Freitag, 21. April 2017
FIM's Scheitern - von der unerhörten Verweigerung arbeitsmarktpolitischer Logik
Nun ist es amtlich: Das vermeintliche Arbeitsmarktprogramm "Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen", abgekürzt FIM – ist faktisch gescheitert. Auf die Unsinnigkeit dieses Programms wurde von vielen Seiten bereits frühzeitig hingewiesen, siehe z.B.:

https://www.nds-fluerat.org/19496/aktuelles/die-wundersame-metamorphose-des-asylblg/

Standen ursprünglich für das Jahr 2016 75 Mio. € und die Jahre 2017 – 2019 jeweils 300 Mio. € zur Verfügung, so wurde bereits zur Jahreswende das Budget für 2017 bis 2019 auf 200 Mio. € gedeckelt. Aber selbst unter diesen Voraussetzungen ist die Ergebnislage desaströs:

Umgerechnet auf den Zeitraum 08/2016 bis 03/2017 (8 Monate) hätten mit einem auf diesen Zeitraum berechneten und bereits angepassten Budget von 125 Mio. € etwa 75.000 Asylsuchende in Maßnahmen sein sollen. Mit Sachstand 27.03.2017 waren es etwas mehr als 20.000 aktivierte Plätze (davon 5.877 als staatliche/kommunale Plätze und 14.279 externe – also z.B. bei NGO angedockte - Plätze). Ob diese für ein Jahr bewilligten Maßnahmen dann auch tatsächlich im Gesamtzeitraum mit Asylsuchenden besetzt sein werden, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Fest steht aber, dass trotz gedeckeltem Budgetansatz und bei Annahme, dass die aktivierten Plätze auch tatsächlich belegt sind, die Zielerreichung nur bei etwa 25% liegt, eine Einsparung aus diesem Zeitraum also von mehr als 90 Mio. €.

Die Erkenntnis, dass das nicht funktionieren kann, kam dann auch recht schnell. Die Bundesregierung zog Ende März 2017 die Reißleine und kürzte den Haushaltsansatz ab 2018 von 200 Mio. € auf 60 Mio. € pro Jahr. Die eingesparten Mittel werden ab 2018 (ca. 240 Mio. €/Jahr) nunmehr den Jobcentern für ihren Verwaltungshaushalt zur Verfügung gestellt.

siehe z.B.: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/integration-ein-euro-job-flop-1.3469454

Ob das ein Taschenspielertrick zum Stopfen von notorisch klammen Haushaltsmitteln der JC ist oder ob diese Mittel am Ende dann doch zu mehr Effektivität bei der Arbeitsmarktintegration (aller Menschen ohne Arbeit) beitragen werden, sei einmal dahingestellt und wird uns ggf. im kommenden Jahr beschäftigen. Erwähnenswert ist vielmehr die Begründung des BMAS. Mit Schreiben vom 30.03.2017 erklärt das BMAS den entsprechenden Länderministerien:

„... gerade Flüchtlinge mit einer guten Bleibeperspektive, die die Hauptzielgruppe der Flüchtlings-integrationsmaßnahmen darstellen, wechseln durch zügigere Asylverfahren schneller in die Grundsicherung für Arbeitsuchende………..“

Verwunderung löst zunächst einmal die Zielgruppenverengung aus. Von einer Bleibeperspektive liest sich weder im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) noch im Sozialgesetzbuch III (SGB III) etwas. Darüber hinaus stellt sich die Frage, was die Bundesregierung denn eigentlich mit dieser Bleibeperspektive meint. Immerhin wurde ja auch eine Bleiberechtsregelung für abgelehnte Asylsuchende geschaffen, die in der Ausbildung sind.

Unterstellen wir aber, dass diese Vorgabe tatsächlich Intention der Bundesregierung war, dann stellt sich natürlich die Frage, warum die Bundesregierung nicht bereits im Vorfeld ihrer Planungen davon hätte ausgehen müssen, dass angesichts der immerhin 320.000 Menschen, denen im Zeitraum von 01/2015 bis 06/2016 durch ihre anerkannten Schutzbedarfe eine Bleibeperspektive eröffnet wurde, ein Rechtskreiswechsel vom AsylbLG in das SGB II die Regel und nicht die unerwartete Ausnahme sein würde.

Ein solch gerüttelt Maß an Unwissenheit und Unfähigkeit sollte der Bundesregierung hingegen nicht unterstellt werden. Der – vielleicht etwas hilflose – Versuch, das Scheitern des Programms in gewisser Hinsicht „übernatürlichen Kräften“ zuzuschieben, mag zum menschlichen Reflex gehören, Fehler nicht allzu gern bereitwillig zugeben zu wollen, die eigentliche Ursache des Scheitern liegt indes woanders.

