fabriken gehen, um dort zu agitieren. Und die politisch Aktiven wollte da schon damals keiner haben.



Es gibt dazu weit und breit keine mir bekannte, linke Antwort. Die versucht Trump nun aber tatsächlich gerade zu geben durch die Renationalisierung der industriellen Produktion, und exakt da dockt nun, Profit riechend, Kevin Plank an. Das ist auch wirklich die große Gefahr dieser Bewegung, nicht zufällig zieht Oscar Lafontaine ja schon nach.



Ein weiterer, damit korrespondierender Mythos: „Individualisierung“ sei als zentrales Motiv „des Neoliberalismus“ gewesen. Sehr wohl liegt dessen Stärke und Erfolg in der Vereinzelung und Entsolidarisierung – diese freilich hatte er nie exklusiv für sich allein reklamieren können.



Das haben die Kumpels beim Streik bei Ford in Köln 1973 den so genannten „Gastarbeitern“ schon sehr und nachhaltig deutlich gemacht, dass diese keine Solidarität zu erwarten haben.


------- Die Linke ist nicht homophob, seit 30 Jahren schließen links und homophob einander aus. Also gibt es auch keine immer homophober werdende Linke. Zu konstatieren, dass die neuen sozialen Bewegungen in den USA im Bündnis mit den Demokraten sind die sich wiederum von der sozialen Frage verabschiedet haben - diese These vertreten u.a. Fraser und Zizek - hat nichts mit Homophobie zu tun. Der Ford-Streik 1973 in Köln und die Alleingelassenheit der türkischen und sizilianischen Migrationsarbeiter dort war die Geburtsstunde der operaistischen Linken in Deutschland, der Autonomen. Leute wie Karl Heinz Roth und Detlef Hartmann kommen aus dieser Ecke. Ach ja, Hartmann: Der gute Momo hätte 2008 genug Gelegenheit gehabt, ausgiebig zu dem Thema "wie organisiert sich antikapitalistischer Widerstand heute" zu diskutieren, da wurde hier und auf Shifting Reality nämlich ein Buch rezensiert, das sich mit genau dieser Thematik beschäftigte. Da hatte er allerdings nichts Anderes zu tun, als sich an einer Formulierung ("sich selbst neu erfinden") aufzuhängen, in diese Bedeutungen hineinzuprojizieren die mit dem Kontext nicht das Mindeste zu tun hatten und Shifting Reality zu verlassen. Putziges Verhalten, echt.

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Ah, das nagt also immer noch. Was ich unter uns gesagt auch ein wenig putzig finde...

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Das nagt nicht, ich bin immer nur basserstaunt, wie völlig verzerrt jemand die Realität wahrnehmen kann und dazu noch absolut unbeirrbar. Gleichzeitig hat das auch noch hohen Unterhaltungswert im Sinne von "ich lach mich weg."

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Der Neokonservatismus ist nicht homophob, zumindest verglichen mit dem alten Konservatismus. Der Neokonservatismus rassifiziert aber den Homosexuellen, ist also doch homophob. Die Linke in Deutschland ist nicht homophob, zumindest verglichen mit dem Rest. Die Linke in Deutschland rassifiziert aber den Homosexuellen, ist also doch homophob.

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Zwar bezog sich das Zitat wohl primär auf US-Linke und nicht auf Linke in Deutschland, doch wüsste ich gerne, inwieweit sich so en géneral überhaupt sagen lässt, dass die Linke Homosexuelle rassifiziere.

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Würde mich auch interesieren, was ich mir darunter vorzustellen habe.

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Klar verallgemeinere ich. Aber das tut man ja auch, wenn man sagt: "Die Linke ist nicht homophob!" Und die Rassifizierung mag sich mit der Queer-Mode reduzieren und es mag bei "Lesben" und "Transgendern" anders verlaufen. Trotzdem ist es mein Eindruck, dass es eine relativ breite Basis gibt, für die man homosexuell geboren ist und die These von der Zwangshomosexualität ist ebenso nicht vollkommen Weg vom Fenster. Gleichgeschlechtlich Begehrende wurden in den letzten Jahrzehnten als gleichwertige Bürger anerkannt und inkludiert (vorangetrieben eher von linken Kräften), aber zu dem Preis einer homosexuelle Identität. Die hat man anzunehmen und Vollzeit zu leben. Mit Foucault oder Althusser die Anrufung des Individuums durch die Macht, die die Identität und den sozialen Ort bestimmt.

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OK, das ist sehr plausibel und deckt sich mit meinem eigenen Wissensstand. Da muss ich zur Ehrenrettung des oben Genannten auch sagen dass er mir seinerzeit in dieser Hinsicht wertvolle Kenntnisse vermittelte. Dass die Linke insgesamt sich in eine immer homophobere Richtung entwickle halte ich dennoch für eine unzutreffende Aussage.

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Die Klage über schwule Identität als ein beengendes Korsett ist auch mir schon zu Ohren gekommen, andeutungsweise findet sich da schon einiges in alten Max-Goldt-Kolumnen.

Aber eigentlich habe ich Moment eher den Eindruck, als würde da manches aufbrechen, zumindest in Amiland. Da erodiert zusehends die Zwangskopplung von Homosexualität mit linksliberaler Einstellung, wie man an Gestalten wie diesem Milo schön studieren kann. Ich find den Link grad auf die Schnelle nicht wieder, aber da gab es vor paar Monaten einen interessanten Beitrag von einem US-Schwulen, der darlegte, warum er sich nicht mehr im progressiven Lager sieht.

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Milo Milo Yiannopoulos ist ein britisch-stämmiger Breitbart Provokateur, der sich gleichzeitig zu Trump bekennt und gemäß endlos wiederholter Selbstaussage seine Sexualität ausschließlich mit farbigen Männern auslebt. Auf seinem youtube Kanal hat er ganz oben eine Art homosexuell erotisches Video, das Stimmung für die Mauer gegen Mexiko macht. Diese neue Rechte ist schon irgendwie auch ziemlich bunt. Und ich denke, das gilt auch für Le Pen und Wilders, wobei ich mich da mangels Sprachkenntnissen leider nicht so auskenne.

Anderes Thema, aber mit Bezug auf Ches Ausgangsbeitrag in dem Zusammenhang von Positionen zu "Renationalisierung der Produktion" der Econ-Talk mit George Borjas -> http://www.econtalk.org/archives/2017/01/george_borjas_o.html
Renationalisierung fokussiert ja bei den Positionen Trumps, Le Pens und Wilders stärker noch auf die Beschränkung von Migration als auf Beschränkungen von Handel. Letzteres insbesondere bei Trump und vermutlich Le Pen auch, aber ersteres wohl stärker.

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Britischstämmig? Der klingt so britisch wie Tom O-Laery griechisch;-)

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Ich sag ja 'bunt', wobei ich den zwar unterhaltsam finde, aber grundsätzlich andere Meinungen habe.
Der tritt in den USA sehr englisch "posh" auf, trotz des Namens. Muss man sich anschauen.

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Muss man sich anschauen.

Wer Schneeflöckchen leiden sehen will, ist da gut bedient. Habe dieser Tage einen Ausschnitt gesehen, wo er einen asiatisch gelesenen Studi, der ihn als "white suprematist" bezeichnet hatte, coram publico demontiert hat, das war leider ziemlich lustig. Nach dem Motto: Er lutsche Unmengen von ausschließlich schwarzen Schwänzen, wie könne er da ein white suprematist sein?

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Bitte mehr Faschismus als linksliberale Einstellungen.

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@mark793: Na die Pointe ist, dass die homosexuelle Identität (in ihrer heutigen Qualität, nicht nur als Fetisch, sondern als "Rasse") sich gegen das gleichgeschlechtliche Begehren richtet, da gleichgeschlechtliches Begehren mit dieser Identität zusammenfällt und so sichergestellt ist, dass nur wenige den Schritt gehen und Beziehungen dieser Art mit dem gleichen Geschlecht eingehen, "man ist Homosexueller" mit all den Implikationen, nicht Anton. Dagegen steht im allgemeinen hiesigen Bewusstsein eine Geschichte der Liberalisierung, des Fortschritts, "heute kann man doch alles sein" .. Gar nicht wahrgenommen wird das, was ich mit Rassifizierung beschrieben habe und keine Antwort gegen die nicht wirklich weniger werdende Homophobie ist, sondern Erschaffung und Normalisierung einer Minderheit hinter den Rücken der Individuen.