Es macht Sinn, an dieser Stelle auf das drohende Scheitern eines weiteren Programms (KompAS - Kompetenzfeststellung, frühzeitige Aktivierung und Spracherwerb) hinzuweisen. Dieses Programm sollte schutzberechtigte Menschen und denen, die es nach Prognose des Bundesinnenministeriums bald sein werden, schneller in eine Ausbildung oder eine Arbeit bringen. Bis Ende 2016 sollten hier 40.000 Plätze besetzt sein, tatsächlich waren es jedoch nur 9.833 Menschen, die von dieser Turbo-Integration in den Arbeitsmarkt profitiert haben, auch hier also eine Zielerreichung von etwa 25%.

siehe dazu: www.sueddeutsche.de/politik/integration-buerokratisches-gewirr-1.3464439

Anders als FIM war KompAS tatsächlich nur bestimmten Flüchtlingen zugänglich. Das ist angesichts des frühzeitigen Arbeitsmarktzugangs nahezu aller Flüchtlinge aus arbeitsmarktpolitischer Sicht bereits unsinnig. Was aber angeblich wegen dem Rechtskreiswechsel bei FIM nicht geklappt hat, klappt offenbar auch nach dem Rechtskreiswechsel (vom AsylbLG in das SGB II ) offenbar nicht.

Es muss also einen anderen Grund haben, warum das alles nicht funktioniert, – und der liegt auf der Hand: Mehrfachzuständigkeiten innerhalb gemeinsamer Programmansätze, Maximierung von Rechtskreisschnittstellen und von Abstimmungszwängen, völlig unzureichende bis fehlende Überleitungsszenarien, unterschiedlichste Handhabung aufgrund unterschiedlichster Strategieansätze und regionaler Sachverhalte vor Ort, u.v.m., - kurzum: hausgemachte Probleme, die letztlich entstanden sind und bestehen werden, wenn die Regeln der arbeitsmarktpolitischen Kunst zugunsten einer ordnungspolitischen Dominanz (Bleibeperspektive) geopfert werden. Das ist nicht nur teuer, sondern vor allem menschenunwürdige Politik!

Wie lässt sich das auflösen? Die Antwort ist simpel: durch die Auflösung des Rechtskreischaos. Und da muss nicht jeder Knoten im Wirrwarr gelöst werden, sondern nur der Hauptfaden anders gelegt werden: mit der Abschaffung des AsylbLG und damit folgerichtig einem ALG II – Bezug für alle schutzsuchenden Flüchtlinge oder geduldeten Ausländer/innen.

Nicht, dass sich das SGB II in einem kritikfreien Raum befände, wohl im Gegenteil, aber mit einem Festhalten an einem ordnungspolitischen Leistungsgesetz – das AsylbLG ist NICHT Bestandteil der Sozialgesetzgebung – wird nicht nur mehr soziale Gerechtigkeit verhindert, sondern werden auch weiterhin arbeitsmarktpolitische Ansätze für Flüchtlinge ins Leere laufen, zumindest aber nicht optimal umgesetzt werden können.

Auch eine andere Zahl kann dann nicht mehr ignoriert werden: annähernd 63.000 Asylanträge wurden in den ersten drei Monaten des Jahres 2017 abgelehnt (2016: ca. 73.000, 2015: ca. 6.000). Viele dieser Verfahren werden ihre Fortsetzung in den Verwaltungsgerichten finden. Nehmen wir nun noch die etwa 265.000 offenen Erstverfahren hinzu, so stellt sich die Frage, warum die voraussichtlich mehr als 200.000 Menschen, die sich auch in 2017 (und 2018) noch in einem Asylverfahren befinden werden, trotz Arbeitsmarktzugang keine Zielgruppe der Arbeitsmarktpolitik sind? Diese Frage stellt sich bei einem ALG II – Bezug nicht mehr!

Indes stehen die Zeichen eher auf Sturm. Am 26.04.2017 wird der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat die Novellierung des AsylbLG beraten. Nicht Abschaffung, sondern Verschärfung des diskriminierenden AsylbLG steht dabei im Mittelpunkt der politischen Debatte. Bleibt die Hoffnung, dass sich jenseits einer in dieser Frage eher hoffnungsfernen CDU die anderen Regierungsparteien in den Ländern zu einer fulminanten Gegenattacke aufraffen und soziale Gerechtigkeit schon einmal im Vorwahlkampf probieren

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