Und zum "sich neu erfinden", es gibt schon diesen Strang der Homophobie, der die Homosexualität wage mit dem Westen, dem Kapitalismus, Globalisierung verbindet, Homosexuelle sind wohlhabend, wurzellos, dekadent. Das hat starke Parallelen zum Antisemitismus. Ich schätze dass momorulez nur den Fehler macht und das vorschnell in einem Links = Rechts-Schema abhandelt.

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Angenommen, diese Tendenz zur Rassifizierung gibt es tatsächlich, dann wäre zu fragen, inwieweit das ein von außen forcierter Prozess ist - oder ob sich das im Zuge der schwulen Selbstfindung der letzten Jahrzehnte auch mit aktivem Zutun der Betroffenen so verfestigt hat.

Gut, ich bin nicht wirklich drin im Thema, aber ich hätte gedacht, im Zuge des Salonfähigwerdens von eher genderdiffusem Sein und Begehren, von pan- und asexuellen Varianten wären die klassische Homo- oder Heterokiste nur eine kleine Auswahl unter vielen Möglichkeiten (und damit weniger zwingend denn je). Ich las vor paar Jahren ein Interview mit einem schwulen Sexualforscher, der die These aufstellte, die starre Einteilung in homo und hetero würde sich in naher Zukunft überleben, schon heute wäre es z.B. im Zuge von Dreiern kein Unding mehr, dass sich Männer gegenseitig an die naughty bits gingen. Ich unterstellte beim Lesen zwar auch ein gewisses Maß an Wunschdenken hinter diesen Thesen, aber völlig unplausibel erschien mir das nicht.

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Der Witz bei der alten Debatte war ja der, dass das "sich selbst neu erfinden" im damaligen Kontext, also bei Hartmann, gar nicht auf sexuelle Präferenzen oder Identitäten bezogen war, sondern meinte, dass heutzutage nicht mehr straight konservative Managertypen vom Schlage eines Schleyer, von Brauchitsch oder Iaccoca gefragt sind, sondern trendigere Typen wie Zuckerberg und auf einigen Ebenen darunter nicht mehr Maßanzugträger, sondern auch mal freakig auftretende Entwickler und dass das Sich-Anpassen an neue, durchaus auch aus der Alternativszene kommende Modetrends als Auffrischung der Zusammensetzung von Eliten begriffen wird. Ohne dass sich dadurch etwa an der kapitalistischen Hierarchiestruktur irgendetwas ändert.


@"Und zum "sich neu erfinden", es gibt schon diesen Strang der Homophobie, der die Homosexualität wage mit dem Westen, dem Kapitalismus, Globalisierung verbindet, Homosexuelle sind wohlhabend, wurzellos, dekadent. Das hat starke Parallelen zum Antisemitismus." ---- Hat es ohne jede Frage. Nur hatte es mit dem damaligen Kontext überhaupt nichts zu tun. Da ist ein absolut anderes Thema (Monty Python: Now to something total different) in diese Diskussion hereingebracht worden, und damit konnte ich nicht umgehen. Mein Fehler. Aber auch Momos Fehler, dass er den Ursprungszusammenhang nicht sah. Da wurde ein Thema der Industriesoziologie auf einer assoziativen Ebene auf eine Heterosexismusdebatte umgebogen, in der die gesamte Thematik nicht zuhause war.

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@mark793: Du kannst dich als bisexuell verstehen oder als heterosexuell und trotzdem wirst du mit dem gesellschaftlichen Bild der Homosexualität konfrontiert werden. Da kommst du gar nicht drum herum. Denk auch mal an Kinder und Jugendliche, die sind in der Regel nicht homophob (sogar ziemlich offen für gleichgeschlechtliche Nähe), aber als "anders" wollen sie ganz sicher nicht wahrgenommen werden.

Der Homosexuelle als anders fühlende Minderheit ist eine Idee der Aufklärung, aber ja die Schwulenbewegung trifft eine Mitschuld mit ihrer Identitätshuberei bei gleichzeitiger Anpassung an die Massenkultur und gab es da so etwas wie Interesse an dem Feminismus oder Post-Strukturalismus? Wohl eher nicht. Dabei wird Homosexualität als weiblich kodiert.

Die Einordnung als "queer" scheint die Geschlechterfrage immerhin zu berühren, aber ich kenne mich da nicht aus und wie viele derer, die mit dem Begriff Bisexualität für sich was anfangen können auch gleichgeschlechtliche Erfahrungen haben .. Du gibst die Antwort mit "Wunschdenken" selber.

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